Es wiehert Pegasus; laß das Gezüchte streiten!
Wir wollen froh ins Land der Fantasien reiten.
VI.
Episch
Das Geschenk
Der schwarze Horner
Akkorde
Der Karthäuser
Blume und WelleDer Vogelsteller
Meeresfriede
Die Bistonide
Gesang der Promethiden
IphigeniaDer entsühnte Orest
Iphigenia und Antigone
Die Flehenden
Die Glücklichen
Am Eingange des Avernus
Das Geschenk
Ein Knabe sitzt in Waldesnacht,
Umrankt von blauer Blumen Pracht,
Und horcht der Vögel Liedern.
Als Blume blühet, was er sinnt,
Und wie sein froher Sang beginnt,
Hört er den Fels erwidern.
Der Knabe singt voll Seligkeit,
Die Laute dringen weit und breit,
Und klingen wie die Flöte;
Die Äste flüstern lieblich d'rein,
Und wie verzaubert wogt der Hain,
Umglüht von heller Röte.
Da springt vom Busch ein zartes Reh,
Verkündigend des Waldes Fee,
Die ihm entgegenschreitet,
Und, aufgeschürzt das Goldgewand,
Kristall'nen Bogen in der Hand,
Ihr nachzufolgen deutet.
Der Knabe folgt der Zauberin,
Durch Waldes- und durch Wiesengrün,
Bis zu dem klaren Weiher.
"Empfange stiller Treue Lohn!"
Spricht sie mit seelenvollem Ton —
Und beut die gold'ne Leier.
Und tauchet zu dem schönsten Schloß,
Das leuchtet aus der Wässer Schoß, —
Nie schaut der Knab' sie wieder.
Verschwunden bleibt die Zauberin,
Der Weiher ist, das Schloß dahin, —
Ihm bleiben nur die Lieder.
Der schwarze Horner
Über Tannen schwimmen Wolken,
Gelb und grau,
Auf den leichten Blumen schimmert
Silbertau.
Tiefer in das Nachtgehölze
Schlüpft das Reh,
Und die Binsen flüstern lauter
An dem See.
Auf der grauen Bergesveste
Steht ein Mann,
Der die deutschen Riesenschlachten
Mitgewann.
Furchtbar in dem schwarzen Rocke,
Hoch und blond,
Dämmern Wehmut seine Augen,
Wie der Mond.
Heute, wie er's immer pfleget,
Bläst er's Horn:
Trauer ist der Weise Anfang,
Schluß — der Zorn.
Gießt sein Herz nach unverlor'nem
Sängerbrauch,
Gießt es liebend in des Hornes
Krummen Bauch.
Müssen hart ihm mitgegangen
Wahrlich sein!
Sah sonst heiter in die schöne
Welt hinein.
Dieses reiche Leben endet
Kahl und arm,
Und das Jetzt zerfleischt den Busen,
Tatenwarm.
Ach, die scharfen Klagen fallen
Mir an's Herz, —
Ich errege wie die Andern
Seinen Schmerz.
Selbstsucht, die nur sich beachtet,
Trägt die Schuld,
Daß er nicht, gleich jener Lerche,
Freude lullt.
Akkorde
1.
Tannen düstern,
Schauer flüstern,
Und die Zukunft,
Wie ein Riese,
Steigt empor
Auf jener Wiese,
Und auf eines Tempels Trümmer
Fällt des Mondes grauer Schimmer.
Tannen düstern,
Schauer flüstern:
Was die Dunklen
Dir bereiten,
Du vermagst es
Nicht zu deuten;
Was die Träne längst befeuchtet,
Schau' es traurig klar beleuchtet!
2.
Gedanken gehen
Auf und nieder —
Sterne säen
Zauberlieder;
Büsche streuen
Träumereien;
Geister raten
Uns zu Taten,
Jene wiegen,
Diese kriegen,
Kräfte engen,
Kräfte drängen
Nichts erzielend, ewig streben
Ist das Leben?
Der Karthäuser
Mein Leben sinkt zur Neige,
Ich fühl' es tief und klar;
Gestatte, daß ich zeige —
Maria! — wie es war.
Denn Du allein darfst wissen:
Daß dieses Herz gefühlt;
Der Schleier sei zerrissen,
Eh' sie mich eingewühlt!
