| Bei 
				Jahren
 
 Früh Morgens schlüpft der Sonnenschein
 So klar und rein zu dir herein
 Und schleicht sich immer weiter.
 Heraus Gesell, vom Bette schnell!
 Er macht dir Herz und Stube hell
 Und deine Seele heiter.
 
 Jetzt bist du frisch und aufgeräumt,
 Nur nicht gesäumt und noch geträumt,
 Jetzt laß die Zügel schießen.
 Am Morgen schafft die frische Kraft,
 Und bist du einmal launenhaft,
 So leg' dich aufs Genießen.
 
 Der neue Tag, o sieh, er lacht
 In stiller Pracht und Schönheitsmacht,
 Das laß dir nicht entgehen,
 Begeisterung und hoher Schwung
 Zu geistiger Eroberung
 Wird deine Brust durchwehen.
 
 Vor Jahren als ein Jüngling du,
 Da schliefst du zu in süßer Ruh,
 Das war dir zu. vergeben;
 O Seligkeit, ein Wald von Zeit,
 Wo Tag' und Jahre dichtgereiht,
 War damals noch dein Leben.
 
 Doch jetzt wirst du allmählig alt,
 Gelichtet bald ist jener Wald,
 Du mußt um Stunden geizen;
 Drum stehle sie dem Morgen früh
 Und schwelge jung die Phantasie
 An jungen Tagesreizen.
 
 Wohl hat das alte Sprichwort Grund:
 Die Morgenstund hat Gold im Mund,
 Auf mache dir's zu eigen;
 Es gibt Natur dir Silber nur,
 Doch soll einst deines Daseins Spur
 Das Gold der Arbeit zeigen.
 
 Was zu erwarten
 
 Im Garten stand ein grüner Baum,
 Erwacht vom schweren Wintertraum,
 Zu diesem trat des Gärtners Sohn,
 Besah den Stamm sich bis zur Kron
 Und fragte dann: O Bäumchen, sprich,
 Schmückt wohl die Frucht im Herbste dich?
 
 Der Baum: "Das weiß ich selber nicht,
 Ich brauche Regen, brauche Licht,
 Bedarf des lieben Himmels Gunst
 Und auch der Menschen Hilf' und Kunst,
 Damit, was in mir treibt und schwellt,
 Zu Früchten werde für die Welt.
 
 Im letzten Sommer, denke dran,
 Hat mir der Blitz gar weh getan,
 Riß von der Seite mir den Ast,
 Den ich mit Lieb' und Lust umfaßt,
 Ich ward versengt, ich ward entlaubt
 Und Kraft und Hoffen mir geraubt.
 
 Jetzt schwellt die Zweige wohl der Saft,
 Die Werkstatt der Natur sie schafft,
 Doch was an Früchten mir gedeiht,
 Das ruht im Glück und in der Zeit,
 Und wer sich wenig nur verhofft,
 Den überrascht der Himmel oft."
 
 Bäume — Wünsche
 
 Ich stand in einer Baumallee,
 Die Bäume dicht in meiner Näh'
 Wie ragten sie ins Blaue;
 Die weitern, kleiner wurden die
 Und immer niedrer schienen sie,
 So weit ich sie erschaue.
 
 Sie deuchten mir wie Wünsche just,
 Die aus der armen Menschenbrust
 Zu steigen sich erdreisten:
 Ununterbrochen eh' wie jetzt,
 Und Niemand weiß es wann zuletzt,
 Und unerfüllt die meisten.
 
 Die ersten, da du Jüngling noch,
 Wie steigen die, so hoch, so hoch,
 Es schwindelt sie zu denken;
 Und mit den Jahren abwärts geht's,
 Da werden sie geringer stets
 Und sich zur Erde senken.
 
 Die ersten so gigantisch kühn,
 Gewipfel, dessen Hoffnungsgrün
 Dem Blick kaum zu erreichen;
 Die weitern klein, doch dichtgereiht
 Und ach, für Hand und Fuß so weit,
 Als ob zurück sie weichen.
 
 Der Stamm so hoch, der Mensch so klein,
 Der Wunsch so schön, doch selten dein,
 Was er gewährt will sehen! —
 Ich schreite durch der Bäume Reih
 Und denke sorgenvoll dabei:
 Wie wird es weiter gehen?
 
 Vom Gaste
 
 1.
 Arm bin ich und kaum beschieden
 Ist das Nötige mir eben,
 Doch Bescheidenheit und Frieden
 Leiten gut durchs Leben.
 
 Und als Glück, von Gott gespendet,
 Wußt' ich immer es zu schätzen,
 Wenn mir ward ein Gast gesendet,
 Sich zu mir zu setzen.
 
 Wenn des Sitzenden ich pflegte,
 Und es kam dann noch ein Zweiter,
 Weiß der Himmel, so bewegte
 Sich mein Herz erfreuter.
 
