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Quelle:
Gedichte
Bruno Ertler
1919
Wiener Literarische Anstalt
Gesellschaft m.b.H.
Wien Berlin
Buchsegen
Durch den großen Garten gehen,
Klingen hören, Leuchten sehen,
Froh bejahen, tief erleben,
Vom Erlebten freudig geben —
Wär's auch nur mit einem Blick —
Das ist Glück.
Den Frauen meiner Wege
Eva
Eva
Gebet
Frühe Tage
Der Bettler
Vorübergehen
Ungesagte Worte
FrageEwigkeiten
Begegnung
Bitte
Drei Stunden
Gesegnete Stunde
Meer
Stille StundeEreignis
Föhn
Liebesnacht
Ferne Stunde
Gang durch die Tiefe
Abschied
Nebel
Es war
Heimkehr
Schwere Tage
Nachklänge
Abend
Eva
Heilige! Wunderbare!
Traum meiner frühen Jahre,
erstanden zur Wirklichkeit,
mit dem Atem der Erde geweiht —
Eva! –
In deiner Augen umfangenden Blicken
leuchtet des blühenden Lebens Entzücken,
seiner Früchte stille Erhabenheit
und das starke Wissen um all sein Leid.
Herzen Weitende —
Gabenvoll Schreitende —
Ruhegesegnete — —
Selig der Gottgeliebte,
der dir begegnete. —
Gebet
Du hast mir, Gott, dies wilde Herz gegeben —
Du weißt, warum.
O mach' es hart wie Erz
und gib mir Eisenkraft
und eine Flammenzunge,
dich zu künden
und deine Liebe.
Denn siehe: Dein Volk
mißhört dein Gebot
und kennet dich nicht. —
Höre mich, großer Gott!
Gib mir das starke Herz! —
Frühe Tage
Tage kommen, da es durch kahle Bäume weht
und alles in dir dem Gewaltigen offen steht —
und dann ist eine Nacht, zu heilig für den Schlaf,
in der dich der Herr mit flammender Geißel traf —
und ringend scheidet sich dir das Falsche und Echte.
Kennst du sie? Kennst du sie wohl, die Tage und Nächte?
Der Bettler
Mein Sinn ist hoch und stolz mein Herz,
Unnahbar ist mein Glaube —
Und stehe doch — ein Bettelmann —
am Wegesrand im Staube.
Ich habe, was ihr alle sucht
durch euer banges Leben —
und was ich von euch bitten mag,
ihr könnt es mir nicht geben.
Ich träum' von einer Krone Gold
aus allem Licht der Erden —
O laß mich, Herr, ein Bettler sein,
kann ich nicht König werden!
Vorübergehen
Alles ist ein Vorübergehen —
Grüßen — tastendes Händereichen —
und wenn wir uns in die Augen sehen,
so ist es ein Fragen, ein Abwehr-Flehen,
halbes Begreifen — halbes Entweichen.
Doch ist uns das bange Wunder geschehen,
daß wir tiefer Gemeinschaft heilige Zeichen
erschauernd plötzlich an uns verstehen —
dann mögen wir wohl wie im Traume gehen
und nächtlich blühenden Bäumen gleichen.
Denn über Wort und Gebärde weit
ist solcher Stunde Versunkenheit —
wie Lieder, die aus der Ferne wehen
und fernhin gehen nach goldenen Reichen. —
Ungesagte Worte
Ungesagte Worte sind,
die nur Wunsch und Wahn geblieben,
wie ein ungebornes Kind,
das wir sehnend lieben —
Seele, welche Form nicht fand,
heiße Bäche, welche rinnen
ungetrennt und ungebannt
tief nach innen. —
Frage
Ich habe die Sonne gefragt:
"Was wirst du mir heute geben?"
Wach' auf! Wach' auf! Es tagt!
Schaffen sollst du und leben
und fragen nicht!
Ich habe die Vögel gefragt,
die mir das Taglied singen:
"Was wollt ihr mir heute bringen?"
Wir haben es uns erjagt
und fragen nicht.
