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Literarisches Unwesen
 

Feuereifer
Das Gericht
Der deutsche Dichterwald
Unmöglichkeit
Selbstkritiken
Dichter und Lügner
Besondres Talent
Ehmals und Jetzt
Zuschnitt
Ein Tourist
Bestes Geschäft
Literarische Küche
Ein kleines Städtchen
Zweierlei Jugend
Zöpfe und Köpfe
Literarische Karriere
Literarischer Bund
Praktische Tendenz
Bücherwert
Ein Anfang
Dichterlos und Dichtertrost

1.
Feuereifer

Wer wollt' auch immer ruhig bleiben,
Und stille zusehn ohne Strauß,
Wenn sie so arg und bunt es treiben
Im alten schönen Vaterhaus?
Und wessen Herz war so verschimmelt,
Daß ihm nach Kampf nicht lüften soll,
Wenn man die Gottheit ihm verstümmelt,
Zu der es betet ehrfurchtvoll.

Wer, wenn man sein Idol begeifert,
Zu solchem Frevel schweigen kann,
Wer dann nicht heilig sich ereifert,
Der ist kein edler rechter Mann;
Wohlauf, ihr Männer, hoch zu schätzen,
Weil Euch noch schön're Glut erfüllt,
Herunter mit dem schnöden Götzen,
Hinauf das wahre Götterbild!


2.
Das Gericht

Als das Aug' mir zugefallen
Jüngst, da ich ein Märchen las,
Sah ich, wie in Himmelshallen
Gott der Herr als Richter saß.

Und mit bleichem Angesichte
Trat ein Todesengel vor,
Führte schweigend zu Gerichte
Einen langen langen Chor.

Alle waren jung an Jahren,
Viel' schon welk von Saus und Braus,
Meist geziert mit langen Haaren,
Sahn sie abenteuernd aus.

Bärte waren nicht zu schauen,
Hie und da ein Flaum am Kinn,
Aber aus den kecken Brauen
Blickt' ein Weltenstürmersinn.

Eine lange Feder führen
Sah man All' im ganzen Schwarm,
Bücher, Blätter und Broschüren
Trug ein Jeder unter'm Arm.


Und der Todesengel neigte
Vor dem Thron sich feierlich,
Hob das Haupt dann auf, und zeigte
Auf die Scharen hinter sich.

"Herr, ich hoffe, guter Frieden
Steht auf Erden wieder fest,
All' dies Volk, es ist verschieden
An der Literatenpest.

Jungen sind es, Poetaster,
Fünfzehnjähr'ge Lyriker,
Sechzehnjähr'ge Kritikaster,
Komiker, Satiriker.

Achtzehnjährige Redakteure,
Novellisten, dicht geschart,
Und der Anekdotler Chöre,
Und Notitzler aller Art.

Dann noch jüng're Humoristen,
Pamphletisten sind dabei,
Und der andern Belletristen
Unerträglich lange Reih'.


Allen hat's zum Bücherschreiben
In den Fingern schon gejuckt,
Besser war's, sie ließen's bleiben,
Doch was half's? es ward gedruckt.

Sieh, mit Prosa und Gedichten
Ausgerüstet stehn sie da,
Hoffend, hart nicht werde richten,
Wer erst ihre Werke sah." —

Und der Ew'ge ließ sich bringen
All' die Bücher, Band um Band,
Und, o Wunder! sie zergingen
Ihm wie Nebel in der Hand.

Sie zerflossen und zertrieben
Wie ein Dunst im Augenblick,
Und von all den Werken blieben
Tröpflein Wassers nur zurück.

Doch der Ältste aus dem Kreise
Nahte jetzt dem höchsten Thron,
Und er sprach in stiller Weise
Und in tief bescheidnem Ton:

"Herr, wohl hab' ich auch geschrieben,
Doch zum Druck war ich verzagt,
Handschrift ist es noch geblieben,
Hab' mich weiter nicht gewagt.

Und es war wohl kühnlich Streben,
Was zu solchem Werk mich trieb,
Und ich reich' es hin mit Beben,
Was fast bebend selbst ich schrieb."

"Gib!" erscholl's vom Throne nieder,
Und der Blätter kleine Zahl,
Und die anspruchlosen Lieder
Traf aus Gottes Aug' ein Strahl,

Und auf all den einzlen Blättern
Leuchtet's hin wie Blitzeslauf,
Und die Zeilen und die Lettern
Glühten wie in Flammen auf.

Und es sprach der Herr der Welten:
"Schön ist solche junge Saat,
Echter Trieb, er will mir gelten,
Aber nicht unechte Tat.

Geh' du ein in's Reich des Lichtes,
Und du sollst in sel'gen Au'n
Deines Traumes und Gedichtes
Goldne Wirklichkeit erschau'n.

Doch Ihr Andern, die Ihr Flüchte,
Vor dem Blühen wolltet sein,
Fort aus meinem Angesichte,
Fort zu der Gewißheit Pein,

Daß Ihr nichts seid und nichts werdet,
Weil Ihr Euch so viel gedünkt,
Wer als Schöpfer sich gebärdet,
Mit so winz'ger Welt versinkt."

Sprach es, und mit trotz'gen Mienen
Schrie'n empor die jungen Herrn,
Doch der Ew'ge warf nach ihnen
Niederschmetternd einen Stern.

Da entwich mein Schlaf. Schon heiter
Frühlicht war's, als ich erwacht,
Und den Traum erzähl' ich weiter,
Jungen Dichtern zum Bedacht.


3.
Der deutsche Dichterwald

"Singe, wem Gesang gegeben
In dem deutschen Dichterwald,
Das ist Freude, das ist Leben,
Wenn's von allen Zweigen schallt."

Also sprach ein edler Sänger,
Und das Wort, es tönte weit,
Keine Kehle hielt sich länger,
Jede Zunge war gefreit.

Und die Nachtigallen kamen,
Amsel, Drossel, Zeisig, Fink,
Aber auch viel Andre nahmen
Jenen Ruf für einen Wink.

Alle meinten, daß sie sängen,
Rab und Dohle krächzten stolz,
Und in unmelod'schen Klängen
Rief der Falk und Specht im Holz.


Spatzen fingen an zu streichen,
Schrie'n erbärmlich durch den Hain,
Selbst die Unken in den Teichen
Quakten widerwärtig d'rein.