Ich ahne Deine Tränen;
Du Engel! sparst sie nicht
Erkennest Du mein Sehnen —
Den Kampf von Lieb' und Pflicht.
2.
Ein Jüngling steht
Am blumigen See, —
Durch bläuliche Fluten
Schwimmt das Reh;
"Ich muß es erlegen!" —
Die Wange glüht,
Das Auge sprüht;
Unmutig länger zu wägen,
Vergeudet er den sausenden Pfeil;
Das arme Tier in schnaubender Eil'
Erreicht das schattige, grüne Asyl —
Die Wasser setzen dem Jäger ein Ziel.
3.
An frische Jugend mahnt es mich,
An frühen, kühnen Mut,
Als ich gefochten ritterlich,
Gefärbt mit Feindesblut.
Doch ward ich müde d'reinzuhau'n,
Mein Herz blieb wüst' und leer;
Mich trieb es fort aus Heimatsgau'n,
Ich sah sie nimmermehr.
Zum Süden zog mich heißer Drang ,
Und trieb mich rastlos fort,
Bis sich dem Blick entgegenschwang
Der Pyrenäen Hort.
Es war die Zeit, wo Sonnenkraft
Den mürben Schnee verzehrt,
Und im Gewölk schon ungestraft
Der Wirbler lustig fährt.
Die Bäche rannen, frisch wie ich
Den dunklen Tälern zu
Und schlangen über Wiesen sich
In Freiheit und in Ruh'.
4.
Willkommen! rief ich jubelnd einst —
Willkommen, heilig Meer!
Der Du in enger Kammer weinst,
O stündest Du am Meer!
Was Schöpfung sei, hier wird es klar,
Des Bangens Fessel fällt;
Zahlloses Leben überall,
Und Größe ohne Schrank' und Wall —
Kristall'ne Zauberwelt!
Ja, wem ein Herz, dem schlägt es laut,
Naht er der Freiheit ew'ger Braut, —
Wem eine Zunge, jauchzt und singt.
Wenn ihm die Wogenharfe klingt, —
Und wem ein Arm, der schwingt ihn dir,
Und wem ein Geist, der betet hier.
5.
Den schönsten Teil hatt' ich betreten
Hispanien's. Der Lenz behing
Gefild und Berg mit Blumenketten,
Und Mücke schwärmt' und Schmetterling.
Aus Wäldchen drangen süße Düfte
Berauschend auf den Wand'rer ein,
Ich trank des Himmels reinste Lüfte,
Ich sonnte mich im hellsten Schein.
Da sah ich einen Säugling liegen
Hold schlummernd auf dem zarten Gras,
Und eine Frau mit Engelszügen,
Die neben ihm, still lauschend, saß.
Und meine junge Brust durchglühte
Ein Ahnungsstrahl vom Menschenglück;
Ich schied, — doch blieb mir im Gemüte
Die Mutter und das Kind zurück.
6.
In lauer Nacht, — die Sterne sprühten
Ihr Silberlicht auf weiße Blüten, —
Zog ich durch einen dichten Wald
Gedankenvoll allein. Da schallt
Ein Degenklang, ein dringend Rufen,
Die Erde dröhnt von Rosseshufen, —
Ich eile, — noch zu rechter Zeit,
Denn seltsam, ungleich war der Streit.
Drei gegen Einen, dem der Schnee
Des Alters Bart und Locken bleichte!
Die Buben fühlten meine Näh' —
Als sie mein gutes Schwert erreichte;
Sie floh'n; wir sanken hin an unsern Wunden,
Und lagen so, bis Mönche uns gefunden.
7.
Reich war der Alte; seine Neffen
Erharrten sehnsuchtsvoll den Tag,
Der ihn den Ahnen beigeselle.
Gestachelt von dem schal'sten Wunsch,
Dem Wunsch: das Leben auszukosten,
Entwarfen sie den schnöden Plan.
Er scheiterte. Die Mönche trugen
— Karthäuser waren's — uns besorgt
In ihre Zellen. Wir genasen, —
Ich früher als der würd'ge Greis.
Hatt' ihn die Welt in frühern Tagen
Mit ihren Nieten angeekelt,
Wie viel mehr jetzt! Er siedelte
Sich bei den ernsten Brüdern an.
