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Buch 2
 

Traum
Wohin?
Erwartung
An den Abendwind
Verlornes Leben
Knabenwunsch
Greisenhoffnung
Wein und Kuß
Extase
Einem Freunde
Bauernlied
Wanderlied
Im frohen Kreise
Sängerkönig
Tannhäuser-Lieder
St. Christoph und der Däumling
Mutterwonne
Innere Stimme
Die Behaglichen
Empor!
Unterschied
Wach' auf!
Zur Eröffnung der "Phönix"
Müssen!
Wie ich dich lieb'?
Als Bräutigam

 

Traum

Zwei Welten sah ich aufgetan, zwei Blumen in des Ew'gen Hand;
Sein Odem schloß die Kelche auf; nun leuchtet's draus wie Sonnenbrand;
Nun strömen tausend Leben draus, wie Blütenstaub in Maienluft;
Und tausend Stimmen jauchzen draus: "Preis sei dem Schöpfer, der uns ruft."

Zwei Welten zittern; beben sie vom Puls des Gottes, der sie hält?
Da ihm das Herz vor Freude bebt, so bebt vor Lust auch jede Welt,
Und Beben faßt auch mich, ein Grau'n in Wonne vor des Ew'gen Näh',
Da ich in beider Kelche Grund, in deiner Augen Welten seh'.


Wohin?


Wohin soll ich mich retten vor der Liebe?
Begrabe, Weltmeer, mich in deinen Fluten!
"Die ganze Erd' umfasse ich mit Liebe." —
Nimm du mich auf, Vulkan, in Hassesgluten!
"Tor, was mich selbst verzehrt, es ist ja Liebe!" —
Dich fleh' ich, Sturm, mich tötend wegzuraffen!
"Aus Haß nicht küss' ich wild das Meer, aus Liebe!" —
So stürz' ich, Elend, dir in scharfe Waffen.
"Ich schmiege mich an's Glück in treuster Liebe!" —
Dich, Tod, beschwör' ich, der du aussä'st Schmerzen!
"Du weißt nicht, Mensch, wie ich das Leben liebe;
Geh hin und bettle bei der Liebsten Herzen;
Sie einzig tilgt für ewig deine Liebe!" —

Erwartung

Hat's nicht geklopft? — Ich täuschte mich; es glitt
Der Uhr Gewicht herab. — Nein, 's war der Schritt
Des Wächters draußen, der die Stunde rief —
Dir nimmermehr! O Gott, du schläfst zu tief.
Dir gibt's nicht Stunden mehr, von Heut auf Morgen
Mit heißer Stirn durchwacht, in Tränen, Sorgen,
In Furcht und Hoffen; — ach, und so zu knie'n
An deinem Bett, — mir war es nicht verlieh'n,
Mir nicht der Trost, die liebe Hand zu halten,
Die Stirn zu küssen dir bis zum Erkalten,
Im letzten Blick noch deine Treu' zu lesen,
Dir einmal noch all', was du mir gewesen,
Zu sagen! Fern! dies eine Wort, es sagt
Dir mehr als alles, was ich je geklagt!

Ach, wie der Mensch im törichten Vermessen
Des Augenblicks, im trüben Selbstvergessen
Sich selbst oft zürnt, sich selber schilt, so schalt
Ich dich wohl einst. Ich dacht', wir würden alt;
Wie hätt' ich dann, wenn du im Stuhl gestreckt,
Das liebe Haupt mit Küssen dir bedeckt,
Und jegliche Sekund', in Mißverstand
Einst hingebracht, hätt' ich an deiner Hand
Nochmals gelebt als volles Liebesleben; —
Du wolltest keine mehr zurück mir geben.

O wie wir schieden und den Schlägen lauschten
Der mut'gen Herzen, Wort' um Worte tauschten,
Wie wir, so völlig Eins in Eins, das Weh'n
Der Hoffnung, wie wir schon das Wiederseh'n
Auf unsern Wangen glühen fühlten, — ganz
Umwoben von der Zukunft Mittagsglanz, —
Mit stillem Schwur uns noch einmal umschlangen;
Der letzte Kuß; dann rasch des Wegs gegangen,
Du hier, ich dort! — O Gott, der Weg war weit,
Und harrend sitz' ich hier in Einsamkeit,
Und zähl' Sekunden, ach, und bild' mir ein,
Es hat geklopft, du bist's, du mußt es sein.
Es treibt mich hin, ich öffne dir das Tor — —
O Herz, so weißt du's nicht, was ich verlor;
So weißt du's nicht, der du bei Lieben bist,
Wie hart hienieden Liebesharren ist.
Das war dein Tritt! dein Ruf! — Wohl; doch in mir;
Ich merk's; — und meiner, klingt er nicht zu dir?

An den Abendwind

Schon flicht die Dämmerung die letzte Rose
Vom Kranz des Tages um die Stirn der Nacht,
Die, aller Wesen einz'ge Schlummerlose,
Wie eine Mutter über Kindern wacht.

Ich sitze still, das Haupt zwar nicht bekränzet,
Doch unter einem Kranz, der an der Wand
Ein Bild umschlingt, und durch die Seele glänzet
Wie Abendschimmer mir das Vaterland.

Was rauscht der Kranz? Die dürren Blätter fallen
Wie Asche auf den Scheitel mir herab!
O Abendwind, woher dein leises Wallen?
Du flogst wohl her von einem frischen Grab?

Hast du wohl eben von den Fliederbäumen
Des Friedhofs Blütenschnee herab gestreut,
Und hieltst dies Herz mit seinen Liebesträumen
Auch für ein Grab, weil du's so sanft betreut?

Und wie du kaum von diesem lieben Bilde
Die welken Blätter nahmst, — du meinst es gut,
Willst du mir jetzt, ich fühl' es ja, so milde
Wegküssen von der Stirn der Sorgen Glut?

Nein, laß sie mir, ich will sie gern ertragen!
Ein edler Haupt, ein heil'ges, weiß ich dir,
Um dieses magst du treu die Schwingen schlagen
Und labend Kühlung rauschen so wie hier.

Und flüstre tröstend diesem Haupt die Kunde:
"Des Abendrotes letzte Rose wand
Die Nacht in ihren Kranz." Auf eine Wunde,
O Abendwind, leg dann die milde Hand.

