Die
Bergmesse
Der heil'ge Tag des Herrn bricht an,
Die schwarze Nacht wird grau,
Bald strömt das Volk zur Meß' heran,
Und füllt des Münsters Bau;
Auch ich will in mein Gotteshaus,
Durch dessen Hallen ein und aus,
Gefühlt nur, nicht gesehen,
Die duft'gen Engel gehen.
Den Bergpfad steig' ich still hinauf
Bis an die Spitz' empor,
Gleich nimmt der Riesendom mich auf,
Mir wehrt kein ehern Tor;
Mein Betstuhl ist ein Felsen bloß,
Mein Schemel ist das grüne Moos,
Ob ein Gebetbuch fehle,
Ich hab' ein's in der Seele.
Hier hält der Weltgeist Messe gern,
Verhüllt in Wolkengrau,
Als Lampe glimmt der Morgenstern,
Den Weihrauch dampft die Au',
Die Orgel spielt der Wasserfall,
Posaune bläst der Widerhall,
Die Flöte hauchen linde
Die sanften Morgenwinde.
Zugleich ertönt der Meßgesang,
Weckt Alles aus der Ruh',
Der Vogel singt mit hellem Klang,
Der Käfer summt dazu;
Der Hirte jauchzt, das Alphorn dröhnt,
Der Herden klar Geläute tönt,
Und, daß man nichts vergesse,
So klingeln sie zur Messe.
Und dämmrig Dunkel schleicht herbei,
Viel Nebel dringt herein,
Doch kämpft das Licht, und ringt sich frei,
Und siegend wächst der Schein;
Die Wandlung naht, der Weltgeist hält
Den Kelch empor vor aller Welt,
Der tränkt das All mit Wonnen, —
Es ist der Kelch der Sonnen.
Da stäubt entzwei das Zwielicht all,
Die blüh'nde Erde lacht,
Sie brennt voll Licht, sie tönt voll Schall,
Sie strahlt voll Farbenpracht;
Und unter mir auf grünem Plan
Zieht aus dem Dom das Volk heran,
Ich aber steige munter,
Gestärkt den Berg herunter.
Der Blütenzweig
Ich sah im Busch was Weißes wehn,
Und dachte dort mein Liebchen gehn,
Ich brach hindurch in freud'ger Hast,
Da war's — ein weißer Blütenast.
Den Zweig ich gleich vom Stamme brach,
Und trug ihn heim in's Schlafgemach,
Und träumte süß, entschlummert kaum,
Von Mila einen goldnen Traum.
O schenkte Gott an jedem Tag,
An dem ich sie nicht finden mag,
An Tagen, einsam hingebracht,
Mir solchen Zweig und solche Nacht!
Abend- und Morgentau
Abendtau, du bist die Träne,
Die der düst're Himmel weint,
Wenn die goldgelockte Schöne
Nicht mehr leuchtend ihm erscheint.
Morgentau, du bist die Zähre,
Die er träufelt froh herab,
Wenn sie sich in neuer Kläre
Wieder ihm zu eigen gab.
Ach, so wein ich euch ja eben,
Abendtau und Morgentau,
Wenn ich bald mein Lieb entschweben,
Bald dann glänzend wieder schau.
Frühlingsluft
Der Greis.
Führt mich in die freien Lüfte,
In die heitern, lauen, linden,
Sonnenlicht und Klang und Düfte
Möcht' ich einmal noch empfinden.
O wie licht wird's meinem Blicke!
O wie wohl sind meine Glieder!
Kehren Kraft und Mut zurücke,
Kommen Lust und Jugend wieder?
Der Knabe.
Du loser, du wilder Schmetterling,
Du sollst mir nicht entschlüpfen,
Ich kann dir nach über Wies' und Feld
So schnell, wie du flatterst, hüpfen.
Ich habe dich, Loser, ich habe dich!
Du durftest mir nicht entrinnen,
Doch, nun ich die bunten Flügel beschaut,
Nun flattre wieder von hinnen.
Die Jungfrau.
Die Lerche singt im klaren Blau,
Es schlägt der Fink am Baume,
Welch neues Leben in der Au,
Und rings im luft'gen Raume!
Ich weiß nicht, was in mir sich regt
Wie leises, tiefes Sehnen,
Mein Herz ist wundersam bewegt,
Mein Aug' weint süße Tränen.
Der Liebende.
Duft'ge Veilchen, laßt euch pflücken,
Reihen euch zum Strauß,
Will euch bringen, meine Holden,
In der Liebsten Haus.