Auch mich hielt eine neue Welt
Mit sinniger Bedeutung fest:
Die Welt des Innern, — der Beschauung.
8.
Ein Tal, von Bächen reich durchflossen,
War dieser Brüder Aufenthalt;
Was strenge hier Natur umschlossen,
Erlöst des Geistes Allgewalt:
Auf Felsen mußten Gärten sich erheben,
Und an Gemäuer schlangen sich die Reben.
Ein üpp'ger Blumenflor entzückte
Das Aug'; der Vögel Lustgesang,
Wenn Morgenrot die Berge schmückte,
Umflüsterte den Pappelgang.
Gezähmt und friedlich floß des Waldstrom's Welle
Und, wie ein Dorf, schloß Zelle sich an Zelle.
Die Kirche stand mit hohen Türmen
In alter, edler Einfalt da,
Geängstigten von Lebensstürmen
Mit Tröstung und mit Hilfe nah'; —
Die Zeit vermochte Waffen nur zu schmieden, —
Da hegte nur die Kirche noch den Frieden.
Die Ritter schwangen blut'ge Waffen,
Dem Ruhme galt der Machtverband;
Zuletzt — was hatten sie geschaffen?
Was ließen sie dem Vaterland?
Der Ritter focht die ehrenvollen Schlachten —
Die Andern Alle mußten dienend schmachten.
Gewalt schwang ihre Eisenrute,
Der rohen war der Geist verhaßt,
Und Rettung blieb nur in der Kutte
Für den, den Höheres erfaßt;
Es war mir schmerzlich offenbar geworden, —
Ich trat beruhigt in den strengen Orden.
9.
Zehn Jahre flossen hin in sel'ger Stille,
In rauher Arbeit, Lesung und Gebet;
Ein Augenblick erschien, und alle Fülle'
Geträumten Seelenfriedens war verweht.
Dich sah ich wieder, weinend um den Gatten;
Den Kriegesstürme dir entrissen hatten.
Dein Bild verfolgte mich auf jedem Schritte,
Mir leuchtete Dein mildes Augenpaar;
Dein edler Schritt, die anmutsvolle Sitte,
Die Deiner Reize schönste Zierde war,
Sie banden mich mit unlösbaren Ketten —
Ich konnte mich — ich wollte mich nicht retten.
Was wir von Schönheit träumen oder lesen,
Was uns mit wunderbarer Sehnsucht füllt,
Wie matt, wie dürftig wird es, wenn das Wesen,
Verkörpert, lebend uns entgegenquillt:
Die zaubervollen Wonnebrunnen rauschen —
Und unsre Sinne gehen auf in Lauschen!
10.
Ich stürme in die Nacht hinein,
Durchglüht von Liebesglut;
Und Schauerlüfte, Mondenschein,
Sie kühlen nicht dies Blut.
Der Strom ächzt heiser zu dem Tal,
Das keine Antwort gibt;
Hier ist ein Mensch, ein Schrei der Qual,
Ein Herz, das traurig liebt!
Erscheine bald mit sanftem Rot,
Des Morgens rettend Licht!
Ach, länger trag' ich solche Not
Der stummen Nächte nicht!
* * *
Ein Hügel ragt, ein Kreuz darauf,
Wo der Karthäuser ruht,
Erstickt ist seiner Klagen Lauf,
Gekühlt des Busens Glut.
Vergebens schielt die Tyrannei
Nach seinem dunkeln Grab:
Das Grab macht ruhig und macht frei,
Kein Scherge langt hinab.
Nur Eine leise Stimme dringt
Bis in die stille Gruft,
Die, wie von Engelshauch beschwingt,
Den teuren Namen ruft:
"Das erste Moos, die erste Blum',
Den ersten Zweig häng' ich
Geliebter! Deinem Kreuze um —
Und wein' und wein' um Dich!"
Blume und Welle
Zur Blume sprach die Welle:
Wie herrlich ist's, zu wandern,
Zu rauschen und zu flimmern
Im gold'nen Sonnenstrahl!
Ich eile, mit den Schwestern,
Den tanzenden, verschlungen,
Zum Meere, wo Delphine
Die muntern Furchen ziehen.