Und flüstre auch noch dies: "O Schlummerlose,
Verzage nicht; denn wie der Morgen graut,
So glüht die letzte hold als erste Rose
Und all dein Schmerz wird dann zum Jubellaut!"

Zieh' hin, o Abendwind, und hauche Küsse
Auf jenes heil'ge Haupt; es lauscht dem Ton.
O rausch' ihm zu viel tausend Liebesgrüße,
Dann weiß es, wer dich schickt, und denkt: "mein Sohn!"

Verlornes Leben

Von Berg zu Berg springt munter die Gazelle;
So eilt die Zeit, mit Augen klug und helle;
Sie blickt mir nach, wie die Geliebte blicket,
Die mit der Blicke Netz mein Herz umstricket,
In Sehnsucht folg' ich, nur nach ihr gewendet,
Da schon die Hast ihr süßes Leben endet.
War jeder Blick ein Leben, was verzage
Ich, da ich tausend Leben in mir trage,
So tausend Blicke, die sie fliehend schenkte,
Die tausendfach durch Flucht mein Leben kränkte.
Folgend dem Blick des Augs, das vor mir fliehend schwebte,
Ach, jeden Augenblick verlor ich, den ich lebte.

Knabenwunsch

O flatterte dein Schleier mir, der blaue, als Standarte!
Bald flammt' er rot, wie Abendglut hoch auf des Himmels Warte!

Wie lang' noch duld' ich's kummervoll, daß sie mich "Knaben" spotten?
O käm' der Tag, ich glich' es aus, daß ich so lange harrte!

Wie lang' gleich Mädchen bleib' ich noch, dem ihr das Eisen wehret?
Voll Scham, daß deines Gleichen ich, siehst du mich an, o Zarte!

Ihr Greise, die ihr stolz und frei herabseht auf den Knaben,
Gebt Feld, gebt Kampf! die Weisheit liegt, nicht steckt der Mut im Barte!

O sprang' ich in die Schlacht hinein, ein Leu, mich drin zu baden!
Mir zeugt's die Welle rot und heiß, ob ich dem Stamm entarte.

Greisenhoffnung

Neiget sich der Tag, was klag' ich?
Müde labt die Dämmerung.
Ist mein Haar ergraut, was zag' ich?
Meine Liebe bleibt doch jung.

Froh in Anschau ihrer Schöne
Steig' ich nieder in das Grab;
Fruchtlos reichen starke Söhne
Mir das treue Schwert hinab.

Beßre schwingen jetzt die Klingen,
Freudig, wie auch ich's getan,
Als die Holde meinem Singen
Lauschte auf des Kampfes Plan.

O schon seh' ich, wie der Eine
Kämpfend faßt der Jungfrau Hand;
Jauchzend sterb' ich, makelreine
Ew'ge Braut, mein Vaterland!

Siegesfahn' entrollend führt er
Einem Gott die Hohe hin,
Und des Erdballs Völker kürt er
All zum Dienst der Königin.

Niedergang und Aufgang tragen,
Goldne Säulen, ihr das Zelt,
Fürsten ziehen ihren Wagen
Und ihr Brautschatz ist die Welt.

Scheucht die Klagen mir vom Bette,
Wenn das Herz mir brausend bebt,
Und auf meine Ruhestätte
Schreibt mir: "Meine Liebe lebt!"

Wein und Kuß
1833

Zählt mir nicht die Tropfen nach!
Ei, wer zählt sie wohl dem Bach?
Zählt nicht nach, wie oft ich küsse!
Eine ist's ja, meine Süße!

Fort das "Soll" aus meinem Buch!
"Haben" ist mir grad' genug.
Schnell wird's einst ja doch durchstrichen,
Und die Rechnung ausgeglichen!

Darum trink' und küss' ich fort,
Bis die Rose mir verdorrt.
Tut mir's nach mit frischen Sinnen,
Eh' die Tropfen uns verrinnen!

Und beim Kuß nur nicht geweint!
Und beim Wein nichts halb gemeint!
Ganz geküßt und ganz getrunken,
Bis die Augen zugesunken!

Extase

In dieser Nacht sah ich dich riesengroß,
Dich als Natur, des Menschen Sohn im Schoß,
Die blüh'nden Matten waren dein Gewand
Und Silberström' umsäumten seinen Rand.

Mich aber schreckten Glanz und Pracht und Licht,
Das Unermeßliche der Schönheit nicht.
Ich rang in deinem Schoß mich auf und rang,
Bis daß ich tausendlebig dich bezwang.

Und ob du flehend riefst: "Laß ab!" — es war
Der Gott in Liebeszorn entbrannt; ein Aar
Umfaßt' er dich und schlang wie Morgenrot
Schwingen um dich, bis du drin aufgeloh't.

Einem Freunde,
der seiner Braut nachstarb

Das Schönste, was du dir erstrebet, —
Das Leben war dafür zu karg;
Ach, weil du, Freund, dir's nicht erlebet,
Erstarbst du dir's, — dir gab's der Sarg.

Du sprachst zum Leben: "O verweile,
Du schönes goldgelocktes Kind!"
Und, wie du's sprachst, so floh's in Eile,
Wie Blütenschnee vor Frühlingswind.

Du sahst es fliehn im allzuraschen
Sehnsücht'gen Drang nach Ewigkeit;
Du griffst ihm nach, es zu erhaschen,
Und flohst nun selbst von mir so weit!

Wie weit? Du hast das nicht ermessen;
Ich selber mess' es jetzt nicht ab;
Nur mess' ich's nimmer nach Vergessen,
Wer maß' auch Treue nach dem Grab?

War's doch die Treu', die dich getötet,
Die Treu', die ja unsterblich macht.
So glüht der Tag, der dich entrötet,
Als ew'ger Tag nach kurzer Nacht.

Bauernlied

Gesegnet, mein teures, mein heimisches Land!
Dein bin ich, dir bleib' ich allewig verwandt.
Dir will ich gehören, was kommt, Lust und Pein,
Mein bist du, mein bleibst du, und stets bin ich dein.