Liebchen gibt euch klares Wasser,
Löset euch das Band,
Blickt dabei mir traut in's Auge
Und — reicht mir die Hand.
Der Hirt.
Ei, wie der Morgen so helle
Durch's dampfende Tal dahin,
Wie klar und munter die Quelle,
Die Wiese, wie üppig grün!
Nun, Lämmer, hüpfet im Grase,
Und schäkert im knospenden Wald,
Indes die Schalmei ich blase,
Daß Berg und Tal erschallt.
Der Jäger.
Schmett're, mein Horn, und donn're mein Schuß,
Recht tief in die Bergeshalde,
Bringet dem Frühling den ersten Gruß
Im Walde, im Walde!
Ihr Buchen, wie Geister seid ihr mir
Im Kleide von Schnee erschienen,
Nun jagt sich's wieder recht lustig hier
Im Grünen, im Grünen!
Der Trauernde.
Teures Grab, du Zelle meiner Lieben,
Ach, wie lange bist du öd' gelegen,
Abgetrennt von den verschneiten Wegen,
Konnt' ich meinen Schmerzensdienst nicht üben.
Nun getrost! der Hügel grünet wieder,
Und ich kann ihn treulich wieder hüten,
Wieder streu' ich zarte Frühlingsblüten,
Zu den Blüten sink' ich weinend nieder.
Der Wanderer.
Der heitere, wärmende Sonnenschein
Drang in das düstre Gemach mir hinein,
Es ließ mich nicht länger im kalten Haus,
Der Sonnenstrahl zog mich in's Weite hinaus.
Der Rasen wächst mir unter dem Fuß,
Die Lerche, sie bietet mir jubelnden Gruß,
Wer möchte da nicht wandern und ziehn
Über die freudige Erde dahin?
Der Dichter.
Ich habe süß vom Lenz geträumt
Im harten Winter noch,
Nun aber Alles blüht und keimt,
Ist es viel schöner doch.
Viel heitre Lieder regen sich
In meiner weiten Brust,
Du holder Frühling, höre mich,
Ich singe deine Lust.
Stimme im Frühlingswinde.
Erwarme, Saat, im goldnen Strahl,
Ihr Blumen, blüht und würzt das Tal,
Ihr Vögel, singt und ziehet,
Ihr Bäume, rauschet himmelwärts,
In Wonne poche, Menschenherz,
Dem Alles singt und blühet.
Trost und Sehnsucht
Eins tröstet mich, wenn ringsum Wetter brausen,
Wenn um mich her des Sturmes Flügel sausen,
Eins tröstet mich, — das ist des Mondes Pracht,
Der süß mir lächelt aus der Sternennacht.
Hab' ich, da tiefer mir der Dolch gedrungen,
Den Tag durchweint, von glüh'ndem Schmerz bezwungen,
Da leuchtet hoch und hell des Mondes Pracht,
Und lächelt süß mir aus der Sternennacht,
Kann er so mild den Schmerz des Erdners lösen,
Trägt er gewiß auch tränenlose Wesen,
O wär' ich Armer nahe seiner Pracht,
O wär' ich droben ob der Sternennacht!
Herz und Blume
Hörte oft das Herz vergleichen
Einer Perle zart und hell,
Dem Demant, dem feuerreichen,
Himmelsklarem Silberquell.
Oft hört' ich den Zorn auch sagen:
"Herz, du mußt ein Eisball sein!"
Und die Wehmut wieder klagen:
"Herz, du bist ein harter Stein!"
Schmetterling und goldne Falle
Nannten manche es im Scherz,
Doch mir deucht, sie irrten Alle —
Eine Blume ist das Herz.
Blumen keimen auf in Lenzen,
Herzen in der Jugend Glanz,
Blumen einen sich zu Kränzen,
Herzen sich zum Liebeskranz.
Blumen stolz im Warmen blühen,
Warmer Blick gibt Herzen Kraft,
Blumen sengt des Mittags Glühen,
Herzen glüh'nde Leidenschaft.
Blumen ist der Tau ein Segen,
Milde Trän' erfrischt das Herz,
Blumen knickt der wilde Regen,
Herzen bricht der wilde Schmerz.
Blumen froh am Tage sprießen,
Herzen da, wo Liebe lacht,
Blumen Nachts die Kelche schließen
Herzen schließt des Hasses Nacht.