Dein Auge hab' ich gesehen
und eine Frage
zitterte tief in mir — —
Glaube
und frage nicht! —
Ewigkeiten
So beginnen Ewigkeiten — —
Wenn von herbstdurchbebten Bäumen
still die Blätter nieder gleiten,
wenn in blauen Sehnsuchtsweiten
eines Vogels Lied verweht — —
Wenn ich tief in deinen Augen
deine reine Seele grüße
und wir dann im Sonnensinken
wortlos betend heimwärts schreiten — —
So beginnen Ewigkeiten. —
Begegnung
Führte zu dir mich des Zufalls Spiel,
oder war es ein Gott mit Willen und Ziel?
Ich mag nicht fragen; ich weiß es nicht.
Doch in meiner Stube war so viel Licht,
als wär' von den Abendwolken allen
die rosigste just herniedergefallen,
und es war ein Klingen fern und nah,
und eine längst verschollene Stimme war da,
die sagte und sang vertraut und leise
von Lust und Leid eine liebe Weise,
wie die Mädchen in meiner Heimat singen,
wenn sie Hand in Hand durch den Abend gingen.
Bitte
Senke mir die Rosenkrone
tief in meine Stirne. —
Sehnsucht ließ zu dir mich finden
und den fernen, müdgetäuschten,
lieben, dummen Kinderglauben
hast du wachgerufen —
du — —
wie zuweilen noch die Sonne
eine Apfelblüte zaubert
spät im Herbst.
Oh, ich weiß es: Diese vollen,
roten Tage, die nun kommen,
tragen schwer —
schwer an Lust und Weh —
ich weiß es.
Drücke mir der Liebe Rosenkrone
tief in meine Stirne —
tief — —
daß ich ihre Dornen fühle.
Drei Stunden
Drei Stunden hat der Tag;
die andern sind ein Warten,
ein langer, harter Weg
zu einem lieben Garten.
Drei Stunden hat mein Tag;
das andre ist leere Zeit,
aber in diesen drei Stunden
ist Glück und Ewigkeit,
ist Feierabendfrieden
und aller Unrast Ruh',
Ziel alles Heimverlangens —
In diesen drei Stunden bist du —
Gesegnete Stunde
Wenn in die Wipfel vor dem Haus
die ersten grauen Schleier sinken
und über blauer Berge Rand
die ersten Silbersterne blinken,
dann wünschte ich, du wärst bei mir:
und über deine lieben Haare
streift' ich dir leise hin und wär'
dir seltsam nah'. Und all das Wahre,
das Gute, was ich für dich hab',
ließ' des Begehrens Brennen schwinden
und meine Liebe würde still
den Weg zu deinem Herzen finden. —
Meer
Aus der Unende
nach der Unendlichkeit
ziehen die Nebelschwaden
über das ewige Meer.
Dunkeldrohend
senkt sich die schwarze Tiefe,
düsterschattend
hüllen mich Wolken ein.
Von oben her grollt des Donners Ruf —
So war es, als Gott die Welt erschuf.
Ein suchendes, glühendes, fernes Licht
kommt und verschwindet.
Bist du es, mächtiger Geist?
Wohlan! Hier bin ich! Hier
zwischen oben und unten,
vom Dunkel umlauert,
von deiner Stimme umdröhnt,
im schwankenden, zitternden Kahne
eine Planke vom Tode getrennt —
So nahe war ich dir nie!
Nun mußt du es hören,
das Weinen und Lachen,
das Jubeln und Klagen
in meiner Brust! —
Hier magst du mich treffen,
segnen oder verdammen! —
Stille Stunde
Mein Herz geht still.
Es stürmt nicht mehr
und stockt nicht mehr,
es singt ein Lied
in ruhigem Takt,
ein reiches, abendtiefes Lied,
ein Lied vom Glück.
Mein Herz, das rang
und zuckend litt —
es schmerzt nicht mehr,
es zittert nicht,
es singt ein Lied:
Ich hab dich lieb — du hast mich lieb — —
Mein Herz geht still —
Ereignis
Rot und heiß,
fordernd und reißend
brandest du. —
Glühend lockt deiner klaffenden Tiefe Grund,
und was Leben jauchzt in dir,
was in dir Sterben droht,
Aufjubeln und Versinken,
Hingeben und Sein-Vergessen.
alles —
alles windet ringende Hände aus dir.
