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Reiselieder
 

Aufruf
Im Tal
Wasserfahrt
Das Kreuz
Nachtlager

 

Aufruf


Hinaus in Gottes Welt, hinaus
Zu Abend und zu Tag!
Daß Jeder in dem Segenshaus
Sich still erstellen mag;

Sich still erfreu' an Gottes Huld,
An seines Nächsten Glück,
Und dann dem Herrn abtrag' die Schuld
In einem Tränenblick.

Denn wie den süßen Rosenschrein
Auftut der Sonnenglanz,
So scheint er auch in's Herz hinein
Und macht es freudig ganz;

Und wird zum lichten Strahlensteg,
Worauf die Seele wallt,
Bis sie beendet jenen Weg
Und macht im Himmel Halt.

Des Abends aber, wenn im Blau
Die Mondesleuchte hangt,
Und um den großen Himmelsbau
Der Sterne Heer sich rankt:

Da gleicht der Mensch der Muschel ganz,
Eröffnend sich mit Lust,
Damit der segenvolle Glanz
Heimsuche ihre Brust;

Damit die Perle drin, das Herz,
Sich spiegl' in Gottes Schein,
Und was da strahlet obenwärts
In sich auch schlürfe ein.

Drum froh in Gottes Welt hinaus
Zu Abend und zu Tag!
Daß Jeder in dem Freudenhaus
Sich still ergötzen mag.

Damit, was Nachts die Himmelsglut
Erregt in seiner Brust,
Er über Tag mit frohem Mut
Vollbring' und frommer Lust;

Und was erregt des Tages Schein
In seinem Herzensraum,
Nacht über sich ihm mild und fein
Verschling' zum sel'gen Traum!

Im Tal

Vom Berg hinab, in's Tal hinein
Wie wird dem Herzen wohl,
Da liegt Natur im Strahlenschein,
Ein blühendes Symbol.

Wie schön, und doch so anders ganz
Als oben auf den Höh'n,
Die all so ernst im düstern Glanz
Mit Stolz herniederseh'n.

Es ist, als ob die Berge da
Wie Riesen stünden rings,
Auf die der Herr im Zorne sah,
Gewärtig seines Winks.

Ein Mädchen aber ist das Tal
In wundervollem Reiz,
Vom lichten Sonn- und Blumenstrahl
Verkläret allerseits.

Rundum da stehn die Riesen nun,
Und lassen Niemand ein:
Die Maid in ihrem schönen Tun
Muß ungestöret sein.

Der Lenz, der süße Junker nur
In seinem schmucken Kleid,
Der Sommer mit der Perlenschnur
Aus Sonnenglanz gefeit;

Der Herbst mit seinem Hofgesind,
Mit mancher goldnen Frucht,
Und Vater Winter, der sein Kind
Zu allerletzt besucht:

Das sind die lieben Gäste all,
Die nah'n aus Nord und Süd,
Und dann der klare Wasserfall,
D'rin sie sich still besieht.

Für Andre sind die Riesen taub
Und halten stumme Wacht,
Umringt von Felsen, und vom Laub
Als Helmbusch überdacht.

Doch wer durch's Blätterlabyrinth
Sich windet an den Tag,
Und nun gesehn das holde Kind,
Wie es so schlummernd lag;

Der fürchtet wohl ein andermal
Die Riesen alle nicht,
Und dringt durch Büsche ohne Zahl,
Wie ich, durch Nacht zum Licht.

Wasserfahrt

Auf lichtem blauem Wassersteg,
Da reist es sich so schön,
Die Wellen kennen ihren Weg
Und bleiben nie wohl stehn.

Und blickt man aus dem Schiff hinaus
In's weite Perlenreich,
Das rings gezieret wie ein Haus
Mit Wellen spiegelgleich:

Wie wird da Einem wohl um's Herz,
Die Flut versteht uns ja,
Da unsre Lust und unser Schmerz
Uns d'raus entgegen sah.

Die Sterne stehen alle d'rin,
Wie Blumen licht und bunt,
Mit wundersamem Rätselsinn
Gewachsen aus dem Grund.

Das macht, die Nacht, die gute Fee,
Liebt Wellen gleich und Stern,
Und schmückt mit solchem Blütenschnee
Zum Abendfest sich gern.

Fuhr dann aus solchem Beet das Schiff
An Sternenblumen reich, —
Wie da die Wonne um sich griff!
Wie alle Herzen weich!