Schnee muß Tod der Blume geben,
Herz verwelkt, wenn Alter droht,
Und so lebt's ein Blumenleben,
Und so stirbt's den Blumentod.
Waldes Ahnung
Die kalte trübe Herbstnacht weicht,
Des Morgenwindes Flügel
Weht frisch umher, der Nebel schleicht
Um Tal und Schlucht und Hügel;
Im Waldgebirge dämmert's auf,
Noch strecken die Bäume das Haupt nicht hinauf,
Sie sind noch schlummertrunken
In tiefe Ruh' versunken.
Zuerst erwacht der Eichenbaum,
Er steht auf dem höchsten Gipfel,
Schon hohl ist des Stammes inn'rer Raum,
Doch ragt noch stolz sein Wipfel;
Schon manch' Jahrhundert steht er so,
Und ist noch immer des Grünens froh,
Ihm ist als Vater und König
Das Baumvolk untertänig.
Er schüttelt jetzt sein breit Geäst,
Und schaut ringsum hinunter,
Da werden, gerüttelt vom starken West,
Die Bäume schon wach und munter;
Es braust in den Zweigen, und wühlt herum,
Es flattern die Blätter um und um,
Die gelben und die roten,
Und sinken tot zu den toten.
Der Eichbaum rauscht mit warnendem Ton:
"Gelinder doch nur, gelinder!
Seid nicht so stürmisch am Morgen schon;
Wie habt ihr geschlafen, Kinder?"
Er ruft's und es neigt sich der ganze Wald,
Und blickt dann auf zu der greisen Gestalt,
Dann flüstern und lispeln die Bäume:
"Wir hatten böse Träume."
Die Tanne spricht: "Mir träumt', im Sturm
Hätt ich geschwankt und gezittert,
Dann kroch in die Rinde der giftige Wurm,
Die Wurzel war mir erschüttert;
Vom Fuß bis zum Haupte der Schmerzen voll,
Fühlt' ich mich sterben Zoll um Zoll, —
Wohl mir, ich bin genesen,
Es ist ein Traum nur gewesen."
Die Buche spricht: "Der Häher sprang
Auf einem meiner Arme,
Und ächzt' und seufzte mit traurigem Klang,
Und klagt' in tiefem Harme
Leb' wohl, leb' wohl, du Buche mein,
Ich werde dein Gast nicht fürder sein,
Leb' wohl, es enden die Freuden,
Wir müssen auf immer scheiden."
Die Birke spricht: "Der Jäger saß
Mit seiner süßen Lieben
Zu meinen Füßen im hohen Gras,
So wie er es oft getrieben;
Da sagt' er: ""Holde, nun müssen wir fort,
Und suchen einen andern Ort,
Hier können wir vor den scheelen
Augen uns nimmer hehlen.""
Zuletzt noch spricht der Wachholderstrauch:
"In meines Dunkels Schutze
Barg sich nach lang gewohntem Brauch,
Ein Reh, den Jägern zum Trutze;
Heut aber träumt' ich so bang und schwer,
Ich sah das Lager öd' und leer,
Ich hätt' um des Rehleins Leben
All' meine Beeren gegeben!"
Da rauscht der alte Eichenbaum:
"Weh mir, und weh uns Allen!
Auch ich hatt' einen schrecklichen Traum,
Ich sah mein Volk gefallen;
Ihr wart gestürzt in weitem Rund,
Die Wipfel küßten den niederen Grund,
Die mächtigen Stämme lagen,
Die Sträuche waren zerschlagen.
Schon dreimal, seit in den Felsenspalt
Ich trieb die wachsenden Glieder,
Verschwand vor dem Blick mir der herrliche Wald,
Doch immer erstand er wieder;
Nun bin ich alt und krank und geschwächt,
Weh mir, ich erlebe kein neues Geschlecht,
Und sollt' ihr Jüngern verderben,
So sehn' auch ich mich zu sterben."
Kaum hat der Eichbaum ausgerauscht,
Da tönen dumpfe Schläge,
Der ganze Wald ist bang und lauscht,
Was das wohl werden möge;
Der Beilschlag ist's und Männerwort,
Es hallt und dröhnet fort und fort,
Am Waldrand hört man mit Prasseln
Die Bäume niederrasseln. —
Der Winter vergeht, in Hain und Flur
Beginnt es wieder zu keimen,
Doch im Gebirg ist keine Spur
Von himmelanstrebenden Bäumen;
Sie liegen gestürzt in weitem Rund,
Die Wipfel küssen den niederen Grund,
Am Felskamm steht als Leiche
Allein die verdorrte Eiche.
