| Hebelieder
 
 1.
 Die Geliebte
 
 Die Geliebte, der ich lebe,
 Aller meiner Freuden Bild,
 Wurde mir nun auch zur Hebe,
 Die mir meinen Becher füllt.
 
 Ja, sie füllt ihn fröhlich singend,
 Daß entschwinde jeder Harm,
 Meinen Nacken süß umschlingend
 Mit dem weichen Lilienarm.
 
 Dann versucht mit süßen Lippen
 Sie des Trankes Feuerkraft,
 Seligkeit mir vorzunippen
 Aus dem roten Rebensaft.
 
 Und bedünken will mich's immer,
 Rot geworden sei der Wein
 Von der Wangen Rosenschimmer
 Und der Lippen Widerschein.
 
 2.
 Hebe
 
 Ganymeda, holdes Weib,
 Mit der vollen Schale,
 Mit dem wunderschönen Leib
 Und dem Lustpokale!
 In der frohen Götter Schar,
 In Kronions Saale:
 Sehen möcht' ich dich fürwahr
 In der Anmut Strahle!
 
 Doch aus Liebe wünsch' ich's nicht,
 Nur aus Wißbegierde;
 Denn ich kenn' ein Angesicht
 Voll der Schönheitzierde,
 Angehörig einer Maid,
 Die dir gleich an Würde,
 Und die dich an Herrlichkeit
 Überstrahlen würde.
 
 Möge preisen dich der Sang
 Aller in der Runde,
 Weil du schenken kannst zu Dank
 Deinem Götterbunde: —
 Glaube, daß kein Wein so leicht
 Jemals besser munde,
 Als den mir mein Mädchen reicht
 In verliebter Stunde.
 
 3.
 Die Schenkin
 
 Was von seinen schönen Heben
 Je geträumt der Okzident,
 Ist in Wirklichkeit gegeben
 Dem beglückten Orient.
 
 Seine Schenkin heiter lächelnd
 Füllt Hafisen den Pokal,
 Unterdes ein Zephir fächelnd
 Ihr die Nackenhülle stahl.
 
 Reizend, wie man Hebe malte,
 Überfliegt sie Rosenschein,
 Und kein schön'res Bildnis strahlte
 Jemals in den Wein hinein.
 
 Ihre Lippen und den Becher
 Bietet sie ihm liebevoll,
 Und der süßbewegte Zecher
 Weiß nicht, was er wählen soll?
 
 Was das Abendland erdachte
 Als ein schönes Ideal,
 Seht, im Morgenland erwachte
 Es im hellen Farbenstrahl.
 
 Gleichen will ich drum dem Perser,
 Mit der Schenkin hold und fein:
 Bin ich doch so reich an Versen,
 Und das schönste Mädchen mein.
 
 Ob sie mich begeistern dürfte,
 Wenn sie mir zur Seite stand? —
 Ach, wer ihre Küsse schlürfte
 Und den Wein von ihrer Hand:
 
 Dem erwacht die Dichtergabe,
 Als ob Zauber sie erschuf,
 Und mir deucht, ein wenig habe
 Ich doch auch dazu Beruf.
 
 4.
 Toast
 
 Fröhlich lebe
 Meine Hebe,
 Die der Rebe
 Süßes Blut mir beut:
 Sie die Eine,
 Die dem Weine
 Gibt die reine
 Liebeseligkeit.
 
 Sei es westlich
 Oder östlich,
 Ach, so köstlich
 Ist, was sie kredenzt;
 Staunt, ihr Brüder,
 Immer wieder
 Wenn mein Lieder-
 Schmuck die Schöne kränzt
 
 Biete süße
 Liebesküsse,
 Gieße, gieße
 Feuerreichen Wein:
 Nur die Spende
 Deiner Hände,
 Sie vollende
 Ganz mein Seligsein!
 
 Darum lebe
 Meine Hebe,
 Die der Rebe
 Süße Glut nur beut
 Sie die Eine,
 Die dem Weine
 Gibt die reine
 Liebeseligkeit!
 
 Leichter Sinn
 
 1.
 Es sprach die Feder heut:
 O sag, mein Lieber,
 Ist denn die Liederzeit
 Bei dir vorüber?
 
 Bin ich dir denn zu klein
 Zum Liebesdienste;
 Sind Küsse denn allein
 Jetzt deine Künste?
 
