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Buch 3
 

Höher hinauf!
Juan
Geistermahnung
Karneval!
Vor dem Turm einer Burgruine
Sklavenmarkt
Die weiße Rose
Meerkönigs Ende
Der Zecher
Im Walde
Zwei Blinde
Des Pappenheimers Wappen
Vom Pappenheimer
Der alte Ritter
Landgraf Phillip
Der Kaiser zittert
Des Fuggers Feuerwerk
Eine Träne für Konradin!

Höher hinauf!

Da war ein scharfer Degen, Hans Panzer mit Namen,
Der sprach im Vaterunser kein einzigmal Amen!
Er tät dann nach den sieben Bitten noch eine:
"Herre, mein Gott, in meinem Lebenslauf
Hilf mir nur immer höher und höher hinauf,
So recht als ich's meine."

Und der Kaiser, Herr Carolus, seines Namens der Vierte, —
Wohin er trug sein Banner, und seine Knechte führte,
All überall fand er Hans Panzern ihm nachgegangen,
Hans Panzer mit seinem wildverweg'nen Blut. —
Heisa! was schnitt des Panzers Klinge so gut;
Streit war ihr Nam' und Verlangen!

Der Kaiser, (er wußt' warum), — Männer braucht' er,
Er sah sich Hans Panzern an. — "Zum Streit da taugt er." —
Sie kamen einmal gefahren in Welschland gen Rom,
Zu Sankt Peter knieten sie alle nieder;
Da sprach der Hans Panzer sein Vaterunser wieder
In Sankt Peters Dom.

Der Kaiser hört ihn beten; gar wunderlich
Däucht ihm das Vaterunser; er wandte sich
Zum Hans Panzer: "Ei sagt mir, Hans Panzer, das Eine, —
Ich hört' es schon allerwegs von wahrhaften Leuten, —
Was soll doch Euer Vaterunser bedeuten?"
""So recht wie ichs meine?""

Herr Panzer riß aus der Scheide sein Schwert, Streit genannt,
Und gab dem Kaiser zur Antwort: "Ich führt' Euch nach Römerland;
Nun wißt Ihr all das And're, — Hans Panzer heiß' ich;
Gäbt ihr mir ein Rößlein und auch die goldnen Sporen,
Mein Dank wär' just nicht umsonst, noch verloren,
Hau'n kann ich fleißig."


Der Kaiser, als er's hörte, hub an zu sagen:
"Ich soll Dich wohl, Hans Panzer, zum Ritter schlagen?!"
Er tat es mit den Worten: "Jedem das Seine!"
Hans Panzer sprach: "In meinem Lebenslauf
Hilf mir, Herre Gott! immer höher hinauf,
So recht als ich's meine."

Und als der Hans Panzer ein Ritter war,
Ein Schlößlein auf'n Felsen klebt er, wie sein Nest der Aar,
Hübsch luftig war's; das freut ihn; schön hoch gelegen!
"Des Hohen ist die Welt, wer leugnet mir das?
Je höher und immer höher, um so baß!"
So meinte der Degen.

Vorbei des Weges unten manch Krämer zog;
Husch! wie vom Schlößlein oben herab der Panzer flog!
"Das hat man", rief er, "von oben, die Lust, die Eine.
Hilf, Herre Gott! in meinem Lebenslauf
Mir immer höher und höher hinauf, —
So recht wie ich's meine."

Dies Vaterunser sprach er nach jedem Schmause,
Und schickte federleicht dann die Krämer nach Hause.
Er trieb das Spiel gar lange mit rechten Freuden.
Der Krämer gar viele kamen an des Kaisers Thron:
"O Herre! der Panzer treibt mit Euch Hohn,
Ihr dürft's nicht leiden."

Der Kaiser sann nicht lange, und gab den Spruch:
"Dem Panzer soll geschehen doch einmal genug;
Auf den höchsten Berg in der Runde den Dreibein setzt,
Da soll man ihm helfen zuhöchst hinan,
Denn nie ward ihm genug getan
So völlig wie jetzt."

Und als nun der Hans Panzer den Dreibein bestieg,
So mußt' er halb lachen, wie nie im Sieg;
"Hätt' mir's nie so vermutet" (sprach er) "beim Weine, —
Gott g'nade meinem Lebenslauf!
Jetzt helfen sie mir zuhöchst hinauf, —
Nit recht wie ich meine."

Juan


Weithin flutend, wie schwarze Locken,
Liegt gebreitet der Mantel der Nacht.
Geheimnisvoll, wie ein Menschenherz,
Sitzt die ewig vergeltende Macht
Spinnend am eisernen Rocken.
Drei Fäden dreh'n sich in einen zusammen:
Der Haß der Liebe, der Wonne Schmerz,
Und das eisige Kind der wallenden Flammen,
Der Tod!

Am Meeresstrande wallt Juan;
Von tausend Leben zittert der Ozean.
Tausend Leben durchtoben wie Feuer,
Durchrasen wie Ungeheuer
Juans Brust. Er springt in die Brandung hinein.
"Das Unermeßliche fass' ich, 's ist mein!"
Ruft er; — "Das All durchwühlen
Muß ich, Wonn' auf Wonne fühlen,
In jedem Wesen mich als Gott empfinden,
Im Höchsten, im Tiefsten, dies Ich, das göttliche, finden.
In diesen beiden Herzkammern
Die ganze Welt umklammern."
Jedes Weh, das nachzuckt dem Genuß,
Spornt ihn zu neuem Genießen. Wo ist das Ziel,
Die Grenze des Suchens, — Wo? Wo wird zum Ernst das Spiel?
Des Lebens Freiheit wo zum herben Muß?
Des Aneignens zum ureignen Zweck, was ist's?
Wo ist das Tor, und wer verschließt's,
Wohinter die Deutung des Rätsels liegt,
Dessen Erscheinung das Alleben
Mit tausendfältigem Freudebeben,
Mit wütend-wonnigem Aneinanderstreben,
Wie der Gürtel den Leib Aphroditens umschmiegt?