 Ob mich auch die Sorge drückte,
 Wie zu speisen sie und tränken:
 Gott, der mir die Beiden schickte,
 Wird auch mein gedenken!
 
 2.
 Ich zu Tische gehen,
 Während vor der Tür
 Ich den Gast ließ stehen,
 Gott bewahre mich dafür!
 
 Ist er reich, nur ehren
 Wird mich sein Bescheid,
 Ist er arm — verklären
 Mich des Gebens Seligkeit.
 
 Nur herein! die heitre
 Miene würzt das Mahl,
 Und die Lust erweitre
 Enge Pfähle uns zum Saal.
 
 Gottgesandt, willkommen
 Sei, o lieber Gast!
 Seit du Platz genommen,
 Ward die Hütte zum Palast.
 
 3.
 
 Blumen gibt's, die sich entfärben,
 Wenn der Nordwind sie bestreicht,
 Gute Werke auch verderben,
 Wenn ein finstrer Blick sie reicht.
 
 Darum, gebe ich auch wenig,
 Geb' ich gern als froher Mann,
 Bin ich doch ein kleiner König,
 Wenn ich Andern geben kann.
 
 Sollt' ich erst das Glück erreichen
 Und mich schatzgesegnet sehn,
 Wollt ich gern dem Obstbaum gleichen
 Und in Dorfes Mitte stehn.
 
 Wollte meine Früchte zeigen:
 Jungens kommt im raschen Lauf,
 Braucht nicht erst empor zu steigen,
 Haltet nur die Hände auf!
 
 Freund und Frau
 
 Ein wahrer Freund, o merke das!
 Sei gegenüber dir wie Glas:
 Das läßt nicht Wind noch Regen ein,
 Doch Wärme wohl und Sonnenschein;
 Das zeigt dir treulich dein Gesicht,
 Doch schmeichelt und verzerrt es nicht;
 Das schärft dein Auge, wenn es gilt,
 Und rückt dir näher Bild um Bild;
 Das reicht dir deinen Labetrank
 Und hat geleert den besten Dank.
 
 Ein treuer Freund, des achte wohl!
 Der hat im Baume sein Symbol:
 Der beut dir erst sein Schattendach
 Und seine Früchte hintennach;
 Der zimmert sich zum Hause dir,
 Wo Glück und Liebe nimmt Quartier;
 Der brennt im Span und Gas dir hell
 Und wärmet deine Feuerstell';
 Und winterst du dich sterbend ein,
 Umschließt er dich als letzter Schrein.
 
 Ein Mädchen, das dir wohlgefällt,
 Ist wie der Sonnenschein dem Feld:
 Er locket Keime hier und Saat,
 Sie wecket Träume dir und Tat;
 Er macht aufjubeln Au und Hag,
 Sie selig dich im Zauberschlag;
 Es sehnt nach ihm sich jede Flur,
 Und schmachtend folgst du ihrer Spur;
 Wie wird durch ihn die Erde warm,
 Doch wärmer dir in ihrem Arm!
 
 Ein liebes Weib, das dir gehört,
 Ist wie die Luft so rein und wert:
 Du atmest sie und bist gesund,
 Dein Dasein ist mit ihr im Bund, —
 Sie deiner, ihrer du ein Stück
 Notwendigkeit und Liebesglück;
 Ein Engel, ruhig, mild und klar,
 Umgibt sie dich allimmerdar;
 Und senken sie dich tot hinab,
 Umsäuselt trauernd sie dein Grab.
 
 Innere Reinheit
 
 Makellos im Innern sein,
 Das ist Tugend nur allein,
 Alles Andre eitel.
 Solcher Reinheit sei bemüht,
 Sie durchstrahle dein Gemüt,
 Leuchte dir vom Scheitel.
 
 Äußre Reinheit, sie ist leicht
 Durch des Wassers Kraft erreicht,
 Innre nur durch Wahrheit;
 Diese ist's, die echt beglückt,
 Weil sie deine Seele schmückt
 Mit dem Glanz der Klarheit.
 
 Schatz und edles Eigentum,
 Bildet sie den höchsten Ruhm,
 Den ein Mann sich gründe;
 Aller Prunk ist widerlich,
 Zeiht der Menschen Urteil dich
 Und dein Herz der Sünde.
 
 Geheimes
 
 In des Herzens tiefster Ecke
 Hat wohl Jeder, der da lebt,
 Ein Geheimnis, dessen Decke
 Er vor Andern nicht erhebt.
 
 Liebe, Habsucht, Ehrbegierde,
 Rache oder künftige Tat,
 Bald sein Glück, bald seine Bürde,
 Wohlgeborgen vor Verrat.
 
