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Quelle:
Gedichte
Carl Ferdinand Dräxler
Leben
Frankfurt a. M. 1838
Hrsg. Johann David Sauerländer
Die Jugend, die vorüberfuhr,
Wird sich im Liede paaren
Mit jener, die auf Edens Flur
Nicht wird vorüberfahren.
Rückert
Frühlingsbilder
Frühlingsanfang
Rätselhaft
Lenzbrief
Blumensonntag
Ernstes BumenliedSonnenschein
Abendgang
Nachtigall und Veilchen
Rosenruf
Lenzregen
Maienlust
Rückleben
Vorbilder
Frühlingsanfang
Und so wären wir denn fertig
Mit dem langen Wintergram,
Und der Wonne nur gewärtig,
Die uns nun im Lenze kam.
Wenn die Auen übergoldet
Werden stehn vom Sonnenglanz,
Und die Sonne minnesoldet
Aller Vöglein bunten Kranz.
Wenn in Düften und in Blüten
Schwelgt die Nachtigall, das Herz,
Und der Liebe goldne Mythen
Zaubrisch tönen allerwärts.
Lieder, Düfte, Sonnen, Sterne
In dem großen Wundersaal
Klingen liebeheiß und gerne
Wohl im herrlichen Choral.
Und die reichen Sängerherzen
Tuen auf den vollen Schacht,
Der, durchrankt von lichten Erzen,
Steht in heller Wunderpracht.
Der ein göttliches Gemenge
Ist von Gold und Edelstein,
Drum die Blumen lichter Sänge
Weben ihren heil'gen Schein.
Wie ein schönes Zaubermädchen
Blickt die Liebe in das Licht,
Die mit weichen Blumenfädchen
Nachtigall und Stern umflicht.
Veilchen, Lilien, Nelken, Rosen
Stehen traulich Arm in Arm,
Kennen all das Minnekosen
Fühlen all die Liebe warm.
Eine Hausfrau ist die Sonne,
Die verreist war über Land,
Und heimkehrend alle Wonne
In der Mutterbrust empfand.
Nach den Kindern muß sie schauen,
Wie sie auch da heißen all',
Menschen, Bäume, Blumen, Auen,
Seidenwurm und Nachtigall.
Und wie sie so voll der Liebe
Mit den Ihren allen spricht,
Schwellen Lieder, Blumen, Triebe,
Auf vor ihrem Angesicht.
Bräutlich steht die Welt bekränzet,
Süßer Regung sich bewußt,
Und wie Alles blüht und glänzet
Fühlt der Mensch die Frühlingslust.
Rätselhaft
Der Frühling ist herangekommen:
Wer weiß es wie?
Die Herzen werden tief beklommen:
Wer weiß es wie?
Die Nachtigall singt Lenzesgruß:
Woher hat sie dies Lied genommen?
Wer weiß es wie?
Die Blüten neigen sich zum Kuß,
Sie sind in Strahl und Duft entglommen
Wer weiß es wie?
Hinab zieht seine Bahn der Fluß,
Bald sind die Wellen fortgeschwommen:
Wer weiß es wie?
Und du mein Herz, da Lusterguß
Und Liebe dein sich angenommen,
(Wer weiß es wie?)
Ergib dich treu dem Vollgenuß!
Frag' nicht, wie alles dies gekommen?
Wer weiß es wie?
Lenzbrief
Dieses schrieb mit Abendgolde
Lenz in's blaue Firmament,
An die liebereiche, holde
Mutter, die sich Erde nennt:
"Sei gegrüßt zu tausendmalen!
Meinen vollen Liebesgruß
Send ich dir in tausend Strahlen
Und in Düften meinen Kuß.
Seit ich bin von dir geschieden,
Vielgeliebte Mutter mein,
Ist kein Frieden mehr hienieden
Und für mich kein Fröhlichsein.
Ach, und deine Klagen tragen
Auch die Lüfte zu mir her,
Die mir sagen, daß ertragen
Du die Trennung kannst nicht mehr.
Darum will ich wiederkehren,
Komme bald zu dir zurück,
Deine Zähren sollen klären
Sich in meinem Sonnenblick.
Scheiden sollen deine Leiden,
Übertönt durch meine Lust,
Und an Freuden möge weiden
Sich beseligt deine Brust.
Überschneit sind deine Hügel,
Deine Blumen abgedorrt,
Übereift dein Wellenspiegel,
Deine frohen Sänger fort.