Juan ist der Mann, der Mann ist sich die Welt,
In alle Tiefen möcht' er tauchen,
Will eingesättigt vom Schönen, mit allen Poren
Das Schönere, Schönste in's All des Herzens saugen.
Das Schöne selbst ging ihm verloren,
Seit er's mit dem Arm des Titanen
Losreißen gewollt aus den ewigen Bahnen.
Er ras't danach in unbändiger Wut;
Umsonst! Verzweifelnd entspringt er der brandenden Flut.
"Wirklich ist nichts, als was der Sinn erfaßt!"
Ruft er im ungestillten Verlangen.
Am Mittelpunkt der Schöpfung will ich hangen;
Bis zur Neige leer' ich in Hast
Den Becher. Alles Leben in mich trinken,
Und dann, ermattend im stolzen Traum:
"In mir war Gott und Mensch, war Zeit und Raum!"
Selig, wie an ein Mädchenherz, in's Nichts hinsinken!

Ungesättigt von Ort zu Ort,
Wie der ewige Jude, wandert er fort.
Wo winkt und lockt Genuß aufs neu?
Wo endet der Drang, wo beginnt die Reu'?
Wo herrscht ein Geist? Wo knechtet der Leib?
Wann ruft ein Gott: "Nicht weiter! Bleib'!"
Gibt's einen andern Gott, als das Ich,
Das tausendarmig die Welt umklammert,
Im Jammer schwelgt, in Wonne jammert, —
Wohlan, Unbekannter, so zeige Dich!
So bind' ich mit Dir im Zweikampf an,
Fall' aus! Hie bin ich: Juan!

Er steht vor des Kirchhofs eherner Pforte,
Er pocht daran mit sicherem Schwert';
Es zersplittert und fällt wie Staub zur Erd'.
Er stampfet und ruft die höhnenden Worte:
"Du Marmorner auf dem marmornen Roß,
Ich lade Dich, sei mein Tischgenoß!
Gibt's Einen, an den mein Stolz nicht glaubt,
Der dies schwellende Ich, den Herrn der Welt,
Mitten im Sturz in den Abgrund des Nichts hält,
Der trotzig den Trotz auf Vernichtung uns raubt,
Gibt's Einen, so schüttle Dein Haupt!"

Und der Marmorne nickt und steigt vom Roß,
Und schleicht unhörbar dem Trotzigen nach
Bis vor sein Sybariten-Gemach,
Harrt draußen, riesengroß;
Und als der Champagner braus't,
Als bei süßen Weisen der Schwelger schmaust,
Als der Zeiger zeigt Mitternacht,
Donnert der Marmorne: "Aufgemacht!"
Es zersplittert die Türe, der Boden dröhnt
Unter'm Tritt des Gast's, die Stimme tönt
Wie Posaunenklang des jüngsten Gerichts:
"Erkennst Du, glaubst Du, hoffst Du?" ""Nichts!
Nichts ist die Losung, Nichts ist das Ziel;
Possenspiel,
Was drüber hinaus;
Allgemeiner Zerstörung Graus —
Mein Herzschlag, Hoffen, Seligsein.
Mit vollblütigen Organen,
Vor Wollust zitternd,
Die letzte Rose zerknitternd
Mit der Faust des Titanen,
Jubelnd in Vernichtung spring' ich hinein."" —

Da, mit steinernen Armen faßt,
Rafft ihn empor, hält ihn der Gast:
"Nicht vernichtet! Ewig gebebt,
Ohne Hoffnung Ihm zugestrebt,
In Verzweiflung Ihn ahnen und missen,
Und ewig, ewig getrennt sich wissen,
Und wenn tausend Feuerström' das All durchrinnen,
Nie in's Nichts auflodern zu können:
Darin fühl' es': Er lebt!"

Geistermahnung

Rings ein halbes, sieches Wollen,
Abgelebt, bevor gelebt!
Blassen Weibern dort entrollen
Dichte Schleier, frisch gewebt.

Was aus Tränen sie gesponnen
Und bestickt mit rotem Blut,
Hängen sie an's Licht der Sonnen,
Trocknen sie an loher Glut.

Rasseln hör' ich einen Wagen,
Seh' ein Roß, das schnaubt und scharrt,
Fortgeschleift, statt stolz zu ragen,
Die gebundne Gegenwart.

Über Blumen, über Träume,
Über Hoffnungen, durch's Korn,
Über umgehau'ne Bäume
Schweift das Roß im tollen Zorn.

Über Herzen, über Saaten
Stampft's hinweg mit breitem Huf,
Und zerstampft entkeimte Taten,
Taub der Klag', dem Hülferuf.

Funken knistern aus den Achsen,
Blut bezeugt entlang den Lauf,
Und aus den Geleisen wachsen
Seufzer Sterbender herauf.

Ach, wohin entflieht der Dichter,
Der zu stolz ist und zu steif,
Daß er sich mit Spottgelichter
Hänge an des Rosses Schweif?

Soll er flüchten feige klagend
In den Taumel wilder Lust,
Und, dem Wort den Dienst versagend,
Träumen mit beklommner Brust?

Nein, er steigt mit sich'rem Schritte
In der Gräber alten Schacht
Und beschwört mit heil'ger Bitte
Alte Helden aus der Nacht.

Sie erwachen drin, sie neigen
Lauschend an die Wand das Ohr,
Rütteln zürnend sich und steigen
Erzgepanzert all' empor.

Rufen donnernd Todesweihen,
Herz an Herz und Schild an Schild,
Schreiten im geschloss'nen Reihen
Hin auf blutigem Gefild.

Blassen Weibern aus den Händen
Reißen sie den Schlei'r, den Trug,
Und der Lüge Reich soll enden
Und des Jammers sei genug.

Und sie lassen laut erklingen
Diesen Ruf zur Gegenwart:
"Um das Höchste muß man ringen,
Nicht geschenkt wird's, nicht erharrt.

Wer nicht kühnen Mutes werben,
Wer nicht handeln kann, nur fleh'n,
Wer nicht freudig geht zum Sterben,
Wird des Geistes Sieg nicht sehn."

Karneval!

