Bei
Jahren
Früh Morgens schlüpft der Sonnenschein
So klar und rein zu dir herein
Und schleicht sich immer weiter.
Heraus Gesell, vom Bette schnell!
Er macht dir Herz und Stube hell
Und deine Seele heiter.
Jetzt bist du frisch und aufgeräumt,
Nur nicht gesäumt und noch geträumt,
Jetzt laß die Zügel schießen.
Am Morgen schafft die frische Kraft,
Und bist du einmal launenhaft,
So leg' dich aufs Genießen.
Der neue Tag, o sieh, er lacht
In stiller Pracht und Schönheitsmacht,
Das laß dir nicht entgehen,
Begeisterung und hoher Schwung
Zu geistiger Eroberung
Wird deine Brust durchwehen.
Vor Jahren als ein Jüngling du,
Da schliefst du zu in süßer Ruh,
Das war dir zu. vergeben;
O Seligkeit, ein Wald von Zeit,
Wo Tag' und Jahre dichtgereiht,
War damals noch dein Leben.
Doch jetzt wirst du allmählig alt,
Gelichtet bald ist jener Wald,
Du mußt um Stunden geizen;
Drum stehle sie dem Morgen früh
Und schwelge jung die Phantasie
An jungen Tagesreizen.
Wohl hat das alte Sprichwort Grund:
Die Morgenstund hat Gold im Mund,
Auf mache dir's zu eigen;
Es gibt Natur dir Silber nur,
Doch soll einst deines Daseins Spur
Das Gold der Arbeit zeigen.
Was zu erwarten
Im Garten stand ein grüner Baum,
Erwacht vom schweren Wintertraum,
Zu diesem trat des Gärtners Sohn,
Besah den Stamm sich bis zur Kron
Und fragte dann: O Bäumchen, sprich,
Schmückt wohl die Frucht im Herbste dich?
Der Baum: "Das weiß ich selber nicht,
Ich brauche Regen, brauche Licht,
Bedarf des lieben Himmels Gunst
Und auch der Menschen Hilf' und Kunst,
Damit, was in mir treibt und schwellt,
Zu Früchten werde für die Welt.
Im letzten Sommer, denke dran,
Hat mir der Blitz gar weh getan,
Riß von der Seite mir den Ast,
Den ich mit Lieb' und Lust umfaßt,
Ich ward versengt, ich ward entlaubt
Und Kraft und Hoffen mir geraubt.
Jetzt schwellt die Zweige wohl der Saft,
Die Werkstatt der Natur sie schafft,
Doch was an Früchten mir gedeiht,
Das ruht im Glück und in der Zeit,
Und wer sich wenig nur verhofft,
Den überrascht der Himmel oft."
Bäume — Wünsche
Ich stand in einer Baumallee,
Die Bäume dicht in meiner Näh'
Wie ragten sie ins Blaue;
Die weitern, kleiner wurden die
Und immer niedrer schienen sie,
So weit ich sie erschaue.
Sie deuchten mir wie Wünsche just,
Die aus der armen Menschenbrust
Zu steigen sich erdreisten:
Ununterbrochen eh' wie jetzt,
Und Niemand weiß es wann zuletzt,
Und unerfüllt die meisten.
Die ersten, da du Jüngling noch,
Wie steigen die, so hoch, so hoch,
Es schwindelt sie zu denken;
Und mit den Jahren abwärts geht's,
Da werden sie geringer stets
Und sich zur Erde senken.
Die ersten so gigantisch kühn,
Gewipfel, dessen Hoffnungsgrün
Dem Blick kaum zu erreichen;
Die weitern klein, doch dichtgereiht
Und ach, für Hand und Fuß so weit,
Als ob zurück sie weichen.
Der Stamm so hoch, der Mensch so klein,
Der Wunsch so schön, doch selten dein,
Was er gewährt will sehen! —
Ich schreite durch der Bäume Reih
Und denke sorgenvoll dabei:
Wie wird es weiter gehen?
Vom Gaste
1.
Arm bin ich und kaum beschieden
Ist das Nötige mir eben,
Doch Bescheidenheit und Frieden
Leiten gut durchs Leben.
Und als Glück, von Gott gespendet,
Wußt' ich immer es zu schätzen,
Wenn mir ward ein Gast gesendet,
Sich zu mir zu setzen.
Wenn des Sitzenden ich pflegte,
Und es kam dann noch ein Zweiter,
Weiß der Himmel, so bewegte
Sich mein Herz erfreuter.
