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O seid vor der Sonettenform nicht bange,
Ist sie auch eng beglänzt und streng gebunden;
Laßt Euch aus kleinem schmalen Becher munden
Den Trank, den Euch zu reichen ich verlange.

Wohl manch Gemüt, gelähmt von äußrem Zwange,
Ward innen reich entfaltet oft erfunden,
Oft sind mit Blumenfesseln wir umwunden,
Und gehn doch aufrecht und mit sichrem Gange.

Die Jungfrau, fest geschnürt in's dralle Mieder,
Bewegt doch anmutvoll die leichten Glieder
Im flinken Tanz, den wir mit Lust betrachten;

Der Kühne singt im Kerker freie Weisen,
Und Ritter kämpften einst, gepreßt in Eisen,
In Harnisch, Helm und Schienen ihre Schlachten.

 

Mila
Sonettenkranz

 

Bescheidener Vorsatz
Schönster Reiz
Unvergängliches
Das Körperlose
Hoffen und Zittern
Der Stern
Seligkeit und Vernichtung
Ein Heilmittel
Vernunft und Herz
Sieg
Siegesfreude
Höchste Befriedigung
Der Seelenkuß
Keine Trennung
Ein goldener Morgen
Maßlose Liebe
Beschränktes Vertrauen
Trübes Ahnen
Zuversicht
Erfüllung
Verklärung

Bescheidener Vorsatz


Du stehst zu fern; gleichwie in blauen Sphären
Ein Stern erglänzt, so weilst du weit von mir,
Du blühst zu hold, so seltne Blütenzier
Will nimmer mir mein düstres Los gewähren.

Drum stirb dahin, vermessenes Begehren,
Und zügle, bändige dich, heiße Gier,
Der Blume Duft zu saugen g'nüge dir
Zum Stern empor zu schaun in süßen Zähren.

Der Himmelsdemant darf ja Jedem lächeln,
Den würz'gen Hauch der Blume trägt das Fächeln
Geschäft'ger Wind' uns zu als Engelskuß;

Bescheiden sei denn dies nur mein Genuß,
Doch, Glanz und Duft, ich will euch so genießen,
Daß ihr mir ganz die Seele sollt durchfließen.

Schönster Reiz

Was mich an ihr so mächtig angezogen?
Die reine, unverkünstelte Natur,
Der Sinn, der, noch nicht fern von ihrer Spur,
Den kalten Hauch der Welt nicht eingesogen.

Ihr ist der Mensch noch Mensch; noch nicht gelogen
Hat ihr ein Traum; die Blüt' auf offner Flur
Erfreut ihr unverwöhntes Aug', und nur
Dem Schönen, wo es blüh', ist sie gewogen.

Das ist der höchste holdste Schmuck des Weibes,
Natur zu sein im Denken und Empfinden,
Und ach, wie selten ist der Schmuck zu finden!

Sie prangen Alle mit dem Reiz des Leibes,
Die Seele bergen sie, die Schaugestalten,
In köstlich reicher Kleider dichten Falten.

Unvergängliches

Ihr Aug' ist klar, durchsichtig gleich Kristallen,
D'raus blickt ein Bild voll Liebreiz, ohne Fehle,
Das schöne Bild der makellosen Seele:
So blickt ein lichter Stern aus Himmelshallen.

Musik ist's, wenn vom Mund ihr Worte schallen,
Ob Lust sie fülle, ob ein Schmerz sie quäle,
Ein süßer Wohllaut wohnt in ihrer Kehle:
So spricht an's Herz der Ton der Nachtigallen.

Ein schön Gemüt, und dies Gemüt zu künden,
Ein schöner Laut — was wollt' ich mehr noch finden,
Mich zu beglücken für ein halb Jahrhundert?

Ob andrer Reiz ein weiblich Wesen kröne,
In Blick und Ton nur liegt die wahre Schöne,
All Andres welkt, kaum daß wir es bewundert.

Das Körperlose

Doch wähnet nicht, es fehl' ihr ganz der Segen,
Mit ihrer Hülle äuß'rem Schmuck zu prangen,
Sie ist ein lieblich Bild, das zum Verlangen
Den Sinn des Schönheitkenners mag erregen;

Und wollt' ich gehn auf ausgetretnen Stegen,
Viel könnt' ich rühmen ihre zarten Wangen,
Den Leib, von aller Reize Füll' umfangen,
Den Zederwuchs, ihr anmutvoll Bewegen.

Doch Eins vor Allem hat mich eingenommen:
Der Funke, der den Körper hat durchglommen,
Das Schönheitgebende, doch Körperlose;

So freut mich wohl der Rose herrlich Blühen,
Doch was für sie zumeist mich läßt erglühen,
Das ist der Geist, das ist der Duft der Rose.