 Aber rührt des Zufalls Finger
 Hin, wo das Geheimnis ruht,
 Regt sich's in dem dunklen Zwinger,
 Und die Wangen färbt das Blut.
 
 Noch ein Ruck, und von den Lippen
 Fliegt, was streng verschwiegen war,
 Und die Fremden und die Sippen
 Sehen nun dein Innres klar.
 
 Wie ein Rätsel, das erraten,
 Schiebt beiseite dich die Welt
 Und durchwühlt mit ihrem Spaten
 Dann ein andres Neugierfeld.
 
 Darum du dem Acker gleiche,
 Der wohl oben grünt und sprießt,
 Doch die inneren Bereiche
 Vor dem Bauer tief verschließt.
 
 Nur ein Bergmann darf es wagen,
 Teuf' und schürfe mit Bedacht:
 Hat er glücklich eingeschlagen,
 Trifft er wohl auf Gold im Schacht.
 
 Manchmal
 
 Recht, daß vor der Welt du schweigest,
 Und ihr kalten Gleichmut zeigest,
 Gleichsam als ob deine Seele
 Nichts Besonderes verhehle,
 Was die Leute zwar erspähen,
 Aber nur mit Neide sehen.
 
 Manchmal doch an rechten Orten
 Überrasche sie mit Worten,
 Welche ihnen unerwartet:
 Zeig' daß anders du geartet,
 Daß es lohnte aufzupassen,
 Wolltest du dich hören lassen.
 
 Selbst den Himmel ja vergessen
 Die nur schwätzen und nur essen;
 Aber wenn er einmal wettert,
 Blitzt und donnert und zerschmettert,
 Haben sie vor Angst beklommen
 Neu vor ihm Respekt bekommen.
 
 Dichter
 
 Wenn der Blume Blüten fallen
 Und ihr süßer Duft verflogen,
 Hört ihr auch das Lob verhallen,
 Das die Menge ihr gelogen.
 
 Wenn herniedertropft der Regen,
 Gehn sie schnell und schweigend Alle,
 Ohne freudiges Bewegen,
 Daß hier Gottes Segen falle.
 
 Also haben sie verkannt uns,
 Unser Dichten, unser Streben;
 Denn es hält kein irdisch Band uns,
 Und sie haschen nach dem Leben.
 
 Alle fliehen, die einst kamen,
 Da verblüht der Blume Sprossen,
 Wissen sie nicht, daß der Samen
 Im Gerippe eingeschlossen?
 
 Danken sollten sie, daß regnend
 Sie der Himmel nun heimsuchte,
 Was sie näßt, das träufelt segnend,
 Daß es Baum und Feld befruchte.
 
 Also was wir sternwärts holen,
 Sei euch Samen gleich und Regen,
 Und aus himmlischen Symbolen
 Mögt ihr irdische euch prägen.
 
 Wenn des Liedes Ton verklungen,
 Mögt ihr seiner Deutung sinnen
 Und aus Gold der Dichterzungen
 Lebensmünzen euch gewinnen.
 
 Nichts
 
 Er schafft mit nimmermüden Händen
 Im Schweiße seines Angesichts;
 Doch Armut wohnt in seinen Wänden,
 Und was sein Fleiß erringt, ist Nichts.
 
 Ihr lebt im fröhlichen Verschwenden
 Ein Leben voll des Sonnenlichts,
 Und was ihr tut, sein Los zu wenden,
 O Schande über euch, ist Nichts!
 
 O Mensch, gehorche deinem Herzen,
 Im stillen Liebeseifer spricht's:
 Nur was ich tat für Bruderschmerzen
 Ist Etwas, Andres all ist Nichts.
 
 O Gott, laß sie hernieder grollen
 Die Donner deines Strafgerichts,
 Die ihnen mahnend sagen sollen:
 Ihr habt so Viel und dort ist Nichts.
 
 Eine Sage
 
 Von einem fernen tiefen See
 In Litaun geht die Sage —
 Er still und dunkel wie das Weh,
 Sie schaurig wie die Klage —
 
 Daß eine Jungfrau in der Flut
 Im Zauberschlummer liege,
 Ein schwarzer Krebs in strenger Hut
 Sich an die holde schmiege.
 
 So schläft sie dort, ein Kind der Acht,
 Im langen Jahreskreise,
 Und nur in der Johannisnacht
 Ermuntert sie sich leise,
 
 Und fährt empor und streckt das Haupt
 Aus grünem Wasserspiegel
 Und sieht die Ufer grün belaubt
 Und Mond und Wald und Hügel.
 
 Doch zieht der schwarze Krebs ihr nach,
 Erfaßt die Arme wieder
 Und reißt am Kleide sie gemach
 Zur dunklen Tiefe nieder.
 