Ob mich auch die Sorge drückte,
Wie zu speisen sie und tränken:
Gott, der mir die Beiden schickte,
Wird auch mein gedenken!
2.
Ich zu Tische gehen,
Während vor der Tür
Ich den Gast ließ stehen,
Gott bewahre mich dafür!
Ist er reich, nur ehren
Wird mich sein Bescheid,
Ist er arm — verklären
Mich des Gebens Seligkeit.
Nur herein! die heitre
Miene würzt das Mahl,
Und die Lust erweitre
Enge Pfähle uns zum Saal.
Gottgesandt, willkommen
Sei, o lieber Gast!
Seit du Platz genommen,
Ward die Hütte zum Palast.
3.
Blumen gibt's, die sich entfärben,
Wenn der Nordwind sie bestreicht,
Gute Werke auch verderben,
Wenn ein finstrer Blick sie reicht.
Darum, gebe ich auch wenig,
Geb' ich gern als froher Mann,
Bin ich doch ein kleiner König,
Wenn ich Andern geben kann.
Sollt' ich erst das Glück erreichen
Und mich schatzgesegnet sehn,
Wollt ich gern dem Obstbaum gleichen
Und in Dorfes Mitte stehn.
Wollte meine Früchte zeigen:
Jungens kommt im raschen Lauf,
Braucht nicht erst empor zu steigen,
Haltet nur die Hände auf!
Freund und Frau
Ein wahrer Freund, o merke das!
Sei gegenüber dir wie Glas:
Das läßt nicht Wind noch Regen ein,
Doch Wärme wohl und Sonnenschein;
Das zeigt dir treulich dein Gesicht,
Doch schmeichelt und verzerrt es nicht;
Das schärft dein Auge, wenn es gilt,
Und rückt dir näher Bild um Bild;
Das reicht dir deinen Labetrank
Und hat geleert den besten Dank.
Ein treuer Freund, des achte wohl!
Der hat im Baume sein Symbol:
Der beut dir erst sein Schattendach
Und seine Früchte hintennach;
Der zimmert sich zum Hause dir,
Wo Glück und Liebe nimmt Quartier;
Der brennt im Span und Gas dir hell
Und wärmet deine Feuerstell';
Und winterst du dich sterbend ein,
Umschließt er dich als letzter Schrein.
Ein Mädchen, das dir wohlgefällt,
Ist wie der Sonnenschein dem Feld:
Er locket Keime hier und Saat,
Sie wecket Träume dir und Tat;
Er macht aufjubeln Au und Hag,
Sie selig dich im Zauberschlag;
Es sehnt nach ihm sich jede Flur,
Und schmachtend folgst du ihrer Spur;
Wie wird durch ihn die Erde warm,
Doch wärmer dir in ihrem Arm!
Ein liebes Weib, das dir gehört,
Ist wie die Luft so rein und wert:
Du atmest sie und bist gesund,
Dein Dasein ist mit ihr im Bund, —
Sie deiner, ihrer du ein Stück
Notwendigkeit und Liebesglück;
Ein Engel, ruhig, mild und klar,
Umgibt sie dich allimmerdar;
Und senken sie dich tot hinab,
Umsäuselt trauernd sie dein Grab.
Innere Reinheit
Makellos im Innern sein,
Das ist Tugend nur allein,
Alles Andre eitel.
Solcher Reinheit sei bemüht,
Sie durchstrahle dein Gemüt,
Leuchte dir vom Scheitel.
Äußre Reinheit, sie ist leicht
Durch des Wassers Kraft erreicht,
Innre nur durch Wahrheit;
Diese ist's, die echt beglückt,
Weil sie deine Seele schmückt
Mit dem Glanz der Klarheit.
Schatz und edles Eigentum,
Bildet sie den höchsten Ruhm,
Den ein Mann sich gründe;
Aller Prunk ist widerlich,
Zeiht der Menschen Urteil dich
Und dein Herz der Sünde.
Geheimes
In des Herzens tiefster Ecke
Hat wohl Jeder, der da lebt,
Ein Geheimnis, dessen Decke
Er vor Andern nicht erhebt.
Liebe, Habsucht, Ehrbegierde,
Rache oder künftige Tat,
Bald sein Glück, bald seine Bürde,
Wohlgeborgen vor Verrat.