Junge Liebe
An Mila
1.
Zwiefacher Lenz
Alles schwoll mit vollen Kräften
Nach des kargen Winters Lauf,
Alles quoll in frischen Säften
An das neue Licht herauf.
In des Lenzes goldnem Glanze
Wollt' ein jeglich Wesen glühn,
Auch das Herz, die Wunderpflanze,
Drängt' es wieder zu erblühn.
Und so ward's bei gleichem Triebe
Blühend draußen und in mir,
Reicher Frühling, reiche Liebe,
All mein Leben dank ich dir!
2.
Veilchenweise
Wir pflückten Veilchen, du und ich,
Da fragt' ich dich im Pflücken:
"Sag doch, warum die duft'gen sich
An's Gras so traulich drücken?"
""Ich meine, sprachst du, holdes Kind,
Von sanfter Glut umgossen,
Weil beide erst die Einz'gen sind,
Die schon im Lenz entsprossen.""
"Ei sieh, wir sind die Einz'gen hier,
Und stehn im Blühen Beide,
So neige du dich auch zu mir,
Dem guten Lenz zur Freude."
Flugs hatt' ich einen Kuß geraubt,
Erst hielt ich dich ein Weilchen,
Du sagtest nichts, du hingst dein Haupt
Herunter, wie das Veilchen.
3.
Spracharmut
Hörst du, wie die Nachtigallen
Über uns im Busche flöten?
Mich verdrießt das süße Schallen,
All' die Sänger möcht' ich töten.
Mich verdrießt, daß ihre Kehlen,
Was ich sagen möchte, klingen,
Mir vom Mund die Rede stehlen,
Und sie so beweglich singen.
Ach, wie wird ein reich Empfinden
Ärmlich durch ein Wort gekündet,
Nur in Sängen läßt sich's künden,
Was ein Liebender empfindet.
4.
Beste Umgebung
Am liebsten seh' ich immer dich im Grünen,
Mein holdes Kind,
Vom Morgen- oder Abendstrahl beschienen,
Durch's Laubgewind.
Da ist mir, als gehörtest du ganz eigen
Der Lenznatur,
Als stiegst du, wie die Blumen alle steigen,
Aus bunter Flur.
Da ist die laute Welt so ganz vergessen,
Da bist du mein,
Da kann ich wärmer an mein Herz dich pressen,
Und sel'ger sein.
Doch wenn ich dich im Glanz der Menge sehe,
Da wird mir schwer,
Mir ist, als ob ringsum in deiner Nähe
Ein Schranken wär'
Das ist: Manch Bild wird wohl vom Rahmengolde
Erst recht verklärt,
Für dein Gesicht ist nur Natur, die holde,
Als Rahmen wert.
5.
Mondeszauber
Gestern, als ich mit dir ruhte
In des Mondes klarem Strahl,
Weiß nicht, wie mit einem Mal
Wunderbar mir ward zu Mute.
Übergossen hell mit Schimmer
War dein Angesicht, dein Blick,
Meinen Arm zog ich zurück,
Kosen, küssen konnt' ich nimmer.
Deine aufgelösten Locken,
So erstrahlten sie noch nie,
Aus der Hand mir glitten sie,
Reden wollt' ich, mußte stocken.
Zaub'risch war dein ganzes Wesen,
Miene, Haltung und Gestalt,
Wie von Nebel überwallt,
Schienst du dich in Duft zu lösen.
Sage, Holde, sag' es frei mir,
Bist vielleicht ein Elfenkind?
Bist du's, sei mir doch gelind,
Liebe mich, und bleibe treu mir.
6.
Stumme Rede
Sprich nicht, laß nicht das süße Schweigen brechen,
Dein Antlitz nur, das fromme, zu mir wende,
Laß deine stummen Lippen, deine Hände,
Laß deines Herzens Schlag nur zu mir sprechen.
Schnell würd' an dir das laute Wort sich rächen,
Es sagte halb nicht, was die Brust empfände,
Ein Schall ist kurz, sein Wirken bald zu Ende,
Es kann des Tiefempfund'nen Sinn nur schwächen.
So viel erfaßt ja nicht die kleine Pforte,
Gefühl und Sprache sind in steter Fehde,
Empfunden, nicht gesagt sein will Entzücken.