 Da schallt ein Klageruf empor
 Aus tiefer Flut und zittert
 Im Echohall durch Wald und Moor,
 Der Wandrer lauscht erschüttert
 
 Und sinnt der alten Sage nach
 Und wie sie wohl zu deuten, —
 Zu helfen doch dem Ungemach
 Unmöglich ist's den Leuten.
 
 Die Sage aber tönet weit
 In allen Landen wider,
 Wie der Gemeinheit schwarzer Neid
 Das Edle zieht hernieder.
 
 Träume
 
 Die Gedanken kannst du leicht,
 Aber nicht die Träume lenken,
 Ob sie heute dich vielleicht —
 Und womit sie dich beschenken.
 
 Wechselwind ist ja der Traum,
 Kommt von all- und keiner Seite,
 Ängstigt und erfrischt den Baum,
 Oder wirft ihn ganz beiseite.
 
 Was ihr oft und gerne denkt,
 Steht just nicht in seinen Bildern,
 Was vergessen und versenkt,
 Weiß er unverhofft zu schildern.
 
 Halb Erinnerung und halb
 Vision und Seelenfeier,
 Drückend heut, ein schwerer Alp,
 Morgen leichter Zauberschleier;
 
 Rätsel, wunderbar geheim
 Und dem Himmel selbst entnommen,
 Wenn es den Gedankenkeim
 Läßt zur vollen Blüte kommen;
 
 Wenn die leise du gedacht,
 Wünsche, die dein Herz erfüllen,
 Durch des Traumes Geistermacht
 Als gewährte sich enthüllen.
 
 Wie erwachst du da voll Glück,
 Schließest nochmals wohl die Lider,
 Musterst mit dem Seelenblick
 Den geträumten Segen wieder! —
 
 Wahn und Täuschung, ach, nichts mehr,
 Die ein milder Gott dir gönnte;
 Aber überselig, wer
 Sie sich selbst bereiten könnte!
 
 Lorbeer
 
 In des Maien mildem Hauche
 Tragen sie, nach altem Brauche,
 Aus dem Treibhaus Lorbeerbäume
 In die freien Gartenräume.
 Sieh, die südlichen Gesellen
 Strecken sich, die Blüten schwellen,
 Auf dem Blatt liegt Duft und Glanz,
 Und die da vorüber geben
 Sie bestaunen die Trophäen
 Fernen Hesperidenland's.
 
 Arme Bäume, nur getrieben,
 Streng in Winterzucht verblieben,
 Mit dem Norden in Zerwürfnis,
 Dem der Lorbeer kein Bedürfnis,
 Nur gezogen um zu prangen,
 Statt dem glühenden Verlangen
 Als ein Lohn gewährt zu sein:
 Ernst ist euer Niederblicken,
 Wo die Stirnen, die zu schmücken
 Ihr bestimmt seid, nicht gedeihn.
 
 Ach, und doch mit leisem Sehnen
 Blickt und mit geheimen Thronen
 Manch ein Aug' auf eure Blätter;
 Doch die da vom rauhen Wetter
 Abgefallen, aufzulesen,
 Ist des Mannes nie gewesen,
 Der gedankenreif und frei, —
 Und das göttliche Erfrechen,
 Selbst sich einen Zweig zu brechen,
 Straft die deutsche Polizei.
 
 Betrachtungen
 
 1.
 O Rückblick in die Jugendzeit,
 Was liegt in dir für Seligkeit!
 
 Wie schön das war und nicht mehr ist,
 Was jene Rosenzeit umschließt!
 
 Arm aber, der nur rückwärts schaut,
 Und nicht auch in die Zukunft baut —
 
 Ein Haus, darin er wohnt und sinnt,
 Wenn festen Boden er gewinnt,
 
 Und draus er rüstig weiter zieht,
 Wenn er die Hoffnung weichen sieht.
 
 2.
 Neu sammle Mut und Hoffen,
 Wenn Unglück dich betroffen;
 
 Gedenke liebend Deren,
 Die treulos sich bewähren,
 
 Und bete du für Jene,
 Die dir erpreßt die Träne.
 
 Nicht leicht ist, das erstreben,
 Doch wird es dich erheben;
 
 Du wirst mit Kraft ertragen
 Und dir im Herzen sagen:
 
 Der Schmerz ist überwunden,
 Die Seelenruh gefunden,
 
 Und ist's zu meinem Frommen,
 So wird auch Glück noch kommen.
 
 3.
 Die Liebe hat der Seligkeiten sieben,
 Ihr Stufengang ist Allen vorgeschrieben.
 
 Die erste fühlt, wem sich die Liebste weist;
 Die zweite, wer entzückt die Holde preist;
 
 Die dritte ist, zuerst ihr Händchen fassen;
 Die vierte, ihr nach Wunsche tun und lassen;
 
 Die fünfte, Zeit und Streben ihr zu weihn;
 Die sechste, still mit ihr allein zu sein;
 
 Die siebente, des ersten Kusses Feuer,
 Noch als Erinnerung dem Herzen teuer. —
 
 Und siebenfach auch ist der Liebe Qual,
 Die allgemach sich in die Seele stahl.
 