Aber rührt des Zufalls Finger
Hin, wo das Geheimnis ruht,
Regt sich's in dem dunklen Zwinger,
Und die Wangen färbt das Blut.
Noch ein Ruck, und von den Lippen
Fliegt, was streng verschwiegen war,
Und die Fremden und die Sippen
Sehen nun dein Innres klar.
Wie ein Rätsel, das erraten,
Schiebt beiseite dich die Welt
Und durchwühlt mit ihrem Spaten
Dann ein andres Neugierfeld.
Darum du dem Acker gleiche,
Der wohl oben grünt und sprießt,
Doch die inneren Bereiche
Vor dem Bauer tief verschließt.
Nur ein Bergmann darf es wagen,
Teuf' und schürfe mit Bedacht:
Hat er glücklich eingeschlagen,
Trifft er wohl auf Gold im Schacht.
Manchmal
Recht, daß vor der Welt du schweigest,
Und ihr kalten Gleichmut zeigest,
Gleichsam als ob deine Seele
Nichts Besonderes verhehle,
Was die Leute zwar erspähen,
Aber nur mit Neide sehen.
Manchmal doch an rechten Orten
Überrasche sie mit Worten,
Welche ihnen unerwartet:
Zeig' daß anders du geartet,
Daß es lohnte aufzupassen,
Wolltest du dich hören lassen.
Selbst den Himmel ja vergessen
Die nur schwätzen und nur essen;
Aber wenn er einmal wettert,
Blitzt und donnert und zerschmettert,
Haben sie vor Angst beklommen
Neu vor ihm Respekt bekommen.
Dichter
Wenn der Blume Blüten fallen
Und ihr süßer Duft verflogen,
Hört ihr auch das Lob verhallen,
Das die Menge ihr gelogen.
Wenn herniedertropft der Regen,
Gehn sie schnell und schweigend Alle,
Ohne freudiges Bewegen,
Daß hier Gottes Segen falle.
Also haben sie verkannt uns,
Unser Dichten, unser Streben;
Denn es hält kein irdisch Band uns,
Und sie haschen nach dem Leben.
Alle fliehen, die einst kamen,
Da verblüht der Blume Sprossen,
Wissen sie nicht, daß der Samen
Im Gerippe eingeschlossen?
Danken sollten sie, daß regnend
Sie der Himmel nun heimsuchte,
Was sie näßt, das träufelt segnend,
Daß es Baum und Feld befruchte.
Also was wir sternwärts holen,
Sei euch Samen gleich und Regen,
Und aus himmlischen Symbolen
Mögt ihr irdische euch prägen.
Wenn des Liedes Ton verklungen,
Mögt ihr seiner Deutung sinnen
Und aus Gold der Dichterzungen
Lebensmünzen euch gewinnen.
Nichts
Er schafft mit nimmermüden Händen
Im Schweiße seines Angesichts;
Doch Armut wohnt in seinen Wänden,
Und was sein Fleiß erringt, ist Nichts.
Ihr lebt im fröhlichen Verschwenden
Ein Leben voll des Sonnenlichts,
Und was ihr tut, sein Los zu wenden,
O Schande über euch, ist Nichts!
O Mensch, gehorche deinem Herzen,
Im stillen Liebeseifer spricht's:
Nur was ich tat für Bruderschmerzen
Ist Etwas, Andres all ist Nichts.
O Gott, laß sie hernieder grollen
Die Donner deines Strafgerichts,
Die ihnen mahnend sagen sollen:
Ihr habt so Viel und dort ist Nichts.
Eine Sage
Von einem fernen tiefen See
In Litaun geht die Sage —
Er still und dunkel wie das Weh,
Sie schaurig wie die Klage —
Daß eine Jungfrau in der Flut
Im Zauberschlummer liege,
Ein schwarzer Krebs in strenger Hut
Sich an die holde schmiege.
So schläft sie dort, ein Kind der Acht,
Im langen Jahreskreise,
Und nur in der Johannisnacht
Ermuntert sie sich leise,
Und fährt empor und streckt das Haupt
Aus grünem Wasserspiegel
Und sieht die Ufer grün belaubt
Und Mond und Wald und Hügel.
Doch zieht der schwarze Krebs ihr nach,
Erfaßt die Arme wieder
Und reißt am Kleide sie gemach
Zur dunklen Tiefe nieder.