Und vor all den falschen Chören,
All' der Lieder Schlechtigkeit
War das Bessre kaum zu hören,
Und so ist es auch noch heut.

Nur in stillen Mondscheinnächten,
Wenn das Mißgeheul verklang,
Hört man noch zuweilen echten
Herzerhebenden Gesang.

Selten doch ist solch Behagen,
Kaum genossen, flieht es fort,
Und man sollte billig sagen
Dieses ernst gemeinte Wort:

"Schweigt, wenn Euch nicht Sang gegeben,
Nur Geschrei, im Dichterwald,
Denn es mordet fast das Leben
Dieser Lärm, der üb'rall schallt.

Schweigt, sonst werden diese Räume,
Statt befreit, erst recht bedrückt,
Schweigt, sonst werden toll die Bäume,
Und das Echo wird verrückt!"

4.
Unmöglichkeit

Sprichst du von Herder, Wieland, Lessing, Voß,
Da setzen sich die Herrn auf's hohe Roß;
Sie sagen: "Ei, die Alten mit dem Zopfe,
Die hatten viel langweilig Zeug im Kopfe."

Doch nennst du gar Horaz, Virgil, Homer,
Dann achselzucken sie, bedauernd sehr:
"Mein Gott, 's ist unbegreiflich, wie man heute
Noch denken mag an die verschollnen Leute.

Moderne Kunst steht auf sich selbst gebaut,
Verlorner Mann, der noch zurücke schaut;
Nur vorwärts! vorwärts! neu muß Alles werden,
Denn Alles war doch schlecht bisher auf Erden."

Mir ist, wenn ihnen solches Wort entfloh,
Als sprächen eines Baumes Blätter so:
"Der Stamm ist schlecht, die Wurzel, wie die Äste,
Nur wir sind schön und grün auf's Allerbeste."


5.
Selbstkritiken

Strenge Selbstkritiken waren Brauch
Bei den ältern tiefbescheid'nen Meistern,
Diese alte Sitte mundet auch
Heut zu Tag noch unsern jungen Geistern;
Nur daß jetzt, in so humaner Zeit,
Sie gar mild sich und galant bezeigen,
Und, noch reicher an Bescheidenheit,
Ihre Namen immer gern verschweigen;
Oder stehlen, da nun Freiheit gilt,
Fremde Chiffren für die Selbstkritiken,
Und ihr schön und hochgeschmeichelt Bild
Gleich in hundert zehn Journale schicken.

6.
Dichter und Lügner

"Mein Glück bei Frau'n ist maßlos," sagt ein gelber
Entnervter Literator von sich selber,
"Ich bin der stärkste Kämpfer, kühnste Reiter,"
So sagt, aussehend wie ein Zwerg, ein Zweiter.

Ein rüst'ger Bursch, kaum jemals umzuwerfen,
Klagt jammernd über seine schwachen Nerven,
Ein Andrer, derber noch, geschickt zu fronen,
Ist somnambul, und voll von Visionen.

Ein Freund der Tafelfreuden seufzt beim Essen,
Er könne nie sein erstes Lieb vergessen,
Ein Journalist zählt aus bei einem Haare,
Er drucke fünfzehntausend Exemplare.

Fürwahr, wenn eine Kunst das Prahlen wäre,
So stünden diese Herrn in höchster Sphäre,
Und wenn das Lügen stempelte zum Dichter,
Sie wären des Jahrhunderts größte Lichter.

7.
Besondres Talent

Heut hat er dich umarmt unter Küssen,
Dir in die Brust gestreut Vertrauens Samen,
Und morgen tritt er ungescheut mit Füßen
Als Anonymer deinen guten Namen.

Heut hat er sich den Freien zugeschworen,
Und morgen tritt er in die Reih'n der Knechte,
Heute geht er für das Menschenrecht des Mohren,
Und morgen für den Pflanzer in's Gefechte.

Vor wenig Monden hat er sich um Laura,
Die Tänzerin, erhängt, ersäuft, erschossen,
Jetzt fesselt ihn die Sängerin Isura,
Und über Laura's Knöchel schreibt er Glossen.

Er wechselt stets, er paßt in alle Rahmen,
Ob auch der Schelm in jedem zu erkennen;
Doch sieh', die Welt weiß ihn mit holdem Namen
Ein "schönes, biegsames Talent" zu nennen.
 
8.
Ehmals und Jetzt

Wenn ehmals ein Poet, der Sänger edler Tat
Und würdigen Gefühls, in einen Zirkel trat,
Da kam Vertrau'n ihm hold und Achtung ernst entgegen,
Es war, als brächt' ins Haus er Heil und milden Segen,
Erfreuend Alles rings, so wie der Sonne Strahl,
Was nur ihr Schein berührt, verkläret allzumal.

Der Vater sprach zum Sohn: "Werd' einst ein Mann wie er!"
Die Mutter dachte wohl: Wenn er mein Eidam wär'!
Die Mädchen flüsterten: "Ach, der so warm geschrieben,
Wie müßt' er traulich sein, wie müßt' er innig lieben!"
Die Männer reichten froh dem Wack'ren ihre Hand,
Indes der Jüngling fern und voll Bewund'rung stand.

Jetzt, wenn vom neusten Schnitt ein junger Musensohn
Keck, ungebärdig, stolz eintritt in den Salon,
Faßt All' ein Mißgefühl, und viele kluge Leute
Ergreifen Hut und Stock, und suchen gleich das Weite;
Die Andern stehn gestört, beklemmt, voll Unmut da,
Als wär' ein trüb Gewölk, ein böses Wetter nah.


Der Vater spricht: "Mein Sohn, kein Beispiel nimm an dem,"
Die Mutter denkt: Wie ist der Mensch mir unbequem!
Sie winkt den Töchtern zu, sich baldigst zu entfernen,
Damit sie nicht den Ton, den ungenierten, lernen,
Nur hie und da ein Geck horcht auch dem Gecken gern,
Und sagt des Schönen viel dem eitlen jungen Herrn.

Drei Tage dann vergehn, und — o des Mißgeschicks!
Im Montagsblatt erscheint: "Ein Abendkreis bei X,"
Ein Aufsatz voll von Gift, doch auch von bittren Witzen,
Und was man heut so nennt, voll wahren Geistesblitzen;
Kein Einzler ist verschont, den Herrn, die Frau vom Haus
Lacht, der dort aß und trank, mit vollen Backen aus.