Hoffen und Zittern

Sie sieht mich oft mit gar vertrauten, linden,
Gar warmen Blicken an, so fest gebannt,
Daß mich der Hoffnung Wonne übermannt,
Als müßte Liebe wieder Liebe finden.

Klar liegt dann ihr Gemüt da, ihr Empfinden,
Als wär's ein Saitenspiel, mir zugewandt,
Das ich nur rühren dürft' mit kühner Hand,
Um ihr die trautsten Klänge zu verkünden.

Und dennoch wag' ich's nicht, ich darf's nicht wagen,
Denn mich durchzittert unbeschreiblich Zagen,
Die Dämm'rung, drin ich träume, aufzulichten;

Wie leicht, faßt' ich die Saiten an mit Beben,
Könnt' Antwort mir ein rauher Mißton geben,
Und mir den zarten Zauber ganz vernichten!

Der Stern

Ich sah im Traum sie reich geschmückt erscheinen
In einem Kleid, gewebt aus Himmelsbläue,
Das Haar durchwirkte eine Perlenreihe
Von Tropfen, wie sie Morgenwolken weinen.

Die Mondessichel glänzte auf der reinen,
Der off'nen Stirn; als Gürtel bog, in Scheue
Vor ihres zücht'gen Leibes heil'ger Weihe,
Ein Regenbogen sich in buntem Scheinen.

Doch — herrlich Wunder! — an des Herzens Stelle,
Dort, wo ihr Schönstes wohnt, da strahlte helle
Ein Stern, und schien sich zitternd zu bewegen;

Auf fuhr ich plötzlich, noch erfüllt vom Traume —
Das Bild war fort, doch klar vom Himmelsraume
Sah flimmernd mir der Liebesstern entgegen.

Seligkeit und Vernichtung

Ich darf's nicht denken, und ich will's nicht denken,
Was mir oft wunderbar das Herz erweicht,
Denn ach, sich zu berauschen ist zu leicht
Mit holder Hoffnung süßen Zaubertränken.

Doch Rausch ist kurz, und lang, nicht zu beschränken
Das Leben, das oft all zu trage schleicht,
Und weh dem Mann, der nie sein Ziel erreicht,
Mit dem in's Grab den einz'gen Wunsch sie senken.

Wüßt' ich ein kurzes Ende meines Lebens,
Ja dann, mit allem Feuer kühnen Strebens
Tränk' ich der Hoffnung Becher rasch hinunter;

Auf flög' ich, wie ein Adler, hoch zur Sonne,
Und stürzte jauchzend aus der Himmelswonne
In mein bereitet offnes Grab herunter.

Ein Heilmittel

Wer dämmt den Strom, der aus dem Bett gezwungen,
Wer hemmt den Pfeil, der sich der Sehn' entrafft,
Wer zwingt des schnellen Blitzes Flug und Kraft,
Wer hält den Aar, wenn er sich aufgeschwungen?

Wer zügelt das Gefühl, das, losgerungen
Aus tiefem Busen, sprengte seine Haft,
Wer setzt ein Ziel der raschen Leidenschaft,
Bis sie zum höchsten Gipfel vorgedrungen?

Den wilden Strom, den Pfeil, den Blitz, den Aar
Vermag mit unbegreiflichen Gewalten
Ein Gott allein im Lauf zurück zu halten;

Wer aber dämmt der Leidenschaft Gefahr? —
"Die göttliche Vernunft;" — o himmlisch Wesen,
Reich' mir die treue Hand, laß mich genesen!

Vernunft und Herz

Vernunft, du sprichst zu streng, zu hart, zu trocken,
Mein Sinn, er kann dich eh'rne nicht begreifen,
Du willst die Blüten all vom Lenze streifen,
Und gibst dafür des Winters kalte Flocken.

Soll denn das Blut mir in den Adern stocken,
Das erst so rasch war, froh umherzuschweifen,
Soll grausam in die eig'ne Brust ich greifen,
Das Herz draus reißen, lächelnd, unerschrocken?

Du willst's? — wohlan, beim Himmel und der Erden,
Es sei! — mein eig'ner Henker will ich werden,
Daß klug der Welt, und folgsam dir ich heiße;

Doch gib wohl Acht, Vernunft, daß mit dem Herzen
Im Flug der Eil', und in der Wut der Schmerzen
Ich nicht auch dich aus meinem Haupte reiße!

Sieg

Vergebens ist das Wollen, Kämpfen, Ringen,
Wie grimm auch Haupt und Herz im Streite liegen,
Wie viele Grund' auch das Gefühl bekriegen,
Sie prallen ab, der Sieg wird nie gelingen.