Dein warmer Blick sagt mehr, als tausend Worte,
Dein sanft Umschlingen gilt statt langer Rede,
Und alle Sprach' erschöpft dein Händedrücken.
7.
Traum und Wahrheit
Jüngst lag ich schlummernd unter'm Lindenbaume,
Des kühle Schatten uns so oft umwehn,
Da ward ich heimgesucht von sond'rem Traume,
Noch staun' ich, denkend, was ich da gesehn;
Ich sah in deiner Beete kleinem Raume
Wie eine Blumenkönigin dich stehn,
Und auf zu dir sich kehrten alle Blüten,
Die rings um dich in hellern Farben glühten.
Mit einem Mal aus deinen Augen drangen
Zwei blaue Hyazinthen, Rosmarin
Ward aus den Locken, und aus Lipp' und Wangen
Begannen volle Rosen zu erblühn,
Und aus den Fingern Lilien sich schwangen,
Und Winden schlangen um den Leib sich hin,
Und all die Hyazinthen, Lilien, Rosen
Umschwebten Schmetterling' in trautem Kosen.
Da dacht' ich: "Ist vielleicht, als Maid gestaltet,
Mein Lieb der Frühling selbst, und schwindet auch,
Wenn Veilchen welkt, und Sommer wieder schaltet?"
Ich dacht' es, und es hatt' ein lauer Hauch
Mit leisem Wehn das Auge mir entfaltet —
Du saßest, mir nicht fern, am Fliederstrauch,
Und ich umfaßte dich in glüh'ndem Triebe,
Den ganzen Frühling und die ganze Liebe.
8.
Entschuldigung
O zürne nicht, Liebchen, o sei mir nicht gram,
Weil heute so spät ich am Abend kam,
Der Kopf war mir wüste, der Fuß war mir lahm,
Ich hatte kein Lied dir zu bringen;
Ich wollte noch dichten, und wollt' auch zu dir,
Vor Schwanken und Zaudern verging ich schier,
Da flatterte Amor herein zu mir
Auf leichten goldenen Schwingen.
Er rückte den Stuhl, und setzt' ohne Weil'
Am Tische sich nieder, und tauchte den Pfeil
In die rosigen Lippen, und schrieb in Eil',
Und las es mit stillem Erfreuen:
"Da," sprach er, "nimm es, und sei mir nicht trüb,
Dies Blättchen der Huldin, der schmollenden gib,
Die Liebe dacht' es, die Lieb' es schrieb,
Die Liebe wird dir verzeihen!"
9.
Wintergruß
"Wie wird es, Lieber, mit uns werden,
Wenn Frühling, Sommer, Herbst entflieht,
Und das verblichne Grün der Erden
Des Winters Eis dann überzieht?"
Ach, droht bei rauher Stürme Walten
Nicht auch dem Herzen wohl Gefahr,
Wird nicht die Liebe auch erkalten,
Die ein Geschenk des Lenzes war?" —
""O Holde, hast du nie gesehen,
Was der besorgte Gärtner tut,
Wenn schärf're Luft beginnt zu wehen,
Und lang im Tal der Nebel ruht?
Er nimmt die Pflanzen aus dem Garten,
Er stellt sie in sein warmes Haus,
Und treulich weiß er sie zu warten,
Und Blüten treiben frisch heraus.
So wollen wir der Liebe pflegen
In traulich stillem Kämmerlein,
Sei draußen Hagel, Schnee und Regen,
Wir werden wohl geborgen sein.
Und kommt der Frühling dann, der neue,
Ist unsre Lieb' in vollem Flor,
Wir tragen sie hinaus in's Freie,
Und Alles keimt um uns empor.""
Des Alten Abschied
Mein Leib ist müd', mein Geist wird stumpf,
Umsonst, daß ich sie labe,
Allüb'rall ruft mir's streng und dumpf:
Zu Grab mit dir, zu Grabe!
Die letzte Kraft ringt niederwärts,
Leb wohl, du schönes Leben,
Leb wohl, du reiches Menschenherz,
Das oft mir Lust gegeben.
Leb wohl, Natur, du göttlich Bild,
Du beste aller Wiegen,
Du Brust, von ew'ger Lieb erfüllt,
An der die Menschen liegen.
Leb wohl, o Kunst, die herrlich kränzt
Am Ziel des hohen Strebens,
Die, eine geist'ge Sonne, glänzt
In's Zweifelmeer des Lebens.