Lauterkeit,
grundtiefe, todbereite, gottfordernde Wahrheit
breitet die Arme,
reckt die Brust,
spreitet die Augen weit.
Ungemessene Gier
nach deinen roten Wellen,
lustschauderndes Grauen
vor deiner Unnahbarkeit
greift mich
und reißt mich zu dir —
und ich bin Gott begegnet,
dem wetterzornigen Feind der Lüge. —
Föhn
Die Erde wittert junge Kraft
und Wettersturz und Leidenschaft,
weit ist ein Brauen und Wehen —
Die Wolken schäumen in roter Blust,
als wär' ihnen erster Werdelust
aufwühlendes Wunder geschehen.
Du bist von Gott auf die Erde gestellt,
bist ohne Gedanken nur Sein und Welt
und tief in alles vermengt,
bist Berg und Sturm und Ewigkeit,
über alles erhöht, von allem befreit,
was je deinen Lauf geengt.
Ein Blütenquillen ist um dich her
und viel von Ahnen und Wiederkehr,
ein Horchen und zagendes Regen.
Du weitest den Blick nach den Bergen hin
und betest ein stammelndes: "Herr, ich bin!"
Und alles, alles ist Segen.
Liebesnacht
Es gibt keine Welt —
es gibt keinen Tod —
kein drängendes Irren mehr
und kein Morgen-Erwarten.
Reiner Bereitschaft zuckendes, großes "Ja!"
hüllt uns in jauchzende Brände
wollender Kraft —
und der Rausch, der aus uns aufloht,
reißt mit heilig frevelnder Gebärde
den glühenden Schöpferstab
aus der Hand Gottes
und zieht einen funkelnden Bannkreis
um unser Lager.
Aufschäumende, du!
Acker von Frühlingserde
unter dem ersten Pflug!
Sieh: Meines Denkens formender Wille
ist ein schöpfendes Dich-Gestalten
aus dem Anfang der Welt —
der reißende Schlag meiner heißen Adern
tönt das Urlied vom Garten Eden in meine Schläfen:
"Zwei Menschen waren allein auf aller Erde
und waren Form.
Doch da Liebe sie überfiel,
bäumte sich ihnen Lust und Schmerz
in einem begehrend feindlich umschlingenden,
in wilder Einheit endlos verklingenden
einzigen Schrei —
und sie lebten!"
Es gibt keine Welt —
kein Morgen mehr —
keinen Tod —
keine Frage —
nur tiefer Einheit volle Ewigkeit. —
Ferne Stunde
Wir werden nicht mehr oft mitsammen gehen,
was wir einander sagten, wird verwehen,
und vergessen sein, was ich und du gesehen. —
Aber vielleicht — ferne — fern einmal weckt dich ein Traum,
oder ein kleiner Vogel singt — oder es blüht ein Baum —
oder es ist nur ein Wehen — so — von irgendwann —
das schleicht dir ins Blut und hält deinen Herzschlag an
und vor dir steht es mit einem Male
groß und klar,
was an jubelnd bereiter Unendlichkeit,
an sorgender Liebe und lippenhart schweigendem Leid
damals um dich war. —
O könntest du dann noch zu mir finden,
Heilige — Reine — du! —
und bebend mir das ersehnte Wunder künden,
das uns über darbender Tage Pein,
über Zweifel und Lüge
hoch und allein
in mütterlich bergenden Armen trüge. —
Gang durch die Tiefe
Mich hat die Tiefe verschlungen. —
Hoch über mir
schlug das Meer des Tages zusammen
und was droben gleißt,
was flieht und jagt und lügt,
die Sonne sucht und die Sonne schändet,
ist meinen Sinnen fern
und fern meinem Herzen. —
Mich geleitet das summende Lied der Entrücktheit,
Melodien, die von der Ewigkeit stillen Ufern nach mir langen,
Anfang und Ende sind und den Kampf nicht kennen,
nicht Liebe haben,
nicht Sehnsucht,
keinen Haß und kein Weh,
nur des Werdens und Vergehens
unnahbare Gottesruhe. —
Ich wandle in ihrem rauschenden Kleide,
tief versunken,
und meine Seele fließt mit ihnen
fort in des ewigen Vaters atmende Brust. —
Abschied
— — — — — — —
und nun leb' wohl. —
Noch einmal deine Hand —
und gelt: Du denkst an mich,
wenn's Abend ist wie jetzt —
wie jetzt — —
Es wird ja lange sein,
eh's wieder wird wie heute,
und Tage werden sich an Tage drängen
und klingen werden sie und farbig sein und lachen —
— — dann lache mit.