Will auch gepanzerter Verstand sich schwingen
Zur Vest' empor, und hat sie schon erstiegen,
Und läßt sein grau Panier im Winde fliegen,
Und seine dröhnende Posaun' erklingen:

Da tritt ihm ohne Harnisch, Helm und Degen,
Ihn warm anhauchend, Liebe sacht entgegen,
Singt süß das zartste, holdste ihrer Lieder,

Und rücklings stürzt der schwere Kriegsmann nieder,
Und sieht, betäubt noch vom gewalt'gen Falle,
Die rote Fahne flatternd wehn vom Walle.

Siegesfreude

Ist denn die Lieb' als Held hervorgegangen
Aus dieses Kampfes drohendem Geschick,
So tu' dich auf, mein Herz, sie kommt zurück,
Die Siegerin, — du sollst sie froh empfangen.

So tut euch auf, ihr Arm', in Glutverlangen,
Und haltet fest das nun erworb'ne Glück,
So tu' dich weit auf, selig trunk'ner Blick,
Und bleib' am sel'gen Aug' der Holden hangen!

So tu' dich auf, mein liederreicher Mund,
Und singe Jubelweisen unserm Bund,
Und schweige nur, um Kühneres zu wagen;

Zu mir, an meine Brust, geliebte Braut!
Der Himmel selbst hat dich mir angetraut,
Und — was da kommt — ich werd' es mutig tragen.

Höchste Befriedigung

Beglückend Wissen, himmlisches Empfinden!
So ganz verstanden sein im tiefsten Herzen,
In Lust und Wehmut, Wonn' und Gram und Schmerzen
So ganz ergründet sein, und ganz ergründen;

Des halbgesproch'nen Worts Bedeutung finden,
Zum Scherz erregt sein bei des Andern Scherzen,
Verfinstern sich, wenn ihm sich Wolken schwarzen,
Und in Begeist'rung Flamm' an Flamm' entzünden;

So wie zwei Ströme in einander fließen,
Vermengend die verschiedenfarb'gen Wellen,
Eindoppelt und zweieinig denken, streben,

Die Freude mit zwei Seelen stets genießen,
Die Tränen schöpfen aus zwei Schwesterquellen —
Das ist auf Erden wahres Götterleben!

Der Seelenkuß

Wenn müd' mein schlummerschweres Haupt ich senke,
Sprech' ich noch leis: "Mein Engel, gute Nacht!
Mein Engel guten Morgen!" flüstr' ich sacht,
Wenn mit dem ersten Strahl das Aug' ich tränke.

Ich weiß, wenn ich der Fernen so gedenke,
Hat sie auch mein in gleichem Sinn gedacht,
Drum schlummr' ich süß, und bin mit Mut erwacht,
Zu tragen neu der Menschen Tück' und Ränke.

Und wenn uns wieder dann mit strengem Walten
Der lange Tag, der laute, fern gehalten,
Empfängt die stille Nacht den stillen Gruß;

Solch innig Grüßen, solches Liebesegnen
Ist wie der Augen zärtliches Begegnen,
Ein Händedruck im Geist, ein Seelenkuß.

Keine Trennung

Uns trennen? — Nimmermehr! — den Tag verleiden,
Die Nacht verderben uns, die Lust vergällen,
Verbittern unsres Glückes reinste Quellen,
Das können sie, und mögen d'ran sich weiden.

Uns trennen? — Nie! — Uns zwingen, uns zu meiden,
Ausgießen zwischen uns des Meeres Wellen,
Die Alpen zwischen uns're Körper stellen,
Das mögen sie, die unsern Bund beneiden.

Doch unsern Einklang stören? Nun und nimmer!
Fort wandern auf des Sonnenstrahles Flimmer
Und auf des Mondlichts Fäden uns're Seelen;

Sie reisen, wie die Düfte, mit den Winden,
Auf tausend Meilen weit sich zu verbinden,
Und über'm Erdendunst sich zu vermählen.

Ein goldener Morgen

O welch ein Lenztag war's voll Sonnenbrand,
Voll Himmelblau und Grün, voll Glanz und Klängen,
Voll Blättersäuseln, voll von Duft und Sängen,
O welch ein Lenztag war's, als ich dich fand;

Als mir zuerst dein holder Mund gestand,
Was lang verhehlt war in des Busens Engen,
Als ich an deinem Blicke durfte hängen,
Zum ersten Mal mein Arm dich kühn umwand!

Wir saßen still, es schlug die Nachtigall
Im Baum, und der, als gält' es, uns zu segnen,
Ließ rauschend Blüten auf uns niederregnen;

Und plötzlich hinter einem Wolkenwall
Verbarg die Sonne sich, als wollt' sie sagen:
"Ich seh' euch nicht, ihr könnt das Küssen wagen."

