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Leben 1
 

Natur
Die Träne
Der Baum
Bach und Strom
Erinnerung
Der Mann
Trost
Ein Denkmal
Trinklied
Das Märchen beim Weine
Leben
Der Ritter
Der Unzufriedene
Legende von Jetzt

 

Natur


Es ist Natur der ew'ge Liebesbronnen
Tief in der Welt geheimnisvollem Kerne,
Darin glanzspiegelnd stehn die milden Sterne,
Vom reinen Licht der Himmel reich umsponnen.

Und wie die heil'gen Bilder, glanzumronnen,
In tiefer Flut sich spiegeln treu und gerne
Naht auch ein herrlich Bildnis aus der Ferne,
Das ist das Antlitz wohl der goldnen Sonnen.

Die ist gar groß, füllt mit dem Lichtgewande
Den klaren Spiegel aus, den ganzen Bronnen,
Und wird nur heller stets und nimmer trübe.

Mit seinem Eimer steht der Mensch am Rande,
Und schöpft die Flut, und denkt in stillen Wonnen
Ist doch Natur voll Gottes und der Liebe!

Die Träne

Im Winter, wo die Welt ringsher
So schauerlich erblichen,
Ist eine Träne trüb und schwer
In's Auge mir geschlichen.

Die Welt erwacht aus ihrem Tod,
Der Winter ist vertrieben;
Ich rieb mein Auge feuerrot,
Die Träne ist geblieben.

Vergebens wird sich Baum und Flur
Mit Frühlingsschimmer schmücken:
Ich darf die blühende Natur
In Tränen nur erblicken.

Im Winter gab es böse Zeit,
Da dacht' ich oft so trübe
Der seligen Vergangenheit,
So voll von Glück und Liebe.

Dann dacht' ich, was ich all gestrebt
Und was mir all mißlungen;
Und wie ich ewig glutbelebt
Doch nie ein Ziel errungen.

Ich dachte, wie es schmerzt und brennt,
Dies ewig leere Streben:
Mein Denken war ein Monument
Auf ein verfehltes Leben.

Mein Fühlen war so öd' und leer,
Und alles Glück entwichen;
Da ist die Träne trüb und schwer
In's Auge mir geschlichen.

Der Baum

Ich war ein Baum, umgrünt mit tausend Ästen,
Die streckt' ich freudig aus nach allen Winden,
Daß sie den süßen Nachtigallengästen
Sich allerwärts zum seidnen Dache winden.

Die milden Liebesänger kamen alle,
Es purpurte mein Grün die lichte Sonne,
Und aus der Lieder weichem Wunderschalle
Und aus dem Zauberglanze quoll mir Wonne.

Grünseiden wand die zarte Epheuranke
Um meinen Leib die liebeheißen Arme,
So wie ein minnelicher Lustgedanke
Das Herz umfaßt, damit es neu erwarme.

Und all mein Leben, all mein Lieben, Trachten
War heiß bemüht, auf daß kein Sturm sie fährde:
Und so begann ich selig zu erachten,
Wie Liebe wohl das höchste Glück der Erde!

Da kam der Winter her, der eisigkalte,
Der all des Herbstes Segen trägt zu Grabe,
Des Nordens Zauberer, der böse Alte,
Und riß vom Herzen mir die teure Habe;

Riß mir vom Leib die grünen Samtgewänder,
Und deckte mich mit ärmlich weißen Linnen:
So seh ich nach dem Lenz in alle Länder,
Von außen arm, und arm im Herzen drinnen.

Bach und Strom

Ach!
Da der Bach,
Rein und klar wie Gold,
Über Kieseln hingerollt
Wie war er da munter und hell,
Hinschlüpfend so lustig und schnell!
Die Ufer küßt' er, die Blumen all,
Lauschte entzückt dem Lied der Nachtigall,
Und wo er niederbraust im perlenden Fall,
Da hatt' er seinen eigenen Sang,
Und die Weiden, das Bett entlang,
Lispelten wohl bang
Dem kecken Bach
Ein Ach
Nach.