 Die erste, ihren vollen Becher schlürfen;
 Die zweite, nimmer von ihr weichen dürfen;
 
 Die dritte ist Gewohnheit statt Genuß;
 Die vierte Eifersucht und Überdruß;
 
 Die fünfte, sie im Herzen still verdammen;
 Die sechste, leicht für Andre sich entflammen;
 
 Die siebente, entfliehn wo du verführt: —
 Bedenk' es, wenn dich Liebesglut berührt.
 
 Gegensatz
 
 Liebevoll und liebeleer —
 Gegensatz wie keiner mehr!
 Hier ein Herz, das froh verschwendet,
 Und an alle Welt sich wendet;
 Eines dort, das trübgesinnt
 Nur des Neides Fäden spinnt.
 
 Hier ein Baum in voller Pracht,
 Seiner Früchte reiche Fracht
 Schüttelt gastlich er hernieder;
 Dort am Fels ein andrer wieder,
 Dem des Bodens karger Saft
 Kaum die kranken Blätter schafft.
 
 Hier ein Mädchen' schön und jung,
 Geist und Körper voll von Schwung,
 Blicke froh und Miene lachend;
 Dort ein Greis die Truh bewachend,
 Die den kalten Schatz bedeckt,
 Den er vor der Welt versteckt.
 
 Hier die Mutter mild und gut,
 Ihres Kindes treue Hut;
 Dort ein Mönch, ein finstrer, alter,
 Mit der Geißel, mit dem Psalter:
 Liebevoll und liebeleer —
 Gegensatz wie keiner mehr!
 
 Liebe
 
 Liebe kommt auf allen Wegen
 Dir entgegen,
 Lieb' ist immer nah;
 Mußt sie nur vorbei nicht lassen
 Und erfassen,
 Wenn sie eben da.
 
 Wenn du da, wo du dich täuschest,
 Liebe heischest,
 Ist der Fehler dein;
 Von der Tulpe stolzem Prangen
 Duft verlangen,
 Fällt nur Toren ein.
 
 Lieb' erraten, ihre Bahnen
 Leise ahnen,
 Kann nur Herz und Blick.
 Ohne Lauschen doch sie finden
 Und sie binden,
 Ist ein Götterglück.
 
 Knüpfe nicht mit dem Verstande
 Liebesbande,
 Sondern mit Gefühl;
 Solches Netz schön ausgehangen
 Wird sie fangen,
 Denn sie liebt dies Spiel.
 
 Nütze wohl die Augenblicke,
 Rück' und schicke Dich in ihre Gunst;
 Denn nicht irres Weiterschweifen,
 Das Ergreifen
 Ist der Liebe Kunst.
 
 Nicht in Träumen zu erstreben,
 Nur im Leben
 Ist das Glück dir nah.
 Liebe kommt auf allen Wegen
 Dir entgegen, Lieb' ist immer da!
 
 Rückblick
 
 Seh ich so zurück
 Auf der Jugend Glück,
 Auf die Liebe, die mich froh
 Und zum Gotte machte,
 Oder die mich floh
 Und mit Lorbeer mich bedachte;
 Seufz' ich, daß der Daphnen,
 Die zum Widerstand sich waffnen
 Und des Lorbeers in den Haaren
 Nur zu wenig waren!
 
 Lieb' ist Seligkeit
 In der Jugendzeit;
 Aber wenn ich nun in's Buch
 Meines Lebens schaue
 Und nach Blättern such',
 Die ich Andern auch vertraue,
 Wünscht' ich, daß ich solche finde,
 Die die Welt mit mir empfinde,
 Nicht Geheimnis und Genuß,
 Die ich ihr verbergen muß.
 
 Entschluß
 
 Freund, mein Wendepunkt erschien,
 Kein Gejammer, kein Gebärden:
 Dieser Mensch ist auszuziehn,
 Um ein anderer zu werden.
 
 Ekel faßt und tiefe Scham
 Mich um Alles was gewesen:
 Von Erniedrigung und Gram
 Will ich kräftig selbst genesen.
 
 Recht, daß es so schlecht erging,
 Denn das Ärgste mußte kommen,
 Daß die Seele Feuer fing
 Und sich Mut herausgenommen.
 
 Nackt stürz' ich mich in die Flut,
 Diesem Elend zu entweichen,
 Hoffe noch in Gottes Hut
 Andre Ufer zu erreichen.
 
 Sink' ich in des Strom's Gewalt,
 Strafe ist es dann, verdiente,
 Daß erst, als ich schwach und alt,
 Ich zu schwimmen mich erkühnte.
 