Da schallt ein Klageruf empor
Aus tiefer Flut und zittert
Im Echohall durch Wald und Moor,
Der Wandrer lauscht erschüttert
Und sinnt der alten Sage nach
Und wie sie wohl zu deuten, —
Zu helfen doch dem Ungemach
Unmöglich ist's den Leuten.
Die Sage aber tönet weit
In allen Landen wider,
Wie der Gemeinheit schwarzer Neid
Das Edle zieht hernieder.
Träume
Die Gedanken kannst du leicht,
Aber nicht die Träume lenken,
Ob sie heute dich vielleicht —
Und womit sie dich beschenken.
Wechselwind ist ja der Traum,
Kommt von all- und keiner Seite,
Ängstigt und erfrischt den Baum,
Oder wirft ihn ganz beiseite.
Was ihr oft und gerne denkt,
Steht just nicht in seinen Bildern,
Was vergessen und versenkt,
Weiß er unverhofft zu schildern.
Halb Erinnerung und halb
Vision und Seelenfeier,
Drückend heut, ein schwerer Alp,
Morgen leichter Zauberschleier;
Rätsel, wunderbar geheim
Und dem Himmel selbst entnommen,
Wenn es den Gedankenkeim
Läßt zur vollen Blüte kommen;
Wenn die leise du gedacht,
Wünsche, die dein Herz erfüllen,
Durch des Traumes Geistermacht
Als gewährte sich enthüllen.
Wie erwachst du da voll Glück,
Schließest nochmals wohl die Lider,
Musterst mit dem Seelenblick
Den geträumten Segen wieder! —
Wahn und Täuschung, ach, nichts mehr,
Die ein milder Gott dir gönnte;
Aber überselig, wer
Sie sich selbst bereiten könnte!
Lorbeer
In des Maien mildem Hauche
Tragen sie, nach altem Brauche,
Aus dem Treibhaus Lorbeerbäume
In die freien Gartenräume.
Sieh, die südlichen Gesellen
Strecken sich, die Blüten schwellen,
Auf dem Blatt liegt Duft und Glanz,
Und die da vorüber geben
Sie bestaunen die Trophäen
Fernen Hesperidenland's.
Arme Bäume, nur getrieben,
Streng in Winterzucht verblieben,
Mit dem Norden in Zerwürfnis,
Dem der Lorbeer kein Bedürfnis,
Nur gezogen um zu prangen,
Statt dem glühenden Verlangen
Als ein Lohn gewährt zu sein:
Ernst ist euer Niederblicken,
Wo die Stirnen, die zu schmücken
Ihr bestimmt seid, nicht gedeihn.
Ach, und doch mit leisem Sehnen
Blickt und mit geheimen Thronen
Manch ein Aug' auf eure Blätter;
Doch die da vom rauhen Wetter
Abgefallen, aufzulesen,
Ist des Mannes nie gewesen,
Der gedankenreif und frei, —
Und das göttliche Erfrechen,
Selbst sich einen Zweig zu brechen,
Straft die deutsche Polizei.
Betrachtungen
1.
O Rückblick in die Jugendzeit,
Was liegt in dir für Seligkeit!
Wie schön das war und nicht mehr ist,
Was jene Rosenzeit umschließt!
Arm aber, der nur rückwärts schaut,
Und nicht auch in die Zukunft baut —
Ein Haus, darin er wohnt und sinnt,
Wenn festen Boden er gewinnt,
Und draus er rüstig weiter zieht,
Wenn er die Hoffnung weichen sieht.
2.
Neu sammle Mut und Hoffen,
Wenn Unglück dich betroffen;
Gedenke liebend Deren,
Die treulos sich bewähren,
Und bete du für Jene,
Die dir erpreßt die Träne.
Nicht leicht ist, das erstreben,
Doch wird es dich erheben;
Du wirst mit Kraft ertragen
Und dir im Herzen sagen:
Der Schmerz ist überwunden,
Die Seelenruh gefunden,
Und ist's zu meinem Frommen,
So wird auch Glück noch kommen.
3.
Die Liebe hat der Seligkeiten sieben,
Ihr Stufengang ist Allen vorgeschrieben.
Die erste fühlt, wem sich die Liebste weist;
Die zweite, wer entzückt die Holde preist;
Die dritte ist, zuerst ihr Händchen fassen;
Die vierte, ihr nach Wunsche tun und lassen;
Die fünfte, Zeit und Streben ihr zu weihn;
Die sechste, still mit ihr allein zu sein;
Die siebente, des ersten Kusses Feuer,
Noch als Erinnerung dem Herzen teuer. —
Und siebenfach auch ist der Liebe Qual,
Die allgemach sich in die Seele stahl.