Die Schiffer stehn in stummer Lust,
Und wurzeln Blick in Blick,
Viel lieber teilten Brust an Brust
Sie all ihr süßes Glück.

Da greift dort vorn der Silbergreis
Hinein in seine Harf',
Wie ziehn die Töne mild und leis
Bald wieder wild und scharf.

Und Alle, die sich fremd zuvor,
Sind nun mit Eins bekannt,
Der Lieder milder Zauberchor
Hat allen Zwang verbannt.

Jetzt naht das Schifflein seinem Ort,
Die Pilger stehn am Strand:
"Du Bruder rechts? Du links? Du dort?
Ich muß nach jenem Land.

Leb wohl, leb wohl, lebt Alle wohl,
Denkt an die Wasserfahrt:
Und wenn ich euch einst finden soll,
So sei's in gleicher Art!"

Das Kreuz

Die Stunden flieh'n, der Weg ist lang,
Doch weil' ich gerne hier:
Du Friedensholz so schlicht und schlank,
Wie winkst du segnend mir!

Bist wohl der große Palmenbaum,
Der in die Himmel rankt,
Und in dem lichten Sternenraum
Mit ew'gen Blüten prangt?

Die große Segensblume, so
Aus heil'gem Blute keimt,
Aus deren Wunderkelche froh
Der Menschheit Segen schäumt.

Und wie ich also denke still,
Da rauscht es rings und klingt,
Als ob das Kreuzbild sprechen will,
Als ob der Felsen singt:

Kennst du mich denn so wenig nur
In meiner Macht und Pracht;
Steht meines Lichtes heil'ge Spur
Vor dir in trüber Nacht?

Sie nennen mich auf weiter Welt
Das große Wunderschwert,
Das Er, der heil'ge Gottesheld,
Gepflanzet in die Erd';

Gepflanzet in die Welt, daß da
Mag ewig Friede sein,
Und daß das Schwert vom Golgatha
Als Richter sehe d'rein.

So schau ich liebreich von den Höhn
Jahrtausende schon lang,
Und all die Menschen gehn und stehn
Bei mir mit frommem Sang.

Und halte, wie ein Kuppelstein,
Zusammen alle Welt,
Bis einst im vollen Strahlenschein
Zurückekehrt mein Held. —

So rauscht es rings zu mir heran
Mit wundervollem Wort,
Die milde Abendröte spann
Am Purpurrocken fort.

Mir aber ward so wohl zu Mut,
Zum Kreuze blickt' ich reg',
Empfahl mich jener heil'gen Hut,
Und ging dann meinen Weg.

Nachtlager

Die Nacht ist still, die Menschen ruhn
Auf ihrem Lager aus:
Was wohl daheim die Lieben tun
Im traulich stillen Haus? —

Und sieh, mit Einemmal zerspellt
Inmitten sich die Wand,
Die Stube wird zur weiten Welt, —
Wie fern seh' ich in's Land!

Und dort an manchem Riesenbau
In schmucker Zierlichkeit,
Umgrenzt von Münstern alt und grau
Aus edler deutscher Zeit;

Da steht ein Häuslein schön und klein
Mit Fenstern hoch und spitz,
D'raus stammt der lichte Ampelschein
Hinaus gleich einem Blitz.

Und an dem Tische rein und glatt,
Da sitzt ein Silbergreis,
Liest aus der Bibel manches Blatt
Dem guten Kinderkreis.

An ihm sitzt eine Frau gar gut,
Der seh' ich ähnlich ganz,
Gar frommes, altes, deutsches Blut
In all der Ihren Kranz.

Da schließt der Greis das heil'ge Buch,
Erhebt vom Sitze sich
Und spricht den frommen Abendspruch
Gar treu und inniglich.

Dann glänzt sein Aug' in frommer Glut,
Zum Himmel blickt er auf:
"Herr, schenke jedem Pilger gut
Die Ruh nach seinem Lauf.

Und nimm auch unser liebes Blut,
Das auf dem Wege wacht,
Allheiliger, in deine Hut,
Beschirm' es diese Nacht!"

Und wie ich solches Wort vernahm,
Da möcht' ich weinen schier,
Fort ist der Traum so wundersam,
Der Morgen blickt nach mir.

Hab' Dank für allen Segen dein,
O Herr, in dieser Nacht,
Und laß mich bald bei Jenem sein,
Der betend für mich wacht!