Der Tee, der Wein war schlecht, die Unterhaltung flau,
Und Geistesarmut trug dort Jedermann zur Schau,
Die Kerzen brannten trüb', die Meudles waren ärmlich,
Ein Leser stotterte, ein Fräulein sang erbärmlich; —
Und dieses kam von ihm, der heute hungrig blieb,
Wenn er drei Spalten nicht in's Montagsblättchen schrieb.

9.
Zuschnitt

Ach, ich möchte bitter weinen, wenn ein Bäumchen ich gesehn
Frisch in g'radem rechten Streben, hoffnungsvoll im Garten stehn,
Wenn dann der moderne Gärtner kappt die Krone, biegt die Zweige,
Daß es, früher Schatten gebend, sich recht tief hernieder neige.


Und da steht, ein Zwerg geworden, krüppelhaft der junge Baum,
Der bestimmt war aufzuragen mächtig in des Himmels Raum,
Wär' er nicht gehindert worden, frei und recht empor zu streben,
Schatten wohl für hundert Müde hätt' einst dieser Baum gegeben.

Aber jetzt lehnt unter'm Laubdach mit dem Strickstrumpf und Roman
Auf der Bank ein niedlich Fräulein, idealisch angetan,
Und sie sagt, sich schnell erhebend: "Ei, hier ist's ja zum Ersticken,
Ringsum viel zu nah' die Sonne, und sie dringt auch durch die Lücken."


Solcher Bäumchen stehn im Garten unsrer Poesie gar viel,
Herrlich strebten im Beginne sie empor an's rechte Ziel,
Doch die guten Freunde kamen, bogen, stutzten, wollten bessern,
Bis die Armen Zwerge wurden unter ihren feinen Messern.

Wehe, weh Euch, Ihr Verderber! Einst beim großen Weltgericht
Müßt Ihr Rechenschaft erstatten, doch Ihr Frevler könnt es nicht;
Alle Keime, so verwüstet, alle Kräfte, so gebrochen,
Alle Wipfel, so gebeuget, werden schwer an Euch gerochen.
 
10.
Ein Tourist

Dichterling war ausgezogen
Malkontent aus deutschem Land,
Schnell durchreist er Erd' und Wogen,
Bis am fernen Nil er stand.

Und dort rief der Literator
Nieder in den Riesenfluß:
"Steh' mir bei, o Alligator,
Hilf mir, Hippopotamus!

Steht mir bei, ein Buch zu machen,
Wie es heut zu Tag gefällt,
Voll von ganz modernen Sachen
Aus der Menschenfresser-Welt.

Nur nichts Altes, nur nichts Wahres,
Solcher Bücher gibt's ein Schock,
Nur recht Tolles, Sonderbares,
Nur auffallend, nur barock!

Ach, Ihr könntet viel mir sagen,
Wärt ihr Beide gut gelaunt,
Was Verlegern will behagen,
Und das Publikum bestaunt.


Säh' ich dich nur einmal weinen,
Krokodil, erhabnes Tier,
O wie herrlich müßt' erscheinen
Dann ein Reisebuch von mir!"

Ruft's, und plötzlich aus den Wogen
Taucht ein Krokodil empor,
Und ein Nilpferd kommt gezogen
Schleppend an den Strand hervor.

Doch die Lust nach selt'nen Dingen
Hat verlassen unsern Mann,
Und er läuft in mächt'gen Sprüngen,
Rennt davon, so weit er kann;

Über's Meer auch wür'd er laufen,
Hätt' ein Meer nur festern Grund;
Und er sehnt sich auszuschnaufen,
Schifft sich ein zur selben Stund'!

Bald darauf ist sein Buch erschienen,
Ein erklecklich dicker Band,
Voll Kamelen, Beduinen,
Wüstenstaub und Sonnenbrand.


Er beschreibt uns große Motten,
Braunes Weib und schwarzes Kind,
Und humane Hottentotten,
Und Hyänen, mild gesinnt.

Er erzählt von Tigerhorden,
Daß ein großer Fluß der Nil,
Und daß er intim geworden
Mit etwelchem Krokodil.

Daß er Arzt war, hat nicht wenig
Ihm genützt auf seiner Bahn,
Denn er riß dem Nilpferdkönig
Einen schadhaft hohlen Zahn.

Solcher Lügen kann man lernen
Aus dem Buch die Hüll' und Füll';
Über nichts, was aus den Fernen
Mensch vom Menschen wissen will.


11.
Bestes Geschäft

Ein Geschäft soll ich betreiben,
Trachten bald nach einem Amte?
Ei, mein Freund, das lass' ich bleiben,
Ich, den höh're Glut entflammte.

Ich, Apoll's erwählter Jünger,
Soll mit allen Menschenklassen,
Oder gar mit eklem Dünger,
Schaf- und Baumzucht mich befassen?

Oder in Kanzleien sitzen,
Über Recht und Unrecht wachen,
Oder gar die Feder spitzen,
Um aus Nullen Null zu machen?

Nein; als Schöngeist schon geboren,
Stürb' ich an gemeiner Prosa,
Freiheit hab' ich mir erkoren,
Kühn und stolz wie Marquis Posa.

Journalist will d'rum ich werden,
Eine Zeitschrift redigieren,
Und den Himmel und die Erden,
Und die Hölle rezensieren.


Zwei leibhaftig echte Teufel
Hab' ich schon als Mitarbeiter,
Üb'rall siegen ohne Zweifel
Solche unnahbare Streiter.

Kritisiert wird ohn' Beschweren
Jedes Murmeln einer Welle,
Und die Harmonie der Sphären,
Wie des Satans Hofkapelle.

Aber ird'sche Künstler sollen
Zittern erst vor meinen Ruten,
Und Tribut der Zeitschrift zollen,
Oder kosten hatte Knuten.

Freier Sitz dann, der gesperrte,
Wird mir eigen im Theater,
Mich zu laden zum Konzerte
Kommt der Debütantin Vater.

Dichter, Maler, Virtuosen,
Taschenspieler, Komponisten
Nah'n devot mit Ringen, Dosen,
Talern und Champagnerkisten.

Ja, es kommen untertänig
Selbst Athleten, Herkulesse,
Und ich bin ein Riesenkönig,
Ob ich auch vier Schuh nur messe.