 "O schweige still, mein Kind,
 Und sei gewärtig;
 Mit einem Mal oft sind
 Viel Lieder fertig.
 
 Doch Küsse schmäle nicht,
 Die Liedern gleichen,
 So still die Seele spricht
 In Lippenzeichen."
 
 2.
 Abends wenn durch blaue Höhen
 Geht das stille Sternenheer,
 Kommt die lieblichste der Feen
 Aus den Wolken zu mir her;
 Ihre süßen Augen blicken
 Wie zwei Strahlen in die Nacht,
 Ihre Lippen, sie entzücken
 Mir das Herz mit Zaubermacht.
 
 Leise flüstert sie mir Jenes,
 Und von Diesem spricht sie süß:
 Was sie denken mag ist Schönes,
 Was sie gibt ein Paradies.
 In die trunk'nen Arme pressen
 Möcht' ich für und für mein Glück,
 Riefe neidisch sie indessen
 Nicht die Mitternacht zurück.
 
 Und sie weilt in holder Säumnis,
 Sagt mir schnell dann Lebewohl,
 Weil die Welt um das Geheimnis
 Unsres Glücks nicht wissen soll; —
 Ahnte die, was in den Tagen
 Meines Frohsinns Quelle sei,
 Würde sie die Nächte fragen —
 Und der Zauber wär vorbei.
 
 3.
 Was Frühling und Gesang
 Und Sonnenlicht,
 Ihr machtet mir nur bang,
 War Liebe nicht!
 
 Zwar ist die Blume schön,
 Die Welle klar,
 Und Nachtigallgetön
 Gar wunderbar.
 
 Doch vollen Zauber gibt
 Erst Liebe euch;
 Es fühlt sich, wer verliebt,
 Den Göttern gleich.
 
 Ihm singt die Nachtigall
 In Hymnen Glück,
 Es spiegelt Wasserfall
 Ihm Glück zurück;
 
 Glück deutet ihm das Grün,
 Des Himmels Blau,
 Und Glück ist rings um ihn,
 Wohin er schau'.
 
 Und schlummert er, so lullt
 Das Glück ihn ein,
 Von Engeln und von Huld
 Träumt er allein.
 
 Und stirbt er, so war Glück
 Sein Lebenslauf,
 Und jenseits schlägt den Blick
 Er glücklich auf.
 
 4.
 Eine gute Nacht
 Hab ich jüngst gefunden,
 Eine süße Fracht
 Holdverträumter Stunden.
 
 Engel hatten Acht
 Über mich im Traume,
 Einer küßte sacht
 Mich am Lippensaume.
 
 Morgens aufgewacht,
 Hab ich süßbeklommen
 Leise nachgedacht,
 Wie das all gekommen?
 
 Und es fiel mir ein,
 Was die Liebste sagte,
 Als ich über mein
 Scheidenmüssen klagte.
 
 Süß rief sie den Gruß
 Gute Nacht! beim Trennen,
 Und dies Wörtlein muß
 Wunder wirken können.
 
 5.
 Erst küßt' ich galant
 Dir die weiße Hand,
 Wußte vorzuflöten
 Dir von Liebesnöten;
 Stiller ward ich dann,
 Seufzte dann und wann,
 Küßte deine Stirne,
 Daß sie mir nicht zürne.
 Jetzt ist Glück mein Los
 Und der Jubel groß,
 Denn im Liebesbunde
 Küss ich dich am Munde.
 Geht das Ding so fort,
 Werd' ich ohne Wort
 Nächstens, Liebchen, müssen
 Deine — Seele küssen.
 
 6.
 Du von allen Wesen
 Warst mir auserlesen,
 Um den Wetterwendigen
 Also sanft zu bändigen,
 Daß er jetzt in Treue
 Dir allein nur glüht,
 Und in dir die Weihe
 Seines Lebens sieht.
 
 Schmetterling, der bunte,
 Macht die Blumenrunde:
 Aber kommt der flüchtige
 An die schöne, züchtige
 Blumenfürstin Rose,
 Um die still er wirbt,
 Dauert sein Gekose
 Bis mit ihr er stirbt.
 