Jetzt,
Da er als Strom
Durch Täler hinweggesetzt
Und über Felsen hinüberklomm,
Wo der Wald finster und beengt
Um seine zerrissenen Ufer sich drängt,
Wo der schwankende Nachen, bang und verzagt,
Blitzschnell auf seinen schäumenden Wogen jagt:
Welch ein fürchterlicher und trüber Gesell
Wurde nicht das Bächlein, ehmals so hell!
Er dient in buntbewimpelter Tracht
Des Geizes unersättlicher Macht,
Vernichtet Blumen, Hütten und Saat,
Den Wanderer auf einsamem Pfad,
Und in sein wildes Gedröhn
Klingt Seufzer und Gestöhn
Der Not und Pein
Hinein!

Am Bache steht ein Jüngling still, allein
Im lichten Abendgolde,
Sein Auge ist so froh, sein Herz so rein,
Er denkt an seine Holde. —

Am Strome wankt ein Mann in finstrer Nacht,
Wie stiert er in die Welle!
Gebrochen ist sein Herz, sein Aug' nur wacht,
Und sucht die tiefste Stelle.

Erinnerung

Vor ihrer einsamen Felsenhöhle
Da sitzt die Altmutter Erinnerung,
Und der kalte zischende Herbstwind
Wirft abgefallne gelbe Blatter
Zu ihren Füßen hin.

Sie aber, die mächtige, zaubergewandte,
Sitzt still und sinnend und in sich gekehrt,
Blickt durch den Nebel von Jahren,
Durch den Schleier der Vergangenheiten,
Und zeichnet mit dem leichten
Perlenumglänzten Zauberstabe
Vor sich hin Figuren in den Sand;
Und wo sie ein abgewelktes Blatt
Berührt, da schimmert es auf
In seiner urstämmlichen grünenden Jugend,
Und erblaßt, und rollt sich traurig zusammen,
Wie ein frühbetrogenes Herz,
Wenn die Feenrute vorbeiglitt. —
Altmutter Erinnerung! ich stehe da
Vor deiner einsamen Felsenhöhle,
Wo ich oft schon stand und froh ward;
Auf! schwinge deinen Zauberzepter!
Laß mich schwelgen
In deinen gespenstischen Reizen!
Mache mich fröhlich
Mit deinem schmerzlichen Frohsinn!
Und prophezeihe mir, meisterhaft lügend
Aus dem vertauten Winter
Deiner pensionierten Seligkeiten
Einen lachenden Lenz meiner Zukunft!

Alte, du zögerst?
Verlangst vielleicht auch du von mir
Den sündigen Sperrgroschen,
Wie ich ihn Nachts taumelnd entrichten muß,
Wenn ich mich nach der elegischen Ruhe
Meines weißlakenen Bettes sehne?
Traun! ich denke, du hattest
Genug an mir verdient: — erstens,
Als du noch jung warst und mit mir buhltest,
Als du am Sonntag dem armen Knaben
Seine vier Groschen Recreationsgeld
Auf eiteln Pfefferkuchen herauslocktest;
Dann wie ich dein Schwiegersohn wurde
Und deine eitle Tochter, die Gegenwart, freite:
Da hast du viel von mir verdient, —
Du hast die Mitgift des Glücks zurück behalten.
Hast noch obenein mein Brautgeschenk genommen,
Und deine böse Tochter kostet mich viel,
Viel an Geld,
Und noch mehr an Tränen, Seufzern und Reue.

Böses altes Weib,
Laß ruhen deinen lügenden Bilderkram!
Still mit deinen windigen Spiegelfechtereien!
Ich habe das Leben bedacht,
Nicht das Konventionelle im Chapeau elaque,
Nicht das Finanzielle mit Rotschildischen Losen;
Nein, sondern was ein ehrlicher Kerl
So sein Leben und Streben nennt,
Das hab ich bedacht,
Und lache dein, du alte Betrügerin,
Will nichts mehr von dir wissen,
Und nichts von deiner erbärmlichen Tochter.
Alles hast du mir genommen,
Und deine Enkelin, die Zukunft,
Die du dem Witwer geben wolltest,
Sie flieht wie eine unreife Dafne,
Wo ich ihr folge, und läßt mir nicht einmal
Den Lorbeer zu meinem Sonntagsbraten.