Herr, nimm denn hin mich welkes Laub,
Und birg mich in die Erde,
Und gib, daß einst aus meinem Staub
Ein duftig Heilkraut werde.
Empfindungen
Wenn nach dem Turm ich blicke, der in's Blau
Der heitern Lüfte stolzen Hauptes ragt,
Wenn ich die starre Riesenalpe schau',
Drauf spät es dunkelt, drauf zuerst es tagt,
Wenn auf der Himmelsdecke Dunkelgrau
Ein mächt'ger Sturm Gewitterwolken jagt,
Da fühl ich meine Brust weitaus erschlossen,
Mich selbst in's All, in's weite All ergossen.
Wenn in der Blume Kelch mein Auge dringt,
Und zarter Duft mir sanft entgegenschwebt,
Wenn über mir im Laub der Vogel singt,
Dann leichten Schwunges in die Luft sich hebt,
Wenn mich der Jungfrau weicher Arm umschlingt,
Das Wort der Lieb' auf ihren Lippen bebt:
Da wird mir wonnig wohl, klar wird die Seele,
Das Herz erglüht, und singen will die Kehle.
Wenn ich Ruinen schau', die von der Höh'
Des Felsens niedernicken in das Tal,
Wenn ich auf moos'gen Grabeshügeln geh',
Und niedersitz auf kühlem Totenmal,
Wenn ich im Herbst am Bergesgipfel steh',
Und unter mir liegt Alles falb und kahl:
Dann starren Schauder mir durch alle Glieder,
Mich zwingt's zum Beten — und zum Weinen nieder.
Die Lilie und der
Mondstrahl
Der Mond hängt in die düstre Nacht
Recht silberklar herein,
Und sendet seiner Strahlen Pracht
Dem Strome und dem Hain.
Da richtet sich aus süßem Traum
Die Lilie still empor,
Und öffnet ihres Kelches Raum
Und läßt den Duft hervor.
Und flugs in die erschloss'ne Brust
Schwingt sich der leichte Strahl,
Und schmiegt sich an in sel'ger Lust,
Und küßt sie tausendmal.
Sie aber schließt erfreut sich schnell,
Und hält den Buhlen fest,
Der, in der hellen zwiefach hell,
Von ihr sich wiegen läßt.
Und Morgens, wenn die Schäferin
Die tau'ge Lilie pflückt,
Und sie mit frommem Kindersinn
An ihren Busen drückt:
Da wird, wenn sich der Kelch erschließt,
Ihr wundersam zumut,
Und unbekannte Sehnsucht fließt
Durch ihr erglühtes Blut.
Und seufzend wallt sie durch das Tal
In jeder lauen Nacht —
Sagt, hat das wohl der Mondenstrahl
Im Lilienkelch gemacht?
Ermunterung
Der Vogel steigt, ein verkörpertes Lied
Hell klingend gen Himmel, dahin es ihn zieht,
Und selig wirbelt er in den Höh'n:
Die Welt ist schön!
Der Strahl des Morgens erweckt die Blum',
Auf schließt sie ihr duftendes Heiligtum,
Aus offenem Kelche die Düfte weh'n:
Die Welt ist schön.
Im flüssigen Silber, im schimmernden Bach
Eilt flüchtig die Welle der Welle nach,
Sie netzen das Ufer mit sanftem Getön:
Die Welt ist schön!
Was stehst du, Mensch, mit finsterem Blick
Und schaust in die finstere Brust zurück,
O wolle den Jubel doch ringsum sehn,
Die Welt ist so schön!
Des Knaben Traum
An dem Strome saß ich klagend,
Weil daheim ich bleiben sollte,
Da ich gern, die Welt umjagend,
Fremde Lande schauen wollte.
Und es schloß die warme Zähre
Lindernd mir die matten Blicke,
Und es zog des Hauptes Schwere
Mich in's tiefe Gras zurücke.
Sieh, da war ich an der Stelle,
Wo ich saß, da ich noch wachte,
Und, verfolgend jede Welle,
Meines Drangs und Leides dachte.
Plötzlich sah ich's bunt erglänzen,
Wo in's Tal die Fluten ziehen,
Berg', umgrünt von Wälderkränzen,
Sah ich durcheinander fliehen.
Und der Lichtglanz kam gezogen,
Drin die Fluten freud'ger schlugen,
Und ich sah, daß ihre Wogen
Wunderschöne Bilder trugen.
Graue Felsen sah ich wanken,
Gelb bemoos't, bestreut mit Tannen,
Schäferhütten sah ich schwanken,
Die mir schnell vorüberrannen.