Es schellt. — "Herein!" — Der Bote!
"Was bringt Ihr?" — ""Ein Paket!""
"Sprecht leise; eine Tote
Liegt dort im Kabinett." —
""Das Einschreibgeld, den Namen!...
Gut, Herr; lebt wohl!"" — Ich sprach
Als wie ein frommes "Amen"
Dies Lebewohl ihm nach.
Es kamen weinend Freunde,
Sie drückten mir die Hand; —
Der Einz'ge, der nicht weinte,
Der war's, der mich verstand.
Er sprach kein Wort; doch drückt' er
An seine Brust mich fest,
Wie je nur ein Beglückter
Sein Glück nicht fahren läßt.
Ich selbst hub an zu sprechen,
Wie man im Schlaf oft spricht:
"Laß uns dies Siegel brechen,
So wie ein Leben bricht!
Vielleicht ein Angebinde?
Geburtstag, Freund, ist heut.
Der Pate schickt dem Kinde,
Was Kinderherzen freut."

Ich öffne still verloren
Das Päckchen, wie im Traum;
Da klingt's an meine Ohren,
Den Augen trau' ich kaum.
An's Herz des Freundes stütze
Ich mich, ruf' ihm's hinein:
" 's ist eine Schellenmütze
Vom Karnevalsverein!"
Da hab' ich lachen müssen,
Laut lacht' ich himmelan;
Als Ehrenmitglied grüßen
Sie mich im lust'gen Wahn.
Nun heißt's: auf Schwänke sinnen,
So wollen sie's von mir;
Mein einzig Kind da drinnen,
Die Schellenkappe hier!
Hell klingen ihre Schellen;
Du fragst mich, was mir sei,
Daß plötzlich Tränen quellen? —
Wirkung der Narretei!
Ja, wieder kann ich weinen,
Ausweinen meinen Schmerz;
So geht's nicht mir, dem Einen,
So geht es allerwärts!
O Welt voll Fastnachtstagen,
Du hast nicht Platz genug,
Drum stößt der Leichenwagen
Hart an den Maskenzug.
Wer weiß da im Gedränge,
Wohin der Zug ihn reißt,
Und ob er in der Menge
Narr, oder elend heißt?

Vor dem Turm einer Burgruine

Da stehst du ernst und blickst in's Tal hernieder,
Das wie ein holdes Kind sich dir zu Füßen schmiegt!
Die Freude sendet dir den Schall der schönsten Lieder; —
Er scheucht dir wohl das dunkle Raubgefieder,
Doch nicht den Trotz, der auf dir liegt!

Was sinnst du denn, du greiser Bergeswächter?
Vergangner Herrlichkeit? Und schmerzt es dich so tief,
Daß du noch stehen mußt in alter ungeschwächter
Urkraft, da längst gewaltige Geschlechter
Die Mutter Erde zu sich rief?

Ein treuer Knecht sahst du vom edlen Stamme
Den Letzten in die Gruft mit Schild und Helm versenkt.
Wähnst du, du wehrtest ab, gleich einem Felsendamme,
Die neue Zeit, die herwogt, Strom und Flamme
Zugleich, und tötend Leben schenkt?

Du wardst nicht müd', bist, Riese, nur verdrossen,
Und denkst im alten Stolz: "Wie klein die Gegenwart!
Wo kriegerisches Volk einzog auf starken Rossen,
Jetzt wird das Tor dem Bürger nicht verschlossen,
Vor dem er einst umsonst geharrt!"

Ja frei und froh, so heben wir die Becher,
Und ebenbürtig zieh'n wir in das Schloß hinein;
Wir klingen wacker an mit goldnem Sorgenbrecher;
Es gilt der alten Zeit, ihr toten Zecher,
Wir bringen's ihr in altem Wein.

Wir ehren sie, da wir, der eignen Kräfte
Uns vollbewußt und froh, sie auch zu üben, steh'n;
Wir fühlen noch in uns gesunder Ahnen Säfte
Und schaffen am begonnenen Geschäfte,
Daß Enkel es vollendet seh'n.

Sklavenmarkt

Ich sah den Sklavenmarkt, weit aufgetan,
Und ringsum wimmelnd von lebend'gen Waren;
Die reichen Käufer traten stolz heran
Und musterten mit Kennerblick die Scharen.
Und vor den Reichsten, die in üpp'ger Ruh'
Auf weichen Kissen hingestrecket lagen,
Vor diesen liefen emsig ab und zu
Die Mäkler, gute Waren anzutragen.

Und manche Jungfrau'n sah ich, frech entblößt
Durch Mäklerhand, und manche auch gleich Dirnen
Geschminkt, geschmückt, der Locken Band gelös't,
Und Flitterbänder um die reinen Stirnen,
Als brauchte Unschuld, um im vollen Preis
Zu steh'n, des Lasters gleißende Manieren;
So wagt's Gewalt, die nichts von Heil'gem weiß,
Das Heiligste mit Sündenputz zu zieren.

Auch manchen Knaben sah ich, schön, gewandt,
Das dunkle Aug' voll künft'ger großer Taten;
Der schlaue Mäkler pries ihn als entmannt;
Er dachte wohl: sein Käufer braucht — Kastraten!
Schamvoll der Knab' den Blick zu Boden schlug,
Errötend, doch vom Grimm kam das Erröten,
Und sprach, als ihn der Käufer schmunzelnd frug:
"Willst du mir dienen?" — laut: "ich will dich töten!"

Wer sind die Käufer? Wer die Mäkler? sprecht!
O Schmachbescheid, soll ich ihn wiedersagen?
Soll denn der Mächt'gen Schuld? — nein, unser Recht
Soll Frühlingswind durch alle Lande tragen.
Errötet, Mächt'ge, wenn der Mäkler lacht,
Und denkt, daß die Entmannten und Entehrten
All' aufsteh'n werden, eh' ihr dran gedacht,
Und ihre Sklavenfesseln brechen werden!