Dich kann ich nur beklagen,
Am Lande, eingekerkert,
Verblüht die Jugend Dir!
Zur Welle sprach die Blume:
Ich streue reine Düfte
Auf den smaragd'nen Anger,
Und helle Schmetterlinge
Umgaukeln meinen Kelch.
Ich fühle mich so gerne
Gehalten von der Erde;
Ihr danke ich die Blüte,
Gewand und Farbenzauber:
Sie war der Blume Wiege,
Und sei der Blume Grab!
Der Vogelsteller
(Fragment. Angefangen im April 1833.)
1.
Im Oberland, am Steierfluß,
Da ist ein stilles Tal,
Das, wer es schaute, lieben muß,
Und wer dort lebt, zumal.
Da ranket herrlich, zweiget frisch
Am klarsten Wasser das Gebüsch,
Rotkelchen singt, und Finken schlagen,
Man hat's da kühl an heißen Tagen!
2.
Denn eine Höhe, baumumdacht,
Zieht längs des Flusses hin,
Und rückt heran, und spiegelt sacht
Sich im kristall'nen Grün.
Hier war vor altergrauer Zeit
Nur dichte Waldung weit und breit,
Wie uns die Chronik treu berichtet:
Die Axt hat später sie gelichtet.
3.
Sie dehnt zum andern Tal sich aus,
Wo Kloster Garsten liegt,
Wo mit melodischem Gebraus
Die Enns vorüberfliegt.
Das Stift, in trauter Stille war's
Ein Denkmal Markgraf Ottokar's;
Der Regel Benedikt's ergeben
Verfloß der Mönche einsam Leben.
4.
Einst, — Abend war's — es pflegten schon
Die Brüder ihrer Ruh';
Da schallt der äußern Glocke Ton,
Des Pförtner's Tritt dazu.
Der brummt und fragt, sperrt auf und spricht,
Nimmt aus der Eisenlampe Licht,
Und trabt mit unbeholfnen Schritten
Zum Abt, bei dem er wohlgelitten.
5.
Abt Winfried saß, vor sich ein Buch,
Geschrieben und bemalt
Voll Kriegestat und weisem Spruch
Von Kirch' und Staatsgewalt.
Er strich den dunklen Knebelbart,
Und dachte an die Gegenwart:
Wie bei der Ritter Raubgelüsten
Die Priester selber streiten müßten.
6.
"Herr Christ mit Euch, mein gnäd'ger Herr!
Verzeiht die Störung mir!
Zwei Pilger kamen Nachts daher,
Und wollen Einlaß hier.
Sie baten; als das nichts verfing,
Gab mir der Ältere das Ding:
In Demut soll ich's überreichen —
Als sich'res Anerkennungszeichen."
7.
"Er fleht dabei: daß Ihr gewährt
— Und immer hat er's wiederholt —
Ihm Dach und Fach auf grüner Erd'
Beim heiligen Berthold."
Reich her! ruft nun der Abt, und faßt
Die Kapsel, öffnet sie, erblaßt,
Und murmelt "grüne Erd'" und zittert,
Als hätt' ein Fieber ihn erschüttert.
8.
Und wie er wieder sich ermannt
Sieht er sich hastig um,
Tritt vor, steht wieder festgebannt;
Und brütet bleich und stumm.
Der Pförtner wartet zu, und glaubt
Dem Herrn sei der Verstand geraubt:
Tut er ja doch beim halben Ringe
Als ob die Welt zu Grunde ginge!
9.
Abt Winfried winkt: "Tritt näher, Kurt!"
Und flüstert: "Höre mich:
Wer rettete Dich aus der Furt?
Wer nährte, schirmte Dich?" —
""Ihr Gnaden habt all Das getan
An Eurem Knechte Kurt."" — "Wohlan!
Kein Laut von dem was Du gesehen
Darf über Deine Zunge gehen.
10.
Wann ich Dir Gutes je erwies —
So schweige wie das Grab;
Sonst büßest Du mir im Verließ
Mit Deinem Leben ab.
Gehorche jetzt, und leite schnell,
Die Pilger in die unt're Zell',
Für Brot und Wein und Licht laß sorgen!
Das Weitere vernimmst Du Morgen."