 Ihre Blätter fallen
 Mit den Reizen allen;
 Unter den gesunkenen
 Seht ihr auch den Trunkenen
 Liegen tot im Staube,
 Weil's kein schön'res Grab
 Als im Rosenlaube
 Für den Falter gab.
 
 7.
 Mein Kind, du bist schön,
 Und das ist viel,
 Doch Reize vergehn
 Im Liebespiel.
 
 Schön ist auch der Mai
 Und schwindet doch:
 Sind Reize vorbei,
 Was bleibt dir noch?
 
 Mein Kind, du bist gut,
 Und das ist mehr:
 Auf Güte beruht
 Die Liebe sehr.
 
 Sie gleicht einer Blüte
 Im Himmelslicht,
 Doch richtet die Güte
 Noch Alles nicht.
 
 Lieb bist du, mein Kind,
 Das gilt zumeist,
 Denn das nur gewinnt
 Dir Leib und Geist.
 
 Das macht mich so heiter,
 Und hält mich fest,
 Weil es an nichts weiter
 Mich denken läßt.
 
 8.
 Noch ein Lied, noch ein Lied,
 Nur nicht geschwiegen!
 Rose blüht, Herz entglüht
 Voll von Vergnügen.
 
 Wer noch erst trübe war,
 Lenz weiß zu siegen, —
 Glückliche Liebe war
 Niemals verschwiegen;
 
 Schlürft all die Seligkeit
 In vollen Zügen,
 Bis ihre Fröhlichkeit
 Liedern entstiegen;
 
 Liedern, die liebewarm
 Plaudern und lügen,
 Wie dich der Liebe Arm
 Süß weiß zu wiegen.
 
 Solchem Verliebten Brauch
 Mußt du dich fügen,
 Und deiner Liebe auch
 Singend genügen!
 
 9.
 Als ich mich verliebte
 War es Winter, kalt,
 Doch die Liebe übte
 Frühlingswunder bald.
 
 Nun der Lenz in klarer
 Schönheit kam herein,
 Ward ein wunderbarer
 Doppelfrühling mein.
 
 Den ich fühle Einer,
 Einer den ich seh';
 Wer vergliche meiner
 Seligkeit sich je?
 
 Muß der Eine flüchten.
 Weiß der Andre treu
 Stets mir vorzudichten
 Blüte, Duft und Mai.
 
 Beide Lenzgewalten
 Üben süße Lust,
 Daß sich kaum zu halten
 Weiß die trunk'ne Brust.
 
 Doch statt zu verstummen,
 Gibt es Saus und Braus:
 Jener schlägt in Blumen,
 Der in Lieder aus.
 
 10.
 Eine Rose,
 Die aus grünem Moose
 Sanft das Köpfchen mir entgegen wiegte,
 Pflückt' ich eilig,
 Als ich heimlich neulich
 Mich zu dir, mein süßes Lieb, verfügte.
 
 Insgeheime
 Flüstert mir die Kleine,
 Fröhlich, bald sich an dich anzuschließen:
 Ihr mich geben
 Heißt so viel doch eben
 Als ein Tröpflein in das Meer zu gießen.
 
 Angekommen,
 Hast du sie genommen,
 Sie an deinen Busen zu erheben;
 Da verklärte
 Die Beneidenswerte
 Sich in Glanz und sprach mit Wonnebeben:
 
 Erst im Grünen
 Stand ich, und es schienen
 Mir die Lüfte doch so kalt zu wehen:
 Nun im Schnee
 Stehen ich mich sehe,
 Möcht' ich doch vor heißer Lust vergehen.
 
 11.
 In schattigen Locken
 Ein Engelgesicht,
 Die Stimme wie Glocken,
 Das Auge wie Licht;
 Im Kinne ein Grübchen,
 Mein reizendes Liebchen,
 Wer kennte dich nicht?
 
 Oft dünkt mich ein Scherz nur
 Mein süßes Geschick:
 Mir poche dies Herz nur,
 Mir stamme dein Blick.
 Die Brust wird mir enge,
 Ich denke Gesänge
 Und spreche Musik.
 
 Doch wie es gekommen
 Dies Glück ohne Maß?
 Ich werde beklommen
 Fragt ihr mich um das.
 Mein Segen genügt mir,
 Und endlich was liegt mir
 Am Wie und am Was!
 