Ja aufsteh'n, groß und ungebeugt und stark,
Und all' die Mäkler tief zu Boden werfen,
Mit Glut im Aug', mit voller Rach' im Mark,
Und ihre Ketten dann zu Schwertern schärfen.
Dann hebt das Volk den längst versenkten Hort
Und Gottes voll wird's dasteh'n ohne Wanken,
Und auf dem höchsten Thron sitzt dann das Wort
Und offenbaren wird's den Weltgedanken.

Die weiße Rose

Zu dem Chore der Karthause
Zieht der Mönche düstre Schar,
Langsam kommt aus enger Klause,
Stumm sich grüßend, Paar an Paar.
Von den Lippen bleich und kalt
Das
"Memento mori!" schallt,
Drauf in ihren Stühlen nieder
Knien all' die ernsten Brüder.

Einer auch mit bleichen Zügen
Knie't, der jüngste im Konvent,
Hat vor sich, geschlossen, liegen
Das Brevier von Pergament.
Wie er's aufschließt, scheu zurück
Bebt er, und mit bangem Blick
Sieht er in der Blätter Schoße
Lächeln eine weiße Rose.

In dem Kloster hat die Sitte
Wunderbar gefüget Gott,
Daß, wer aus der Brüder Mitte
Schreiten soll in bittern Tod,
Dreier Tag' vor seinem End'
Im Brevier von Pergament
(Das im Betstuhl liegt verschlossen)
Sieht ein weißes Röslein sprossen.

Dumpf verhallt sind die Gesänge,
Freundlich naht des Morgens Blick,
Und es wallt die düstre Menge
In die Zellen stumm zurück.
Hinter allen wandelt jetzt
Noch der jüngste Mönch zuletzt,
Sein Brevier behend und schnelle
Legend an des Ältesten Stelle.

Wieder nah'n am andern Tage
Ernst die Mönche vom Konvent,
Und der Greis liest ohne Klage
Im Brevier sein nahes End'.
Dann mit gottergebnem Blick
Kehrt er in die Zell' zurück,
Faltend zum Gebet die Hände,
Harrend auf sein irdisch Ende.

Und am dritten Tage wallet
Abermals der Mönche Schar,
"Requiem aeternam!" schallet
Rings um eine Totenbahr'.
Sonder Grau'n der Ält'ste schaut
In den leeren Sarg, er baut
Fest auf den, der voll Erbarmen
Ihn empfängt in Vaterarmen.

Dumpf verhallet sind die Klänge
Und es harrt mit ernstem Blick
Ahnungsvoll der Brüder Menge
Auf des Ältesten Geschick.
Seine Seel' empfiehlt er Gott;
Sieh' da sinkt der Jüngste tot —
Trotzt der Staub des Herrn Beschlüssen? —
Nieder zu des Greises Füßen.

Meerkönigs Ende

Er läßt an's Meer sich tragen
Auf seinem Schild von Erz,
Und ruft: "Was soll das Klagen
Hier um ein brechend Herz?
Das Schlachthorn laßt mir dröhnen,
Das oft mir scholl im Feld!
Froh stirbt bei Kriegestönen
Ein alter Nordlandsheld.

"Hebt mich empor, Gesellen,
Daß ich das Meer kann seh'n!
Rauscht mir den Abschied, Wellen,
Im letzten Abendweh'n! —
Reicht, Freunde, mir zu Händen
Das Schwert! — Den Harnisch ab!
Im Meere will ich enden;
Sein weicher Schoß — mein Grab!

Mein treues Schiff am Strande,
Das mich zu Siegen trug
Weithin von Land zu Lande, —
Schmückt mir's zum letzten Zug,
Den Mast mit frischen Kränzen,
Den Bord mit Beute reich,
Die Segel sollen glänzen
Schneeweißen Schwänen gleich!"

Und wie's der Greis geboten,
So wird's ihm rasch bestellt.
"Bringt", ruft er, "auch die Toten
An Bord, die ich gefällt;
Stolz ist ihr Blut geflossen,
Kund gab's die Heldenart;
Drum nehm' ich zu Genossen
Sie auf der letzten Fahrt."

Und die Gesellen tragen
An Bord die Toten all,
Die er im Kampf erschlagen,
Dazu mit Liederschall
Die Beute, seiner Ehre
Wahrzeichen. "" Held, sag' an:
Was willst du sonst?"" — "Im Meere
Hinzieh'n auf freier Bahn.

Tragt mich auf meinem Schilde
An Bord! — Habt Dank. So recht!
Ich sank auf dem Gefilde
Ein Sieger im Gefecht;
Ich sank bei Mittagsschimmer
Und fühl' des Abends Nah'n;
Meerkönigs Haupt soll nimmer
Die dunkle Erd' umfah'n."

Sie trugen ihn und hoben
An Bord; er steht am Mast;
Oft stand im Kampf er droben
In seiner Waffen Glast.
"Die Fackeln jetzt, Gesellen,"
Gebeut er, — "Reisig drauf!
Lebt wohl! Die Segel schwellen,
Den Anker rasch herauf!"

Sie sind zurückgetreten
An's Land; ab stößt das Schiff,
Das schon der Brand im steten
Auflodern rings ergriff.
Er schmiegt sich an den alten
Meerkönig dicht und fest;
Die brennenden Segel entfalten
Sich weit im wehenden West.

Fernab das Schiff hingleitet;
Die Nacht brach an; die Glut
Sich wie ein Purpur breitet
Über die dunkle Flut.
Noch wie ein Sternbild blinkt es
Dort an dem fernsten Rand,
Noch schimmert's, — jetzt versinkt es;
"Leb' wohl!" so hallt's vom Strand.

Der Zecher

"Da droben wär' Einer? Nun, wenn er wär'!
Möcht's wissen!
Eine alte Mähr', eine dumme Mähr'!
Laß fließen den Rhein, laß fließen!

Was siehst Du, Schenkwirt, so finster drein?
Möcht's wissen!
Schenk' lieber von frischen Faß mir ein!
Laß fließen den Wein, laß fließen!"

Der Schenkwirt schenkt und seufzt dazu, —
Möcht's wissen,
Der Zecher ruft: "Du alter Betbruder Du!
Laß fließen den Rhein, laß fließen!