Auf die Zeitschrift müssen Alle,
Die mich fürchten, abonnieren,
Wollen sie in and'rem Falle
Meine Gnade nicht verlieren.

So, weil Niemand mir darf trotzen,
Meiner Rache sonst gewärtig,
Soll mir bald die Börse strotzen,
Und mein irdisch Glück ist fertig.

Aber, was mir in der Schale
Nicht vom mindesten Gewichte:
Drucken kann ich im Journale
Meine eigenen Gedichte.


12.
Literarische Küche

Noch hab' ich Kunde nicht erworben,
Noch blieb mir die Geschichte stumm,
Ob Ihr das Publikum verdorben,
Ob Euch verdarb das Publikum.

Mich dünkt, es ging in solcher Weise:
Die Leute waren wohlig satt,
Da rieft Ihr: Flau war Eure Speise,
Und Euer Trank erbärmlich matt.

Ihr schlicht in alle fremde Küchen,
In die kein deutscher Mann sonst ging,
Und machtet unter Zaubersprüchen
Ragoutgemisch und Flammpudding.

Kein heim'scher Wein mehr wollte passen
Zu dieser überfeinen Kost,
Da gabt den Leuten Ihr in Massen
Den Portwein und den Brausemost.


Und sieh, dem überfüllten Magen,
Den keine Speise mehr gereizt,
Wollt' es mit einem Mal behagen,
Daß er mit Feuer ward gebeizt.

Doch war's ein Glück für unsre Prasser,
Daß Eure Flamm' oft nicht gebrannt,
Und sich so viel vom besten Wasser
In Euren Franzweinflaschen fand.

Das macht nun endlich wieder nüchtern
Gar Viel' im deutschen Publikum,
Sie sehn mit zweifelnden Gesichtern
Bei Euren Tafeln schon sich um.

Ich meine, wenn jetzt Rheinwein käme,
Und derb're Kost auch auf den Tisch,
Daß Jeder gern von Beidem nähme,
Und äß' und tränk', und sänge frisch.

Dann wäre wieder Herr und Meister
Die deutsche Küch' in jedem Haus,
Dann trieben wir die Sprudelgeister,
Die uns betörten, wieder aus.

13.
Ein kleines Städtchen

"Seid mir ein freundlicher Weiser
Durch diese niedliche Stadt,
Sagt an, wie viel sie Häuser,
Wie viel sie Bewohner hat."

Der Häuser sind hundert dreißig,
Bewohner tausend und zwei,
Die Meisten nähren sich fleißig
Mit Leinenweberei.

Gewählt wird aus der Hantierung
Der Bürgermeister und Rat,
Das ist dann unsre Regierung,
Der hochwohlweise Senat.

Wir nähren vierhundert Kühe
Von unsrer Wiesen Heu,
Und ohne Sorg' und Mühe
An hundert Ochsen dabei.

"Sagt an, habt Ihr auch Dichter?" —
Ach, Herr, nur allzuviel;
Wohl hundert von solchem Gelichter
Treiben mit uns ihr Spiel.

Sie drucken vier Journale
Voll Gall' und Gift und Spott,
Niest heut ein Rat im Saale,
Steht morgen im Blatt: "Helf' Gott!"

Sie schmähn auch unser Leinen,
Daß jeder Käufer sich fernt,
Doch gibt's aus ihnen Keinen,
Der je arbeiten gelernt.

Auch höhnen sie unsre Bräuche,
Brandmarken Mann und Weib;
Sie sind eine wahre Seuche
In unserm städtischen Leib.

"So sagt, warum Ihr sie heget,
Und haltet in guter Hut?
Ei, macht Euch dran und feget
Hinaus die schmähliche Brut!"

Ach, Herr, es sind Bürgersöhne,
Auch Einige graduiert,
Sie sagen, sie hätten das Schöne
Auf Akademie'n studiert.

Die armen Bursche lungern
Nach Brot im Vaterhaus,
Sie müßten ja gar verhungern,
Wenn wir sie stießen hinaus.

So laßt Euch immer plagen!
Mir ist es eben recht;
Laßt nur die Jungen schlagen
Im Zorn das ält're Geschlecht.

Es ist so Sitte geworden
Im deutschen Vaterland,
Das tut ein Jünglingsorden,
Der "Mutterschänder" genannt,

Wer Wohltat ihnen erwiesen,
Dem spei'n sie in's Gesicht,
Was je ward heilig gepriesen,
Sie achten und ehren es nicht.

Nur Eins ist unser Hoffen,
Und das auch tröstet mich:
Sie sind, bald geheim, bald offen,
Im Kampf auch unter sich.

Es kann nicht lange währen,
Sie fressen einander auf,
Dann wird die Weit sich klären,
Und hat den alten Lauf.
 
14.
Zweierlei Jugend

Wollt Ihr ihn ganz erkennen, der heut'gen Bildung Kern,
So geht nur ins Theater, und seht die jungen Herrn;
Sie schau'n durch Operngucker, ihr Haar ist wohl frisiert,
Glaciert sind ihre Handschuh', ihr Herz ist auch glaciert.

Auf springt vom Sitze Macbeth, da Banquo's Geist erscheint,
Und sieh, die Herrlein lachen; Cordelias Auge weint,
Sie spötteln; Tell versendet in Geßlers Herz den Pfeil,
Und ach, die Armen gähnen vor eitel langer Weil'!

Doch wenn ein Triller wirbelt, ein Fürst der Töne geigt,
Wenn Bosco himmlisch zaubert, wenn ein Athlet sich zeigt,
Wenn Tänzer ihre Glieder verdrehn, als wär's im Krampf,
Da jauchzet Beifallrufen, rast Klatschen und Gestampf.

Und dann in Gasthofs Hallen, des Tempels der Kritik,
Hört Ihr die Phrasen alle der neusten Ästhetik,
Kein Stutzer, der nicht spräche so pomphaft und so schal,
Als wär's das beste Echo vom schlechtesten Journal.


O Welt, wo ist dein Schönes, wo, Schönes, deine Welt,
Wenn es die jungen Herzen, die warmen, nimmer schwellt,
Wenn sie, des Echten spottend, für nichts als Tand erglühn?
Was soll die Frucht denn werden, wenn so die Bäumchen blühn?