Ährenfelder sah ich wallen,
Helle Wiesen, dunkle Haine,
Eingestürzte Ritterhallen
Schwammen fort in flücht'gem Scheine.
Mauern kamen nun geflossen,
Stolze Türme, ries'ge Dome,
Straßen, weithin ausgegossen,
Dehnten sich im tiefen Strome.
Da erwacht ich — vor den Blicken
Lag der Fluß mir, leer von Bildern,
Doch mein inniges Entzücken
Bin ich schwach mir selbst zu schildern.
Hurtig sprang ich auf vom Sitze —
"Lebet wohl, ihr Heimatleute!"
Und so flog ich, gleich dem Blitze,
Stromhinaufwärts in die Weite;
Wallt' an grünem Weidenstabe
Längs den Ufern weit und weiter,
Traum und Sehnen meine Habe,
Mut und Hoffnung meine Leiter.
Und ich sah die grünen Hügel,
D'ran die Schäferhütten hingen,
Wie sie mir im Wasserspiegel
Leichten Zug's vorübergingen.
Und die Hain' und Wiesen fand ich,
Und die moos'gen Felsenrücken,
In den Ritterhallen stand ich,
Süße Tränen in den Blicken.
Plötzlich sah ich goldne Zinnen,
Die von Marmorhäusern winkten,
Türme auch, die mitten innen
Hochauf in die Wolken blinkten.
Durch gewölbte Tore eilt' ich
In die weiten, lauten Straßen,
In den Kirchenhallen weilt' ich,
Drin die greisen Priester saßen.
Mit des muntern Volkes Menge
Ließ ich üb'rall fort mich ziehen,
Bis mich's trieb, aus dem Gedränge
Wieder an den Strom zu fliehen.
Dort, in einen Nachen springend,
Ließ ich mich stromabwärts schaukeln,
Sah, im Kahne leis mich schwingend,
Stadt und Land vorübergaukeln.
Und die Welt lag meiner Seele
Offen nun dahingebreitet,
Und ich fühlte meine Kehle
Wunderbar zum Sang erweitet.
So gelangt ich zu der Stelle,
Wo der Traum mir aufgegangen,
So an meines Hauses Schwelle,
Drin die Eltern Hände rangen.
Hastig stürzt' ich in die Kammer,
Und den Weinenden zu Füßen,
Und erstickte ihren Jammer
Schnell mit meinen heißen Küssen;
Riß die Laute dann hernieder,
Schlug beherzt in Höh'n und Tiefen,
Sang begeistert hohe Lieder,
Daß die Eltern staunend riefen:
"Wer hat dir die kräft'gen Klänge
In die Knabenbrust gegeben,
Dich gelehrt die hohen Sänge?"
Und ich sang: "Natur und Leben!"
Waldlieder
1.
Morgen
Ein sanfter Morgenwind durchzieht
Des Forstes grüne Hallen,
Hell wirbelt der Vögel munt'res Lied
Die jungen Birken wallen.
Das Eichhorn schwingt sich von Baum zu Baum,
Das Reh durchschlüpft die Büsche,
Viel hundert Käfer im schattigen Raum
Erfreu'n sich der Morgenfrische.
Und wie ich so schreit' im lustigen Wald,
Und alle Bäum' erklingen,
Um mich her Alles singet und schallt,
Wie sollt' ich allein nicht singen?
Ich singe mit starkem, freudigem Laut
Den, der die Wälder säet,
Der droben die luftige Kuppel gebaut,
Und Wärm' und Kühlung wehet.
2.
Mittags
Draußen ist's so bang und schwüle,
Alles steht der Sonne bloß,
Ach, und hier süß und kühle,
Süß und kühle
Ruht sich's auf dem zarten Moos.
Schwer in's weiche Bett mich drückend,
Lieg' ich so behaglich hier,
Und so traut und freundlich nickend,
Freundlich nickend
Wankt die Espe über mir.
Tief in dunklem Laub verborgen,
Kos't ein Turteltaubenpaar,
Froh genießend, ohne Sorgen,
Ohne Sorgen,
Wie auch ich wohl ehmals war.
Doch was ruf' ich Schmerzen wieder
Hier am Ort der Lust herauf?
Hier gebühren frohe Lieder,
Frohe Lieder,
Steigt aus meinem Herzen auf!
3.