Wenn Einer wär'; was tut mir Der?
Möcht's wissen!
Ich bin als Mensch so viel wie Er.
Laß fließen den Wein, laß fließen!"

Der Zecher lacht, der Schenkwirt spricht
Möcht's wissen —
Er spricht: "Du trinkst Dir das Gericht!"
Laß fließen den Rhein, laß fließen!

Der Zecher spricht: "So trink' ich aus,
Möcht's wissen,
Und Du hilfst mir trinken, Du altes Haus;
Laß fließen den Wein, laß fließen!"

Der Schenkwirt spricht: "Erbarm' Dich Dein!
Möcht's wissen!
"Dein Becher gieß' ich aus in den Rhein!"
Laß fließen den Rhein, laß fließen!

Der Zecher spricht:
"Was soll mir der Spott!
Möcht's wissen!
Nichts kümmert mich all Dein lieber Gott,
Laß fließen den Wein, laß fließen.

Dies Messer werf' ich in die Lüfte hoch,
Möcht's wissen!
Wenn Einer ist, so zeig' er mir's doch!
Laß fließen den Rhein, laß fließen!

Er wirft das Messer hoch in die Luft;
Möcht's wissen;
Den Becher leert er noch einmal und ruft:
"Laß fließen den Wein, laß fließen!"

Und da springt ihm das helle Blut aus der Brust; —
Möcht's wissen;
Und es schießt in den leeren Becher mit Lust;
Laß fließen das Blut, laß fließen!

Und der Schenkwirt steht und sieht darein,
Möcht's wissen!
Und er schüttet den Becher aus in den Rhein.
Laß fließen den Rhein, laß fließen!

Im Walde

Im wilden Walde schritt ich fort,
Viel tausend Stimmen klangen,
Sie lockten hier, sie drohten dort,
Ich folgt' in Lust und Bangen.

Der Sturm war's, der mich nach sich zog,
Der Eichen mächt'ger Schnitter;
Ihm folgend auseinander bog
Ich hastig der Äste Gitter.

Und weiter stets und weiter drang
Ich in den Wald und lauschte,
Und horchte auf den Kriegsgesang
Des Sturms, der mich umrauschte.

Und jeder Stamm, sich schüttelnd, war
Ein Mann, von Zorn erbebend,
Gewaffnet stand die ganze Schar,
Die Arme frei erhebend.

Fest aneinander schlössen dann
Die Tüchtigen sich alle
Und standen wie ein einz'ger Mann,
Gefügt, zum starken Walle.

Aus all dem Rauschen deutlich scholl
Das Losungswort in Nöten:
"Wenn jeder steht wie jeder soll,
Wer kann das Ganze töten?

Wenn jeder fest den andern hält,
Wurzeln und Äst' durchschlungen,
So trotzen wir der ganzen Welt
Und bleiben unbezwungen."

Zwei Blinde

Es sind sich Zwei begegnet, allbeid' in einem Amt,
Austilgen heißt ihr Handwerk, dran schafften sie zusammt;
Die Zwei haben sich gefunden und ringen um den Platz,
Sie würfeln mit einander wohl um den höchsten Satz.

Blind sind sie alle beide. Der Eine hat nie geseh'n,
Doch trifft er; seinen Pfeilen kann kein Lebend'ger entgeh'n.
Dem Andern schoß man sachte ein Aug' um's andre aus,
Und er findet doch alle Glatzen für den Schwung der Keule heraus.

Kein Weib gebar den Einen, und er hat kein Herz im Leib;
Herzlos ist auch der Andre, doch ihn gebar ein Weib;
Der Eine geht als König so frei und wundenfest,
Ein Feldherr ist der Andre, sein Leib ein Wundennest.

Was er drin ausgebrütet in diesem Nest herzwarm,
Das ist von bösen Vöglein ein unzählbarer Schwarm;
Die fliegen um, die röten, wie rote Hähn' zum Brand,—
Es ist ein Heer von Nöten, das schwirrt im Böhmerland.

Da war's im festen Lager vor Przibislaw der Stadt,
Als vor den blinden Zizka der Tod, der blinde, trat;
Gab ihm 'nen Kelch zum Trinken; der Zizka dankte fein,
"Mich dürstet's nicht nach Galle", die Antwort gab er drein.

"Fluch, daß auch ich muß fallen!" so hub er noch die Stimm',
Und hab' noch nicht gesättigt den Nimmersatten Grimm.
Fluch, daß durch dies mein Ende manch Glatzkopf ungespällt,
Daß meine eiserne Keule nur reif zum Roste fällt!"

Das laß dich nicht verdrießen," hebt drauf der Andre an,
Ich kann dir's wohl bezeugen: hast überg'nug getan."
Der Zizka schweigt und brütet; wie nagt an ihm der Groll,
Daß, wenn er ist begraben, sein Schlachtruf schweigen soll.

Da hört er lustig wirbeln wohl einer Trommel Schall,
Und lustig wird er selber und ruft: "Herbei jetzt all'
Feldhauptleut' der Hussiten! Herbei, wer rings mich kennt!
Hört an und schwört beim Kelche, zu halten mein Testament.

Muß auch mein Mund verstummen (ein Blinder bringt mich um),
Soll er mich doch nicht zwingen, daß ich euch bleibe stumm.
Ich hab' 'ne Haut am Leibe, von Wunden fast zerstückt,
Doch hält sie wohl als Trommelfell, wenn ihr die Risse flickt."

Drauf hat den blinden Helden der blinde Tod gefällt;
Nun zog anstatt des Blinden der Blinde durch die Welt,
Nahm vor sich eine Trommel und schlug den Wirbel laut,
Als schritte Zizka selbst einher in Fleisch und Bein und Haut.

Sie wirbelte traun so mächtig, sie warb so laut, so stark,
Als dränge noch des Zizka Geist den Freien bis tief in's Mark;
Sie scholl wohl hundert Jahre und drüber zu mancher Schlacht,
Bis daß der Stern am weißen Berg aufging zu ewiger Nacht.