Die erste, ihren vollen Becher schlürfen;
Die zweite, nimmer von ihr weichen dürfen;
Die dritte ist Gewohnheit statt Genuß;
Die vierte Eifersucht und Überdruß;
Die fünfte, sie im Herzen still verdammen;
Die sechste, leicht für Andre sich entflammen;
Die siebente, entfliehn wo du verführt: —
Bedenk' es, wenn dich Liebesglut berührt.
Gegensatz
Liebevoll und liebeleer —
Gegensatz wie keiner mehr!
Hier ein Herz, das froh verschwendet,
Und an alle Welt sich wendet;
Eines dort, das trübgesinnt
Nur des Neides Fäden spinnt.
Hier ein Baum in voller Pracht,
Seiner Früchte reiche Fracht
Schüttelt gastlich er hernieder;
Dort am Fels ein andrer wieder,
Dem des Bodens karger Saft
Kaum die kranken Blätter schafft.
Hier ein Mädchen' schön und jung,
Geist und Körper voll von Schwung,
Blicke froh und Miene lachend;
Dort ein Greis die Truh bewachend,
Die den kalten Schatz bedeckt,
Den er vor der Welt versteckt.
Hier die Mutter mild und gut,
Ihres Kindes treue Hut;
Dort ein Mönch, ein finstrer, alter,
Mit der Geißel, mit dem Psalter:
Liebevoll und liebeleer —
Gegensatz wie keiner mehr!
Liebe
Liebe kommt auf allen Wegen
Dir entgegen,
Lieb' ist immer nah;
Mußt sie nur vorbei nicht lassen
Und erfassen,
Wenn sie eben da.
Wenn du da, wo du dich täuschest,
Liebe heischest,
Ist der Fehler dein;
Von der Tulpe stolzem Prangen
Duft verlangen,
Fällt nur Toren ein.
Lieb' erraten, ihre Bahnen
Leise ahnen,
Kann nur Herz und Blick.
Ohne Lauschen doch sie finden
Und sie binden,
Ist ein Götterglück.
Knüpfe nicht mit dem Verstande
Liebesbande,
Sondern mit Gefühl;
Solches Netz schön ausgehangen
Wird sie fangen,
Denn sie liebt dies Spiel.
Nütze wohl die Augenblicke,
Rück' und schicke Dich in ihre Gunst;
Denn nicht irres Weiterschweifen,
Das Ergreifen
Ist der Liebe Kunst.
Nicht in Träumen zu erstreben,
Nur im Leben
Ist das Glück dir nah.
Liebe kommt auf allen Wegen
Dir entgegen, Lieb' ist immer da!
Rückblick
Seh ich so zurück
Auf der Jugend Glück,
Auf die Liebe, die mich froh
Und zum Gotte machte,
Oder die mich floh
Und mit Lorbeer mich bedachte;
Seufz' ich, daß der Daphnen,
Die zum Widerstand sich waffnen
Und des Lorbeers in den Haaren
Nur zu wenig waren!
Lieb' ist Seligkeit
In der Jugendzeit;
Aber wenn ich nun in's Buch
Meines Lebens schaue
Und nach Blättern such',
Die ich Andern auch vertraue,
Wünscht' ich, daß ich solche finde,
Die die Welt mit mir empfinde,
Nicht Geheimnis und Genuß,
Die ich ihr verbergen muß.
Entschluß
Freund, mein Wendepunkt erschien,
Kein Gejammer, kein Gebärden:
Dieser Mensch ist auszuziehn,
Um ein anderer zu werden.
Ekel faßt und tiefe Scham
Mich um Alles was gewesen:
Von Erniedrigung und Gram
Will ich kräftig selbst genesen.
Recht, daß es so schlecht erging,
Denn das Ärgste mußte kommen,
Daß die Seele Feuer fing
Und sich Mut herausgenommen.
Nackt stürz' ich mich in die Flut,
Diesem Elend zu entweichen,
Hoffe noch in Gottes Hut
Andre Ufer zu erreichen.
Sink' ich in des Strom's Gewalt,
Strafe ist es dann, verdiente,
Daß erst, als ich schwach und alt,
Ich zu schwimmen mich erkühnte.