Getrost! es gibt noch Jugend mit edlerm bessern Drang,
Die geht auf Promenaden nicht ihren Bildungsgang,
Wird nicht gewandt auf Bällen, nicht im Salon galant,
Nicht im Kaffeehaus geistreich, bei Phrynen nicht charmant.

Sie sucht einsame Wege, und aus der tiefsten Brust
Sich selbst den Mann erschaffend, wird sie sich kraftbewußt;
Und diese Jugend ist es, der Schönes einst gelingt,
Die, Großes einst vollführend, uns eine Zukunft bringt.

15.
Zöpfe und Köpfe

"Der hat den Zopf!" so sprecht ihr kleinen Tröpfe
Von Männern, die voran Euch leuchtend gingen,
Doch sie zu schänden wird Euch nie gelingen,
Schreit Ihr auch heiser euch, und schreit Euch Kröpfe.

O hättet Ihr doch Goethe's, Schillers Zöpfe,
Nur auch die Köpfe, dran die Zöpfe hingen,
Oder die Kraft, sich ihnen nachzuschwingen,
Mögt Ihr auch Locken tragen oder Schöpfe.

Nicht für der Zöpfe Schönheit läßt sich streiten,
Doch wohlgeordnet war in jenen Zeiten
Der inn're Kopf auch hinter Zopf und Touren;

Doch hinter Euren herrlichen Frisuren
Steckt ein Talentchen tief im fernsten Winkel,
Und sonst im weiten Raume Stolz und Dünkel.
 
16.
Literarische Karriere

Mein Fritz, der Wetterjunge,
(Wer hätt' es je gedacht,
So schwer geht ihm die Zunge!)
Hat ein Gedicht gemacht.
Komm, Fritzchen, deklamier' es,
Und fein mit Pathos sprich,
Und stell dich, und agier' es
So recht theaterlich,
Daß wir auch Alle sehen,
Wie man es soll verstehen.

Man setzt ringsum die Stühle,
Der Knabe tritt hervor,
Und schreit und lärmt Gefühle,
Wirft Aug' und Arm empor;
Und ach, die Eltern beide
Sind überaus beglückt,
Die Schwester weint vor Freude,
Es horchen ganz entzückt
Mit Aug' und Ohr und Nasen
Die Vettern und die Basen.


Die Mutter küßt den Knaben,
Der sich so klug erwies,
Der Hausfreund lobt die Gaben
Des jungen Kraftgenies;
"Ha," ruft er, "schade wär' es,
Verginge solch' Gedicht,
Der Redakteur der Ceres
Versagt den Druck mir nicht;
Sollt' er sich nicht bequemen,
So wirds dir Juno nehmen."

Und sieh, in stumpfen Lettern
Auf grauem Löschpapier,
Zur Lust den untern Göttern,
Stehn bald die Reime hier;
Und drunter wird berichtet,
Daß nicht die Note fehlt:
"Von einem Mann gedichtet,
Der vierzehn Jahr erst zählt;
Was kann die Welt erfahren
Von ihm in fünfzig Jahren!"


Da wird dem jungen Herrchen,
Es weiß nicht wie, vor Lust,
Ihm dünkt, es wohnten Lerchen
Im Hals ihm und der Brust.
Er singt, und johlt, und krächztet,
Und reimet "Herz und Schmerz,"
Er schreibt, und schreibt, und lechzet
Nach nichts als Druckerschwärz';
Sie riecht, ihm süßer, besser,
Als alle Rosenwasser.

Doch endlich wird er mündig,
Man tut ihn zur Kanzlei,
Dort sagt der Rat ihm bündig
Daß er ein — Esel sei;
Wie könnt' er das wohl glauben?
Er lächelt stolz und kühl,
Nicht hundert Räte rauben
Dem Mann sein Selbstgefühl;
Er weiß, ihm thront im Busen
Die heil'ge Neun der Musen.

Gleich wird der Dienst ihm ekel,
Er flieht des Amtes Last,
Und hat des Vaters Säckel
Bald genial verpraßt;
Doch als die Eltern sterben,
Wie wird ihm da so bang!
Er weiß nichts zu erwerben
Mit seinem Sing und Sang,
Doch zahlte man wohl gerne,
Blieb' er mit Singen ferne.

Da macht zuerst er Schulden,
Wird dann ein Feuilletonist,
Und schreibt um schlechte Gulden
Von Dreyschok, Ernst und Liszt,
Von mißgebornen Rindern,
Von neu erfundnem Lack,
Von Bällen, Wunderkindern,
Und vom modernsten Frack. —
O Herr, wohin kann führen
Das Reimen und Deklamieren!

17.
Literarischer Bund

Junge Dichter, laßt Euch melden:
Wollt Ihr Tageslob genießen,
Müßt Ihr mit den Tageshelden
Einen Schutz- und Trutzbund schließen.

Einen Phalanx müßt Ihr bilden,
Ein Karre, aus Erz gegossen,
Und Euch decken mit den Schilden,
Und hervor mit Speeren stoßen.

Dicht' und trachte Keiner einsam,
Nur im Chor mach' er die Runde,
Jeder Feind sei Euch gemeinsam,
Jeder Freund ein Glied im Bunde.

An des Vierecks äußrer Seite
Laßt, damit es Alle sehen,
Einige honette Leute,
Wohlberufne Männer stehen.

Doch im Gliede hinter ihnen,
Das nicht übers erste rage,
Können Euch schon Bursche dienen,
Die von minder gutem Schlage.

Endlich in den Kern der Masse,
Um das Innre voll zu propfen,
Könnt Ihr Volk der schlechtsten Klaffe,
Allerlei Gesindel stopfen.

Erstes Glied im kühnen Heere
Führe Schwerter, lang, zum Schrecken,
Zweites Glied mag seine Speere
Zwischendurch als Drohung stecken.

Aber mit erlaubten Waffen,
Die sonst führen wohl zum Siege,
Könnt Ihr doch nichts Rechtes schaffen
In so ganz besondrem Kriege.

Sorgt darum, daß man verteile
Zur Vollbringung Eurer Taten
An's Gesindel gift'ge Pfeile,
Brandraketen, Sprenggranaten;

Blei in Vitriol zu tauchen,
Wird des Schusses Wirkung schärfen,
Siedend Pech könnt Ihr gebrauchen,
Und Maschinen, Kot zu werfen.