Des Pappenheimers Wappen

Er saß in seinem Kämmerlein,
Der alte Marschalk Veit,
Er las im Buch der Sterne
Die Lose künft'ger Zeit.
Frau Salome, seine Treue,
Lag schwer in Kindernot.
Der Alte rang in Angst und Pein:
"Ein tüchtig Kind verleihe
Du mir, o starker Gott!

Von Pappenheim der alte, Baum'
Trug immer gute Frucht;
Gib, Gott mir einen Jungen
Vom Kern' nach alter Zucht,
Und gib mir auch zu kennen
Ein Zeichen seiner Art,
Gib mir's am Himmel oder im Traum,
Wie man ihn einst wird nennen,
Wenn sie mich längst verscharrt."

Frau Salome ein Kind gebar,
Ein starkes Knäblein war's;
Es blickte gleich so freisam
Mit Augen eines Aar's.
Der Alte kam gegangen
Und hob's an seine Brust:
"Nun, Gott sei Dank, ich bin's gewahr,
Mein Bub lernt niemals hangen,
Das Schwert wird seine Lust!"

Da wies der alte Marschalk Veit
Der Mutter stolz das Kind:
"Schau, Mutter, unserm Jungen
Nur auf die Stirn' geschwind.
Ein Mal ist drauf, verwegen,
Zwei Schwertern völlig gleich,
Das spricht von seiner Männerzeit; —
Er wird der beste Degen
Dereinst im römischen Reich."

Der Vater sprach's, die Mutter sah
Das ritterliche Mal,
Der Vater rief: "Mein Junge,
Sei einst ein Mann von Stahl. —
Mein Schwertes-Sproß, frisch keim' er!
Er schlägt nicht von der Art,
Sein Schildspruch sei: Victoria." —
Dem alten Pappenheimer
Rann eine Trän' in den Bart.

Das Kindlein weint' im ersten Bad,
Dann nie im Leben mehr:
Man tauft' es: Gottfried Heinrich;
Es wuchs gar frisch einher,
Es wuchs zum besten Degen
Im ganzen deutschen Land,
Und wenn er zürnt', — dann Gott genad'! —
Dann war das Mal verwegen
Stets auf der Stirn entbrannt. —

Da war ein heißer Novembertag
Zu Lützen auf dem Plan,
Da fiel ein stärk'rer Degen
Den Mann des Schwertes an:
Der Tod bracht' ihn zum Falle,
Was nie gelang 'nem Feind, —
Bei Lützen auf dem Plan erlag
Auf einem Totenwalle
Der Mann, der nie geweint.

Sie trugen den Pappenheim vom Feld,
Sie hoben ihn auf die Bahr';
Die Mutter sah ihn liegen,
Sie raufte wild ihr Haar,
Sie küßt' ihm Stirn und Rechte,
Ließ nicht vom Küssen ab.
Er trug sein Mal, der gute Held,
Und nahm das Wappen, das echte,
Mit sich getreu in's Grab.

Vom Pappenheimer

Das war eine Nacht im November wie grimm!
Da lagen viel hundert, voll Wunden gekerbt,
Und schrieen und stöhnten mit heiserer Stimm';
Es hat sie all' die Pragerschlacht verderbt.
Am weißen Berg in der Pragerschlacht
Haben Zween verloren ihre kostbarsten Schätz',
Seine Krone der Winterkönig in Acht,
Und das Böhmerland seine Freiheit für stets.

Wie geschlagen war die Pragerschlacht,
Manch ein Prager stand da und wartete drauf,
Ob auf der Brücke um Mitternacht
Der Pfeiler nicht donnernd spränge auf
Und flöge draus das geflügelte Schwert,
Das fliegen wird in Böhmens bitterster Stund',
Und ob es nicht sause, dem Feind zugekehrt,
Und schlüge den Zwingherrn scharf in den Grund?

Doch der Pfeiler hat sich nicht aufgetan
Und geflogen ist nicht das rettende Schwert,
Aber Eisen hat aufgeräumt den Plan
Und den Lebenden hat das Leben nicht Wert;
Und aus tausend Wunden ruft manche Stimm',
Die Erde vom Blut der Erschlagenen dampft,
Die Sieger durchjagen das Schlachtfeld grimm,
Von Rossen wird manche Rippe zerstampft.

Einer liegt da, der war mit dabei,
Trieb sein Handwerk baß, denn zum Zeitvertreib;
Den haben sie zwar nicht gehauen entzwei,
Doch gezeichnet mit Kerben, schier hundert am Leib,
Dem gerinnt in den Wunden das Blut zu Eis;
Nie bis heute hat ihm die Schlacht so geschmeckt!
Verstarrt ihn der Frost, so ist ihm doch heiß,
Es ward ja der Tisch heut mit Feuer gedeckt!

Gelegen hat er die Nacht für verlor'n;
Gedanken kommen ihm allerhand,
So brummt er, die Augen fest zugefror'n:
"Wo halt' ich jetzund wohl Quartier und Stand?
Für die Hölle spür' ich zu wenig Leid,
Auch focht ich ja gegen die Ketzer die Schlacht;
Für den Himmel schmeck' ich zu wenig Freud',
Auch hab' ich ja meine Beicht nicht vollbracht.

Wo ich jetzo mag sein, ich bild' mir's ein;
Bin ich nicht in der Höll' und im Himmel nicht,
Mag wohl mein Quartier jetzt das Fegfeuer sein,
Zumal mir's in Gliedern wie Dornen sticht.
Doch, wo ich lieg' und in welchem Quartier, —
Einen rechten Reiter, den kümmert's nicht viel;
Katholisch bin ich und bleib's auch hinfür, —
Katholisch machen ist all mein Ziel."

Da kräht der Hahn und der Rabe krächzt auch;
Und noch hunderte röcheln ihr Leben aus.
Die Sonne wird wach und die Sieger werden's auch;
Der Rabe fliegt aus um köstlichen Schmaus;
Kommt manch ein Wallone bei Zeiten auf's Feld,
Manch einer, dem Wams und Hosen gar not;
Geh'n auf blutigen Markt, zu kaufen ohne Geld,
Zahlten gestern schon mit Münzen blutrot!