 Doch der Wille gibt den Mut,
 Und die Schande vor dem alten —
 Wird mit Seelenkraft und Glut
 Sich an's neue Leben halten.
 
 Werd' es wie es kommt und will,
 Nur in anderen Bezirken,
 Wo ich offen oder still
 Leben, lieben kann und wirken.
 
 Ja, die höchste Zeit erschien
 Unter Jammer und Beschwerden,
 Diesen Menschen auszuziehn,
 Um ein anderer zu werden!
 
 Leben
 
 Es ist ein wunderbares Glück zu leben,
 Um wie ein Adler auf zum Licht zu dringen,
 Gehoben von des Geistes starken Schwingen,
 Nach Wahrheit, die von oben kommt, zu streben.
 
 Ob auch des Zweifels Wolken dich umgeben,
 Ein Memnon, soll dein Herz dem Licht erklingen,
 Denn Leben heißt: sein eignes Ziel erringen,
 Und nicht im Erdenwallen liegt das Leben.
 
 Dort sinkt der Taucher in des Meeres Gründe,
 Vielleicht weil ihm ein Wellenbad beschieden?
 O nein, — daß er die reine Perle finde.
 
 So stellt das Hiersein nicht das Herz zufrieden,
 Nur Schale ist's, vom Auge fällt die Binde,
 Das eigne Ziel, das ist der Kern hienieden.
 
 Erinnerung
 
 1.
 Wenn an der Erde Lenz vorüberschreitet
 Mit seinen Freuden und mit seinen Scherzen,
 Da steigen allenthalben Blumenkerzen
 Empor als Feierglanz ihm zubereitet.
 
 So wenn dein Bild an mir vorübergleitet,
 Das einst der Grund so vieler Lust und Schmerzen,
 Da regen Lieder sich in meinem Herzen
 Und zum Gesange fühl' ich mich verleitet.
 
 Es zeigt Erinnerung in milden Skalen,
 Was einst im Jugendrausch der Flammentriebe
 Mir Glück gebracht und mehr noch bittre Qualen.
 
 Verschwunden ist das Schmerzliche und Trübe,
 Um meiner Seele reizend auszumalen
 Die Seligkeit der ersten Jugendliebe.
 
 2.
 Sag', ist es stille Freude oder Klage,
 Die zauberähnlich deine Brust beschleichen,
 Fühlt plötzlich sie an sich vorüberstreichen
 Erinnerung an ferne Jugendtage?
 
 Wie eine reizgeschmückte goldne Sage,
 Zu denken nur, doch niemals zu erreichen,
 Wie schöne Bilder, die allmählig bleichen,
 Siehst du dich in der Jugend Blütenhage.
 
 Ein Abendrot ist dies mit kurzem Lichte,
 Des Lebens Landschaft rosig dir zu säumen,
 Die bald verschwindet deinem Angesichte.
 
 Die letzten Strahlen schwinden aus den Räumen,
 Dann sinkt die Nacht herab, die dunkle dichte,
 Und du hast Zeit zu weinen und zu träumen.
 
 Vereinigt
 
 Vereinigt — schönes Wort! — in Eins verbunden,
 Daß eng verschlungen Leben hängt an Leben,
 Daß Geist und Leib mitsamt sich verweben
 Und nirgend doch die Fessel wird empfunden.
 
 O Seligkeit in ungezählten Stunden,
 Wo alle Fasern fest zusammenstreben,
 Nicht ahnend wie sie innig sich ergeben,
 Bis sie ereilt sind von der Trennung Wunden.
 
 Das war ein schöner Baum, im reichen Segen
 Von Zweig und Blatt dem Himmel zugewendet,
 An innrer Kraft gar vielen überlegen;
 
 Da kommt ein Blitz aus Wolken hergesendet
 Und liefert an die Beile ihn und Sägen,
 Daß der zerspaltne Riese kläglich endet.
 
 Entbehren
 
 Das Leben ist ein ewiges Entbehren,
 Und Herzen sie verkümmern im Entsagen,
 Weil sie den Mut nicht haben was zu wagen
 Und vor der Welt sich etwas zu gewähren.
 
 O Jammer, sich im Schmerze zu verzehren
 Und sehnsuchtskrank den Himmel anzuklagen,
 Statt hoch die Stirn und frei die Brust zu tragen
 Und seinen Freudenanteil zu begehren.
 
 Zu jeder Stunde thront in unsrer Mitte
 Das Glück, das schöne Weib, mit goldner Krone,
 Ihr nahen Alle mit bescheidner Bitte;
 
 Doch wer da sprach im rechten Herzenstone
 Und um sie warb in edler Mannessitte,
 Dem gibt die Schöne selber sich zum Lohne.
 