11.
Und Bruder Pförtner neigt sich tief,
Und folgt des Abt's Gebot.
Sucht d'rauf sein Bett, — nicht daß er schlief
In seines Herzens Not.
Er horcht — hat ihn ein Traum genarrt?
Der untern Zelle Türe knarrt,
Ihm deucht, daß heimliches Gespräche
Die grause Stille unterbreche.
12.
Er seufzt, und betet manch Gebet,
Und manches Kreuz er schlägt,
Beruhigt sich, vom Schlaf umweht,
Und schlummert — länger als er pflegt,
Bis durch die Zelle, eng vergittert.
Der warme Strahl des Tages zittert,
Bis muntrer Lerchen schallend Lied,
Ihn grüßend, durch die Lüfte zieht.
13.
Derweil das Tor er öffnen will —
Ist's offen seinem Blick.
Die Orgel tönt. Er schleichet still
Beschämt, verwirrt, zurück.
Was heut und gestern ich erfuhr,
Ist's Wahrheit? war es Täuschung nur?
Was wird der Abt nur heute künden?
Wird er des Amtes mich entbinden?
14.
Von alle Diesem — nichts geschieht.
Es ruft ihn bald der Herr, —
Dem Zorn nicht aus dem Blicke sprüht,
Ist gleich sein Antlitz Ernstes schwer.
Nur wird ihm Schweigen eingeprägt —
Das Übrige sei beigelegt.
Der gute Kurt mag brüten d'rüber?
Wir seh'n zu unsern Pilgern lieber.
15.
Die Beiden schreiten durch den Wald,
Von Einem angeführt,
Bei dessen markiger Gestalt
Man Scheu und Zutrau'n spürt:
Die Armbrust ruht ihm in der Hand,
Und dunkelgrün ist sein Gewand;
Er geht, das Hüfthorn an der Seite,
Zwei Hunde, stöbernd, zum Geleite.
16.
Am Hage, wo der Teufelsbach
In's Tal herunterfällt,
Sieht man ein Hüttchen—Stroh sein Dach
Recht friedlich hingestellt.
Hier hemmt der Waidmann seinen Schritt,
Zum Haus hat er die Schlüssel mit:
"Wir sind, Ihr Pilgersleut', zur Stelle;
Mit Gott betretet diese Schwelle."
17.
"In Eurem Eigen Ihr nun seid,
Und findet Euer Brot;
Dient treu dem Kloster jederzeit,
Dann hat es keine Not.
Nicht länger plaudern darf ich hier,
Es gibt zu schaffen im Revier!" —
Und während ihn die Augen suchen,
Verbergen Tannen ihn und Buchen.
18.
Und überall um sie herum
Ertönte Vogelsang,
Da blieben sie nicht länger stumm,
Nicht länger trüb und bang.
In traulichem Gespräch ergoß
Sich Seel' in Seel'; — Die Steier floß
Vor ihrem Blick, mit grünen Fluten,
Und milderte der Sonne Gluten.
19.
Der Zukunft ihre Rede galt;
Sie wandeln um das Haus,
Den Vogelherd, den nahen Wald,
Und ruh'n im Schatten aus.
Indes bringt singend Trank und Speis'
Ein Junge auf des Abt's Geheiß:
So sollten sie es täglich haben,
Sich pflegen und genügend laben!
20.
Sie taten's; dann von grauer Wand
Ward Angelrut' und Netz geholt
Jetzt hascht den Vogel ihre Hand,
Jetzt locket sie Forellengold;
Die Sonne sinkt und sinkt hinab
Und rötet sanft ihr Wolkengrab,
Der Stern des Abends blinket nieder
Sie suchen ihre Hütte wieder.
Meeresfriede
Der Barde singet am Meeresgestad',
Durchträumt noch einmal den Lebenspfad,
Und fühlt sich wieder gesunden;
Es waltet um ihn eine große Natur,
Die Sonne, sie leuchtet aus tiefem Azur,
Die Schrecken, sie schlummern gebunden.
Kein Wind erregt den kristallenen Plan,
Delphine, sie schwimmen plätschernd heran,
Und Thetis entsteiget der Tiefe:
Sie seufzet: Achilles! und schauet umher,
Da ist ihr, als ob auf dem goldenen Meer
Die Klage wie Sehnsucht entschliefe.