Einer sucht und spähet und mäkelt nicht lang',
Ist völlig zerlumpt, an den Waden fast nackt,
Der gewahrt auf seinem Jahrmarktsgang
Den, der im Fegfeuer liegt, so vielfach verhackt;
Den Wallonen friert's an die Beine, wie scharf!
Ruft: "Kerl! Du hast gute Hosen an,
Eines guten Paar's Hosen ich eben bedarf,
Mit Verlaub nun zieh' ich die Deinen an."

Da muckt sich der andere unter dem Pferd,
Und setzt sich dem lumpigen Plünd'rer zur Wehr,
Hat noch in der Faust seinen Stummel von Schwert,
Das ist voll Scharten gekerbt, wie er.
"Mach' nit viel Wesens!" ruft der Wallon,
"Dein sauber Paar Hosen in die Augen mir sticht;" —
"Ho!" versetzt der andere, "Hand weg davon;
So wohlfeil stirbt der Pappenheim nicht!"

Das hört der Wallone und kraut mit Bedacht
Sich hinter den Ohren und kraut sich im Bart: —
"Hätte schier ein dummes Stücklein vollbracht,"
So brummt er und bückt sich nieder und scharrt
Und rafft und gräbt unter'm Ross' herfür
Den Pappenheimer, der im Fegfeuer lag. —
Und trug ihn nach Prag stracks in's Quartier;
Seiner Wunden ein trefflicher Bader dort pflag.

Als der Pappenheim lag auf dem Siechenbett,
Der Bader ihm sorglich zur Seite stand,
Die Wunden künstlich zusammen näht,
Und legt ihm Pflaster mit starkem Verband;
Der Pappenheim wendet sich hin und her,
Der Bader brauchte fast hundert Händ';
Dem Pappenheim langeweilt's eben gar sehr;
Er meint: "Das Heften und Nähen nimmt kein End'."

Nun unter dem Heften und unter dem Näh'n
Vom Kurfürsten Max der Medicus kommt,
Bringt Gruß vom Herrn, ist gesandt, um zu seh'n,
Ob menschliche Kunst noch dem Pappenheim frommt?
Der Bader spricht: "Ich trau' mich's fast,
Zu heilen den Pappenheim mit Gottes Huld,
Wenn gleich sechs Wunden ihn tödlich gefaßt; —
Hätt' der edle Herr nur nicht Ungeduld."

Das hört der Pappenheim wohl im Bett,
Und runzelt die Stirn und ruft voll Grimm,
Dem Bader fast Hören und Sehen vergeht,
So durch Mark und Bein schallt des Kranken Stimm'; —
Ruft der Pappenheim: "Das zahl' ich teu'r,
Der Pflasterstreicher hat Reden gar fein,
Ich lag zwar 'ne Nacht lang im Fegefeu'r! —
Bei dem Heften und Näh'n soll der Teufel geduldig sein."

Der alte Ritter

Kaiser Max, der Ehrenreiche,
Reitet fort aus Augsburgs Mauern,
Und der Reichsstadt Bürger trauern;
Ob sie je ihn wieder schauen?
Wie so trüb der alte, bleiche
Kaiser trabt auf sanftem Schimmel!
Wie so freundlich klar der Himmel
Blicket auf den Grauen!

"Lebe wohl" (mit matten Lippen
Spricht der Kaiser diese Worte),
"Lebe wohl, des Südens Pforte,
Augsburg, lieb mir sonder Gleichen!
Nie vom Ehrentrunk mehr nippen
Werd' ich, steh' mit einem Fuße
Schon im Grab; die Hand zum Gruße
Laß mich dir noch reichen!"

Frauen, Männer, Greise, Knaben
Drängen sich, die Hand zu fassen;
Nimmer sah'n der Reichsstadt Gassen
So bekümmert Volk wie heute.
Fernab jetzt die Rosse traben
Nach Tirols umfels'ten Marken,
Wo, im Weidwerk zu erstarken,
Max so oft sich freute.

"Lasset uns nach Füßen reiten,
Nach dem Schlößlein" (spricht er winkend),
"Dessen Türme goldig blinkend,
Stehn auf dreier Länder Luge. —
Ach, in unbekannte Weiten
Sehnt mein Herz sich, erdenmüde;
Flög' auf einem Heldenliede
Ich im letzten Fluge!

Auf dem Schloß ist gut zu rasten.
Hat nicht Luther dort gerastet,
Jener Mönch, den ihr verpaßtet,
Der am Leib euch sollte büßen?
Wie? im selben Schloß zu gasten? — —
Wird das Auge mir schon trüber?
Ach die Sonne ziehet drüber,
Scheidend mir's zu küssen!

Sonne! Fürsten sind wir beide; —
Du wirst wieder bald gefunden,
Bringst die altgewohnten Stunden
Deinem Volk, — den Menschen, wieder.
Ich auch fühl's, wie bald ich scheide;
Doch mit mir, dem alten Knaben,
Wird die alte Zeit begraben,
Und sie kommt — nicht wieder!

Rüst'ger Hände kühne Taten,
Namen, hell vom Waffenruhme,
Und die schöne Wunderblume:
Rittertum, wird mit begraben.
Keimen werden neue Saaten,
Treten werden in die Schranken
Neue Ritter, — die Gedanken,
Leuchtend, hoch erhaben.

In der Abendsonne Klarheit
Seh' ich schon zum Kampf sie jagen,
Kühn das Wort als Lanze tragen,
Seit der Aufruf donnernd hallte.
Ihre Dame ist — die Wahrheit;
Ach, im Scheiden macht mir's Wonne,
Daß um's Licht, o Mutter Sonne,
Kampf sich, Sieg entfalte!"