 Sonst und Jetzt
 
 Wie gern gedenk' ich jetzt der Jünglingstage,
 Wo ein Moment, in Glück und Gunst genossen,
 Die lebensfrohe Lippe mir erschlossen
 Zu des Gesanges hellem Lerchenschlage.
 
 Nicht grämten mich der Andern Los und Klage
 Und nicht der Leute bitterböse Glossen,
 Ein Tropfen Glück, mir heimlich zugeflossen,
 Genügte da zum fröhlichen Gelage.
 
 Jetzt hab ich längst mein armes Ich vergessen
 Und denke nur noch an das Allgemeine,
 Um Schmerz und Seligkeit daran zu messen.
 
 Was gilt es auch, ob glücklich ist der Eine,
 Wenn seufzend Millionen unterdessen
 Hinwälzen ihres Elends Felsensteine!
 
 Germania
 
 Germania, Heldenweib mit Schwert und Schilde,
 O edle Mutter edler Heldensöhne,
 Mut scharet um dein Banner sich, das schöne,
 Die Eiche wölbt sich über deinem Bilde.
 
 Kraft und Vertraun beschirmen dein Gefilde,
 Auf daß dein Name weit geachtet töne,
 Und daß dich aller Kronen schönste kröne,
 Dient Wissen deinem Preis und Kunst, die milde.
 
 O holde Schwärmerei aus Jünglingsjahren,
 Die an dein Bild so schöne Träume knüpfte,
 Die gar zu bald dem Mann verleidet waren!
 
 Wenn einst sein Herz bei deinem Namen hüpfte,
 Bald mußt' er als Geheimnis es bewahren,
 Daß ihm ein Seufzer still um dich entschlüpfte.
 
 Zur Zeit
 
 1.
 O Zeit der Schmach, nachdem wir all das Viele
 Gelernt, unfähig doch es anzuwenden;
 Dies ewig Irregehen und Verblenden,
 Zu arm zum Ernst und doch zu reich zum Spiele!
 
 Und Jammer, so vorbei dem rechten Ziele
 Die schönsten Manneskräfte zu verschwenden,
 Unsicher wo wir unser Wirken enden,
 Im Glück, im Kerker oder im Exile.
 
 In solcher Zeit, die überall gespalten,
 Die nur beginnt, um wieder zu bereuen,
 Wo willst du schaffen, sprich, und was gestalten?
 
 Nicht frommt es, folgest du des Tages Leuen,
 Die mit Erröten blicken nach dem Alten
 Und angstbeklommen zagen vor dem Neuen.
 
 2.
 Noch gestern jubelnd auf dem Schild getragen,
 Heut schon ein Ziel für der Verachtung Pfeile,
 Ein Name morgen, den die Langeweile
 Mit Achselzucken stottert und Mißhagen.
 
 O schönes Los der Tat in unsern Tagen!
 Von der Notwendigkeit gedrängt zur Eile,
 Von Neid verfolgt und Mißgunst allerweile,
 Und kaum daß sie vollbracht, schon totgeschlagen.
 
 Eh' war's ein Riesenvolk, das Berge türmte,
 Und auch ein starker Gott, dem Attentate
 Mit Blitzen wehrend, das den Himmel stürmte.
 
 Jetzt Zwerge rings im Rate und Verrate,
 Und dort ein Knabe, der die Welt beschirmte
 Mit einem Druck am Telegraphendrahte.
 
 3.
 Dich aber lockt die Tat! du willst nicht feiern,
 Dich läßt der innre Drang nicht ruhn noch rasten,
 Halbblind willst du doch mit den Händen tasten
 Und hoffst, das Auge müsse sich entschleiern.
 
 Hell ist dein Blick, doch Nebel sind es, bleiern,
 Die auf dem armen Vaterlande lasten:
 Der Winter, weil den Sommer wir verpraßten,
 Ist durchzuschlafen jetzt und durchzuleiern.
 
 Blick' doch auf sie, die jetzt, wo immer, schöpfen:
 Schlafwandel ist und Taumel ihre Plage,
 Geschäftige Köche sind's vor leeren Töpfen;
 
 Ihr Lob erfüllt die Zeit als bittre Klage,
 Und alle Wände zeigen diesen Köpfen
 Belsazar's Spruch: Gezählt sind eure Tage.
 
 4.
 Das ist ein Gram, der Herzen viel durchdrungen:
 So Nichts zu sein bei Geist und Kraft und Willen,
 Gerölle nur, die Risse auszufüllen,
 Die in das Erdreich dieser Zeit gesprungen;
 
 Verdammt zu schweigen, weil die Stotterzungen
 Geistloser Führer sich in Schweigen hüllen,
 Und liebelos um der Eunuchen willen,
 Die Männern sich als Wächter aufgezwungen.
 
 Entsagen ist und in sich selbst versenken
 Verzeihlicher in solchem Ärgernisse
 Als schaffend nach der Schwäche sich beschränken.
 