Doch der Wille gibt den Mut,
Und die Schande vor dem alten —
Wird mit Seelenkraft und Glut
Sich an's neue Leben halten.
Werd' es wie es kommt und will,
Nur in anderen Bezirken,
Wo ich offen oder still
Leben, lieben kann und wirken.
Ja, die höchste Zeit erschien
Unter Jammer und Beschwerden,
Diesen Menschen auszuziehn,
Um ein anderer zu werden!
Leben
Es ist ein wunderbares Glück zu leben,
Um wie ein Adler auf zum Licht zu dringen,
Gehoben von des Geistes starken Schwingen,
Nach Wahrheit, die von oben kommt, zu streben.
Ob auch des Zweifels Wolken dich umgeben,
Ein Memnon, soll dein Herz dem Licht erklingen,
Denn Leben heißt: sein eignes Ziel erringen,
Und nicht im Erdenwallen liegt das Leben.
Dort sinkt der Taucher in des Meeres Gründe,
Vielleicht weil ihm ein Wellenbad beschieden?
O nein, — daß er die reine Perle finde.
So stellt das Hiersein nicht das Herz zufrieden,
Nur Schale ist's, vom Auge fällt die Binde,
Das eigne Ziel, das ist der Kern hienieden.
Erinnerung
1.
Wenn an der Erde Lenz vorüberschreitet
Mit seinen Freuden und mit seinen Scherzen,
Da steigen allenthalben Blumenkerzen
Empor als Feierglanz ihm zubereitet.
So wenn dein Bild an mir vorübergleitet,
Das einst der Grund so vieler Lust und Schmerzen,
Da regen Lieder sich in meinem Herzen
Und zum Gesange fühl' ich mich verleitet.
Es zeigt Erinnerung in milden Skalen,
Was einst im Jugendrausch der Flammentriebe
Mir Glück gebracht und mehr noch bittre Qualen.
Verschwunden ist das Schmerzliche und Trübe,
Um meiner Seele reizend auszumalen
Die Seligkeit der ersten Jugendliebe.
2.
Sag', ist es stille Freude oder Klage,
Die zauberähnlich deine Brust beschleichen,
Fühlt plötzlich sie an sich vorüberstreichen
Erinnerung an ferne Jugendtage?
Wie eine reizgeschmückte goldne Sage,
Zu denken nur, doch niemals zu erreichen,
Wie schöne Bilder, die allmählig bleichen,
Siehst du dich in der Jugend Blütenhage.
Ein Abendrot ist dies mit kurzem Lichte,
Des Lebens Landschaft rosig dir zu säumen,
Die bald verschwindet deinem Angesichte.
Die letzten Strahlen schwinden aus den Räumen,
Dann sinkt die Nacht herab, die dunkle dichte,
Und du hast Zeit zu weinen und zu träumen.
Vereinigt
Vereinigt — schönes Wort! — in Eins verbunden,
Daß eng verschlungen Leben hängt an Leben,
Daß Geist und Leib mitsamt sich verweben
Und nirgend doch die Fessel wird empfunden.
O Seligkeit in ungezählten Stunden,
Wo alle Fasern fest zusammenstreben,
Nicht ahnend wie sie innig sich ergeben,
Bis sie ereilt sind von der Trennung Wunden.
Das war ein schöner Baum, im reichen Segen
Von Zweig und Blatt dem Himmel zugewendet,
An innrer Kraft gar vielen überlegen;
Da kommt ein Blitz aus Wolken hergesendet
Und liefert an die Beile ihn und Sägen,
Daß der zerspaltne Riese kläglich endet.
Entbehren
Das Leben ist ein ewiges Entbehren,
Und Herzen sie verkümmern im Entsagen,
Weil sie den Mut nicht haben was zu wagen
Und vor der Welt sich etwas zu gewähren.
O Jammer, sich im Schmerze zu verzehren
Und sehnsuchtskrank den Himmel anzuklagen,
Statt hoch die Stirn und frei die Brust zu tragen
Und seinen Freudenanteil zu begehren.
Zu jeder Stunde thront in unsrer Mitte
Das Glück, das schöne Weib, mit goldner Krone,
Ihr nahen Alle mit bescheidner Bitte;
Doch wer da sprach im rechten Herzenstone
Und um sie warb in edler Mannessitte,
Dem gibt die Schöne selber sich zum Lohne.
