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Lilith
 

Lilith
Narrenliebe
Sternschnuppen
Liebelei
Osternacht
Frühling
Heimliche Liebe
Nächtlicher Gang
Schattenriß
Spruch 1
Blüten
Erwartung
Fensterpromenade
Letzte Nacht

Weißt du noch?
Der Fremdling
Herbstgedanken

 
Nach dem Sturm
Der Weg
Die Stunde
Spruch 2
Nachher

 

Lilith


Du aber bist die Gefahr der halbwachen Stunden,
bist die erwartete Feindin, nie überwunden,
gleißende Münze der Welt für den tiefsten Verrat,
Schrei des Versinkenden, Seele verworfener Tat —
Lilith! —

Seit du des Knaben einfachen Schlummer gestört,
hast du ihn je und je gegen sich empört,
glühtest im Tanz um des Täufers Haupt als würgende Lust,
flackerst als roter Triumph zwischen Dolch und Brust —
Unbeseelte —
Grauenvermählte —
gärend im Blut Verspürte — —
Selig der Auserwählte,
den sein Weg dir entführte!

Narrenliebe

Zum Narren sprach die holde Königinne
— ein spöttisch Lächeln lag um ihren Mund,
desgleichen lächelte der Hof im Rund: —
"Sag', Schellenohr, was hältst du von der Minne?" —

Der Narr, der ihr zu Füßen an den Stufen
des Thrones saß, zuckt, also angerufen,
jählings zusammen, wandte sich sodann,
sah sie aus Schattenaugen lange an
und sprach kein Wort. —

                                   Die schöne Königin
blickt erst auf ihn, dann da und dorten hin,
das Lächeln fiel von ihrem Angesicht,
sie wollte sprechen — und doch sprach sie nicht —
Zwei dunkle Augen brannten heiß und trunken,
und alles andre war um sie versunken. —

Die Damen und die Ritter rings herum
verhielten sich gleich ihrer Herrin stumm.
Ein Höflingswitz wagt schüchtern sich hervor,
allein er findet kein geneigtes Ohr.
Es räuspert sich ein ältlicher Abbe,
und die Marquise flüstert: "Eh — voyez!"
Die Damen senken ihre Augenlider,
versteckte Blicke huschen hin und wider,
und allenthalben hat man das Gefühl:
's ist äußerst intressant — nur etwas schwül. —

Doch unbeweglich sieht die Königin
mit großen Augen nach dem Narren hin,
und unbeweglich, groß und heiß und starr
sieht auf die Königin der bleiche Narr. —

Vom Park herein schleicht einer Amsel Sang
sehnsüchtig werbend — sonnenheimatbang.

Der Narr steht auf; noch immer wie gebannt
hält er das Haupt der Herrin zugewandt —
dann geht er stumm und müde aus dem Saal. —
Und wie zugleich der Abendsonne Strahl
goldrot durchs hohe Bogenfenster scheint,
da hat die stolze Königin geweint. — —

Auf weißem Ufersand im Abendrot
fand man den jungen Narren bleich und tot. —
— — — — — — — — — — — — — —
Ja, schöne Königin, nun bist du's inne:
So halten es die Narren mit der Minne.

Sternschnuppen

Den nachtblauen Himmel hinunter
fährt ein Stern.
Warum? In welche Weiten?
Ich wüßt' es gern. —

Ich habe dem flimmernden Flüchtling
lange nachgedacht —
Er hat mein Herz hell jubeln,
er hat es ahnen gemacht.

Es geht wohl ein Mädchen im Walde
an fernem Ort,
Es sah den Stern und flüstert
ein scheues Wort. —

Liebelei

Lächelt der Sonnenschein,
schwindet der Schnee.
Warm wird dem Herze mein,
wenn ich dich seh'.

Weit in die Welt hinein
flattert mein Glück,
und in die Augen dein
kehrt es zurück.

Nimmermehr frage ich,
ob du mich liebst.
Weißt deine Tage nicht,
was du mir gibst.

Schäkert der Sonnenschein,
scheucht er den Schnee.
Seh' ich dich, Mädel fein,
flieht mich das Weh. —

Osternacht

Silberlichte Wolkenelfen
schäkern mit dem hochbejahrten,
immer noch verliebten Mond.

Aus dem hohen Giebelfenster,
wo des knurrig strengen Alten
schöne Tochter unschuldweiße
Mädchenträume schlafen soll,
leuchtet ängstlich und verstohlen,
dennoch treulos unverhohlen
einer Ampel tiefes Rot.

Und ein frühlingsliebestoller,
großer, dicker, schwarzer Kater
überspringt die Gartenmauer. —

Frühling

Tage kommen frohen Schrittes
liederhell mit lichtem Blick —
leicht in reichen Geberhänden
jede Stunde trägt das Glück.

Tage streuen milden Segen
aus der Blütenbäume Pracht —
aus den Sonnensilberfäden
weben sie den Traum der Nacht.

Kind, so gehen alle Wunder
erdenher und himmelwärts —
steh' nicht taub und drücke jede
schnelle Stunde an dein Herz!