Alle sollen wiederkommen,
Lerche, Nachtigall und Fink,
Bis in Wonne sie vernommen
Meinen ersten Liederwink.
Aber vorbereitet halten
Magst indes du Hof und Haus;
All die alten Frostgestalten
Treibe sorglich mir hinaus.
Sende Sonnenstrahl entgegen
Mir als Boten für mein Glück,
Feuchten Regen, der als Segen
Perlt im holden Mutterblick.
Daß ja keine Blume säume
Anzuziehn ihr grünes Kleid:
An die Keime sende Träume,
Von der Auferstehungszeit.
Bäume sollen sich bemoosen
Und bereit die Rosen stehn;
Denn mit Rosen will ich kosen
Und auf Rosen schlafen gehn.
Mahnung schicke deiner Quelle,
Daß ich steigen will in's Bad:
Ihre helle Silberwelle
Gaukle, wenn der Frühling naht.
Und vor Allem lasse ahnen
Deine Menschen Frühlingslicht:
Doch Profanen gilt dies Mahnen
Und der ganze Himmel nicht.
Hast du liebe, treugesinnte,
Vollen Herzens, gut und still,
Denen künde leis und linde,
Daß ich sie besuchen will.
Tröste Liebende mit Güte,
Ihre Leiden ziehn vorbei:
Denn Gemüte, wie die Blüte,
Lebet wieder auf im Mai.
Bringen will ich manche Gaben,
Manch ein neues buntes Kleid,
Will begaben und will laben,
Spenden will ich Seligkeit.
Allen send' ich stillen Frieden,
Sende buntes Glück herab,
Und den Müden, die geschieden,
Pflanz' ich Blumen auf das Grab.
Und so mögen Seligkeiten,
Fröhlichkeiten aller Art
Durch die Weiten sich verbreiten,
Rings um meinen Thron geschart.
Aber du, o Mutter, schaue
Auf mit heitrem Angesicht,
Bis die laue Luft, die blaue,
Dir verkündiget mein Licht;
Bis dir naht das Wonnetreiben
Meines frohen Elements,
Bis dahin will ich verbleiben
Liebevoll dein treuer Lenz."
— Als sie diesen Brief bedachte
War das Abenddunkel nah;
Und als Morgens sie erwachte,
War der schöne Schreiber da.
Blumensonntag
Hast du Blumen schon gesehen,
Wenn es Sonntag ist im Lenz,
Wie sie in dem Kreise stehen
Ihres duft'gen Elements?
Rose haucht die Duftgebete
Himmelaufwärts fromm und mild,
Wo die lichte Morgenröte
Prangt, ihr großes Spiegelbild.
Nelke steht im Spitzenkleide,
Fein geschnürt in grünen Samt,
Betet zu dem Luftgebäude,
Wo die Purpurleuchte flammt.
Tulipane, sie die Fromme
Öffnet ihren Blütenschrein,
Daß des Himmels Feuer komme,
Tauche ganz in sie hinein.
Veilchen sind gar gute Kleine,
Freu'n sich, daß es Sonntag ist,
Wo im Abendlustvereine
Vöglein sie und Glühwurm küßt.
In der großen Duftfamilie
Steht ein milder Priestergreis,
In dem Festgewand die Lilie,
Mit dem Haupte silberweiß;
Liest in jenem großen Buche,
Das gewebt aus Luftazur,
Wo, vereint zum Gottesspruche,
Sterne stehn in blauer Flur.
Liest die Wundercharaktere,
Die erkennbar nur zur Nacht,
Doch vor ihres Auges Kläre
Auch am Tage stehn in Pracht.
Betend stehet jede Blume
In dem Kreise weit und groß,
Vor des Altars Heiligtume,
Der geziert mit seidnem Moos.
Horch, da weh'n des Glöckleins Halle
Von der nahen Kirche her,
Und sie schaukeln frömmig Alle
Ihre Häupter hin und her.
Ernstes Bumenlied
Wieder wird der Lenz uns grüßen,
Und den goldnen Blütenkranz
Um das Haupt der Erde schließen;
Wieder wird im Maienglanz
Paradiesisches Entzücken
Jede Brust mit Tränen schmücken,
Treue Liebe still beglücken
Und mit Lust erfüllen ganz.
Aber Herz mit deinem Streben,
Das so ernst geworden nun,
Wird der Frühling deinem Leben
Auch die Zauberwirkung tun?