Sonst und Jetzt
Wie gern gedenk' ich jetzt der Jünglingstage,
Wo ein Moment, in Glück und Gunst genossen,
Die lebensfrohe Lippe mir erschlossen
Zu des Gesanges hellem Lerchenschlage.
Nicht grämten mich der Andern Los und Klage
Und nicht der Leute bitterböse Glossen,
Ein Tropfen Glück, mir heimlich zugeflossen,
Genügte da zum fröhlichen Gelage.
Jetzt hab ich längst mein armes Ich vergessen
Und denke nur noch an das Allgemeine,
Um Schmerz und Seligkeit daran zu messen.
Was gilt es auch, ob glücklich ist der Eine,
Wenn seufzend Millionen unterdessen
Hinwälzen ihres Elends Felsensteine!
Germania
Germania, Heldenweib mit Schwert und Schilde,
O edle Mutter edler Heldensöhne,
Mut scharet um dein Banner sich, das schöne,
Die Eiche wölbt sich über deinem Bilde.
Kraft und Vertraun beschirmen dein Gefilde,
Auf daß dein Name weit geachtet töne,
Und daß dich aller Kronen schönste kröne,
Dient Wissen deinem Preis und Kunst, die milde.
O holde Schwärmerei aus Jünglingsjahren,
Die an dein Bild so schöne Träume knüpfte,
Die gar zu bald dem Mann verleidet waren!
Wenn einst sein Herz bei deinem Namen hüpfte,
Bald mußt' er als Geheimnis es bewahren,
Daß ihm ein Seufzer still um dich entschlüpfte.
Zur Zeit
1.
O Zeit der Schmach, nachdem wir all das Viele
Gelernt, unfähig doch es anzuwenden;
Dies ewig Irregehen und Verblenden,
Zu arm zum Ernst und doch zu reich zum Spiele!
Und Jammer, so vorbei dem rechten Ziele
Die schönsten Manneskräfte zu verschwenden,
Unsicher wo wir unser Wirken enden,
Im Glück, im Kerker oder im Exile.
In solcher Zeit, die überall gespalten,
Die nur beginnt, um wieder zu bereuen,
Wo willst du schaffen, sprich, und was gestalten?
Nicht frommt es, folgest du des Tages Leuen,
Die mit Erröten blicken nach dem Alten
Und angstbeklommen zagen vor dem Neuen.
2.
Noch gestern jubelnd auf dem Schild getragen,
Heut schon ein Ziel für der Verachtung Pfeile,
Ein Name morgen, den die Langeweile
Mit Achselzucken stottert und Mißhagen.
O schönes Los der Tat in unsern Tagen!
Von der Notwendigkeit gedrängt zur Eile,
Von Neid verfolgt und Mißgunst allerweile,
Und kaum daß sie vollbracht, schon totgeschlagen.
Eh' war's ein Riesenvolk, das Berge türmte,
Und auch ein starker Gott, dem Attentate
Mit Blitzen wehrend, das den Himmel stürmte.
Jetzt Zwerge rings im Rate und Verrate,
Und dort ein Knabe, der die Welt beschirmte
Mit einem Druck am Telegraphendrahte.
3.
Dich aber lockt die Tat! du willst nicht feiern,
Dich läßt der innre Drang nicht ruhn noch rasten,
Halbblind willst du doch mit den Händen tasten
Und hoffst, das Auge müsse sich entschleiern.
Hell ist dein Blick, doch Nebel sind es, bleiern,
Die auf dem armen Vaterlande lasten:
Der Winter, weil den Sommer wir verpraßten,
Ist durchzuschlafen jetzt und durchzuleiern.
Blick' doch auf sie, die jetzt, wo immer, schöpfen:
Schlafwandel ist und Taumel ihre Plage,
Geschäftige Köche sind's vor leeren Töpfen;
Ihr Lob erfüllt die Zeit als bittre Klage,
Und alle Wände zeigen diesen Köpfen
Belsazar's Spruch: Gezählt sind eure Tage.
4.
Das ist ein Gram, der Herzen viel durchdrungen:
So Nichts zu sein bei Geist und Kraft und Willen,
Gerölle nur, die Risse auszufüllen,
Die in das Erdreich dieser Zeit gesprungen;
Verdammt zu schweigen, weil die Stotterzungen
Geistloser Führer sich in Schweigen hüllen,
Und liebelos um der Eunuchen willen,
Die Männern sich als Wächter aufgezwungen.
Entsagen ist und in sich selbst versenken
Verzeihlicher in solchem Ärgernisse
Als schaffend nach der Schwäche sich beschränken.