Schießt mit Bomben und Karthaunen,
Lärmt und tobt gleich Donnerwettern,
Laßt Trompeten und Posaunen,
Zinken, Cymbeln, Pfeifen schmettern.

Denn es gilt nur Lärm zu machen
Heut zu Tag in solchem Kriege,
Mag sich auch ins Fäustchen lachen
Mancher dann ob Eurem Siege.

Eines habt Ihr doch gewonnen:
Niemand kommt Euch ins Gehege;
Denn wer klug ist und besonnen.
Geht den Narren aus dem Wege.

18.
Praktische Tendenz

Ach wenn Ihr gar nicht schriebet,
Und sein honett nur bliebet,
Wär't Schmiede, Schlosser, Schreiner,
Vielleicht noch etwas gemeiner,
Auch Schuster oder Schneider,
Und nähtet Stiefel und Kleider,
Wir ehrten dann Euch gerne,
Und blieben Euch nicht so ferne.

Viel lieber gute Hosen,
Als Eure "Monatrosen,"
Viel lieber feste Sohlen,
Als Eure "Nachtviolen,"
Viel lieber solide Stühle,
Als Eure "Abendgefühle,"
Viel lieber schöne Cassetten,
Als Eure Novelletten.

O nährt Euch künftig redlich,
Und seid nicht Andern schädlich,
Und seid Euch selber was nütze
Mit Eurem Verstand und Witze;
Auf des Parnasses Stufen
Ist Jeder nicht berufen,
Doch Jeder in seinen Bezirken
Soll Gutes und Rechtes wirken.
 
19.
Bücherwert

Im Buchladen
                            Dichter
tritt ein
Mein Herr — Vergebung, daß ich frage,
Wie Ihnen wohl mein Epos dünkt,
Und ob mir endlich zum Verlage
Bei Ihnen frohe Hoffnung winkt.
Ich möchte gar zu gerne melden,
So groß Ereignis allerwegen,
Und für die Taten meiner Helden
Der Welt Bewunderung erregen.
Ich halt es recht der Dichtung wert,
Daß sie erhabnes Tun verklärt
Und aus der Dämmrung der Geschichte
Das Große zieh' hervor zum hellsten Tageslichte.

                            Verleger
verlegen
Dem ersten größten unsrer Richter
Gab ich zu lesen Ihre Verse,
Er sagt, Sie sei'n ein edler Dichter,
Und echt vom Scheitel bis zur Ferse;
Doch sei es leider zum Betrüben,
Daß Sie das Werk vor Zeiten nicht geschrieben,
Denn längst sei für das Epos kein Geschmack,
Seit der Roman erfunden und der Frack.
Und wahrlich, dieser Mann hat recht,
Denn alle Verse gehn nun schlecht,
Und gar, aus Mangel höherer Gemüter,
Sind alle Heldenlieder Ladenhüter.
Drum, ist das Werk auch ganz nach meinem Sinn,
Kann ich es drucken nicht, noch honorieren,
Denn ach, wir leben vom Gewinn,
Und können uns nicht ruinieren.
Doch — wenn zur Hälfte Sie des Druckes Kosten tragen
So möcht' ich wohl es dennoch wagen,
Und Ihnen dann das Dritteil garantieren
Des Reingewinns.

                            Dichter
aufwallend
                         Mein Herr, mit Gott!
Sie treiben mit dem Menschengeiste Spott;
Ein Sklavenhändler hat viel mind're Fehle,
Er mäkelt um den Leib, Sie um die Seele.
                      
Ergreift das Manuskript und eilt ab.

                                   Verleger.
Ei, der ist hitzig, der ist furios!
Nun meinethalb, er mag denn wandern,
Den Einen wär' ich glücklich los,
Wär' ich nur fertig auch mit all den Andern!

                            Novellist
tritt ein
Ich bringe hier den dritten Band
Von jenen zehn, die Sie bestellten,
Und hoffe, Ihre Huld, mir wohl bekannt,
Wird reicher mir dies neue Werk vergelten.
Es ist so ganz, wie Sie's gewollt,
Viel abenteuerlich Galantes,
Dazwischen Komisches, Pikantes,
In bunten Bildern aufgerollt.
Duelle, Kurtisanen-Tränen,
Naturreiz, Antichambre-Szenen,
Salongespräch, moderne Sentiments,
Ein Ehrenmann, sechs Intriguants,
Auch Diebe, Räuber, Kerker, Galgen, Folter
Ein Seesturm, eine Schlacht, d'rauf geisterhaft Gepolter,
Dann Taten von so schauderhaftem Wesen
Wie's heut zu Tag so gern die zarten Damen lesen.

                            Verleger.
Und das Costume?

                            Novellist.
                     Natürlich Rokoko,
Gezeichnet im Detail, und gänzlich so,
Wie wirs aus hundert Memoiren
Vom Hofe von Versailles des Breitesten erfahren.

                            Verleger.

Gut — und die Tugend siegt in Ihrem Wert?
                            Novellist.
                                                   O nein!
Sollt ich in meinem Fach ein solcher Neuling sein?
Im Gegenteil — der edle Schwärmer fällt,
Und trinmphierend siegt ein wüster Frauenheld,
Der gar so liebenswert, daß noch im letzten Röcheln
Ihm seine Opfer all' Verzeihung lächeln.
                            Verleger.

Ei, a la Sue und Sand! Mich dünkt, Ihr Werk ist schön;
Doch — was den Lohn betrifft, den kann ich nicht erhöhn;
Der zehnte Band erst wird mich lehren,
Ob ein Douceur ich Ihnen darf gewähren.
Hier unterdessen für den dritten Band,
Und hier a Conto als ein Unterpfand
Des vierten Bands noch eine Kleinigkeit.
                            Novellist.
Ich danke sehr, und bin bereit,
In höchstens zwölf bis vierzehn Wochen
Mit einem vierten Band an Ihre Tür' zu pochen.
                          
Geht mit tiefen Verbeugungen ab.

                            Verleger
.
Das fordert immer, wird nicht satt
Zu schreiben, und nach Honorar zu laufen,
Doch ist's ein Glück, daß sich um jedes Blatt
Die Herrn Romanenschreiber raufen.
Die Zeit der Konkurrenz ist jetzt,
Drum hab ich mir's auch vorgesetzt,
Weil nun der Zudrang gar so fürchterlich,
Ein neu Roman-Werk zu edieren,
Und die Autorenarbeit öffentlich
Im Mindestangebot zu lizitieren.

