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Der ersten Liebe Verlust
 

1.
Unvergeßliches

Wer einmal voll genossen
Der Liebe süßes Glück,
Der ruft die goldnen Stunden
Mit jedem Hauch zurück.

So sehnt die Blum' am Felsen,
Versengt von Mittagsglut,
Hinunter sich zum Tale,
Zur kühlen Stromesflut.

So sehnt der lahme Vogel
Im Herbst sich nach dem Süd,
Wenn leicht die Schar der Brüder
Mit Sang vorüberzieht.

2.
Ansicht durch Tränen

Lieb' ist herrlich mir erschienen,
Da ich froh mich ihr vertraute,
Doch mit noch viel holdern Mienen,
Seit ich sie durch Tränen schaute.
Aber weh, die Trän' ist teuer,
Die solch Bild vor mir läßt schweben,
Denn ich hab' mein Lebensfeuer,
Glück und Ruh' darum gegeben.

3.
Lenzestod

Als ich das erste Veilchen erblickt,
Wie war ich von Farbe und Duft entzückt!
Die Botin des Lenzes drückt' ich voll Lust
An meine schwellende, hoffende Brust.

Der Lenz ist vorüber, das Veilchen ist tot,
Rings stehen viel Blumen blau und rot,
Ich stehe inmitten, und sehe sie kaum,
Das Veilchen erscheint mir im Frühlingstraum.

3.
Erstarrung

Lust und Liebe sind gestorben,
Hoffnung schloß die Tore zu,
Ruhe hab' ich mir erworben,
Aber Totenruh'.

Lange hab' ich schwer getrauert,
Heiß geweint um Lieb' und Lust,
Kälte, die mein Mark durchschauert,
Füllt mir nun die Brust.

Als ich die erstarrte Rose
Jüngst beklagt' in tiefem Schmerz,
Dacht' ich wohl, daß ihrem Lose
Gleichen würd' mein Herz?

5.
Rückblick

Ich sah auf mein Lieben zurücke,
Wie der Hirt nach der Sonne blickt,
Die, sinkend, mit sterbendem Blicke
Den letzten Gruß ihm nickt.

Den Hirten weckt wohl die Sonne
Am andern Tage früh,
Mir aber ersteht die Wonne,
Die einmal versunkene, nie.

Nun seh' ich mein süßes Lieben,
Wie der Mann sein verbranntes Haus,
Die Asche, die geblieben,
Macht all sein Habe aus.

6.
Besonderer Himmel

Wenn jede meiner heißen Liebeszähren,
Die ich geweint, seit mich ihr Ausspruch trennte,
Zu einem lichten Sterne werden könnte,
Versetzt von einem Gotte in die Sphären:

Gewiß, daß dann so viele Sterne wären,
Zu glühn an einem neuen Firmamente,
Das in viel tausend Silberfunken brennte,
Die düstre Nacht der Erde aufzuklären.

Was würden da wohl Liebende empfinden,
Einander fest an Herz und Lippen drückend,
Und auf zu einem solchen Himmel blickend?

Wie aber müßte dann der Falschen werden,
Wenn überall, wohin sie zög' auf Erden,
So böse Stern' ob ihrem Haupte stünden?

7.
Teilnahme der Natur

Gedenkst du der Stunde noch, Nachtigall,
Da du so schmelzend sangest,
Gedenkst du der Stunde noch, Wasserfall,
Da du so freundlich erklangest?

Ich saß, im Arme das liebliche Kind,
Erglüht im schönsten der Triebe,
Und es rief die Welle, der Wald, der Wind:
Liebe! Liebe! Liebe!

Doch gestern, als wild mich des Kummers Gewalt
Hinaus trieb in nächtige Schauer,
Da ächzte die Welle, der Wind, der Wald:
Trauer! Trauer! Trauer!

Ich wollt', ich läg' in der Grabesstell',
Umschlossen von enger Truhe,
Und es lispelten Wind und Wald und Well':
Ruhe! Ruhe! Ruhe!

8.
Perle und Lied

Die Perle wahrend im Gehäuse,
Das seinen Schatz umfangen hält,
So schifft die stille Muschel leise
Durch's tiefe Wogenmeer der Welt.