O Erde, drin wurzelt mein Baum und mein Sinn,
Nie wurzle ein fremder statt heim'schen darin;
Und käm's, den zu pflanzen, ich steh' dafür ein,
Und stech', statt mit Spaten, mit Schwertern auch drein,

Und tränk', statt mit Regen, mit Herzblut sie neu,
So wächst Gottes Segen allewig draus neu.
Er wächst und er blüht, und Gott gibt ihr Gedeih'n,
Und so mög' Gott allewig ihr Segen verleih'n!

Wanderlied

Frischer Sinn
Fährt dahin
Zwischen Heut und Morgen.
Leichter Schritt!
Gott geht mit;
Der hält uns geborgen.

Nichts versäumt!
Nichts verträumt!
Wagen hilft gewinnen.
Winkt das Ziel,
Schwätzt nicht viel;
Vorwärts mit frischen Sinnen!

Im frohen Kreise

Ich hab's mein Leblang so gemeint
Und will's mein Leblang halten:
Kein Schatz so reich als wie ein Freund,
Bei Jungen und bei Alten;
Kein Wein so echt, kein Gold so gut,
Ging's zehnmal auch durch's Feuer,
Als wie ein Freund mit frischem Mut;
Der Herrgott ist nicht treuer.

O armer Mann, du reicher Mann,
Hast nichts als Schloß und Riegel!
Trau' ich mein Herz dem Freunde an,
Liegt's unter'm besten Siegel.
O reicher Mann, du armer Mann,
Wenn du ein Lieb hast funden!
Ach, Weibertreu' fängt lustig an
Und endigt aller Stunden.

Und wer das kann und brütet da
Allein vor'm gold'nen Weine,
Dem schlage doch das Podagra
In's Herz statt in die Beine.
Und wer das kann und sitzt im Glück
Und kann den Freund entbehren,
Verdient nicht, daß ihn je ein Blick
Der Liebe mag verklären.

Wir sitzen hier und singen baß
Von Zeiten, alt- und neuen.
Der Wein, der rinnt ohn' Unterlaß
In guten, frischen Treuen.
Wir wünschen all der Gotteswelt
Das Glück, das wir empfinden,
Daß Freund den Freund in Armen hält,
Wie wir uns hier umwinden.

Wir wünschen's frisch und wohlgemut:
Zur Reb' gehören Ranken;
Wenn Einer steht mit festem Mut,
Die Andern mögen wanken!
Er hält sie treu; nun immerhin,
So steh'n am End' ja Alle,
Und ging' die Welt auch in Ruin,
Wir trotzen ihrem Falle.

Die Freundestreu', der echte Wein
Erstarken mit den Jahren;
Drum setz' ich drauf mein Leben ein
Und will's den Freunden sparen.
Und kommt's, daß man von dannen muß,
So sei's beim Schall der Lieder!
Dann, Freunde, sei's mein letzter Gruß:
"Wir seh'n ja doch uns wieder!"

Sängerkönig

Der Sängerkönig im Schifflein sitzt,
Das treibt auf der blauen See,
Sein Greisenauge so rüstig blitzt,
Und wird doch feucht von Weh.

Und das Ruder legt er still zur Seit'
Und wird so trüb' und bleich,
Und sieht zurück! Wie weit, wie weit,
Und immer weiter sein Reich!

Und der letzte blaue Berg verschwimmt
Und der letzte blaue Rand;
Er küßt seine Tochter, die Harfe nimmt
Der Sängerkönig zur Hand.

"Mein Reich ist jetzo die weite See,
Das Schifflein mein Königspalast,
Mein Volk die Wolken in blauer Höh,
Mein Purpur des Abends Glast.

Meine Krone ist deine Lieb', o Kind,
Die bis in den Tod mir bleibt,
Mein letzter Freund ist der Abendwind,
Der von meiner Heimat mich treibt.

Ich hab' sie geliebt, sie hat mich verbannt,
Getrieben in Elend und Not!
Lebwohl! dich segn' ich, o Vaterland,
Und werde dich segnen im Tod!

Dich preist mein Lied auf den Wellen hier,
Und wird dich preisen allzeit!
Das send' ich dir zu, das grüßt dich von mir,
Und bin ich auch noch so weit!"

Tannhäuser-Lieder

                     1.
       Tannhäusers Gesang

Es ward ein Schatz verloren vorlängst,
Der reichste, der je zu gewinnen; —
Am Kreuzweg, wo die Länder sich scheiden,
Da spornt' ich mein Roß von hinnen.

Ich will zu dem Zaubergarten hinein,
Von dem ich hörte die Kunden.
Es sitzt darinnen die schönste Frau,
Macht jedes Weh gesunden.

Drin blüht Gesang und wehet Klang
Durch alle Zweige und Äste,
Der Königin Blicke, ewig hell,
Die leuchten als Sterne bei'm Feste.

Dort ist kein Winter, kein Alter ist dort,
Es schimmert ein ew'ger Morgen;
Dort hat sich das selige Göttergeschlecht
In heimlichen Wonnen verborgen.

Sie sitzen an einer Tafelrund'
Unter dem Lindenbaume,
Die Sänger schlagen die Harfen an,
Betaut von des Nektars Schaume.

Die Königin harrt auf dem goldnen Thron,
O süßer Kelch ihrer Lippen! —
O dürft' ich von dem Freudenkelch
Unsterblichkeit mir nippen!

Wo ist der Garten, wo ist das Land,
Wann wird mein Aug' es finden?
Will rennen und jagen die Welt hindurch,
Und fliegen mit allen vier Winden.

Ich ritt die Erde wohl auf und ab,
Gen Westen und gen Osten; —
O süßer Mund, o goldner Fund!
Werd' ich dich niemals kosten?

                      2.
                Werbung

Wer sehnt sich aus der Nacht der Schmerzen
Nach seliger Vergessenheit?
Hier an der Götter frohen Herzen
Ist ihm sein ew'ger Platz bereit.

Wer sehnt sich aus des Tages Banden
Nach heimlich holdem Dämmerschein?
Freudlose, geh't aus allen Landen
In's Haus der Freudenfürsten ein.

Mein goldnes Tor ist aufgeschlossen,
Die Schale winkt, von Nektar voll,
Und rosenwangige Genossen
Erwarten bräutlich süßen Zoll.