 12.
 Tage ohne dich,
 Leere, liebelose:
 Glück, verschone mich
 Mit so hartem Lose!
 
 Saget an, wer kann
 Erst in Lust sich senken,
 Und gleichgültig dann
 An's Entbehren denken?
 
 Jeder Tag bei dir,
 Gleicht dem Blatt, dem schönen,
 Das mit Liedern mir
 Füllen die Kamönen.
 
 Ohne dich ein Tag
 Gleicht dem leeren, blanken,
 Das vergebens mag
 Harren der Gedanken.
 
 Sieh', wie Ruhm und Glück
 Du in dir vereinest,
 Wenn du meinem Blick
 Tag für Tag erscheinest.
 
 13.
 Die Liebste küßte mich,
 Das heißt:
 Gib doch zur Ruhe dich,
 Du Plaudergeist!
 
 Nicht Alles sag' der Welt.
 Sei still:
 Es schweige, wer gefällt
 Und küssen will.
 
 Ich schweige, weil ich soll
 Und muß:
 Fürwahr ein süßer Zoll
 Ist solch ein Kuß.
 
 Da gibt's zu denken kaum
 Mehr Zeit,
 Zu sehen keinen Raum
 Als Lippenbreit;
 
 Zu fühlen, was ein Arm
 Umspannt,
 Was liebezitternd warm
 Drückt eine Hand.
 
 Die Lieder enden still
 Die Reih'n:
 Es läßt, wer küssen will,
 Das Singen sein!
 
 Einst
 
 Einst lebt' ich wie die Entzückten
 Mit aller Welt in Ruh'.
 Zwei himmlische Augen blickten
 Mir ewig Liebe zu.
 
 Zwei Lippen flüsterten leise
 Gar manchen süßen Scherz,
 Zwei Arme, blendendweiße,
 Sie zogen mich an's Herz.
 
 An's Herz, d'raus liebendes Feuer
 Auf mich herüberflog,
 Und Herz und Leben und Leier
 Mit Glut mir überzog.
 
 Mit Glut, so die Seele wieder,
 Ein Ätna, schlug in die Höh',
 Und dann als Lava der Lieder
 Forttrieb zum Lebenssee.
 
 O Augen, o Lippen, o Arme,
 O Zeit, wo bist du hin!
 Von all' dem Freudenschwarme
 Was blieb mir zum Gewinn?
 
 Nichts als die Erinnerung eben,
 Die mich ergötzen darf,
 Als Perle, die in mein Leben
 Das karge Glück mir warf.
 
 Die Linde
 
 Noch als Jüngling in die Rinde
 Schnitt ich einer jungen Linde
 Jenen holden Namen, dessen
 Ich im Leben nie vergessen.
 
 Ob es wohl der Baum verstand,
 Was ich damals tief empfand,
 Weil des Harzes Tränen kamen
 Perlend aus dem süßen Namen.
 
 Und ein schönes Bild im Herzen,
 Hab' ich meiner Liebe Schmerzen
 In die Fremde fortgetragen,
 Ruh' und Frieden zu erjagen.
 
 Manch ein langes Jahr entschwand,
 Bis ich wieder ein mich fand,
 Und die Linde, die betagte,
 Über mein Geheimnis fragte.
 
 Aufgewuchert ganz entsetzlich
 Sah ich jenen Namen plötzlich,
 Und in ungeheuren Zügen
 Rings den weiten Stamm umschmiegen.
 
 Und das Bild in meiner Brust,
 Mit dem einst ich flüchten mußt',
 Fühlt' ich Armer, gleicherweise
 Groß geworden auf der Reise.
 
 Aus einer Liebesgeschichte
 
 1.
 Überblick
 
 Wenn ich so mit der Feder niedersitze,
 Um aufzuzeichnen, wie es sich ergeben,
 Daß deines Auges zaubervolle Blitze
 Zur Liebesglut enflammten all mein Leben:
 O süßes Kind!
 Wie manche Träne rinnt
 Dann als ein Opfer der Erinn'rung nieder,
 Und muß dem Glanze spiegelglatter Lieder
 Sich wie ein trüber Hauch verweben.
 