Korallen, sie spritzen ihr glühendes Blut
Dem Auge entgegen mit fröhlichem Mut,
Und grünende Pflanzen erscheinen;
Der Fischer bindet die Barke los,
Voll Hoffnungen steigt er in ihren Schoß,
Bereicherter sieht er die Seinen.
Der duldende Herrscher Odysseus befährt,
Vom Rosenlichte des Morgens verklärt,
Die See in einsamer Größe;
Die Stürme zertrümmerten Segel und Mast,
Doch führt er das Ruder, männlich gefaßt, —
In ihm keine Furcht, keine Blöße.
Arion reitet auf einem Delphin
Zur wellenumspülten Korinthos dahin,
Die Himmlischen schirmen sein Leben;
Am Sänger scheitert des Schmerzes Macht, —
Dem Geiste schwindet die tödliche Nacht,
Der, rein, sich den Musen ergeben.
Was nie auf irdischem Boden gedieh,
Es lebt und blüht in der Fantasie,
Ihr sollt die Herrliche ehren;
Die Harfe klingt: ihr süßer Akkord
Er trägt uns auf goldenen Schwingen fort
In ferne, selige Sphären.
Die Bistonide
Gleich dem Reh die Bistonide
Gleitet über Eis und Schnee:
Denn der Gott hat ihr geboten,
Sein zu harren auf dem Berg.
Rieselnd fallen Körner nieder,
Flattern Flocken durcheinander,
Und in den entlaubten Buchen
Heult der winterliche Sturm.
Doch im Busen der Erkor'nen
Blüht ein unbewölkter Lenz,
Und vor ihren hellen Augen
Schwebt des Gottes himmlisch Bild
Seiner Reben Feuersäfte
Wirken in der Bistonide;
Ihre frisch bekränzten Haare
Flattern wild und fessellos,
Und es scheint, als ob die Winde
Sie auf starken Händen trügen.
In des Taumels Fülle langt sie
An auf höchster Bergesspitze,
Und die Wirklichkeit dringt an:
Thrazien in Schnee begraben,
Quellen, Ströme, fest gebunden,
Kreidenfarbig das Gefilde,
Und Zerstörung rund umher!
Und die Jungfrau klagt dem Gotte,
Tränen zeugen ihrem Schmerz:
Und er neiget sich dem Flehen,
Gießt aus seinem gold'nen Horne
Milde Labung, süßen Trank.
Schnell ist ihr das Land verwandelt,
Und in holdes Grün gekleidet, —
Und zu neuen Flügen spreitet
Der Mänade Geist die Flügel.
Gesang der Promethiden
Wann wird der Retter uns erstehen,
Und enden unverdiente Not?
Wann werden wir es wiedersehen
Der Freiheit schönes Morgenrot?
Einst glüht' es auf Olympos Zinnen —
Doch nur zu bald schwand es von hinnen.
Versetz' den Hirten von den Bergen
In's felsumschloß'ne Föhrental, —
Denk' warmes Leben Dir in Särgen, —
Es ist ein Bild von unsrer Qual;
So litt'st, Prometheus Du! von Bissen
Des Geiers ward Dein Herz zerrissen.
Und wieder, unter scharfen Krallen
Anwachsend ward es aufgezehrt;
Ist denn im Himmel unter Allen
Nicht Einer, der dem Frevel wehrt?
Soll Euch des Menschen Opfer brennen,
Müßt Ihr der Flamme Licht ihm gönnen!
Und Du, o Donn'rer, der nach Launen
Dies demutvolle All regiert,
Und durch ein Drau'n der Augenbraunen
Die Ruhe einer Welt verwirrt, —
Vernimm die Klagen, die wir senden,
Sonst wirst Du wie Saturnus enden!
Verehr', uns rettend, jene Mächte,
Die jedes Wesen billig scheut,
Daß Nemesis nicht mit Dir rechte,
Die Sünder der Vernichtung weiht:
Schon kreiset sie um Dich durch Jahre —
Und plötzlich packt sie Dich am Haare.