O schüttelt ab dies Kleid von Erde,
Ein neues Phönixleben loht,
Die Freude ruft ein schön'res Werde
Und purpurt euch in Morgenrot.

                       3.
                  Lockung

Die Wahrheit hat dich aufgegeben,
So flüchte in der Fabel Reich!
Geh' ein in sel'ges Götterleben,
Denn Gott und Sänger steh'n sich gleich.

Vom goldnen Becher sollst du nippen,
Von ew'ger Jugend süßem Trank;
Ein einzig Lied von deinen Lippen
Sei goldner Labe goldner Dank.

Und fragst du, wer den Becher sendet,
Die schönste Herrin sendet ihn,
Die ihre Gunst dir zugewendet,
Der Minne hohe Königin.

Sie sitzt auf ihrem Demant-Throne,
Voll Sehnsucht mitten in der Lust,
Das Haupt entlastet sie der Krone,
Zu krönen dich an ihrer Brust.

Ihr Busen wallt in sanften Wogen,
Entgegen bebend deinem Gruß,
Gewährung glüht als Farbenbogen
Und auf den Lippen keimt der Kuß.

                     4.
         Tannhäusers Klage

Ach! all mein Leben war nur ein Traum,
Ein Traum vom Zauber des Schönen,
Mein Herz ein voller Liederbaum,
Dran Blüten wuchsen zu Tönen.

Ich habe gesucht mit unnennbarem Drang,
Auf Erden nirgends gefunden. —
O dürres Leben! o welker Gesang!
Wann kannst wohl du gesunden?

So schüttle der Sturm, so fahr' in den Stamm
Das Feuer des Himmels hernieder!
Schwingt sich kein Phönix aus wilder Flamm'
Mit funkelndem jungen Gefieder?

So schüttle der Sturm, so zünde der Blitz
Und leuchte über die Trümmer!
O Krone, der Lieder blühender Sitz,
Nie wölbest du grünend dich wieder! —

O gäb's ein Hoffen, o gäb's eine Treu'!
Ach, welch ein törichtes Wähnen!
Nach jungem, frischem Lebensmai
Geht einzig all mein Sehnen.

O lernt' ich, was ich längst verlernt,
O lernt' ich wieder Vertrauen!
Vom Abgrund bis zum höchsten Stern
Wollt' ich den Dom mir bauen,

Wollt' ihn erbau'n auf fester Treu',
Und wölben mit kindlichen Träumen,
Und tragen sollten ihn Säulen frei,
Gleich schlanken steinernen Bäumen.

Wo find' ich, — ach fänd' ich den festen Grund!
O sucht ihn, sucht, meine Lieder!
O sucht mir die Treu', dann werd' ich gesund,
Und leb' und hoffe wieder!

                 5.
       Tannhäusers Gebet

Allerbarmer, höre mein Fleh'n
Aus meiner tiefen, tiefen Not;
Läßt ja kein Würmlein untergeh'n,
Läßt ja kein Vöglein vom Zweige fallen:
Liebst ja Alle, vergibst ja Allen,
Höre mich, du mein Vater, mein Gott!

Wann hätte ein Vater verstoßen sein Kind,
Wenn's zu ihm rief, im Herzen den Tod?
Bin, ob verirrt, bin doch auch ja dein Kind,
Hat meine Sünd' deinen Thron auch gestürmt,
Sich von der Hölle zum Himmel getürmt, —
O sei barmherzig, mein Vater, mein Gott!

In Tränen betau' ich rings meine Spur,
Doch Tränen kühlen nicht meine Not.
Töte, doch rette, rette mich nur!
Schau, ich bin blind, ich kann dich nicht finden!
Laß deine Blitze mein Herz hell entzünden;
Licht gib, nur Licht, mein Vater, mein Gott!

Könnt' ich austilgen, was ich getan, —
O Richter, bis einst im Morgenrot
Der Tag der Auferstehung bricht an,
Litt' ich ja gern, bis die Meere ausrönnen,
Den Jammer nochmals, nicht hoffen zu können;
Dann durch die Hoffnung nur rette mich, Gott!

Als Kläger tret' ich jetzt vor dich hin,
Klage mich an auf den ewigen Tod. —
Da steht die Zeugin, die Sonne! Sie schien
Unter der Menschen Tausenden allen
Nie auf ein Haupt, deinem Arm so verfallen! —
Höre, mein Richter, mein Vater, mein Gott!

                     6.
Eckhard's Grablied für's treue Kind

Du Glaub' an Liebe, so ewig treu,
Du gläub'ge Hoffnung, so ewig frei,
Du ew'ge Liebe, gläubig im Hoffen,
Helft, ach helfet mir armem Greis!
Denn es hat mich bei'm heiligsten Beten
Tief, o so tief in's Herz getroffen,
Hat in den Staub mir mein Liebstes getreten,
Meiner Seele blühendes Reis.

Laßt uns zusammen sie senken hinab
In ihr kühles, ruhiges Grab.
Liebe, du mußt sie zu Grabe läuten,
Hoffnung, du bette ihr sanft das Haupt!
Glaube, du küsse noch einmal ihr Auge,
Daß sie träume von kommenden Zeiten,
Daß sie aus Hoffnung Seligkeit sauge,
Die der Tod und die Hölle nicht raubt.

Liebe, Liebe! kränze mein Kind
Aus Gottes Garten mit duft'gem Gewind,
Flicht, o flicht ihr zur Totenkrone
Die Krone des Lebens als bräutlichen Kranz.
Berühre sie leis' mit dem Lilienstengel,
Den du empfingst von des Ewigen Throne;
Kröne, Liebe, du reiner Engel,
Mein süßes Kind mit Morgenglanz!

Kind, o mein Kind, schlaf ruhig und still,
Ich klage nicht, da ich hoffen will;
Doch mein einziges Gut, die Tränen,
Sende ich dir statt der Scholle hinab.
Kann dir nichts in den Sarg mitgeben,
Als mein Hoffen, mein Glauben, mein Sehnen;
Liebe ist Treu', Treue ist Leben; —
Hoffnungsträume träume im Grab!