                            Pamphletist
tritt ein.
Hahahaha!

                            Verleger
.
                   
Mein Teuerster, was gibt's?

                            Pamphletist.
Hahahaha!

                            Verleger
.
                     
Was haben Sie? Beliebt's
Mir aufzuklären, was Sie so entzückt?

                            Pamphletist.
Haha! Ich wär' vor Lachen fast erstickt
Seil gestern schon, da ich ein Werk vollendet
Auf das ich viel Satyr', Humor und Witz verschwendet.

                            Verleger
.
Ein neues Werk? Wie heißt's?
                            Pamphletist.
                                      Inländischer Parnaß.
                            Verleger
.
Und welcher Gattung ist's?
                            Pamphletist.
                                   Ein toller Spaß,
Beschreibung so des Leid's, der Nasen, Augen, Ohren,
So wie des Geists, der Seele der Autoren.
                            Verleger
.
Kann ich ein Pröbchen sehn?
                            Pamphletist.
                                   Will gleich zu Diensten stehn,
Und Ihnen jenes Kurt Charakteristik lesen,
Des Erstling im Verlag bei Ihnen einst gewesen,
Doch der, seit er sich schon für einen Meister hält,
Kleingeld und Compagnie mit seinen Werken prellt.
                            Verleger
.
Wie? über den etwas? o würd' er recht gerissen,
Der undankbare Mann!

                            Pamphletist.
                            Das war ich auch beflissen.
                   
Nimmt ein Manuskript heraus und liest.

Kurt — Novellist — alt zwei und dreißig Jahr,
Schwach — abgelebt — blaß, hager, spindelbeinig,
Sein Auge — grünlich — etwas rot sein Haar —
Trägt meist den schwarzen Frack, der schon was fadenscheinig —
Trinkt Bier, raucht viel Tabak, spuckt unanständig aus,
Benimmt sich höchst gemein und niedrig,
Besucht auch manches schlechte Haus,
Und ist — ein Wunder fast — den Damen doch nicht widrig;
Das macht, er schwatzt, und eben nicht so schlecht,
Doch aus den Schriften zeigt sichs recht,
Daß er ein schwach Talent; — kein Aufschwung, kein Geschmack —
Kennt nicht die Welt, beschreibt nur Lumpenpack,
Gesindel aller Art — versteht nicht den bon ton,
Weiß nichts von Boudoir, nichts vom Salon; —
Kurz, wie wir äußerlich und innerlich ihn kennen,
So müssen wir Herrn Kurt den Pöbeldichter nennen.

                            Verleger
.
O herrlich, herrlich!

                            Pamphletist.
                            Hören Sie nur auch,
Wie Sonders wird bedient, der eitle Gauch.
Von Sonders — Lyriker — dick — alt — mit kahlem Kopf —
Trägt immer einen Stock mit goldnem Knopf;
Wenn frei die Wahl uns wär', wir nähmen gern
Den Kopf des Stockes statt des Kopfs des Herrn.

                            Verleger
.
Ha, ganz impertinent! so recht, wie's heut gefällt;
Nichts liebt so sehr die Lesewelt,
Als wenn den Autor man, der oft das Aug' ihr netzt,
Sie zu Gefühlen zwingt, recht tief herunter setzt,
Ja, schmäht und infamiert; — ich kann mirs nicht erklären,
Wenn es daher nicht kommt, daß sich die Leute freu'n,
Des Anerkennens Pein, das lästige Verehren
Durch solchen Unglimpf los zu sein.

                            Pamphletist.
Nun? nehmen Sie das Werk? — um einen Pappenstiel —
Fünfhundert Gulden — wie?

                            Verleger
.
                               Ach, Freund, das ist zu viel. —
Vierhundert!

                            Pamphletist.
                   Nie, o nie! Selbst Kleingeld böte mehr.

                            Verleger
.
Versuchen Sie es nur. — Doch — weils dem ganzen Heer
Der Literaten gilt, der schmutzigen Autoren —

                            Pamphletist
bei Seite
Der spricht vom Schmutze, der!

                            Verleger
.
Die mich so oft geschoren —

                            Pamphletist
bei Seite
Ja, oder umgekehrt.

                            Verleger
.
                         So sei's, so geh' ich's ein.

                            Pamphletist
Es wird gewißlich nicht Ihr Schaden sein.

                            Verleger
bei Seite
Ein Zugartikel wird's!

                               
Laut
                        Doch sagen Sie mir Eins:
Sie sind doch auch im Kreis des würdigen Vereins?
Denn schwiegen Sie von sich, wär' leicht der Schluß
Auf den Verfasser, den Anonymus.

                            Pamphletist
Wohl hab' ich mich genannt, und mich recht derb gefaßt,
Und mich getadelt dort, wo's g'rad am mind'sten paßt,
So daß man Mitleid wird mit mir, dem Ärmsten tragen
Doch wußt ich (unter uns) manch Schönes auch zu sagen;
Vor Allem, da ich jetzt (doch — bitte, sein Sie still)
Die schöne Witwe links, die reiche, freien will,
So sprach ich von der Stirn, der freien, hohen, reinen,
Vom sanft geschwellten Mund, von wohlgeformten Beinen,
Vom männlich schönen Kinn, vom Bart, et cetera —

                            Verleger.
Sie sind der ärgste Schalk, den je ich sah.
Doch — kommen Sie —
                              
Sich die Hände reibend
Sie können auf Verlangen
Das Honorar sogleich im Comptoir empfangen.

20.
Ein Anfang

Laß das Eifern doch und Rechten,
Was bekümmern dich die Andern?
Wende fort dich von den Schlechten,
Und die Dummen, laß sie wandern.

Fruchtlos ist's, was gern geduldet,
Und was wohl gefällt, verfehmen,
Mißbrauch, den die Zeit verschuldet,
Kann auch Zeit nur wieder nehmen.

Renn' in müßiger Bestrebung
Gegen Unsinn nicht, den harten,
Laß in Ruh' und in Ergebung
Uns das Bess're still erwarten. —

Bist es Du, so feige mahnend,
Spricht der Freund mir solche Worte,
Der mit mir, das Ew'ge ahnend,
Lagert vor der Wahrheit Pforte?

Fruchtlos wär' der Streit für's Gute?
Wie dann soll die Welt es segnen,
Wenn es Edlen fehlt am Mute,
Seinen Feinden zu begegnen?