Am besten, ich Bettler wandle hinaus
Weit, weit von dir,
Mit zwei Sellier'schen Pistolen,
Und schieße mir selbst was vor
Von meinem großen Kapital im Jenseits: —
Denn ich bin es müde,
Ewig betrogen zu sein
Von Mutter, Tochter und Enkelin,
Von der Zeit, von der Welt und vom Schicksal,
Wie der ewige Schnelläufer Ahasverus,
Der nicht einmal verweilen darf
In der freien Reichsstadt Frankfurt.

Der Mann

Es war einmal ein blasser Mann,
Der ging hinaus in's Feld,
Und sah die bleichen Sterne an,
Die über ihn gestellt.

Und seid ihr blaß, und seid ihr bleich,
Seid ihr's doch ohne Grund,
Denn eure Welt ist überreich
An Freuden jederstund.

Und seid ihr bleich, und seid ihr blaß,
Seid ihr doch froh dabei;
Denn wo nicht Lieb und wo nicht Haß,
Da ist die Seele frei. —

Und wie er so gesprochen trüb,
Da ging er wieder heim,
Und rafft' ein Buch, das ihm gar lieb;
Durch manchen alten Reim.

Saß nieder ernst, und sann und las,
Las wieder dann und sann;
Das dunkle Auge wurde naß
Und fröhlicher der Mann.

Die Blicke sahen himmelwärts,
Die Lippen sprachen: Ja,
Und Plötzlich schien erweicht das Herz,
Dem niemals wohlgeschah.

Im Buch aber geschrieben stund:
Vergib den Feinden dein,
Und wer dich haßt im Erdenrund,
Dem sollst du gram nicht sein;

Und was dir lieb im Erdenrund,
Lern' es entbehren gern;
Denn wer zu Klagen nie den Mund
Auftut, gefällt dem Herrn!

Trost

Sturmgetrieben, ohne Mast.
Fern dem Ziel ersehnter Landung
Treibt ein Schiff in Todeshast
Durch der Klippen wilde Brandung.

Bei des Wetters Ungestüm
Sieh, an Takelwerk und Segel
Suchen Rettung doch bei ihm
Sturmverschlag'ne Wandervögel.

Ohne Kompaß, ohne Mast
Durch das Weltmeer, das erboste,
Wankt dein Herz, und sieh, es paßt
Andern immer noch zum Troste.

Ein Denkmal

Habt ihr denn, ihr klugen Leute,
Niemals noch, wie ich, gedacht:
Dreißig Jahre zähl' ich heute,
Und was hab' ich schon vollbracht?

Ja, da zieh'n Erinnerungen
Bunt und lieblich wohl herauf,
Halb vergessen, halb verklungen
In der Zeiten raschem Lauf.

Ja, Erinnerungen viele;
Aber auch nicht eine Tat,
Nicht ein Schritt zum großen Ziele,
Nicht ein Korn zur schönen Saat.

Die Erinnerungen, sehet,
Schattenbilder an der Wand
Schwinden, wie das Licht vergehet,
Das ihr haltet in der Hand.

Aber was zur Tat gereifet,
Meißelt selbst sich in den Stein,
Und Unsterblichkeit bestreifet
Es mit ihrem Sonnenschein.

Eine kleine Ehrensäule
Mag ein Jeder sich erbau'n,
Und der Jahre rascher Eile
Still von ihr entgegenschau'n.

Kommt die Zeit dann und zertrümmert
Was er emsig hingestellt,
Etwas bleibt noch stets und schimmert
Lebenskunden durch die Welt.

Sei es auch nur das Gerölle
Jenes Steines, der zerbrach;
Sei es nur die stumme Stelle,
Wo ein Monument einst sprach.

Enkel werden nah'n und sinnen
Über den und über dich:
Namen wird man nicht gewinnen,
Doch die Tat, sie bleibt gewiß.

Forschen werden sie und denken,
Was wohl hier gewesen sei?
Und wenn heim den Schritt sie lenken,
Kommen sie ein Grab vorbei.

Neue Blumen, frische Keime
Blühen hier im Abendwind:
Ob des Schäfers frohe Träume
Blumen wohl geworden sind?

Trinklied

        Chor: Schenke, fülle rasch den Becher,
        Trinker, stürze rasch ihn aus:
        Segen über jeden Zecher,
        Segen über Haus und Schmaus!