St. Christoph und der Däumling

                    I.

Christoph, jenem Kindleinsträger,
Wird's in seinem Grab zu enge,
Wo er lag geraume Weile, —
Tausend Jahr' — im Morgenlande.

Dacht' er: Muß doch wieder schauen,
Was geschah in Christenlanden,
Seit ich mich zur Ruh' begeben
Und im Grabe lang' geschlafen.

Und er stemmt mit einem Arme
Sich auf seines Sarges Boden,
Da der andre Ellenbogen
Rasch den eich'nen Deckel sprengt.

Wie er ist herausgestiegen,
Nimmt er seinen Stock bedächtig,
Wiegt ihn prüfend in den Händen,
Den er trug als Wanderstab.

Stellt sich dann auf einen Hügel,
Vorgebeugt an seinem Stabe,
Und der Bart, der silberweiße,
Rollt zur Brust ihm tief hernieder.

Aus der Stirn streicht er die Locken,
Die das Morgenrot umsäumet,
Und der Glanz der neuen Sonne
Schlingt sich drum als Heil'genschein.

Sinnend spricht er dann die Worte:
"Seit ich, Welt, dich nicht gesehen,
Bist du noch, wie einst, so herrlich,
Deine Sonne noch die alte!

Ob die Menschen noch dieselben,
Möcht' ich wohl die Kund' erfahren!"
Spricht's und wandert fort am Stabe
Nach dem Land der Christenheit.

                   II.

Und es schritt der wackre Pilger
Wohl durch vieler Völker Länder,
Barfuß und entblößten Hauptes,
Fort bei Sturm und Sonnenscheine.

Wo er ging durch Städtetore,
Mußt er jedesmal sich bücken,
Seit er einst mit gradem Rücken
Ein's zertrümmert, so zu kleine.

Als er an das Meer gekommen,
Wollt' er eine Fähr' besteigen,
Die ihn trüg' nach jenen Landen,
Wo sie christlich tun und denken.

Wie er nun in's Schiff getreten,
Schrie der Fährmann, bang sich kreuzend:
"Wahr' mich Gott vor solchen Recken,
Die das Schiff in Grund mir senken."

Und so mußt' er aus der Fähre,
Die nicht konnt' den Wackern tragen,
Steigen in die blauen Wellen,
Und das Meer drauf selbst durchschreiten.

Dreier Tage, dreier Nächte
Macht er so die seltne Reise,
Bis darnach am vierten Morgen
Seine Augen Land erblickten.

                   III.

Und er stand vor einem Schlosse,
Stieß da staunend seinen Stecken
In die Erde. "Ei! wie muß ich" —
Rief er: — "Wunderdinge schauen!

Welcher Dämmer in den Hallen!
Schmächtig streben tausend Bogen,
Hell und dunkel, spitze, runde;
Seltsam dünkt mich dieses Bauen."

Und er zieht, die Stirne senkend,
Ernst den Stab heraus vom Boden;
Horch! zu seinen Füßen hört er
Seufzen jetzt und leise wimmern.

Sorgsam bückt er sich hernieder
Und gewahrt an seinem Stabe
Angespießt ein Haselnüßlein,
Halb zerquetscht, die Schal' in Trümmern.

Wie er dies beschaut genauer,
Sieht er draus ein Männlein springen,
Größer nicht als Daumeslänge,
Grau von Haaren, bleich von Wangen.

"Männlein! Männlein!" ruft er staunend,
"Stammst du auch aus Menschenlenden?
Ei! wie konntest du so künstlich
In dies kleine Haus gelangen?"

"Mein Herr Berg!" versetzt der Kleine,
"Denn so muß ich Euch doch nennen,
Mensch bin ich, wie Ihr geboren,
Wenn auch eine Spanne kleiner!

Bin ein Christ auch; in der Taufe
Hieß man mich Johann mit Namen;
Niemals hatt' ich Lust zum Riesen,
Und so wuchs und ward ich keiner.

Habe viel der Abenteuer
In der lieben Welt bestanden,
Daß sie selbst im Buch mich nannten
Hanns, den Däumling, aller Orten.

Als der Welt ich müd' geworden,
Starb ich, liegend in dem Sarge
Dieser Haselnuß, der kleinen; —
Gleich zu Gleich fügt sich am besten.

Wenn ich Euch zur Last nicht falle,
Nehmt mich jetzt ein kleines Weilchen
Mit Euch in das liebe Leben,
Das mir lieb noch war im Grabe.

Laßt mich, wie die Schneck' im Häuslein,
In mein hübsches Särglein hucken,
Und so bergt mich in dem Astloch
Eures Wandersteckenbaumes."

Sankt Christophorus nun, lachend,
Steckte nach des Kleinen Bitte
Däumling in des Steckens Astloch,
Schritt dann in das prächt'ge Schloß,

Das, von tausend Kerzen helle,
Stand, gar seltsam anzuschauen;
Sankt Christoph ging ungehindert
Mitten durch der Diener Scharen.

                   IV.

In des Saales Mitte saßen
Tafelnd viel erlauchte Herren,
Ritter mit den Knebelbärten,
Mit den Wänsten die Prälaten.

Nasen funkelnd, Augen blinzelnd
In der Gläser Widerscheine,
Scherzten, jauchzten, sangen alle,
Die sich eingefunden hatten.

Und ein Abt in Leibesfülle
Hob den Becher voll Burgunder;
Aus der Kehle, baß gefeuchtet,
Übermütig also rufend:

"Alle Heil'gen sollen leben!
Traun! sie waren tolle Käuze,
Wenn nicht Lüg' ist, was berichten
Alte Märlein, uns zu schrecken.

Und nicht minder wahrlich martern
Uns auch, die wir klüger leben,
Die neun Musen, neunfach Übel,
Leere Becher, und die Bibel.

Und die schönen, spröden Bäschen,
Martern g'nug uns, statt zu küssen;
Meine Nachbarin mag's wissen,
Immer taub für mein
"Exaudi".

Drum die Heil'gen, sag' ich nochmals,
Wie wir auch in Schriften lesen,
Niemals sind sie doch gewesen;
Eitle Lügen! eitle Mähren.