D'rum laß uns frank auf Erden schaffen,
Und tun, wie inn'rer Drang uns heißt:
Dann laß Giganten stürmen! Waffen
Reicht Dir der freie Menschengeist;
Lern' ihn, den göttlichen, erst kennen:
Du wirst ihn Freund und Bruder nennen!
Iphigenia
Blüht denn hier an Tauris Strande
Keine Blum' aus Hellas Lande,
Weht kein milder Segenshauch
Aus den lieblichen Gefilden,
Wo Geschwister mit mir spielten? —
Ach, mein Leben ist ein Rauch!
Trauernd wank' ich durch die Haine, —
Keine Hoffnung nähr' ich — keine,
Meine Heimat zu erseh'n; —
Und die See mit hohen Wellen,
Die an Klippen kalt zerschellen,
Übertäubt mein leises Fleh'n.
Göttin, welche mich gerettet,
An die Wildnis mich gekettet, —
Rette mich zum zweitenmal; —
Gnädig lasse mich den Meinen,
Laß,' o Göttin! mich erscheinen
In des großen Königs Saal!
Der entsühnte Orest
Zu meinen Füßen wiegst du dich
O heimatliches Meer!
Ich rufe dir: Triumph! Triumph!
Und schwinge Schild und Speer.
Myzene ehrt als König mich,
Beut meinem Wirken Raum,
Und über meinen Scheitel saust
Des Lebens reicher Baum.
Mit morgendlichen Rosen schmückt
Der Frühling meine Bahn,
Und auf der Liebe Wellen schwebt
Dahin der leichte Kahn.
Diana naht! o Retterin,
Erhöre Du mein Fleh'n:
Laß mich — das Höchste ward mir ja —
Nun zu den Vätern geh'n!
Iphigenia und Antigone im Elysium
Iphigenia
Laß uns auf den Hügel steigen,
Wo die Palme schattend sproßt, —
Überdeckt von grünen Zweigen,
Abwärts schau'n, gestillt, getrost!
Alle Stürme sind beschworen,
Und das Blau ist wolkenleer;
Blumen streuen leichte Horen, —
Schwester! keine Dornen mehr.
Antigone
Hohe Tochter des Atriden,
Der in schnödem Netze fiel,
Herrliches ward mir beschieden:
Deines Herzens Mitgefühl.
Diese lenzbewohnten Flächen
Werden erst Elysium,
Tauscht in traulichen Gesprächen
Seele sich mit Seele um.
Iphigenia
Da Du mir so oft gestandest —
Kind, ich sei die Liebste Dir:
Wem o Dulderin, erkanntest
Du den schönen Preis nach mir?
Sind's die Brüder, sich bekriegend?
Oder herrscht Ismene vor?
Oder, der, die Sphinx besiegend,
Licht und Diadem verlor?
Antigone
Der mit Liebe mich umfangen,
Nennst Du nicht? des Kreon Sohn,
Der, sich opfernd sonder Bangen,
Für mich stieg zum Acheron?
Alle sind dem Herzen teuer, —
Heilig, der mit starker Hand
Tötete das Ungeheuer,
Und sein Grab bei Fremden fand.
Iphigenia
Mir Orest, der kranke Bruder,
Dem ich half, nach Götterrat;
Mit dem Wechselschlag der Ruder
Bracht' er mich zur Vaterstadt;
In die Hallen, fremd uns beiden,
Wo, ein Mädchen, ich gehüpft;
Gleiche Wonnen, gleiche Leiden
Haben mich an ihn geknüpft.
Antigone
Glorreich kämpfend, von Gebälken
Stürzen Männer in den Schlund, —
Unter steten Opfern welken
Uns're Tag'; es schweigt der Mund.
Darum schenken zarte Frauen
Ihrer Achtung tiefsten Sinn,
Ihr entschleiertes Vertrauen
Der geprüften Dulderin.
Die Flehenden
Ein Greis und eine Jungfrau pochen
An eine Türe an;
Wer ist die holde Jungfrau?
Und wer der greise Mann?
Ödip und seine Tochter flehen
Um Wasser und um Brot;
Verbannt aus dem Palaste,
Drückt Jammer sie und Not.
Geschick! Du übtest an den Armen
Ein furchtbares Gericht:
Du nahmest ihnen Alles —
Nur die Erinn'rung nicht!