Was wohl gibt er dir zu eigen?
Wirst du jubeln oder schweigen,
Dich erheben oder beugen, —
Wirst du schaffen oder ruhn?
Ehdem, als ein froher Junge,
War mein Glück die Frühlingspracht,
Wenn sie mit dem Blütenschwunge
Plötzlich zauberhaft erwacht.
Seligstes von allen Losen,
Damals unter duft'gen Rosen
Liebeschwärmend hinzukosen
Jeden Tag und jede Nacht.
Doch der Zauber ist versunken,
Ob die Welt auch ewig mai't;
Ach, und nimmer frühlingstrunken
Wird mein Herz in seinem Leid.
Jetzt mit feierlichen Schlagen
Und mit tiefem ernsten Regen
Klopft es Einem nur entgegen,
Dem Gigantenschritt der Zeit.
Wohl wird neu der Lenz erscheinen,
Frohe Seelen zu erfreun,
Wieder wird in stillen Hainen
Nachtigall ihr Lied erneu'n;
Herz, mit deinem ernsten Willen,
Wird dein Sehnen sich erfüllen?
Ach, was wird wohl deiner stillen
Wünsche Frühlingsschicksal sein? —
Sonnenschein
Am Waldspalier
Der Pfirsichbaum
Fährt süß empor
Vom Wintertraum:
Bist du nun hier,
Lenzsonnenschein,
Mich fror, mich fror
In's Mark hinein.
Die Lerche schwirrt
Empor in's Blau:
Sei mir gegrüßt,
Du Azurblau!
Die Taube girrt,
Die Welle strahlt,
Die Rose sprießt
Im Lenze bald.
Der Mensch allein
Verkennt das Licht,
Sieht Lenzeslust
Und faßt sie nicht:
Lenzsonnenschein
Bannt alle Pein,
Nur Menschenbrust
Läßt ihn nicht ein!
Abendgang
Ich wandle durch des Gartens Grün,
Die Bäume und die Blumen blühn;
Der Frühling hat mit bunter Pracht
Die Erde und das Herz bedacht.
Die Bäume stehen still erfreut
In ihrer Blütenseligkeit,
Sie spiegeln stolz sich in der Flut
Mit jugendlichem Übermut.
Da kommt ein kühler Wind heran,
Er faßt die Zweige schüttelnd an,
Die Blüten fallen still herab
Und sinken in das Wellengrab.
O Wind! wie hast du schonungslos
Gewütet in des Frühlings Schoß;
Wie hast du grausam hingestreut,
Was Frucht zu werden sich gefreut!
O Glück! wie hast du schonungslos
Vernichtet mir ein schönes Los,
Vernichtet, was entstanden kaum,
Des Jugendlenzes süßen Traum!
All die Gedanken, die so mild
Wie Blüten mir das Herz erfüllt,
Was Tat zu werden sich gesehnt,
Hast du vernichtet und verhöhnt.
Der Baum steht an der stillen Flut,
Worin sein Blütensegen ruht;
Die Zweige neigt er leis hinein:
Wie mag ihm wohl zu Mute sein?
Ich aber wandle durch das Grün,
Wo Blumen stehn und Vögel ziehn;
Ich sehe Wiese, Baum und Bach,
Und denke meiner Jugend nach.
Nachtigall und Veilchen
Das Veilchen sprach zur Nachtigall
So recht aus frommer Seele:
Die goldbeschwingten Töne all,
Sie ruhn in deiner Kehle;
Die zauberhafte Liebe winkt
Gewährung deinem Regen,
Denn ach! dein voller Busen singt
Treuliebchen sich entgegen.
D'rauf Nachtigall mit süßem Ton:
Was willst du mich beneiden?
Mit Samt und goldner Kelcheskron'
Tät dich Natur bekleiden.
Und das ersingt die Seele mein,
Worin du stets dich badest:
Dein Liebster, Tau, findet sich ein.
Ob du ihn auch nicht ladest! —
Und wie sie also sprach zumal,
Da ist sie umgesunken,
Und aus der Sonne glühem Strahl
Hat Veilchen Tod getrunken.
Und wie so still und ungetrennt
Beisammen lag das Pärchen:
Das war doch wohl ein trübes End'
Von solchem hübschen Märchen!
Rosenruf
Ich die Rose frank und frei,
Königin der Düfte,
Sende dir Gesang im Mai
Grüßend durch die Lüfte.