 Es war im Tanz; da schwebtest du, beseelet
 Von tausend Reizen, reich- und wunderbaren,
 Es war, als ob die Schönheit dich erwählet,
 Um sich in deinem Bild zu offenbaren:
 In deinem Bild,
 Das wunderlieb und mild,
 Ein Konterfei der Göttin war zu schauen,
 Zu dem, sich zu entzücken und erbauen,
 Begeistert pilgerten die Scharen.
 
 Das blaue Auge sah so innig nieder,
 Das Haupt umkränzte weich die blonde Locke,
 Geschaffen war das Ebenmaß der Glieder,
 Daß Jedem es ein Sehnsucht-Ach! entlocke;
 Der Mund, ein Thron
 Für Venus süßen Sohn,
 Er schien, geschlossen, Schönes zu verschweigen,
 Und knospte manchmal auf, um sich zu zeigen
 Als der Empfindung reine Glocke.
 
 Und näher zog's mich stets in deine Kreise,
 So wie die Mücke sich im Glanze spiegelt;
 Auf sah ich zu dir, sprach und bebte leise, —
 Wir schwebten durch den Saal musikbeflügelt.
 Und diese Hand,
 Die da mich fremd umwand,
 Und diese Lippen, damals still verlegen,
 Sie hatten bald — o wunderbarer Segen! —
 Der Liebe Bündnis mir besiegelt.
 
 O diese Hand, worauf der Schnee gefallen
 Und milde Rosennebel süß zerflossen,
 Was hätte sie, die herrlichste von allen,
 Für Paradiese meinem Blick erschlossen!
 Was hätte sie
 Mit ihres Druckes Poesie,
 Von dieser Lippen heil'gem Ja begleitet,
 Für Seligkeiten meiner Brust bereitet,
 Für Zauber über mich ergossen!
 
 Still jubelnd sog ich rasch das Glück der Jahre
 Wie Rosenduft des milden Augenblickes,
 War doch der Himmel stets, der blaue, klare,
 Mir aufgetan und voll des schönsten Glückes!
 Kuß flog um Kuß
 Im sel'gen Überfluß:
 Wer mochte da noch denken und beachten,
 Daß sich die Himmelsfernen trüb umnachten
 Mit Wetterwolken des Geschickes.
 
 Wer mochte da noch grübeln, wo die Stunde
 Mit allen Freudezaubern ihn umsponnen?
 Wo, wie aus eines Füllhorns reichem Munde,
 Sich ewig niedersenkten neue Wonnen.
 O süße Zeit!
 Wo Liebesseligkeit
 All ihren Glanz und ihre Strahlenspenden
 An dieses Herz gewürdigt zu verschwenden,
 Um dieses Leben zu durchsonnen.
 
 Da kam das Mißgeschick, der böse Riese,
 Still lauernd in des Lebens Dämmerungen,
 Und stieß mich wild aus meinem Paradiese,
 Von keiner Wut, von keinem Fleh'n bezwungen;
 Hinaus, hinaus
 In Nacht und trüben Graus:
 Da harr' ich eines Gottes, der mich rettet,
 Wie ein Prometheus schmerzlich angekettet
 Am Felsen der Erinnerungen.
 
 2.
 Einzelner Fall
 
 Die Nacht war schwarz, wie im Gesicht ein Mohr,
 Draus sah der Mond, im Aug' das Weiße, vor,
 Und Sturm und Blitz in wildbewegtem Drange
 War Fackelträger mir auf meinem Gange.
 Rings die Narzissen an des Gartens Weiher,
 Kopfschüttelnd schienen sie mir nachzusehn,
 Die Lilie schien mit ihrem weißen Schleier
 Ein angstbewegtes "Nein" mir zuzuwehn:
 Mich aber trieb der Sinne wildes Feuer
 Noch spät zu meinem Liebchen hinzugehn.
 
 Und als ich fort am andern Morgen ging,
 Der Sturm in Wolken nur am Himmel hing;
 So wie das Meer, ausruhend vom Orkane,
 Geborstne Trümmer zeigt auf seinem Plane;
 So wie ein Rasender, der ausgeflucht,
 Und nun in Tränen seinen Frieden sucht.
 Still war der Garten; seine grüne Fahne,
 Der Baum weht stumm in eine öde Bucht.
 Ich weiß nicht, was verdüstert die Narzissen,
 Sie wandten schamverwirrt sich von mir ab;
 Der Lilie weißer Schleier war zerrissen,
 Sie sah geknickt vom Stiele in ihr Grab.
 