Was wir lieben, möge leben!
Denke Jeder, was ihm paßt,
Was sein Herz mit frohem Beben
Und mit Seligkeit erfaßt:
Allen Bösen sei vergeben,
Und der Feind uns nicht verhaßt;
Bündnis, mit dem Blut der Reben
Unterschreibt dich jeder Gast.

        Chor: Schenke, fülle rasch den Becher,
        Trinker, stürze rasch ihn aus:
        Segen über jeden Zecher,
        Segen über Haus und Schmaus!

Und nun herzlich angestoßen,
Bringt ein neues Lebehoch
Allen Schönen, allem Großen,
Das entragt dem Zeitenjoch.
Alles Niedre sei verstoßen,
Das sich scheu vor'm Licht verkroch;
Fließe, wie einst Blut geflossen,
Rebenblut für Großes noch!

        Chor: Schenke, fülle rasch den Becher,
        Trinker, stürze rasch ihn aus:
        Segen über jeden Zecher,
        Segen über Haus und Schmaus!

Was wir brauchen! — denkt mitnichten
Egoistisch den Verein —
Was zum Leben und Verrichten
Nötig, muß vorhanden sein:
Nötig, wie das Herz zum Dichten,
Nötig, wie zum Trunk der Wein, —
Weil wir niemals d'rauf verzichten,
Laßt ihm einen Becher weih'n.

        Chor: Schenke, fülle rasch den Becher,
        Trinker, stürze rasch ihn aus:
        Segen über jeden Zecher,
        Segen über Haus und Schmaus!

Was wir wünschen! Ach! so selig
Ist ein ganz zufriednes Herz,
Und die Wünsche sind unzählig,
Leider jede Stunde lehrt's.
Angestoßen, daß allmählig
Sehnsucht schwinden mag und Schmerz,
Darauf trinkt der Zecher fröhlich
Halb im Ernste, halb im Scherz.

        Chor: Schenke, fülle rasch den Becher,
        Trinker, stürze rasch ihn aus:
        Segen über jeden Zecher,
        Segen über Haus und Schmaus!

Was wir küssen, sei gepriesen,
Küßt doch Jeder mit Geschick;
Alles ist uns zugewiesen,
Sei es Unglück oder Glück:
Kuß aus Liebesparadiesen,
Scheidekuß mit nassem Blick; —
Küßt die Becher, daß in diesen
Auch kein Tropfen bleibt zurück.

        Chor: Schenke, fülle rasch den Becher,
        Trinker, stürze rasch ihn aus:
        Segen über jeden Zecher,
        Segen über Haus und Schmaus!

Unsern Zeiten: doch wir wollen
Ernst auch nehmen ernste Zeit;
Manches wird erst kommen sollen,
Manches ist schon längst bereit.
Vieles liegt noch unter Schollen,
Vieles prangt im Frühlingskleid:
Glück und Zukunft! tut aus vollen
Bechern Alle d'rauf Bescheid.

        Chor: Schenke, fülle rasch den Becher,
        Trinker, stürze rasch ihn aus:
        Segen über jeden Zecher,
        Segen über Haus und Schmaus!

Unsern Brüdern! o wie viele
Faßt der schöne Name nicht,
Die nach einem großen Ziele
Ringen, nach demselben Licht,
Die im großen Weltgewühle
Niemals unser Arm umflicht:
Allen sei mit Hochgefühle
Dieses Grußes Vollgewicht!

        Chor: Schenke, fülle rasch den Becher,
        Trinker, stürze rasch ihn aus:
        Segen über jeden Zecher,
        Segen über Haus und Schmaus!

Nun das letzte Glas dem Weine,
Der uns Alle fröhlich macht,
Der dem traulichen Vereine
Frohsinn hat und Lust gebracht.
Hoch! und nicht allein der Eine,
Der uns hier entgegenlacht, —
Alle Weine, hell und reine,
Ausgeschlürft bei Tag und Nacht.

Das Märchen beim Weine

Es war am reichen, reizgeschmückten Rhein,
Da saß ich still in einer Rebenlaube;
Zu Füßen mir der Fluß im goldnen Schein,
Zu Häupten mir die schwere goldne Traube.