Maßlose Liebe

Jedwedem Dinge ward sein Maß gegeben,
In seines Wachstums Drang erkennt es Schranken,
Die Zedern selbst des Libanon, die schlanken,
Sie können nur zu Baumes Höh' sich heben;

Gefühlen auch, die uns das Herz beleben,
Ward eine Grenze, d'rüber nicht zu schwanken,
Ein Markstein ist gesetzt für die Gedanken,
Für alles Wollen, alles Tun und Streben.

Nur Eines ist unendlich: "meine Liebe!"
Sie wächst und wächst in immer stärkerm Triebe,
Und keine Schranke gibt es, der sie weichet;

Sie strebt im Licht der Sterne sich zu tränken,
Und nach den Zeichen allen muß ich denken,
Daß sie schon auf bis in den Himmel reichet.

Beschränktes Vertrauen

"Vertraust du mir?" so hört' ich jüngst dich fragen;
So fest, wie Helden traun erprobtem Heere,
Und wie der Schiffer traut auf hohem Meere
Dem leitenden Magnet ohn' alles Zagen.

Und so vertrau' ich, daß nach Wintertagen
Der Lenz mit Blüt' und Düften wiederkehre,
Und daß im Sommer reifen wird die Ähre,
Und daß im Herbst die Bäume Früchte tragen.

So trau' ich dir; doch übermächt'gen Streichen
Fällt oft das stärkste Heer, Magnet kann weichen,
Und Blüt' und Frucht vergehn in Ungewittern;

Gehn solche Kräft' im Zufallspiel zu Grunde,
Verdenkst du's mir, daß ich in mancher Stunde
Im Arm dich halten mag mit leisem Zittern?

Trübes Ahnen

Ich träumt', und stand am Meer. Gewölkumzogen
War rings der Luftkreis bis zum fernsten Rand,
Ein Hochgebirgswind fuhr daher vom Land,
Meereinwarts peitschend die getürmten Wogen.

Da kam vorbei ein Segelschiff geflogen,
Du standst am Bord mit flatterndem Gewand,
Und strecktest deine Arme nach dem Strand,
Und dann empor zum düst'ren Himmelsbogen.

Es war ein Augenblick! — dann hinter'm Riff,
Das fernher graute, schwand im Flug das Schiff;
Auf schrie ich, weint', und war erwacht mit Weinen.

Ob das in Traumes nebliger Gestalt
Wohl Ahnung war, daß uns Vereinten bald
Die Stunde bitt'rer Trennung wird erscheinen?

Zuversicht

Ich träumte neuen Traum. Du lagst als Leiche
In Kirchenhallen blaß auf schwarzer Bahr',
Doch frische Rosen glühten dir im Haar,
Und warfen Purpurschimmer auf die Bleiche.

Und ringsum klagten viele Schmerzenreiche,
Und knieten, beteten am Hochaltar,
Ich aber stand wie starr, und rief der Schar
Der Beter: "Ungeweihtes Volk, entweiche!"

Da schwanden Alle fort. Ich trat zu dir,
Und sprach: "Mich nie zu lassen schwurst du mir,
Du kannst nicht tot mir sein, mir nicht gestorben!"

Und um den Hals dir schlang ich mich hinan,
Und rief: "Tu' auf dein Aug', und sieh mich an,
Ich bin's, ich bin's, der dich durch Schmerz erworben!"

Erfüllung

Kaum rief ich's — da empfand ich Händedrücken,
Auf ging dein Aug' in wundervollem Schein,
Und sah bis in die Seele mir hinein
Mit seinen lieben, holden, süßen Blicken.

Und lispelnd sprach dein Mund: "Gott will beglücken
Die höchste treuste Liebe; du bist mein,
Mein sollst du ewig ewiglich nun sein,
Und nichts mehr stört mein himmlisches Entzücken.

O küsse mich auf meinen kühlen Mund,
Und laß noch einmal feiern uns den Bund
Der leidenvollen, jetzt gekrönten Minne!"

Da warf ich mich auf dich, und küßte dich,
Und wie ein Blitzesschlag durchzuckt' es mich,
Und mir vergingen alle meine Sinne.

Verklärung

Und wieder träumt' ich, und voll sel'ger Wonnen
Umschlungen saßen wir in hellsten Gluten,
In einem Meer von Licht; mich wollt's gemuten,
Als sei ich selbst vom Lichte ganz durchronnen;

Und deine Augen waren kleine Sonnen,
Die, unaufhörlich rollend, nimmer ruhten,
Die Locken wallten hin wie Strahlenfluten,
Dein holder Mund war wie des Lichtes Bronnen;

Denn wie du hauchtest, glich's dem Mondesschimmern,
Und wie du sprachst, so ward das Wort zum Sterne,
Der leuchtend niederschwebte durch die Ferne;

Da sah'n wir unten eine Welt von Trümmern,
Du aber sprachst: "Dort in des Schuttes Mitten,
Dort haben auch wir Beide einst gelitten."