 3.
 Das End' vom Liede
 
 Sie war ein Bild — es läßt sich nicht beschreiben,
 Wie sie der Schönheit milder Glanz umfloß,
 Wie sich der Anmut wunderbares Treiben,
 Ein Himmel, um die Engelseele goß;
 Sanft überfunkelte die schöne Miene
 Der Frohsinn mit des Lächelns holdem Sieg',
 Indes der Lippen glühendem Rubine
 Der milde Zauber, Melodie, entstieg.
 
 Stilleuchtend lag das Diadem der Würde
 Auf ihrem süßen Haupt in vollem Glanz,
 Es war als ob der Himmel ihr zur Zierde
 Sich aller Schönheit nun entvölkert ganz;
 Der Seele Frieden — wär' er ihr geblieben! —
 Er strahlte klar aus ihrem Angesicht,
 Und nur die stille Fähigkeit zu lieben
 Wob ein geheimes Rätsel in dies Licht.
 
 Ein Rätsel, das in Jammer aufzulösen
 Das Unglück zum Ödipus mich gereift; —
 Erloschen ist mein Aug', seit ich's gewesen,
 Der dies Geheimnis grausam abgestreift;
 Vertrocknet dieses Herz, seit des Geschickes
 Abgründe gähnend ich eröffnet sah:
 Hinunter schaut' ich, — und die Sphinx des Glückes,
 Ach, sie lag leblos und zerschmettert da.
 
 Verstand und Herz
 
 Junker Verstand war nicht zu Hause,
 Dame Herz trat in die Tür,
 Still war's, wie in einer Klause,
 In dem schläfrigen Quartier.
 
 Diener und Zofen schlichen stille
 Auf den Zehen Schritt für Schritt.
 Und der Haushahn und die Grille
 Selber hielten Ordnung mit.
 
 Aber die Dame winkte lächelnd,
 Blumen brachte man herein,
 Und ein Zugwind fegte fächelnd
 Des Pedanten Stube rein.
 
 Blühender wurde nun das Leben,
 Luftig wurde Mann und Maus,
 Liederklänge durften schweben
 Süßmelodisch durch das Haus.
 
 Leuchtende Kerzen an den Wänden,
 In den Sälen Klang und Tanz,
 Und ein fröhliches Verschwenden,
 Und ein freies Leben ganz.
 
 Endlich da kam der Junker wieder,
 Mit der Dame gab's Verdruß:
 Schwester, du wirfst alles nieder,
 Was ich mühsam bauen muß. —
 
 Junker Verstand macht saure Mienen,
 Dame Herz, die wurde still,
 Und muß jetzt als Hausmagd dienen,
 Wenn sie bei ihm bleiben will.
 
 Zweite Liebe
 
 Nie wohl mocht ich es vermuten,
 Daß ich wieder lieben soll,
 Bis der zweiten Liebe Gluten
 Mich berauschten zaubervoll.
 
 So die Nachtigall, wenn heiter
 Sie der bunte Lenz umspann,
 Glaubt's unmöglich, daß ein zweiter
 Gleiche Lust ihr bringen kann.
 
 Und es war ein selig Wähnen,
 Dieses erste Paradies,
 Das im Schein verliebter Tränen
 Doppelt glänzend sich erwies.
 
 Ähnlich einer Zauberblume,
 Die nur Einmal blühen will,
 Stand im Herzensheiligtume
 Meine Liebe fromm und still.
 
 Daß es nicht an andern fehle,
 Wenn die eine welkt und bricht,
 Daran dachte meine Seele,
 Weiß der liebe Himmel! nicht.
 
 Verbotene Liebe
 
 1.
 Die ich besaß, die ich besitzen können,
 Erfüllten Alle mich mit Leid und Pein:
 Dich werd' ich nie die Meine dürfen nennen,
 So wirst wohl du mir Glück und Leben sein!
 Die ewig sind geschieden, trifft kein Trennen,
 Und immer reizt, was ewig fremd und rein:
 Zwei Flammen seht ihr nebensammen brennen,
 Zuzüngelnd sich mit doppelt hellem Schein.
 