Abends
Erfrischend sinkt der Abend
Herab auf Feld und Au,
Und sendet mild erlabend
Den Blüten seinen Tau.
Schon düster ist's hier innen,
Doch fern winkt ros'ger Schein,
Und Purpurfäden spinnen
Sich durch's Gezweig herein.
Und durch des Laubdachs Ritze
Blickt Glutgewölk herab,
Und spiegelt einzle Blitze
Im nahen Springquell ab.
Die Vögel flattern müde
Dem dunklen Dickicht zu,
Und mit dem letzten Liede
Entschlummern sie zur Ruh'.
O schlummert, schlummert süße,
Und stärkt die kleine Brust,
Daß heller Sang begrüße
Des nächsten Tages Lust!
4.
Nachts
Ein neblig Dunkel herrscht ringsum,
Und Alles ruht so todesstumm,
Nur träge Eulen hüpfen schwer
Auf Zweigen hohler Bäum' umher.
Wohin ich scharfen Blickes schau',
Ist Alles weitum Grau in Grau,
Der Felsen dort, die Quelle hier,
Die Blätterdecke über mir.
Doch plötzlich durch die Decke bricht
In blassen Streifen Mondenlicht,
Und zitternd spielt der Sterne Schein
Durch leichtes Blattgewind herein.
Und sausend schwingt der Eulen Chor
In hohe Wipfel sich empor,
Und heult in Tönen, dumpf und lang,
Der Mitternacht den Lobgesang.
Lobt Jeder doch, was ihm gefällt,
Drum lob' ich mir die ganze Welt,
Den Wald vor Allem, der mich freut,
In jeder Nacht- und Tageszeit.
Gelöster Zwiespalt
Auf den Bergen möcht' ich thronen,
Weil ich gern erhaben stehe,
Und in Tälern möcht' ich wohnen,
Weil ich gern die Berge sehe.
Heldenruhm möcht' ich erringen,
Weil darnach die Brust mir schwillet,
Und verborgen möcht' ich singen,
Weil Gesang mich ganz erfüllet.
Und so bin ich denn zerspalten,
Weiß nicht, welcher ich entrinne
Der gleich mächtigen Gewalten,
Die mich halten mitten inne.
Beide will ich denn verschlingen,
Um nicht ruhlos umzutreiben,
Von den Höhen will ich singen,
In den Tiefen will ich bleiben!
An den Rhein
1829
Willkommen, Rhein, du gewaltiger Rhein,
Wohl mir, daß ich dich schaue,
Willkommen in deinem grünen Schein,
Du Schmuck der deutschen Gaue.
Vergebens über so manchen Fluß
Trug ich mein Herz voll Wunden,
Wohin ich wandte den irren Fuß,
Ich konnte nirgend gesunden.
Zum ersten Mal, seit ich dich gesehn,
Will Lust den Busen mir schwellen,
Und ich weine die erste süße Trän',
O Rhein, in deine Wellen.
Hab' Dank, und Heil sei deinem Strand,
Du stolzer König der Flüsse,
Auch bring' ich dir aus fernem Land
Vielhundert schöne Grüße.
Vor Allen grüßt Frau Elbe dich,
Und läßt dir freundlich sagen,
Sie laß' es im weichen Bette sich
Noch immer recht wohl behagen.
Nur Eines tu' ihr ewig weh,
Sie weinte, könnte sie weinen:
Daß sie strömen muß in die weite See,
Ohne sich dir zu vereinen.
Viel andere Flüsse grüßen dich auch,
Die schöne Fluren durchreisen,
Die Ehrfurcht nach der Kleineren Brauch
Wollen sie dir erweisen.
Und heiter lachender Lippen viel,
Und Augen, die froh sich begegnen,
Trugen mir auf, an meinem Ziel
Den Rebenvater zu segnen.
Das tu' ich nun auch mit Reim und Sang
Nach rüstiger Wanderer Weise,
Und wünsche, so mächtig dein Lauf und lang,
Dir stets die fröhlichste Reise.
In süßer Wonne gleite hin,
Und tränke deine Reben,
Daß sie den edelstrebenden Sinn
Des Volks, das dich liebt, erheben.
Bespüle nimmer deine Flut
Ein Land, verheert vom Sieger,
Und muß es sein, so trinke das Blut
Der fremden frevlen Krieger.
Schwill auf, o Strom, und hemme den Feind,
Und schütz' uns vor Schmach und Banden;
So bleibe treu als Hort und Freund
Den treuen deutschen Landen.
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