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Das poetische Tagebuch
Kaiserin Elisabeth von Österreich

©1984/2008 by ÖAW
Österreichische Akademie der Wissenschaften
©Hrsg. Brigitte Hamann


Prolog

An die Zukunfts-Seelen
 


Ich wandle einsam hin auf dieser Erde,
Der Lust, dem Leben längst schon abgewandt;
Es teilt mein Seelenleben kein Gefährte,
Die Seele gab es nie, die mich verstand.

Wohl in der Jugend schwärmerischen Jahren
Wand Kränze ich um manches schöne Haupt;
Doch ach! wie geist- und seelenlos gewahren
Muss ich sie jetzt, da sie die Zeit entlaubt!

Bin von Verwandten ich auch rings umgeben;
Sie steh'n dem Leibe nahe nur und Blut;
Zehnfach versiegelt bleibt mein innres Leben
Und meine Seele ein verschlossnes Gut.

Einst jagt' ich rastlos hin auf dieser Erde,
Eng ward mir selbst der weite Pusztasand,
Das Meer trug mich und meine stolzen Pferde
Hinüber bis an Erins grünen Strand.

Fast ging die Seele mir dabei verloren;
Es war ein Rasen ohne Ruh und Rast;
Doch eine andre hatte sie erkoren,
Von dieser ward auf ewig sie umfasst.

Das Pferd, dies irdisch Kleinod meiner Seele,
Durch höhre Mächte ward es mir vertauscht;
Es trat das Flügelross an seine Stelle,
Und meine Seele flog nun wie berauscht.

Ich fliehe vor der Welt samt ihren Freuden,
Und ihre Menschen stehen mir heut' fern;
Es sind ihr Glück mir fremd und ihre Leiden;
Ich wandle einsam, wie auf anderm Stern.

Was einst mich schmerzte, wurde mir nun teuer
Zum Paradies ward die Verlassenheit;
Entfalten kann mein Geist die Schwingen freier,
Fremd sind ihm alle Erdenseelen heut'!

Noch enger kann und inniger sich schmiegen
Nun an des Meisters Seele sich mein Geist,
Und streben, nach dem hohen Ziel zu fliegen,
Auf welches hin des Meisters Finger weist.

Dass er für diese Mission mich stähle,
Führt er mich in die ewige Natur;
Er zeigt mir die Mysterien ihrer Seele
Und rastlos folge ich nun ihrer Spur.

Du stilles Leben unter hohen Bäumen,
Wo unbemerkt die Stunden flüchtig zieh'n!
Ich wandle hin in einem Wald von Träumen
Und ahne nicht, dass meine Jahre flieh'n.

Ich steh' am Strand in Anbetung versunken,
Unendlich liegt vor mir das hohe Meer;
Die Seele tobt in mir, als wär' sie trunken,
Und donnernd jauchzt sie auf: Dort ist der Herr!

Dann tagelang auf hohem Berge liegen
In Dämmrung gleicher Traumesseligkeit;
Die Seele formt aus bunten Wolkenzügen
Ein Horoskop sich für die fernste Zeit.

Und wieder, wenn mein Schiff dann pfeilschnell gleitet
Auf saphirblauer See, dem Schwane gleich,
Die schneeig weißen Segel ausgebreitet,
So stolz und selbstbewusst in seinem Reich,

Da pfeift der Wind mir Zaubermelodien
Und wunderbare Märchen in das Ohr,
Bekannt, kommt mir die Stimme wie aus frühen,
Nun nebelhaft entfernten Tagen vor.

Und voll ist meine Seele zum zerspringen,
Das stumme Sinnen ist ihr nicht genug,
Was sie bewegt, muss sie in Lieder bringen,
Und diese senke ich nun in mein Buch.

Dies wird sie treu durch Menschenalter wahren
Vor Seelen, die sie heute nicht versteh'n;
Bis einst, nach wechselvollen Jahren
Die Lieder blühend daraus aufersteh'n.

O, dass sie dann des Meisters Ziel erreichten!
Ein Trost zu sein, euch, die ihr klagt und weint
Um solche, die im Freiheitskampf erbleichten
Um deren Haupt die Märtyrkrone scheint!

Ihr teuern Seelen jener fernen Zeiten,
Zu denen meine Seele heute spricht,
Gar oft wird sie die eueren begleiten,
Ihr last ins Leben sie aus dem Gedicht.