An meiner Seite stand ein holdes Kind,
Gleichwie des Rheines Tochter anzuschauen,
Gelblockig und blauäugig, wie sie sind,
Die schönen Mädchen in den Pfälzergauen.

O unbeschreiblich süße Doppellust,
Zu gleicher Zeit mit seligem Entzücken
Gelehnt an eine weiße Mädchenbrust,
Dem Rhein in's klare Auge tief zu blicken!

Dort siehst du der Vergangenheiten Pracht
Aus Wellenmärchen dir entgegenstrahlen;
Hier fühlst du, wie der Schönheit Zaubermacht
Die Gegenwart weiß reizend auszumalen.

Der Sonnenschein, die Trauben über mir,
Südduftend vor mir die gefüllte Flasche:
Ein seltnes Bild; sie schien der Phönix hier,
Die Sonne Glut, die Trauben seine Asche.

Und als ich ob des Weines starkem Duft
Verwundert, sprach das Kind mit süßem Munde:
"Erstaunt nicht, Herr, das liegt so in der Luft,
Gekeltert ward der Wein auf Arnspergs Grunde."

Und wie die Sage reizend sich am Rhein
Und unverhohlen schmiegt an die Geschichte.
So schenkte mir die Kleine mit dem Wein
Zugleich das Märchen ein, das ich berichte.

— Ein Köhler war's, der ging des Weges her,
Am Schlosse Arnsperg zog er dicht vorüber;
Heiß war der Tag, die Arbeit lang und schwer,
Den Armen plagt des Durstes heißes Fieber.

Rings, wo sein Auge späht in Berg und Kluft,
Kein Quell, der labend ihm entgegenlachte;
Vom Schlosse aber kam ein Weinesduft,
Der ihm die trockne Zunge lüstern machte.

Und jetzt ein Männlein sieht er, alt und klein,
Mit grüner Kapp' und großem Schlüsselbunde;
Das winkt, er folgt, tritt in den Schloßhof ein,
Und steht nun in bemooster Trümmer Runde.

Und abwärts geht's wie einen Kellergang,
Bis sie vor einer Felsenwand nun halten;
Des Alten Schlüssel winkt, der Felsen klang
Gleich einem Tore, doppelt aufgespalten.

Ein Keller ist's, worin das Paar nun hält,
Die Wand von hellem Lampenlicht umsäumet;
Ein Ehrenbett, worauf der Wein, der Held,
Von Rosenlippen schöner Zukunft träumet.

Rings ungeheure Fässer ohne Zahl,
Wie blanke Harnische von alten Riesen,
Auf jedem ein kristallener Pokal,
Als Page solchem Helden zugewiesen.

Und einen hebt mit Wein der Alte voll,
Und spricht kredenzend! "Nach vollbrachtem Werke
Bekommt ein Becher edeln Weines wohl:
Trink, Freund, es spende Labung dir und Stärke!

So hielt's mein Herr; Gastfreundschaft hat er mir
Im Kellermeisteramte aufgetragen;
Ich übe sie dreihundert Jahre hier —
Laß dir den edeln Königswein behagen!"

Der Köhler trinkt. Zwar rieseln bei dem Wort
Geheime Schauer ihm durch seine Glieder;
Doch bannt des Weines Zauber bald sie fort,
Und Kraft und Mut und Frohsinn kehren wieder.

Und selber füllt er jetzt den Becher an,
Und reicht mit heitrer Miene ihn dem Alten:
"Allein zu trinken hat nie gut getan,
Ein wackrer Gastfreund muß sich zu mir halten!"

Des Alten Auge wird verklärt, er trinkt.
"Hab Dank, o Freund, ob des Erlösungswortes!
Und daß dir diese Stunde Segen bringt,
Gedenk des Königsweines und des Ortes!"

Er sprach es und verschwand; mit ihm verschwand
Pokal und Faß; das Frührot hob den Schleier,
Der Köhler auf dem alten Wege stand,
Und dachte an das seltne Abenteuer.

Er sann und fand die Deutung für das Wort.
Weinreben pflanzt er hin auf Arnspergs Grunde,
Die brachten reiche Schätze ihm sofort;
Das war der Segen ihm von jener Stunde. —

— Das Mädchen schwieg; die Gläser füllt' ich an
Und sprach, indem ich eines ihr kredenzte:
"Allein zu trinken hat nie gut getan!"
Sie tat Bescheid, das schöne Auge glänzte.