Es wird ja lange sein —
vielleicht wird's nimmer so wie heute —
wie heut' — — —
Leb' wohl —
gib mir die Hand —
und denke dran —
wenn's — Abend — wird —
Du! — — —
Nebel
Sie trieben mich fort in ein nebliges Land,
mir Liebe und Lenz zu verpatzen.
Ich geh' durch den Ort, einen Stock in der Hand,
und zähle die grauen Katzen.
Ich wandere weit, und ich wandre allein
verlaß'ne, verlorene Strecken
und stoße den Stock in das morsche Gestein
und zähle die schwarzen Schnecken.
Im Herzen gerinnt mein lebendiges Blut,
wenn fröstelnd im Nebel ich walle. — — —
Die Katzen und Schnecken gefallen mir gut —
Euch aber hasse ich alle.
Es war
Eine Stunde weiß ich,
da der Abend kam
und des Tages Glühen
mit sich nahm.
Blaue Augen weiß ich,
dunkelgoldnes Haar,
eine weiße Stirne
licht und klar. — —
Viele Stunden kamen,
viele gingen hin —
eine will mir nimmer
aus dem Sinn. —
Heimkehr
Und als ich wiederkam, da war es Nacht,
dein Fenster dunkel — und der Regen fiel,
ein Windhauch flüsterte im schweren Laub,
das zart erwachen wollte, als ich schied. —
Und du bist fort. —
Ich geh' die Treppe, die ich einst mit dir
so oft gegangen, nun allein; ich steh'
allein am Fenster, das uns oft zu zweit,
wenn Regen in den Blüten war, umrahmt.
Ich denke viel daran, wie's damals war
und streife leise über alles hin,
was dich berührte und was du berührt:
Das Tuch aus gelber Seide — unsre Bilder,
die blaue Vase mit den welken Blumen — —
Ganz leise sprech' ich dann ein liebes Wort,
das wir einander da und dort gesagt —
und steh und horche still und bin allein —
Und bin allein. —
Schwere Tage
Schwere Tage sind.
Grau fröstelt der Himmel
und es friert dein Herz
Tage wie müde Schnecken,
Tage, an denen du nur
blassen, hungernden Kindern
und feindlichen Menschen begegnest.
Schwere Tage sind.
Du pochst an verschlossene Türen
und niemand ist —
niemand —
der dir öffnet. —
Nachklänge
Nun klingt es nach
über die Gärten hin,
wo es früher still war und einsam —
ein Lied, das verweht
und voll Schönheit war. —
Alles, was Leben heißt,
zuckte darin
und verglühte —
Alles, was Sehnsucht ist,
rang seine Bitte darin
verschwiegen und heilig. —
Die Gärten lächeln und lauschen. —
Wolken im Abendrot: Glühende Sucht,
in kühler Reinheit ferne verschwebend —
Unser Bild — unser Zeichen. —
Abend
Hinter blauen Bergen
glüht der Abend aus.
Segen sinkt hernieder
über Baum und Haus.
Brennende Leidenschaften
werden ein mildes Licht,
irrender Tage Sehnen
wird zum stillen Gedicht,
und rings in dieser Stunde
ist allversöhnte Ruh. —
Der selben Gottheit Kunde
sind Wolke, Berg und du. —