1.Vom Berge
Euch reinsten, unvergeßlichen Genüssen,
Genüssen der Natur ein Weiheblatt!
Der Lebenswallfahrt denk' ich: im Beginn
Reißt Traumeskraft den Pilger hin; da stürm' es!
Was kümmert's ihn, wenn's um die Füße stäubt,
In gern entblößten Locken wühlt? Dorthin!
Dorthin! was Abgrund, Berg und Strom'. — Und hoch,
Und höher geht's. Er schwindelt. Der Genosse
Reicht treu den Arm. — Wenn nun die ferne Welt
Zu seinen Füßen ruht, wenn er zurück
Auf alle Schluchten blickt, die ihn beengt,
Wenn Äther, Freiheit spendender, ihn labt —
Da rastet er. Es ist ein Augenblick!
Auf! einen Scheidegruß! und nun hinab!
Bleibt er doch ewig in der Tiefe nicht:
Er weiß nun, daß es Gipfel gibt! — Du sprachst's,
Und unser Blick fiel auf Ruinen, die
Ein still verwitterndes Geröll beständig
Den Berg hinab an schroffe Ufer sandten,
Wo sie des Stromes schlummerlose Wogen
Zerbröckelnd, lösend, in die Ferne spülten.
2. Maria Zell
Vergebens sucht ihr auf bestaubtem Heerweg,
Mit müß'ger Eil', in Kutschenpolstern träumend,
Was euch entflieht. Der rauhe Pilger dort,
Auf knotigem, gespitztem Stabe, kühn
Von Fels zu Fels die Schwindelhöhe suchend —
Der eurem Aug' jetzt fern und ferner schwankt,
Bis ihr ihn ganz verliert — nie wendet er
Den Adlerblick nach euch, nie nach den Stegen,
Die er verließ, zurück; ein rauh Gewand
Umhüllt der Glieder ruhelose Kraft —
Der Abend, der dich drunten schon umfängt,
Glüht ihm ein feierlich Willkommen zu;
Und während du, vom Nichtstun dumpf erschlafft,
In enger Stube schalen Träumen frönst,
Glänzt ihm des Vollmonds friedenreiches Blau
Gewährung seiner tiefsten Wünsche zu.
3. Lasing-Fall
Sieh hier ein großes Leben! Dunkel braus't's
Aus ernst geheimnisvoller Schlünde Nacht,
Stürzt sich auf Klippen hin, umwallt sie spielend,
So lang der Sonne Bild sein Herz durchzittert,
Saust stürmischer darauf, wenn Regengüsse
Die Brandung schwellen, daß des Lichtes Pracht
Sich über ihm, nur noch im Schaume, malt,
Und donnert rastlos, Strom auf Ströme gießend,
Der Tiefe zu, die ewig fort verschlingt.
Wir wandern weiter: und nun wird es still.
Ein sanft begrüntes Alpental umschließt uns.
Aus finst'rer Schlucht wälzt edel ruhevoll
Ein Strom sein silbernes Gewässer her:
Der blaue Himmel schläft in seinem Schoß,
Der Erde Blütenwelt bewacht das Ufer;
Kaum glaubst du mir, wenn ich dir sage: Dies
Sind die Gewässer, die da oben lärmten.
Ein grüner See nimmt jetzt die Fluten auf,
Die, ungemischt, durch seine Wellen fließen,
Von Strom zu Strom, dem Ozeane zu.
4. Hölltal
Wo sind wir hingelangt? ist das noch Welt?
Dann sind es ihre Marken. Hier beginnt,
Was nur das Schweigen nennt. Ein Todeshauch
Weht über starr Gebild. Der Schritt versagt.
Es scheint der Seele Puls zu stocken. Keck,
Des Jägers höhnend, schaut der Geier dich
Aus seinem Neste an. Der ruß'ge Köhler
Geht stumm vorbei, und grüßt dich nicht. Der Schritt
Hallt einsam hell von Fels zu Felsen wieder.
Mit jeder Krümmung wird es trauriger.
Hier fühlst du dich allein. Nun merk' es recht,
Und präge tief das Bild in dein Gemüt!
Ein leises Murmeln stört nicht dein Betrachten:
Es ist der Lethe, der das Tal durchrinnt.