Dir, o treues Menschenherz,
Treue Menschenseele,
Daß der Kummer und der Schmerz
Länger dich nicht quäle.
Blicke auf in Fröhlichkeit,
Sieh in meine Reiche,
Wie ich da an Seligkeit
Keiner mich vergleiche.
Wie das Leid zerronnen ist
An des Lenzes Sonne,
Und wie nun begonnen ist
Namenlose Wonne.
Wie das alte Kummerlied
Lautlos muß verklingen,
Und wie nun mein Schlummerlied
Nachtigallen singen.
Wie ich selig malte ganz
Als der Lust Vertreter,
Wie ich mich entfalte ganz
In dem Freudenäther.
Auf und tue mir es nach,
Trage Lust im Herzen,
Lenze rufen dir es wach
Aus den Winterschmerzen.
Auf und schnell gestalte dich,
Deine Schwingen übe,
Auf und hell entfalte dich,
Daß dich Alles liebe!
Lenzregen
Lenzregen ist der Bote,
Wie froh der Himmel eben,
Daß jetzt Natur, die tote,
Erwacht zu neuem Leben.
Drum reicht er rasch hinunter
Den vollen Wolkenbecher,
Die Erde, frühlingsmunter,
Ist gar ein wackrer Zecher.
Schlürft all die Tröpflein linde
Mit süßem Wohlgefallen,
D'raus wachsen Labyrinthe
Von duft'gen Blumenhallen.
Mairöslein sind Herolde
Zum großen Lustturniere,
Das nun beginnen sollte
Im goldnen Lenzreviere.
Rufen mit zarten Kehlen
Hinaus nach allen Winden,
Daß alle Frühlingsseelen
Zum Feste sich einfinden.
Lenzdichter sind die jungen
Mainachtigallen alle,
Aus ihren goldnen Zungen,
Blühn tausend Liebeshalle;
Aus ihren kleinen Herzen
Weht tönendes Entzücken,
Ihr Leid mit seinen Scherzen
Wußt' Frühling zu berücken.
Nun soll der Wettkampf gelten,
Der Mensch erscheint als Richter
Ach! und versteht so selten
Die Wunder und den Dichter.
Maienlust
Der Frühling kommt und gründet Maienlust,
Die Seelen auch entzündet Maienlust.
Auf Blumenblättern stehet hell geschrieben:
Verbreitet, duftverbündet Maienlust!
Die Sänger, die im Winter stumm geblieben,
Ein Jeder nun verkündet Maienlust.
Der Mondglanz strahlt, indem er silberklar
Sich durch das Dunkel windet, Maienlust:
Da wird dem Dichterherzen wunderbar,
Es jubelt und empfindet — Maienlust.
Rückleben
Die Erinn'rung an die Freunde,
Die mir je das Glück vereinte,
Nahe, ferne, liebe, treue,
Steigt im Lenze nun aufs Neue
Frisch mir in der Seele auf:
So wie aus den Erdenschoßen
Auferstehen die schönen Rosen,
Wie aus holder Philomelen
Liederreichen Sängerkehlen
Steigt der Melodieenlauf.
Jede Blume nickt mir süße
Wohlbekannte, liebe Grüße;
Jede spricht mit Freundestone,
Und aus jeder Blütenkrone
Sieht ein vielgeliebtes Haupt.
Seid nicht böse, wenn ich wanke!
Ach! es ist der Lustgedanke:
Weil ich all die lieben Freunde,
Die mir je das Glück vereinte,
Hier zu sehen nicht geglaubt.
Vorbilder
Der Baum, der abgedorrte,
Er sprießt und grünt,
Wenn Frühlingsworte
Erklungen sind;
Der Bach, der übereiste,
Seht, wie er zieht,
Und weiht dem Frühlingsgeiste
Sein Wellenlied;
Der Sänger, der betrübte,
Er singt und klingt,
Weil Lenz, der vielgeliebte,
Gesang ihm bringt.
Der Baum vielleicht bringt nimmer
Im Herbste Frucht:
Er hat nur Blütenschimmer
Hervorgesucht;
Den Bach, den unerschrocknen,
Bergab gewandt,
Seht ihr vielleicht vertrocknen
Im öden Sand;
Mein Lied, vielleicht daß Kränze
Es nie erringt, —
Gleichviel, es tönt im Lenze,
Wo Alles singt!