Und wie so reizend war das Lippenpaar;
Indem es nippend mir den Wein versüßte,
Da dünkte mir, daß doppelt reizend gar
Im heißen Liebeskuß es werden müßte.

Erproben wollt' ich meinen stillen Satz,
Da lief sie fort — verschwunden war die Kleine.
Der Köhler fand und ich verlor den Schatz:
So wechseln Menschenlose selbst beim Weine!

Leben

Es ist ein eignes hohes Glück, zu leben,
Ein Aar empor zur Sonnenburg zu dringen,
Gehoben von der Weisheit Riesenschwingen,
Nach blitzumdräuter Siegespalm zu streben.

Ob auch des Zweifels Wolken dich umgeben,
Dein Blick soll stets zum Sternendome ringen:
Denn leben heißt, sein eignes Ziel erringen,
Und nicht im Erdenwallen liegt das Leben.

Dort sinkt der Taucher in das Flutgewühle,
Vielleicht, daß er der Wellen Kühlung fühle?
Du irrst, — die reine Perle wünscht er gern.

So ist das Hiersein nur des Lebens Schale,
Die einst sich öffnet in der Götter Saale,
Des Menschen eignes Ziel — das ist der Kern.

Der Ritter

Dort oben auf dem Schlosse,
Da haust ein kühner Held,
Sein Schwert ist ihm ein Zepter,
Die Burg ihm eine Welt.

Die Blumen sind die Kronen,
Die er in's Haupt sich drückt,
Der Schild ist ihm der Purpur,
Der seine Linke schmückt.

Die Lanze ist sein Liebchen,
Das er mit Treu' umschlingt,
Der Sattel ist sein Samtthron,
Worauf er richtend winkt.

So haust er still dort oben,
Bis ihn der Tod begrüßt:
Da wird der Speer zum Baume,
Der seinem Grab entsprießt.

Die Burg wird zur Kapelle,
Worin er schlafend ruht,
Und auf dem Sattel träumet
Sein müdes Haupt wohl gut.

Die Blumen sind sein Lager,
Zur Decke ward der Schild,
Das Schwert ziert seinen Hügel
Als stilles Kreuzesbild.

Der Unzufriedene

Finster war ich, trüb und stumm,
Die Welt lag blühend um mich herum,
Die Sonne mit heiterem Frühlingsstrahl
Vergoldete Berg und Wiese und Tal:
Ich aber sah in mich selbst nur hinein,
Und fühlte nur Qual und dachte nur Pein.
Das Herz zerrissen, das Leben zerstört,
Die Hoffnung in Todeswunsch verkehrt,
So saß ich, das Haupt in die Hand gesenkt,
Tiefinnerst von Welt und Menschen gekränkt.

O Leben, mit deiner gleißenden Pracht,
Wie hast du mein Hoffen und Sehnen verlacht,
Vernichtet, was ich still genährt,
Und was mir heilig war, zerstört!
Du warfst den lodernden Feuerbrand
In mein friedlich Dach mit grausamer Hand,
Du gossest Gift mir in Ader und Mark,
Du machtest mich nur zum Verderben stark;

Du pflanztest in die Seele die Saat
Der Sehnsucht nach unendlicher Tat,
Lenktest den tausendfältig bewegten Blick
Auf Liebe und Ruhm und Freude und Glück.
Trugbilder nur haschte mein Wahn;
O Leben, o Welt, ich klage dich an:
Nun du dich an meinem Irrtum satt geschwelgt,
Nun steh' ich in der blühenden Schöpfung verwelkt,
Verwelkt, verlassen, vernichtet durch Pein,
Und unter tausend Menschen — allein!

Allein?! So fragst du mit bitterem Hohn,
Du des lauschenden Felsen äffender Ton?
Allein, ja allein!
Und doch, — nein!
Sieh, Welt, ich habe dir Unrecht getan!
Es lebt noch Einer, ein guter alter Mann:
Sein Auge ist blau, die Locke ist weiß,
Und die Träne, die er um mich weint, ist heiß.
Oft saß ich auf seinem Schoß als Kind,
Er hielt mich so gut und sprach so lind;
Und wenn mein Kopf aufwärts gelehnt,
Nach seinem milden Blicke sich gesehnt,

Da küßt' er mich oft mit so innigem Kuß,
Daß ich ewig seiner gedenken muß.
Ja, den alten Mann, dem Himmel sei Dank,
Den hab' ich noch und den behalt' ich noch lang;
Aber er leidet seit Jahren schon,
Er weint um den fernen unglücklichen Sohn:
Er weint, den ich liebe, Er!
Und außer ihm habe ich Niemand mehr.