Heimliche Liebe

Und wenn sie dich umschwirren
und Schmeichelworte girren
galant und zart,
wenn ihre Augen spielen
und wenn sie nach dir schielen
verliebter Art —

Und hat auch ihr Gekose,
so närrisch, süß und lose
dir's angetan,
ja, wenn ich es auch wüßte,
wie mancher dich wohl küßte —
was geht's mich an? —

In deinen Augen flirrt es,
ein Stäubchen Heimatlicht,
ein sonnenweit verirrtes —
Sie sehen's nicht.

Und würdest du auch nimmer
die Meine sein —
dies Stäubchen Sonnenschimmer
ist dennoch mein. —

Nächtlicher Gang

Still ist die Nacht, die toten Gassen schweigen
und einsam hallt mein müder Schritt.
Die Sehnsucht kam und löst' mich aus dem Reigen
und nahm mich mit.

Fern hör' ich noch die hohen Geigen sinken
zum tollen Tanz,
die Menschen lachen, und die Becher klingen
beim Mummenschanz. — —

Die Nacht ist still; es jauchzen tausend Lieder
im Herzen mir —
und doch mir eins und immer eines wieder:
Das Lied von dir. —

Schattenriß

Eine feine, weiße Wolke
schwimmt im lichten Abendhimmel.

Dunkelschattig, zartgesondert
ragen schwarze Fichtenkronen,
Giebeldach und Zaun und Brunnen,
wie mit scharfer, schmaler Schere
sorgsam zierlich ausgeschnitten. —

Fern ein Windrad hebt gelassen,
wie im Traume seine Flügel,
zögernd klingt im klaren Schweigen
tief und voll das Holz am Holze. —

Spruch 1

Ist ein Tag gewesen
voller Sonnenschein —
schließ' ihn fest in deinem
Herzen ein.

Wenn des Zweifels Stimme
hämisch in dir spricht,
Torheit wäre alles —
glaub' ihr nicht!

Ewig lebt die Stunde,
da du rein gelacht —
Echte Sonnentage
mordet keine Nacht. —

Blüten

Durch die Blütenzweige
Spielmann Frühling zieht,
hell von seiner Geige
springt ein Reigenlied.

Und ich hab' das Singen
dir ins Herz geküßt:
Drinnen mag es klingen,
wenn es Winter ist. —

Erwartung

Komm! Warum säumst du noch?
Sieh: Meine Lampe aus Rohr
mit gelbem Papier umspannt
glüht in der Kammer. —
Liebe, was säumst du?

Hörst du: Ein Einsamer singt
ferne ein einsames Lied;
Sehnsucht heißt es.

Draußen träumen die Blüten.
Weißt du den Flieder am Zaun?
Sieh: Ich habe die schweren
Blumentrauben voll Duft
auf unser Lager gestreut,
daß sie dich küssen. —
Komm! —

Fensterpromenade

Fast alle Häuser schlafen noch in der alten Gasse.
An ihren Schnörkeln und Giebeln hängt der graue, nasse
Morgennebel in boshaft träger Masse.

Ich weiß ja, Lilith, daß es eine Torheit ist,
in so freudloser Stunde vor deiner Türe zu stehen
und verliebt nach einem verhängten Fenster zu spähen,
wie in dummen Knabentagen — die man doch nie vergißt.

Ich würde auch heute noch gleich beschämt verschwinden,
wenn sich der Vorhang bewegte da oben hinter den blinden,
milchopaligen Scheiben; denn du sollst mich nicht finden,
wenn ich stumme Zwiesprach halte mit meinem Echten
und weit bin von allem Klugen, Bedachten und Rechten. —

Träumtest du, Lilith? Oder hast du sinnend gewacht?
Oder war mein Freund, der schöne, bei dir heute Nacht!
Und ihr küßtet euch oft — und habt über mich gelacht — —
Siehst du: nun weiß ich plötzlich, daß du mich gar nicht liebst
und dich dem andern mit der spöttischen Stirne vergibst,
denn er hebt dich in keine heiligen Himmel, gleich mir,
und betet nicht selig zu allem Reinen in dir
und wird dir nimmer sein Erstes und Letztes weihen,
wie ich getan. — Und das kannst du mir nie verzeihen. —

Letzte Nacht

Hörst du? es mahnt der laue Wind
draußen in knospenden Bäumen,
küßt in der silbernen Lenzesnacht
tausend ahnende Blüten wach —
treulos tollt er und flieht geschwind,
kennt kein Träumen und Säumen.
Doch die Knospen, sie fühlen das Glühen
des Lebenskusses und müssen blühen.

Hörst du? Es wirbt der Frühjahrswind:
Küss' in der Nacht, da die Knospen sind,
in den Stunden der werdenden Lieder!

Hörst du? Er flieht mit der Jugendzeit —
morgen schon bin ich wie er so weit —
nimmer seh' ich dich wieder. —


Weißt du noch?