Die Glücklichen
Die Nacht erbleicht, und Licht entsprüht
Dem Sonnengott in tausend Funken;
Des Pelop's Insel grünt und blüht,
Die Lerchen wirbeln freudetrunken,
Und schöngekränzte Menschen wallen
Aus Argos zu des Tempels Hallen.
Begangen wird der Here Fest;
Es darf die Priesterin nicht fehlen,
Daß ihr Gespann sie warten läßt,
Den Kummer kann sie nicht verhehlen,
Und späht hinaus, im Auge Zähren,
Ob heimwärts nicht die Rinder kehren.
Die Stunde drängt, und Biton spricht
Und Kleobis, die sie geboren:
"Dich quäle, Mutter, Sorge nicht, —
Folg' uns, und keine Zeit verloren!
Die Rinder laß' an Ort und Stelle, —
Wir zieh'n von Argos Dich mit Schnelle.
Du kennst ja uns'rer Muskeln Kraft,
Die jüngst des Kampfes Preis errungen;
Wie wir der Fichte Riesenschaft,
Wie wir das rauhe Feld bezwungen,
Gehorchet uns des Wagens Schwere;
Folg' uns zum Fest der hohen Here!"
Gesagt, getan. Sie spannen sich
Wetteifernd vor den tücht'gen Wagen;
Die Mutter fühlet wonniglich
Sich schnell und sicher fortgetragen, —
Und Zephir, leichte Schwingen regend,
Umschwebt den Reiz der stillen Gegend.
Sie eilen mit der lieben Last
In gleichen Schritten durch die Triften
Zwei Stunden wohl, und keine Rast
Erquickt die Glieder, die geprüften;
Und Haine, Hügel, Wiesen weichen —
Da zeigen sich des Tempels Eichen.
Wie Woge sich an Woge reiht,
Und rauschet mit melod'schem Donner,
So strömen zu, von nah und weit,
In Zügen Griechenlands Bewohner;
Und Jubelruf den Wolken kündet:
Welch Schauspiel jede Brust entzündet.
"Den Söhnen Heil!" so schallt es hier,
"Die einen solchen Sinn beweisen!"
Und wieder dort: "Heil Mutter Dir!"
Wer mag die hat nach Würde preisen?
Doch tiefer atmen auf die Brüder —
Und schau'n verschämt zur Erde nieder.
Die Brust von Seligkeit geschwellt
Ob solcher Tat und solcher Ehre,
Steigt nun die Mutter ab, und stellt
Sich hin zum Bild der Göttin Here,
Und fleht: den Söhnen jetzt zu senden
Die köstlichste der Himmelsspenden.
Nachdem die Opfer dargebracht,
Die Speisen und der Wein genossen,
Dringt auf die Söhne ein mit Macht
Der Schlaf, und hält sie fest umschlossen
Es stockt der Hauch, es flieht das Leben —
Das Köstlichste, es ward gegeben!
Bildsäulen, in dem Heiligtum
Zu Delphi Beiden aufgerichtet,
Bewahren reiner Ehrfurcht Ruhm,
Den fromme Sage weit berichtet:
Ihr Geist, ihr Los ist nicht zu trennen —
Sie sind die Glücklichen zu nennen!
Am Eingange des Avernus
Ein Sphinxenpaar ruht vor der Pforte,
Die des Avernus Reich verschließt;
Herüber flüstern leise Worte:
"Heil Dir, der reinen Herzens ist!"
Des Staubes Sohn erschrickt der Mahnung,
Er prüft sein Herz, — es ist nicht rein;
Ihn packt der Zukunft trübe Ahnung, —
Er starrt, — ein seelenloser Stein.
Wie töricht dünkt ihn nun sein Streben, —
Wie arm an Liebe seine Brust!
Die Weihe fehlte seinem Leben, —
Hier wird er furchtbar sich's bewußt.
Weit hinter sich die Lustgefilde,
Vor sich die grauenvolle Nacht,
Verschwunden alle Huldgebilde,
Tot, was er ewig sich gedacht:
Auf! eh' die dunklen Flügel klaffen,
Eh' Dich die Schattenwelt verschlingt,
Ein großes, kühnes Werk geschaffen,
Das Grabesnacht und Zeit bezwingt!