 2.
 So wie der Mondschein auf der Welle zittert,
 Erhellend und zugleich sie heimlich küssend,
 So wie der Epheu sich um Lauben gittert,
 Umblühend sie, und — um Geheimes wissend:
 So trifft dein Blick mich scheinbar kalt
 Und doch in süßer Liebeshuld zerfließend.
 Ist's nicht der Göttin reizende Gestalt,
 Die sich dem Träumenden nur wollte zeigen?
 Gemach, gemach, mein Herz, und lerne schweigen,
 Sonst flieht, Endymion! dein Segen bald.
 
 3.
 Wer vergäße nicht so Vieles,
 Wenn er bei dir ist,
 Und im Jubel des Gefühles
 Deine Lippe küßt,
 Wo im Taumel holden Spieles
 Rings die Welt zerfließt,
 Und du jeden holden Zieles
 Inbegriff ihm bist.
 
 4.
 Einmal geseh'n nach langer Zeit,
 Herz, lerne dich begnügen,
 Und schlürf des Anblicks Seligkeit
 In langen, langen Zügen.
 O Glück, du wolltest nur mit Qual
 Die Sehnsucht mir belügen,
 Und bietest nun mit einemmal
 Mir stille Freuden ohne Zahl
 Und namenlos Vergnügen.
 
 5.
 O wie ich, Welt, dich jetzo lieben muß,
 Seit dich in ihr und sie in dir ich fand!
 Mein Herz von seinem Liebesüberfluß
 Zahlt dir ein Bares auf die leere Hand,
 Die Hand, die ewig drohend mit Verdruß,
 Von Wunden mir gerissen den Verband.
 Jetzt schließe sie, zieh ein, nimm meinen Gruß,
 Nichts gibt es zwischen uns mehr auszumachen:
 Der Fährmann hat nun seinen Obolus,
 Gönn' mir ein Plätzchen in dem Liebesnachen.
 
 6.
 Kennst du vom Hermelin die schöne Sage,
 Das lieber stirbt, eh' es sein reines Vlies
 Von bösen Händen sich besudeln ließ?
 Geliebtes Wesen, trage sie, o trage
 Im Herzen als ein Wort für deine Tage.
 Wie ist der innre Friede gar so süß;
 Wie schön, daß einst an deinem Sarkophage
 Ein treues Herz mit leisen Tränen klage:
 Der Liebe reines Hermelin war dies!
 
 7.
 Jedes süße Wort von dir
 Ist ein Raub;
 Jedem Liebesflehn von mir
 Bist du taub;
 Dennoch oft gewährst du mild,
 Was kein Bitten vorgebracht,
 Und erhörest lieberfüllt,
 Was ich leise kaum gedacht.
 
 8.
 Als ich dich sah zum erstenmal,
 War mir, als sah ich dich schon oft;
 Du warst mir wie der Maienstrahl,
 Auf den das Herz schon lange hofft
 Und den es doch schon lange kennt,
 Weil es ihn den Geliebten nennt:
 Das kommt, weil schöne Frauen, Kind,
 Dem Lenz so nah' verschwistert sind.
 
 9.
 Ein Glück, daß Niemand deinen süßen Lippen
 Es ansieht, wen beglückt ihr heißer Kuß;
 Ein Glück, daß man, um Seligkeit zu nippen,
 Nicht bei der Welt Erlaubnis betteln muß;
 Ein Glück, daß Herzen mit dem ersten Schlage
 Sich ganz verstehn, wenn sie einander lieb:
 Ein Unglück, daß dem Zauber jener Tage
 Ein allzutreu Gedächtnis mir verblieb!
 
 10.
 Ein Talisman ruht deine weiche Locke
 Auf meinem Herzen zaubervoll,
 Erinnernd, wie die Welt es auch verlocke,
 Wen es für ewig lieben soll.
 Nicht schönern Grabstein hat ein Herz gefunden,
 Als dieses blonde Lockenmonument,
 Das mit dem ganzen Himmel mich verbunden,
 Und liebreich von der Erde mich getrennt.
 