 Besser, daß nichts von dir die Nachwelt wisse,
 Als das, verächtlich deiner sie gedenken
 Und dich mit deiner Zeit verdammen müsse.
 
 Die Sonne
 
 Riesiger Sonnenball,
 Auftauchend im Morgen,
 Der du die Sterne all
 Mit Licht versorgen
 Mußt zu jeglicher Frist,
 Sei mir Sonne gegrüßt
 Zu so viel tausend Malen
 Als du mich grüßest mit Strahlen.
 
 Sei mir jubelnd gegrüßt
 In deinem Kranze,
 Drin Strahl an Strahl sich schließt
 Mit unendlichem Glanze;
 Sei mir gegrüßt im Ost,
 Wo Frühwind mit dir kost,
 Sei mir im West gepriesen
 In deines Abendrots Paradiesen.
 
 Wie lieb' ich deinen Blick,
 Den ewigen, klaren,
 Drin Segen und Glück
 Sich offenbaren,
 Den unverwandelten,
 Der über allem Gehandelten
 Hinsieht und über aller Taten
 Still aufkeimenden Saaten.
 
 Wie lieb' ich dein goldenes Licht
 In leuchtender Reinheit,
 Hoch über niederm Gezücht,
 Über aller Gemeinheit
 Thronend am Himmelszelt,
 Wo eine Himmelswelt
 Unermeßlicher Lieb' und Güte
 Aufsproßt in herrlicher Blüte.
 
 Du spinnst dein Strahlengeflecht
 Um Augen und Herzen,
 Siehst Geschlecht um Geschlecht
 In Wonnen und Schmerzen;
 Weisest empor den Geist
 Zu Dem, der über dir kreist,
 Dem ohne Zeit und Schranken
 Sonnen, entgleiten als Gedanken.
 
 Was hast du nicht gesehn
 Mit deinen Flammenblicken
 Auftauchen und vergehn,
 Aufblühen und ersticken;
 Was der Weltgeschichte entschwand,
 Was uns im Gedichte nur mahnt,
 Du sahst es in heller Klarheit
 In seiner urstämmlichen Wahrheit.
 
 Deine Strahlen sie saugten sie auf
 Die Taten und Keime
 Und brachten sie im Verlauf
 In deine himmlischen Räume,
 Und legten sie hinein
 In deinen goldenen Schrein,
 Da liegen sie in treuer Bewahrung
 Ein Schatz geliebter Erfahrung.
 
 Und ziehn deine Strahlen nun aus
 Wie von der Mutter die Kinder,
 Da sehn sie ins Erdenhaus
 Viel lieber und gelinder,
 Weil sie im Buch der Welt
 Nachlasen das kleine Feld
 Von Menschenwirken und Trachten
 Bevor sie niederlachten.
 
 Uns aber durchzuckt dein Licht
 Aus fernen Himmelsbahnen
 Wie eine Erinnrung das Angesicht
 Mit leisem, befreundeten Mahnen,
 Wie ein Bild, das am Tag
 Uns entgegentreten mag
 Und das früher in holden Träumen
 Uns winkte aus Himmelsräumen.
 
 Du aber stehst hehr
 Jahrtausend um Jahrtausend,
 Rings um dich ein Sternenmeer
 Im ewigen Kreislauf brausend;
 Du bist die goldene Hand,
 Die Welten zusammenband
 Und mit unergründlichen Kräften
 Stern an Stern weiß zu besten.
 
 Spinne dein Liebesnetz
 Um Erden und Seelen,
 Daß nach ewigem Gesetz
 Sich alle dir vermählen:
 Damit des Lichtes Schein
 Jedwedem möge sein
 Ein Ziel des Wandelns und Strebens,
 Ein Zweck des Handelns und Lebens.
 
 Licht, Licht! ruft der Geist,
 Licht! ruft die Erde,
 Und wie sie da oben kreist
 Die Sonne, die verklärte,
 Ist sie des Lichtes Quell,
 Für Menschen zulänglich hell,
 Dessen Glanz unsre Augen
 Fast einzusaugen nicht taugen.
 
 Hoch aber über ihr,
 Unbegrenzt von Schranken,
 Im ewigen Sonnenrevier
 Leuchtet das Licht der Gedanken,
 Wohin der Herzenskundige
 Alle Reine und Mündige
 Als Priester zu den Stufen
 Des Himmelsaltars berufen.
 
 Habe Dank, du Meteor,
 Mit deinem segnenden Erscheinen,
 Du Laut vom Himmelschor,
 Du Bild im Kleinen
 Von jenem unendlichen Licht,
 Das durch die Dämmerung bricht,
 Wenn Sonnen und Erden vergehen
 Und Geister auferstehen.
 
 
 
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