Selbst müßt' Einer zu mir kommen
Und mich bei der Nase fassen —
Scheut er nicht das Anathema, —
Wollt' mich so ein Kauz bekehren."

Also spricht der Hochgelahrte,
Hebt den Becher voll Burgunder,
Lallet trunken Liebesworte,
Da im Chor die andern Gäste

Bei der Becher hellem Klange
Zechen, fluchen, Gott verlachen.
Sieh! da kommt mit starkem Tritte
Sankt Christoph zum wilden Feste.

"Ei, da kommt ein alter Recke,
Wie Christoph, der Hanns der Fabel.
Setz' dich, trink!" ruft ihm der Chorus,
"Setz' dich an der Tafel Ende."

"Sankt Christoph, der bin ich selber!"
Spricht der Heil'ge, schauend, staunend.
"Sankt Christoph ist nie gewesen!"
Schreit der Chorus drauf behende.

Sankt Christoph zieht seine Stirne
Ernst in Falten, also sprechend:
"Anders müsset Ihr jetzt sprechen,
Da er sitzt in Eurer Mitte.

Und ich will Euch treu verkünden,
Was mit ihm sich hat begeben,
Wie er trug das Christusknäblein,
Eh' er Martertod erlitten."

Und sie zechen, klatschen, jubeln:
"Bringt ein Stück von Eurem Witze!"
Sankt Christoph beginnt zu sprechen
Also auf dem letzten Sitze:

                   V.

"Saß ein Mann vor langen Jahren
Einst an eines Bächleins Ufer,
Wohlgemut an seinem Stabe,
Blickend in die weite Welt.

Dachte: 'Alles ist mir eigen,
Was die Erde trägt an Schätzen,
Denn ich heiß' der Größte, Stärkste,
Und ich bin's, das weiß ich gut.' —

Und da kam ein zartes Knäblein,
Schön und rosenrot von Wangen,
An das Ufer hergegangen,
Hell von Goldesglanz das Haar,

Sehnend nach dem andern Ufer
Seine zarten Händchen streckend,
Da des Bächleins Wellen rauschten,
Hemmend seiner Schritte Lauf.

Als Christoph das Kind gesehen,
Fragt' er: "Was ist dein Verlangen?"
Drauf der Knab' ihn flehend anging,
Daß er ihn hinüber trage.

Und Christoph behend den Knaben
Setzt' auf seine starken Schultern,
Sprechend: "Eine Welt ertrag' ich,
Wie viel mehr, du Knäblein, dich!"

Als sie kamen in die Mitte,
Ward das Knäblein schwer und schwerer,
Daß Christoph sich mußte stützen
An dem starken Wanderstabe.

Und er sprach hinauf zum Knäblein:
"Kind, o Kind! sag' an, wer bist du?
Daß du mir, dem stärksten Träger,
Kleines Knäblein! wirst zu schwer?"

Drauf das Kind ihm hat entgegnet:
"Alles Große muß sich beugen,
Alle Herrlichkeit der Erden,
Vor dem kleinen Christuskinde!

Was ist Stärke, was ist Hoheit,
Was ist Menschengröß' und Denken?
Du hast deinen Herrn getragen,
Der für dich ertrug das Kreuz."

Und so kamen bald die beiden
An des Bächleins andres Ufer,
Und das Knäblein war verschwunden,
Das Christoph hinüber trug.

Solches hat sich wahr begeben
Vor mehr als wohl tausend Jahren;
Denn Christoph hat Christ getragen,
Und Christophorus bin ich."

                   VI.

Siehe, nun die Gäste springen
Auf von ihren weichen Sitzen,
Und dem kecksten, der da lachte,
Sinkt der Becher aus den Händen.

Und Christoph, vom Sitz sich hebend,
Schüttelt seinen Wanderstecken,
Daß die Haselnuß herausfällt
Mitten auf der Zecher Tisch.

Fröhlich springt der Daumenhänsel
Von Pokale zu Pokale,
Auf den wohlehrwürd'gen Nasen
Hüpft, spaziert er, springt er lustig.

Endlich macht er sich's bequeme,
Grad' auf des Prälaten Nase,
Der, ihn für den Satan haltend,
Seel' und alle Glieder strecket.

Und die Gäste faßt Entsetzen,
Dumpfer brennen alle Kerzen,
Schaudernd suchet zu entrinnen
Jetzo jeder dem Gerichte.

Aber Sankt Christoph im Zorne
Redet die gewicht'gen Worte:
"Dieser ist eu'r würd'ges Abbild,
Daumenlanges Spottgeschlecht!

Als ich noch auf Erden wallte,
Gab es Riesen, gab es Menschen,
Gab es Tempel, gab es Herzen;
Doch das ist nun längst dahin!

Ihr seid eure eigne Strafe;
Denn, auf daß um eure Frevel
Feuer von dem Himmel falle,
Dafür seid ihr Gott zu schlecht.

Schreckt der Däumling all die Großen,
Die so stolz tun und vermessen,
Wird der Geist euch ganz zermalmen,
Wenn er kommt in eure Mitte.

Kommen wird er, wie das Knäblein,
Das ich durch den Bach getragen;
Und ihr werdet wie der Däumling
Ganz zum Spott zusammenschrumpfen.

Dieses seh' ich jetzt, als wäre
Nah der Augenblick des Kommens,
Da der Anfang eures Endes.—
Jetzo kehr' ich in mein Grab.

Daumenhänsel, willst du bleiben?"
Spricht der Däumling drauf: "Warum nicht?
Wenn sie all' gleich mir noch werden,
Hab' ich lustige Gesellschaft.

Und was gilt's: ich mache Hochzeit
Noch und fruchtbar wird die Ehe,
Das Geschlecht der Däumling' mehrt sich,
Und es stirbt so bald nicht aus."

Mutterwonne
aus dem Flamändischen der Frau von Ackere

So ist der Kampf vorbei
Nach so viel Angst und Beben!
Und Mutter bin ich. Neu
Leb' ich ein doppelt Leben!

Komm, Amme, gib' mir's, gib
Mein Kind, ich will's umfangen.
Du dürstest? gleich, süß Lieb,
Gleich still' ich dein Verlangen.