 11.
 O nennt mich eitel nicht, weil ich mein Los,
 Als wär' es des Verdienstes Krone, male:
 O nein, unwürdig wohl, und glücklich bloß,
 Sonn' ich mich in dem reichsten Liebestrahle. —
 Doch ist mein Glück so überschwenglich groß,
 Daß ich, wenn ich nur etwas euch verriete,
 Leicht in den Schein der Eitelkeit geriete, —
 Indes so reich ist meines Segens Masse,
 Daß ich sie selber noch nicht ganz erfasse.
 
 12.
 Und doch, wie sich die allerhöchste Lust
 Mit Unglück kann verschwistern und verbinden,
 Des werd' ich durch mein Schicksal mir bewußt.
 O sieh, die Rose blüht an deiner Brust,
 Beglückt, so schöne Stelle sich zu finden:
 Doch harre nur, wie bald ihr Los sich wendet!
 Sie zahlt dies Glück mit ihres Lebens Schatze.
 Schön ist der Ort fürwahr, an dem sie endet,
 Und dennoch war sie nicht an ihrem Platze.
 
 Der Hirtenknabe
 
 Ich war ein stiller Hirtenknabe
 Mit blauem Aug' und blondem Haar,
 Und zog an meinem Schäferstabe
 Durch Berg und Tal so manches Jahr.
 
 So freundlich lachten mir die Auen,
 Die Blumen gaben süßen Wink
 Und schienen fröhlich aufzuschauen,
 Wenn singend ich vorüberging.
 
 Es kam, wenn ich hinausgezogen,
 Der Lenz und setzte sich zu mir,
 Er war so lieb mir und gewogen,
 Und gab mir Küsse für und für.
 
 Wir spielten fröhlich dann mitsammen,
 Bald warf er mich mit Blütenschnee,
 Bald ließ er Rosenlichter flammen,
 Bald Lieder tönen in der Höh'.
 
 Und schlief ich ein mit frohem Mute,
 So sah den Frieden ich im Traum
 Wie er im Himmelsgarten ruhte
 In schattenreicher Palmen Raum
 
 Ein Bild nur konnte da mir taugen,
 Ich trug es still in meinem Sinn:
 Das war mit ihren lieben Augen
 Die wunderschöne Schäferin.
 
 So kamen Jahre und vergingen;
 Da kam auch endlich andre Zeit,
 Und Neuem mußt' ich mich verdingen,
 In fremde Kreise eingeweiht.
 
 Zum Ritter mußt' ich mich verwandeln,
 An meiner Seite glänzt ein Schwert,
 Und all mein Streben und mein Handeln
 Ist, seiner mich zu zeigen wert.
 
 Es weht mein Helmbusch durch die Lüfte,
 Ich bin gerühmt im weiten Land,
 Die Blumen aber und die Düfte,
 Sie grüßen nimmer mich bekannt.
 
 Der Lenz geht scheu an mir vorüber,
 Er kennt den Spielgenossen nicht,
 Ich selber aber wandle trüber
 Und sehe träumend in sein Licht.
 
 So schreit' ich durch das wirre Leben,
 Erprobe oft den Arm im Strauß:
 Mühsal ward mir genug gegeben,
 Und selten, selten ruh' ich aus.
 
 Dann seh' ich im bewegten Traume
 Nicht jenen Friedensengel mehr:
 Ein Rauschen tönt vom Palmenbaume,
 Und unter ihm ist's öd' und leer.
 
 Ein Bild nur mag mich noch entzücken,
 Ich trag es still in meinem Sinn,
 Das ist mit ihren Flammenblicken
 Die wunderschöne Schäferin.
 
 Dies Bild, es schwimmt in meinen Tränen,
 Begeistert Lieder mir und Schwert:
 So unerreichbar meinem Sehnen,
 Als meinem Herzen ewig wert.
 
 So bin ich gänzlich umgestaltet:
 Ein Lieben ohne Hoffnungstrahl,
 Ein Schaffen, dran das Herz erkaltet,
 Ein Leben voll von Schmerz und Qual.
 
 Und soll ich nun das Rätsel lösen,
 Das ich euch bildlich vorgesetzt?
 Ich bin ein Jüngling einst gewesen,
 Und bin ein Mann geworden jetzt.
 
 
 
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