Der Muschel gleichen meine Lieder,
Von einer Träne sind sie schwer,
Und leise ziehn sie auf und nieder
Durch meiner Schmerzen tiefes Meer.

9.
Der Ring

Es glänzt ein Ring an meiner Hand,
Der einst an der ihren geruht,
Und hat sich mein Blick auf ihn gewandt,
Wird wunderbar mir zu Mut.

Da ist mir, als wäre das blanke Gold
Ein Spiegel, glänzend und klar,
Drin Alles zu schaun, was mir lieb und hold,
Was trüb mir und quälend war.

Da ist mir, als wäre der Ring ein Buch,
Das von meiner Verlorenen spricht,
Voll seltner Rätsel, voll Widerspruch,
Voll Bilder dunkel und licht.

O läge der Ring in der tiefsten Flut!
Viel heiterer wäre mein Sinn; —
Ach, hätt' ich dazu nur Kraft und Mut,
Er läge schon lange drin.

10.
Nachwirkung

Du böse Maid, dein holdes Bild,
Ich kann es nicht versenken,
Mein Herz erglüht, mein Busen schwillt,
Ich muß noch dein gedenken.

Bleibt ja die Erde warm noch lang,
Und fühlet Tageswonne,
Wenn längst die Nacht hinunter schlang
Den letzten Strahl der Sonne.

Schwankt doch und zittert bang der Baum,
Und ächzt ob seinen Wunden,
Wenn lang schon aus geklärtem Raum
Der wilde Sturm verschwunden

11.
Mißgefühl

O könnt' ich die Sonne bedecken
Mit schwarzem, umnachtenden Tuche,
O könnt' ich die Fluren entfärben
Mit kräftigem Zauberspruche!

Und könnt' ich den Vögeln verbieten
Ihr lustiges Flattern und Singen,
Den Wäldern ihr freudiges Rauschen,
Den Wellen ihr Hüpfen und Klingen!

Das ist ein schneidendes Wehe,
Wenn Kummer die Brust durchdringet,
Und Alles umher doch glänzet,
Und Alles doch blüht und klinget.

12.
Das Entfernte

Doppelt süß erklingt die Flöte,
Wenn aus fernem Hain sie tönt,
Schöner strahlt die Abendröte,
Wenn sie blaue Berge krönt.

Nur weil uns so hoch und ferne
Der bestaunte Himmel steht,
Sehnen wir uns nach dem Sterne,
Der in seinen Räumen geht.

Und so ist's mit meiner Liebe,
Ferne liegt sie hinter mir,
Und mit doppelt glühndem Triebe
Sehnt mein Busen sich nach ihr.

13.
Sonne und Mond

Sonst sah ich die Lieb' als Sonne,
Die funkelnde Strahlen streut,
Wenn Alles in Kraft und Wonne
Des munteren Tages sich freut.

Nun muß ich als Mond sie schauen,
Der dämmerndes Licht ergießt,
Wenn Nacht und ödes Grauen
Die schweigende Welt umschließt.

14.
Täuschung

Wenn ich vorüber wandle
An ihrem Haus,
Da ist mir, als ob sie sähe
Zum Fenster heraus.

Inmitten glühender Rosen
Ihr Antlitz blüht,
Inmitten blühender Veilchen
Ihr Auge glüht.

Doch plötzlich ist verschwunden
Das blühende Kind,
Und dürre Veilchen und Rosen
Knistern im Wind.

Da eil' ich bestürzt von dannen
In dumpfem Schmerz,
Und krampfe die zitternden Hände
An's zitternde Herz.

15.
Das Grab der Geliebten

Viele wollen bös mir lügen,
Daß mein treulos Lieb noch lebt,
Daß in eines Andern Armen
Süß ihr Herz in Wonne bebt.

Ach, sie ist ja längst gestorben!
Wohl ist mir der Tag bewußt,
Als ich unter heißen Tränen
Sie begrub in meiner Brust.

Linde liegt sie da gebettet,
Laue Seufzer wiegen sie,
Und all' meine Lieder singen
Ihr die Toten-Melodie.