Dir, Herr, als ich's gebar,
Dankt' ich aus Herzensgrunde,
Und Mutterlieb' nur war
Mein Dank in jener Stunde.

Nunmehr find' ich kein Wort,
Noch sonst was zu ersehnen!
Sieh: zu Dir fort und fort
Red' ich nur mehr in Tränen.

Gelt, Herzensmann, wie dich
Der Vaternam' entzücket?
Gelt, wie er dich und mich
Dem Himmel näher rücket?

Nicht brauch' ich mehr der Blum'
Zu neiden ihren Segen,
Hebt sie, des Lenzes Ruhm,
Die Knospen mir entgegen.

Im grünenden Gefild
Nicht seufzen werd' ich wieder,
Wenn jede Pflanze schwillt
Und Frucht wogt auf und nieder.

Nicht trauernd seh' ich dich,
O Schäfchen, deine Jungen
Liebkosen mehr; — auch ich
Hab' ja ein Kind umschlungen.

O frisches Frühlingsglück!
O junge Blütenwonne!
Aus meines Kindleins Blick
Strahlt eines Lenzes Sonne.

O Liebchen, schlumm're sacht!
Deine Mutter schließt kein Auge zu;
Die Lieb' steht auf der Wacht;
Kein Leid stör' deine Ruh'!

Sieh': deine Wiege deckt
Ein Engel mit seinen Flügeln;
Jed' Leid, das einst dich schreckt,
Wird er vorsorglich zügeln.

Er wird dich mit Gekos
In Bruderliebe pflegen,
Und in dein Herz den Sproß
Der Himmelsliebe legen.

Und, wenn ein Jahr entschwand
Und du die ersten Schritte
Versuchst, — mit treuer Hand
Schützt er die schwanken Tritte.

Dein zartes Herz wird er
Schön bilden, und in Nöten,
Schleicht eine Schlange her
Auf deinen Pfad, sie töten.

Ob's um dich tobt und stürmt,
Wachs auf im Gottesfrieden!
Der Engel, der dich schirmt,
Heißt — Mutterlieb' hienieden!

Innere Stimme
1829

Du Siebenschläfer, auf vom dumpfen Schlummer;
Reiß' dich empor aus den Sirenenarmen,
Aus süßem Wahnsinn, zauberischem Kummer; —
Es hat die Zeit, das Leben kein Erbarmen.
Was dich in goldne Ketten schmiedete,
Es war der Zauber des Bezüglichen;
Noch kämpft das Herz, das unbefriedete,
Im Sumpf versinkend des Begnüglichen!

Du bist geboren, daß du solltest singen,
Nicht and're Kunst ward dir in's Herz gegeben; —
So laß des Eises starre Decke springen,
Brich durch! Es gilt! und kostet's auch das Leben!
Setz' auf den Wurf das Ewig-Göttliche,
Und du erringst den Kranz der Sterblichen!
Wenn dich als Fluch auch trifft das Spöttliche,
Du bleibst doch frei vom Dumpf-Verderblichen.

Wenn auch der Aff' sich schwenket zierlicher,
Mein Freund! Du taugst nicht zu den Äffischen,
Du bist ein leicht Magnetisierlicher,
Des Pol sich wendet von den Pfäffischen.
Reit' auf dem Sturmwind, dem geflügelten,
Zu Kraft und Tat, die da erbraust im Wetter;
Und aus dem Glatt- und Platt-Geschniegelten
Sei mit dem Flammenschwert dein eig'ner Retter!

Die Behaglichen
1830

Laßt nichts von den Behaglichen mich hören,
Die jetzt im Mai sich schon dem Herbst vervettert,
Die, statt bei sich, bei ihren Wänsten schwören,
Kahlköpfen, die der inn're Frost entblättert!
Wie? soll dem Volk der Leib den Geist betören?
Traf noch kein Blitz, der zürnend drein geschmettert?
Meint ihr, der Himmel lacht so friedlich wieder?
Aus blauem Grund auch fällt es tötend nieder.

Zersprengen will's, durchsengen mir die Adern,
Seh' ich das Volk um Küchenfeuer tanzen,
Seh' ich sie hungrig um die Bissen hadern,
Derweil den Bauch sich stopfen geist'ge Schranzen.
Bedurft' es dazu der granit'nen Quadern,
Der Heimat Herd zu bau'n und zu umschanzen,
Daß sie, statt Opferglut drauf zu entzünden,
Dem Geist der Kochkunst einen Tempel gründen?!

Und ich und wir, wir seh'n's und kauen müßig,
Und kau'n den Grimm und sätt'g'en uns mit Harren?
Gab Gott die Fäuste denn uns überflüssig,
Das Schwert des Worts als Pritsche bloß des Narren?
Wär's zu erwarten, bis sie, überdrüssig,
Der eklen Kost, nach frischen Kräutern scharren?
Wenn sie im Mai von Arbeit matt schon ruhen,
Was werden sie erst im Dezember tuen?!

Empor!

Du jammerst trostlos: "Du wärst ein Knecht,
Und die Ohnmacht läg' auf der Brust dir als Alp,
Ein Halber nur wärst du!" — Wer macht dich halb?
Du selbst! So trägst den Alp mit Recht!
Deine vier Wände frazzen dich an
Und die gelben, verblindeten Fenster.
Hast zwei Hände, zehn Finger dran,
Und schleichst so herum wie Gespenster?
Stoß' die Faust in das schillernde Glas,
Dran nur der Schmutz dir Gitter malt!
In des Morgenrots Flammen wirf dich hinein,
Bis sie, was an dir kalt und alt,
Was dich durch eigne Schuld entehrt,
Durch heilige Gotteskraft verzehrt,
Und dann in's hohe wogende Gras,
In's morgentau-feuchte,
Unter Kreaturen, groß und klein, —
In dir ist die Macht, — dein ganzes Sein
Leuchte!

Unterschied

Sie können Vieles dir verwehren,
Um Viel gewaltig dich beschweren,
Dir Vieles ungestraft entreißen,
Dich, bist du schuldlos, schuldig heißen;
Sie können dich zu dulden zwingen,
Dich fesseln selbst in ehernen Schlingen,
Und doch bist du ein freier Mann!
Nur dazu kann dich Niemand zwingen:
Ihr Unrecht all' noch Recht zu heißen,
Einherzugeh'n in ihren Ehren;
Liegst du einmal in diesen Schlingen,
Wird dich kein Gott daraus entreißen,
Denn, Sklave, du verdienst sie dann!