Landgraf Phillip
der Großmütige

Der Frühling kommt, mit Helm und Speere,
Ein leuchtend Schwert in seiner Hand;
Er zieht heran für deutsche Ehre,
Sein Ruf: "Ein freies Vaterland!
Nicht länger soll in dumpfen Mauern
Des Volkes allgemeiner Hort,
Der Geist, als ein Gefangner trauern,
Nicht länger sei gebannt, o Wort!"
Da spannt der Lenz den goldnen Bogen,
Die Pfeile fliegen weit und breit;
Und Fürsten kommen hergezogen
Zu ihm als ritterlich Geleit.
Sie reichen sich die starken Rechten
Und freudig ruft ihr bester Held:
"Die Wahrheit treulich zu verfechten,
Gilt mehr als alles Gut der Welt!"

Der Kaiser zittert

Ei, wie er so lungert und lauert,
Und stiert und starrt und staunt mich an,
Wie's euch durchrieselt, durchschauert,
Als spräch' ich's zur bösen Stunde,
Wenn's frei mir sprudelt vom Munde:
"Schaut, daß auch ein Kaiser zittern kann!"

Wär' er von Stahl oder Steine,
Nicht überlief' euch die Gänsehaut,
Doch weil er von Fleisch und Beine,
Und hat zerbrechliche Glieder,
Und wirft ein Lüftchen ihn nieder, —
Das ist's, wovor euch so gruselt und graut.

Es kam von Wien geritten
Der römische Kaiser Ferdinand,
Er ritt durch Böheims Mitten.
Auf dem Altstädter Ringe wohl funkelt's,
Sonst dämmert's und schattet's und dunkelt's
Im felsenummauerten Böhmerland.

Und als er kam am Abend
Nach Czaslau, in die freundliche Stadt,
Da ward getischt gar labend,
Was Wald und Ströme gaben;
Es schmausten und schwatzten wie Raben
Des Kaisers Schranzen und wurden nicht satt.

Und da sie saßen beim Weine,
Der Kaiser hatte bald Überdruß,
Es ließ der Fromme (alleine
Nur hungernd, die Seele zu speisen,)
Das alte Kirchlein sich weisen,
Und trat hinein mit frommem Gruß.

Er faßt den Weihwasserwedel,
Da schmettert's an ihn, laut donnernd im Fall,
Dicht nieder vor seinem Schädel;
Das ist eine eiserne Keule.
Und, wie ein Mordgeheule,
Dumpf grollt der brummige Widerhall.

"Mein Heiland! sei mir gnädig!"
Er stammelt's aus blassen Lippen hervor;
"Schier war ich des Lebens ledig. —
Wer mag in diesen Mauern
Auf mich verrät'risch lauern?
Dort hinter'm Altar? — Dort auf dem Chor?"

Drauf sprach der Küster leise,
Demütig sich neigend vor dem Herrn:
"Herr! Das ist eigne Weise.
Das waren des Zizka Gewaffen;
Selbst tot will er noch damit schaffen,
Rechtgläubige Fürsten hatt' er nicht gern."

"Verstumme, du Unglückseule",
Spricht drauf der Kaiser in Grimm und Grau'n,
"Und war's des Zizka Keule,
So grabt aus des Verruchten Gebeine
Und tilgt sein Bild von dem Steine,
Keines Böhmen Aug' soll es je mehr schau'n!"

Nun letzte an Zizka's Gebeine
Der Glaubenshaß sich im Hohn noch spät;
Doch die Pfaffen sprachen beim Weine:
"Der Zizka schreckt fürder wohl keinen,
Sein Name selbst, — als wir vermeinen, —
Ist bald, wie seine Asche verweht."

Der Küster aber, der alte,
Sprach sterbend, als er Beichte getan:
"Ich weiß eine ritzbare Falte,
Und wüßten's Viele und — Alle, —
Mancher Hohe käme zum Falle. — —
Ich weiß, daß ein Kaiser auch — zittern kann!"

Des Fuggers Feuerwerk

Im Zwielicht war's, am Feuer saß
Der Kaiser, hub sein Venedigerglas
Voll Heiltranks an die Lippen;
Von Drangsal ist das Herz ihm schwer,
Das Fieber schüttelt ihn gar sehr; —
Vergeußt den Trank beim Nippen.

Das Feu'r, kostbar, von Würz' und Zimt,
Ist ausgebrannt, die Kohl' verglimmt,
Der Kaiser vergaß zu schüren.
Vor ihm der Weber von Augsburg stand,
Den dauert's, als die Glut verbrannt,
Nun sollt' ein Kaiser frieren!

Und aus dem Mantel schlicht und schlecht
Viel Briese zieht er, all' gerecht,
Und legt sie auf die Kohlen,
Und bläst mit Macht, bis daß die Glut
Frisch knistert, wie voll Lebensmut,
Und lächelt dann verstohlen.

Die Briefe brennen lichterloh,
Der Fugger spricht so frei und froh,
Als trüg' er des Kaisers Kronen:
"O kaiserliche Majestät!
Was meinst Du, daß hier brennen tät'?
Da brennen zwei Millionen.

Mit Deiner Gunst unterstand ich's mich,
Die Briefe Dein, sie brannten Dich,
Nun geben sie hellen Schimmer!"
Der Kaiser, baß gewärmt, versetzt:
"Kein schöner Feu'r sah ich bis jetzt,
Mich dünkt: mich friert's schon nimmer!"

Eine Träne für Konradin!

Durch die Alpenschlucht, an den Klippen der Flüsse,
Am Ufer der See'n, drüberhin fliegt der Aar,
Heim pilgert die Mutter, wund sind ihre Füße,
In Jammer zerrauft ihr blondes Haar.

Bevor ihr's sterbliche Lippen vertrauen,
Hat der König der Luft' ihr die Botschaft gesagt;
Wohl Balsam Tränen sind, aber sie tauen
Der Mutter nicht, die um Konradin klagt.

Wo sie Menschen begegnet, die Reichen, die Armen,
Die redet sie an mit dem Gruß und dem Fleh'n:
"Eine Bettlerin bin ich! O habet Erbarmen!
Laßt ohne Gabe nicht weiter mich geh'n!

Nicht Brot mir, nicht Trank, mich daran zu erlaben,
Tränenlos bettl' ich um höhern Gewinn, —
Er starb unbeweint, und so liegt er begraben! —
O schenkt eine Träne für Konradin!"