Soll die Wahrheit unterliegen,
Soll uns Unsinn ewig äffen,
Weil wir fürchten, daß beim Kriegen
Auch ein Pfeil uns konnte treffen?

Fahrvoll war es, zu erklimmen
Gletscher, die so schwindlig ragen,
Schwer war's auch, stromauf zu schwimmen;
Aber sollt' es Niemand wagen?

Einer tat's, und kühn're Klimmer
Folgten nach, und wurden dreister,
Und ein mehr gewandter Schwimmer
Ward des Gegenstromes Meister.

Bin ich schwach zu dem Geschäfte,
Tollen Unfug wegzuschaffen,
Ei, es kommen bess're Kräfte,
Und mit stärkern schärfern Waffen.

Doch auch ich will nicht verzagen,
Auch mein Wort ist nicht versunken,
Ungeheure Flammen schlagen
Oft empor aus kleinen Funken.

Oft dem Vogel fiel im Fliegen;
Eine Eichel auf die Wiese,
Und daraus emporgestiegen
Ist der mächt'ge Baumesriese.

Und so will getrost ich legen
Auch mein Saatkorn in die Erden,
Mit des Himmels mildem Segen
Mag's vielleicht ein Fruchtbaum werden,

Und vielleicht in seinem Schatten
Lagern künftig unsre Söhne,
Und besingen ohn' Ermatten
Nur das Echte, wahrhaft Schöne.

21.
Dichterlos und Dichtertrost

Du weißt es, armer Freund, wie in gewissen Kreisen
Die liebe gute Welt, so voll von Überweisen,
Hält über dich Gericht,
Wie jene kluge Schar der gar so feinen Leute,
Und wie der wilde Troß, die losgelassne Meute
Der Läst'rer von dir spricht.

Du weißt es: Wenn du sprichst, und eiferst warm und wärmer
Für das, was schön und echt, so heißest du ein Schwärmer,
Ein schwindelnder Poet,
Indes ein Fant, ein Geck mit leerem öden Herzen,
Doch süßer Worte voll, und voll von kahlen Scherzen,
Bewundert vor dir steht.

Du weißt es: Wenn du schweigst, und still, vielleicht auch düster,
Versenkt in Sinnen bist, so geht ein leis Geflüster
Rings durch die Reih'n herum:
"O welch ein laun'scher Mensch! jetzt sinnt er wohl auf Stanzen,
Vielleicht auf ein Sonett; er lacht nicht, mag nicht tanzen,
Jetzt ist er gar auch stumm."

Und redest du auf's Neu', und überfliegst die Schranken
Alltäglichen Verkehrs, und streifest an Gedanken
Ernst und bedeutungsvoll,
So wenden sie sich ab, die Fräulein, Herrn und Frauen,
Und werden blaß beinah', und flüstern fast mit Grauen:
"Was solch Gespräch uns soll!"

Blickst du zum Mond empor, zum nächt'gen Heiligtume,
Mondsüchtig heißest du; wenn in den Kelch der Blume
Versenkt den Blick du hast,
Wenn du vor Tag empor zum Berge steigst, der Wonne
Der Erde dich zu freun, begrüßt vom Aug' der Sonne,
So bist du — ein Phantast.

Und wo es Handeln gilt, und du dein Bestes tuest,
Und bis das Ziel erreicht, nicht rastest und nicht ruhest,
Heißt's "überschwenglich" gleich,
Doch irrest du und fehlst in einer schwachen Stunde,
Da jubelt's ringsum auf, und ruft aus einem Munde:
"Ein Streich! ein arger Streich!"

Und wenn du einmal was von eignem Wert empfindest,
Und es nicht augenblicks verhehlest und verwindest,
So schwer ein Herz es kann,
So bist du aufgebläht, stolz, unerträglich eitel,
Ganz in dein Ich verliebt, vom Fuße bis zum Scheitel
Ein dünkelvoller Mann.

Du weißt, so denken sie; ob Viele sind, ob wenig,
Sie nennen sich die Welt, und ihnen untertänig
Soll alles Leben sein;
Dich aber fass' ich nicht — ich seh' dich ohne Kummer,
Du blickst noch frei herum, und hast noch guten Schlummer
Inmitten solcher Pein. —

Ja, Freund, ich steh' noch fest, und werd' es fürder bleiben,
Mag herbe Scheelsucht auch es immer weiter treiben
Auf dieser Erde Raum;
Auch ist es nicht die Welt, die über mich ergrimmte,
Es ist ein Häuflein nur, das irgend was verstimmte,
Mich dünkt, sie wissen's kaum.

Drei Blicke trösten mich: der ein' in meine Seele,
Der andre auf zu Gott, der Tugend oder Fehle
Allein zu richten weiß,
Der dritte schweift umher rings in der Näh' und Ferne
Nach jenen Freunden hin, die ich erkenn' als Sterne
In meines Lebens Kreis.

Noch Viel' der Edlen gibt's, der Guten und der Besten,
Die liebevoll an's Herz den Liebevollen preßten,
Vereint in Freud' und Leid;
Wir haben uns erkannt, wir halten uns umschlungen,
Es ist ein schöner Bund, er wird uns nicht bezwungen
Von Schicksal oder Zeit.

Und wenn ich einsam bin, und Ihr mich glaubt verlassen,
Die lieben Geister sind's, die da die Hand mir fassen,
Ich bin dann nicht verwaist,
Und draußen auf der Flur, auf Höh'n und in der Halde
Spricht mir aus blauem Zelt und aus dem grünen Walde
Der Geister höchster Geist.

Natur gewähret hold, zu lauschen ihren Winken,
Die hehre Kunst vergönnt aus ihrem Born zu trinken,
Zu stillen innern Brand,
Gott weist mich nicht von sich, an's Herz, das liebewarme,
Drückt mich manch edler Freund — bin ich da wohl der Arme,
Den du mich erst genannt?

Das ist mein Hochgefühl, das mir des Himmels Stimme,
Vielleicht nennt eifernd es ein Feind in seinem Grimme
Auch wieder eitlen Stolz; —
So schlagt mich denn an's Kreuz! mich wird ein Hauch umfächeln,
Den Ihr nicht fühlen könnt, und heiter werd' ich lächeln
Am bitt'ren Marterholz.