Wach' auf!

Wach' auf aus deinem tiefen Schlafe,
Du, der einst hieß ein deutscher Mann;
Wach' auf, sonst wirst du noch ein Sklave,
So gut's der Fremde wünschen kann.
Vor deinem Lotterbette kauern
Seh' ich ihn schon in arger Lust,
Dem Augenblick entgegenlauern,
Wann seine Fers auf deiner Brust.

Du sprichst oft wie ein Fieberkranker
Im Traum; ich hab's mit Grau'n gehört,
Und weißt nicht, daß dir Rost den Anker
Der Freiheit unterdes zerstört.
Du hast das Wort verrosten lassen,
Drum rostet jetzt dir auch die Tat,
Verlernt hast Lieben du und Hassen,
So wirst du Beute dem Verrat.

Die Wahrheit ward dir fast zur Ware,
Drum ward das Wollen auch dir feil;
Du trittst zum fremden Hochaltare,
Da harret dein das Opferbeil.
Schon seh' ich's über deinem Nacken
Gehoben von des Fremden Hand,
Und seine rohen Hände packen
Dich an, o träumend Vaterland!

Wohl mancher schminkt der blut'gen Schergen
Mit Frieden sich das Angesicht;
Mir kann die Schmink' es doch nicht bergen,
So hehlt den Dolch die Scheide nicht.
Ach, wenn sie sanft die Hand uns drücken,
Weint mancher wohl vor Rührung gar,
Und hört das Lachen nicht im Rücken
Und nimmt Geschenke von der Schar, —

Ein Kreuz (ja wohl!), Ring (Ketten), Nadeln,
Ich seh' den scharfgeschliff'nen Speer;
Ad'lung, — was kann der Fremde adeln,
Das nicht in uns schon adlig wär'!?
Drum adelt er, was deutschen Herzen
Fremd sollte sein, die Kriecherei;
Einst siehst du's ein in Todesschmerzen,
Dann, deutscher Träumer, ist's vorbei!

Zur Eröffnung der "Phönix"
1835

Nicht dürre Zweige, die des Winters Sturm
Von morschen Stämmen brach, noch Erstlingsopfer
Des kaum gelallten jungen Lebenstriebes,
Nicht abgenutzten Tand, den nirgends mehr
Ein Mäkler kauft, nicht überreife Früchte,
Nicht Unkraut, so das Feld uns überwuchs,
Laßt uns empor zum Scheiterhaufen gipfeln, —
Noch schwingt die Fackel wilder Leidenschaft,
Wollt ihr die heil'ge Opferglut entzünden;
Sonst wirbelt aus dem mißgeschaffnen Stoff —
Statt Flammenhelle — dicker, stick'ger Qualm;
Sonst, statt des Phönix, schießt in blinder Hast
Ein krallenroter Geier toll hervor;
Sonst, wie ein Vatermörder, dringt der Brand
In eure eignen Schutzgewölbe ein,
Stiehlt eurer Kräfte Kern, daß nichts euch bleibt
Zu zeigen (statt zu pflanzen) als die — Schalen,
Und höhnt auf eurer Hoffnung Aschenhügel
Des Herzens liebsten Traum — von wahrem Sein! —

Nein! was ihr je als wertvoll treu bewahrt, —
Den Perlenkranz der heiligen Vernunft,
Die Tränen, die ihr nie zur Schau getragen,
Ja, diese Tränen, Mütter künft'ger Taten, —
Und jeden süßen Wahn, der je von Liebe
Als Nachhall ird'scher Wonnen euch geblieben,
Als Ahnung und als Herold ew'ger Wonnen,
Und jeden männlich zeugenden Gedanken,
Des Lebens köstlichste Geschmeide all',
Bewußtsein, Hoffnung, euren vollen Wert,
(Verbergt ihn nicht, die Waage weist ihn aus! —)
Mut, Hochsinn, Treue und Beharrlichkeit, —
Dies alles reiht, wie duftiges Gewürz,
Zum Scheiterhaufen, um den Herd des greisen
Jahrhunderts; und des Lichtes Morgengruß
Entzünde rein des Phönix Sarg und Wiege!

Müssen!

Da geht ihr hin in eurem Glanz
Und denkt: die Welt lieg' euch zu Füßen!
Und denkt das eine Wort nur ganz,
Das eine, schwere Wort: Sie müssen!
Was einst Gewährung, jetzt ist's Muß,
So wechseln rasch Begriff' und Namen;
Gewalt spricht jetzt das harte Amen
Zu Hoffnungs- und Verheißungsgruß!

Nun aber hört dasselbe Wort:
"Ihr müßt!" Und was? Ihr müßt bezahlen.
Wofür? Für den geraubten Hort
Vor der Geschichte Tribunalen.
Wann? Wenn ihr Staub und Asche seid!
Womit? Mit ew'ger Schmach der Namen!
Gott spricht das Urteil und das Amen,
Und also bleibt's in Ewigkeit.

Wie ich dich lieb'?

Wie ich dich lieb'? So lieb' ich dich,
Als wie die Nacht der junge Tag;
Er faßt und drückt sie so an sich,
Daß sie in ihm vergehen mag.

Und doch ihr Wesen bleibt so ganz,
So unversehrt ihr süßes Sein:
All seine Pracht, all seinen Glanz
Hüllt er in ihr Geheimnis ein.

Als Bräutigam
1835

O süße Braut, mein heil'ger Tod,
Den fromm ich in den Armen halte!
Verzehrst mich jetzt wie Morgenrot,
Daß ich im Ird'schen nicht veralte.

Ein Tod im Licht zu neuem Sein!
Fahr' hin, was Nacht in mir und Flecken
Im Licht erweckt, so tret' ich rein
Nun hin, um Reine zu erwecken.

So hast du mich, süß Weib, geweiht,
Weil du mich freigemacht von Banden,
Das Licht zu künden, das befreit,
Bis daß mein Volk auch auferstanden!