Besser, daß nichts von dir die Nachwelt wisse,
Als das, verächtlich deiner sie gedenken
Und dich mit deiner Zeit verdammen müsse.
Die Sonne
Riesiger Sonnenball,
Auftauchend im Morgen,
Der du die Sterne all
Mit Licht versorgen
Mußt zu jeglicher Frist,
Sei mir Sonne gegrüßt
Zu so viel tausend Malen
Als du mich grüßest mit Strahlen.
Sei mir jubelnd gegrüßt
In deinem Kranze,
Drin Strahl an Strahl sich schließt
Mit unendlichem Glanze;
Sei mir gegrüßt im Ost,
Wo Frühwind mit dir kost,
Sei mir im West gepriesen
In deines Abendrots Paradiesen.
Wie lieb' ich deinen Blick,
Den ewigen, klaren,
Drin Segen und Glück
Sich offenbaren,
Den unverwandelten,
Der über allem Gehandelten
Hinsieht und über aller Taten
Still aufkeimenden Saaten.
Wie lieb' ich dein goldenes Licht
In leuchtender Reinheit,
Hoch über niederm Gezücht,
Über aller Gemeinheit
Thronend am Himmelszelt,
Wo eine Himmelswelt
Unermeßlicher Lieb' und Güte
Aufsproßt in herrlicher Blüte.
Du spinnst dein Strahlengeflecht
Um Augen und Herzen,
Siehst Geschlecht um Geschlecht
In Wonnen und Schmerzen;
Weisest empor den Geist
Zu Dem, der über dir kreist,
Dem ohne Zeit und Schranken
Sonnen, entgleiten als Gedanken.
Was hast du nicht gesehn
Mit deinen Flammenblicken
Auftauchen und vergehn,
Aufblühen und ersticken;
Was der Weltgeschichte entschwand,
Was uns im Gedichte nur mahnt,
Du sahst es in heller Klarheit
In seiner urstämmlichen Wahrheit.
Deine Strahlen sie saugten sie auf
Die Taten und Keime
Und brachten sie im Verlauf
In deine himmlischen Räume,
Und legten sie hinein
In deinen goldenen Schrein,
Da liegen sie in treuer Bewahrung
Ein Schatz geliebter Erfahrung.
Und ziehn deine Strahlen nun aus
Wie von der Mutter die Kinder,
Da sehn sie ins Erdenhaus
Viel lieber und gelinder,
Weil sie im Buch der Welt
Nachlasen das kleine Feld
Von Menschenwirken und Trachten
Bevor sie niederlachten.
Uns aber durchzuckt dein Licht
Aus fernen Himmelsbahnen
Wie eine Erinnrung das Angesicht
Mit leisem, befreundeten Mahnen,
Wie ein Bild, das am Tag
Uns entgegentreten mag
Und das früher in holden Träumen
Uns winkte aus Himmelsräumen.
Du aber stehst hehr
Jahrtausend um Jahrtausend,
Rings um dich ein Sternenmeer
Im ewigen Kreislauf brausend;
Du bist die goldene Hand,
Die Welten zusammenband
Und mit unergründlichen Kräften
Stern an Stern weiß zu besten.
Spinne dein Liebesnetz
Um Erden und Seelen,
Daß nach ewigem Gesetz
Sich alle dir vermählen:
Damit des Lichtes Schein
Jedwedem möge sein
Ein Ziel des Wandelns und Strebens,
Ein Zweck des Handelns und Lebens.
Licht, Licht! ruft der Geist,
Licht! ruft die Erde,
Und wie sie da oben kreist
Die Sonne, die verklärte,
Ist sie des Lichtes Quell,
Für Menschen zulänglich hell,
Dessen Glanz unsre Augen
Fast einzusaugen nicht taugen.
Hoch aber über ihr,
Unbegrenzt von Schranken,
Im ewigen Sonnenrevier
Leuchtet das Licht der Gedanken,
Wohin der Herzenskundige
Alle Reine und Mündige
Als Priester zu den Stufen
Des Himmelsaltars berufen.
Habe Dank, du Meteor,
Mit deinem segnenden Erscheinen,
Du Laut vom Himmelschor,
Du Bild im Kleinen
Von jenem unendlichen Licht,
Das durch die Dämmerung bricht,
Wenn Sonnen und Erden vergehen
Und Geister auferstehen.
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