Einer Lampe matter Schimmer,
Dämmerschatten rings im Raum,
Bilder aus verblühten Tagen,
einer Standuhr Ticktacktraum —

Und mein Haupt in deinem Schoße,
deine Hand auf meinem Haar —
und dein Herz so nah — so nahe —

Weißt du noch, wie's damals war? —

Der Fremdling

Becherklingen, Farbenlichter,
lustumwunden Falsch und Wahr,
heiß vom Tanze die Gesichter
seitwärts huscht ein einig Paar. —
"Wo die hohen Tannen rauschen,
soll uns niemand heut belauschen "—
Nur ein Fremdling
streift vorüber — —
"Laß den Fremden einsam gehn" —

Überm Dorf die Wolken hangen,
durch die Nacht der Regen weint;
alle hält der Schlaf umfangen
leidversöhnt und liebvereint.
Die sich nächtens meiden müssen,
werden sich am Tage küssen. —
Nur ein Fenster
leuchtet müde
fremden Auges durch die Nacht.

Wo die fernen Berge ragen,
ahne ich ein sonnig Land,
wo ich in versunknen Tagen
alles suchte — alles fand —
und an der Erfüllung Toren
alles — alles hab' verloren. — —

Meine Tage
ohne Klage
will ich fremd und einsam sein. —

Herbstgedanken

Einst war es so schön und so duftig drauß',
es klang und sang über Berg und Tal
von Glück ohne Reue, von Lieb' ohne Qual
und die Welt war ein farbiger Hochzeitstrauß,
da gaukelte Mücke und Schmetterling,
und an jeder Blume ein Käfer hing,
glitzgoldig und blitzeblau
und trank sich rauschig am Tau.

Wie war der Morgen so rein und reich
und der Tag so warm und der Abend so weich
und die Nacht so tief und schwer,
samtdunkel und sternenhehr.
Im weinlaubwuchernden Gartenhaus
das Windlicht löschte ein Schwärmer aus
und starb mit dem zuckenden Schein. —
Wir blieben lange allein. — —

Die Sonne kehrte zum Vater zurück,
Die Nebel trauern um Licht und Glück,
es fallen die Blätter fieberrot,
und die Blume ist welk und der Käfer tot —
Der Sterbewind stöhnt aus dem Norden — —

Wie ist das alles geworden?

Nach dem Sturm

Gefall' ich dir am Ende? —
Das tut mir herzlich weh.
Laß deine lieben Hände
von mir — und geh — und geh. — —

Magst einen andern kosen
und mit ihm glücklich sein —
Mich harten, heimatlosen,
mich laß allein — allein. —

Sieh mich doch an, du Kleine:
Die Narben im Gesicht,
die Falte hier, die feine,
das kennst du nicht — noch nicht.

Ich kann auch gar nicht küssen,
nichts hab' ich, was mir blieb.
Wir werden scheiden müssen — —
Ich hab' dich lieb — zu lieb.

Der Weg

Am Abendhimmel standen die Sterne,
der Glocken betendes Dämmerlied
schlich sehnsuchtstraut aus träumender Ferne.
Die Grillen schrillten am Wegesrand,
zwei Menschen gingen durchs hohe Feld —
sie hielten einander an der Hand.

— — — — — — — — — — — — — — — —

Der Herbststurm rüttelte durch das Land,
viel gelbrote Blätter deckten den Sand,
viel Jahre waren vergangen. —
An rauhem Abend da hasteten zwei
bleich, kalt und fremd aneinander vorbei — —

Die Glocken ferne erklangen. —

Die Stunde

Schweige still und erkenne:
Niemand ist dein Genoß.
Willst du der Stunde zürnen,
weil sie vorüberfloß?

Hat dich ihr Licht auch verlassen,
war es doch einmal nah'.
Lerne in Demut danken,
daß ein Wunder geschah.

Träumen magst du und sinnen
bauen und hoffen zu zwei'n,
bald an verschlossenen Toren
wirst du verraten sein.

Nur in der einsamen Stunde,
wo du dich Gott offenbarst,
trauend nicht Aug' noch Munde,
wirst du mehr als du warst.

Spruch 2

Wer einmal tief aus dem Innern geweint
und aus jubelnder Brust gelacht,
der versteht den Tag, wenn die Sonne scheint,
und die raunenden Schauer der Nacht.

Und wer einen Sonnenstrahl blinken sah
in Augen noch tränenfeucht —
der weiß: Es gibt keine lastende Nacht,
die nicht einem Morgen weicht. —

Nachher

Und daß es wieder ein Nachher gibt! —
Diese fragenden Räume und leeren Zeiten
und die plötzlich verzerrten anderen Seiten
an allem, was man um eines geliebt!

Daß man wieder steht an verschlossenen Pforten
und Hunger leidet im Überdruß —
Oh, daß man nachher noch leben muß
mit dem grellen Hohn in heiligen Worten!

Und geben muß und zum Glauben drängt,
dem stürmenden Aufwärts nie entflieht,
den Tod in der Blüte schon warten sieht,
und immer und immer sich neu verschenkt. —