Niemand mehr? — und doch halt!
Was wandelt dort unten für eine Gestalt?
Jugendlich, kräftig, entschlossen und fest,
Ein braves Herz, das nicht von mir läßt,
Ein Herz, das mit mir lacht und mit mir weint,
Ein anderes Ich, mein Trost, mein Freund.
Den hab' ich dir noch abgetrotzt, o Welt,
Der mich mit treuem Arm umschlungen hält,
Dies Herz, worein ich gelegt mein Sinnen und Tun,
Um von den Stürmen des Irrtums auszuruh'n,
Dies Herz, ich sag' es mit Stolz, ist mein;
Doch außer ihm — bin ich in der Welt allein!

Allein? Ganz allein? und Niemand mehr mir lieb?
Lieb? — O mein Gott, vergib! vergib!
Ich bin ein Frevler, ein Läst'rer, o mehr noch als das!
Ich dachte des Höchsten nicht, das ich besaß.
Lieb? — Und ich dachte nicht an Sie? — An Sie,
Die meiner Seele das Leben verlieh;
An Sie, die mein Denken, mein Tun, mein Tag, mein Licht,
An Sie, der mein Leben zum Kranze sich flicht.
Sie, die der Liebe blühenden Wunderbaum
Gepflanzt in meines Herzens sonnigen Raum,
Sie, die in des Lebens Drang und Krieg
Die Waffe des Liedes mir zeigte zum Sieg!
O Angebetete, kannst du es je verzeihn,
Daß ich mir im Leben erschienen allein?
Allein! und ich habe dich und Vater und Freund,
Und einen Frühling, der mir entgegenscheint,
Und eine Welt voll Blüten und Sonnenglanz,
Und ein Herz, dies Alles aufzufassen ganz,
Ein Meer von Hoffnungen, worauf meiner Wünsche Kahn
Wohl einst noch findet die richtige Bahn,
Eine Brust, die freudig ein Morgenrot
Von jungen Gesängen der Welt entbot,
Dies alles Liebe und Gute ist mein,
Und mehr noch kann künftig gewonnen sein.

— So dacht' ich,
Und freundlich von seiner Himmelsbahn
Sah mich der rosige Frühlingsabend an;
Heim ging ich,
Und daß ich nicht bleibe allein,
Kam bald der liebe Mond zu mir herein;
Und später schrieb ich den ganzen Gedankenverlauf
Zu Nutz und Frommen manchem Klagenden auf.

Legende von Jetzt

Ich legte nieder mich, so krank und wund,
Vertrocknet war im Fieber mir der Mund;
Es flog der Puls, der Odem strömte heiß,
Jetzt fühlt' ich Glut, jetzt rieselt' es wie Eis.

Kein süßer Schlummer überraschte mich,
Die Sinne tobten, und die Nacht, sie schlich
Wie ein Gespenst dahin sich an der Wand,
Die Stunden klopfend mit der Knochenhand.

Da plötzlich ist's, als sinkt die Mauer ein,
Viel tausend goldne Strahlen zieh'n herein,
In ihrem wunderbaren Glanze wallt
Inmitten eines Engels Lichtgestalt.

Und dieser Engel — seine Züge sah'n
Wie meines Vaters Züge mild mich an,
Nur milder — wie ein Menschenangesicht
Verschönt und selig wird im Himmelslicht.

Und als der heil'ge Bote näher schwebt,
Da sah' ich, wie den Arm er winkend hebt,
Und fühle mich berührt von seiner Hand:
Es zuckt mein Herz — und die Gestalt verschwand.

Ich legte nieder mich, so krank und wund,
Des Morgens war ich kräftig und gesund:
In mildem Schweiß gebadet wurd' ich wach,
Und dachte meinem schönen Traume nach.