5. Pernitz
Mich nimmt die hold beschränkte Kammer auf,
Mit Väter-Hausrat ländlich ausgeschmückt;
Das Rad der Spinnenden schnurrt Schlummermärchen.
Der Bauern spät Geplauder brummt herüber.
Erquickungsschlaf deckt den Ermüdeten,
Bis schon ein Strahl durchs kleine Fenster grüßt.
Nun richt' ich mich aus Federn blinzelnd auf,
Das Aug' zur Öffnung wendend. Welch' ein Morgen!
Ein heilig Dunkel deckt der Alpen Schoß,
Und ihre Häupter röten gold'ne Wälder.
II.
6. Posa
Du träumst so schön. Dir dünkt die Welt so gut,
Weil du es bist. Du öffnest deinen Busen,
So treu, so warm, so groß: es hätte drin
Die ganze Menschheit Raum. O schließ' ihn wieder!
Mir ist, als säh' ich schon den Pfeil gelegt,
Der auf ihn zielt. Die Welt erträgt es nicht,
Daß man sie liebend wähnt, die giftdurchdrungne;
Ach! liebst du zweifach, wird sie zweifach hassen:
Sie schlingt den Arm um dich; du mußt erblassen.
7. Hamlet
Du träumst so schwer. Die Welt dünkt dir so schlimm;
Sie ist es nicht. Wach' auf, ermanne dich!
Du schließest deinen Busen, du vergräbst
In seine unnahbaren Schlünde, was
Du nicht vergraben solltest, was du laut
Mit Weltgerichts-Posaune künden solltest,
Daß Berge wankten, und in ihren Trümmern
Die Schuldigen begrüben. Doch du scharrst,
Wie grausen Unheilszunder, in das Mark
Der Brust das tödliche Geheimnis ein;
Da kocht es nun, da gärt's und waltet leise,
Mit gräßlich um sich greifender Gewalt,
Recht wie das Gift, das heimlich aus dem Innern
Den edlen Bau des Körpers untergräbt;
Noch ahnst du nichts, noch träumst du wachend fort.
Da nachtet's dir vorm Blick; es ist vorbei.
Die Deinen stehn um deinen Sarg, und jammern:
Hätt' er durch Hilfsruf sich geoffenbaret
Er wär' gerettet, und wir wären's mit!
Dies ist die Welt. Wer ihr vom Antlitz kühn
Die Larve reißt, wird siegen, und wird leben;
Doch wer, wie du, den Gram in sich versenkt,
Denkt, daß er stirbt, und stirbt indem er's denkt.
8. Ergebnisse
Geschichtlich dein Erlebtes übersinnend,
Merkst du: Dein Kern ist in dem Kern des Alls.
Vom Mai der Kindheit, durch der Jugend Schwüle,
Bis zu dem Herbst wehmütiger Betrachtung,
Schlingt sich ein zarter Faden bindend her,
Der deinem Auge nicht entgeht. Er eint,
Was unvereinbar schien. Denn, wie im All,
So ist im Menschen ein Gesetz, das ausgleicht.
Versuch's ein Nichts zu sein! Du bleibst doch Kraft,
Und wirkst; denn nichts im Ganzen ist ein Nichts.
Versuch' es, mehr als Mensch zu sein; setz' dich
Dem Ganzen gleich! Freund! es verdaut dich doch,
Und läßt dir nichts, als eben Dich. Was lebt,
Es lebt im wechselnden Triumph der Kräfte —
Von Stufe wächs't zu Stufe der Kontrast;
Je höher das Geschöpf, je edler selbst
Der Mensch, es scheint sich desto mehr in ihm
Zu widersprechen. Und was hat in dir
Den Kampf geschlichtet? sprich' es aus: die Liebe!
Sie gab dem Geiste Schwung, ein Bild dem Herzen,
Dem Denken Leben, Milde dem Empfinden,
Sie gab zum Fußen eine reiche Erde,
Zum Wiederaufblick einen Himmel dir!
9. Liebe
Verweile hier, und wiederhole dir's!
Ist's doch des ewigen Verweilens wert —
O könnte man's lebendig wiederholen!
Da wardst du Mensch, als Liebe dich berührte.
Als noch die Welt, ein graues Rätselknäuel,
In deiner Hand lag, ekel zu entwirren,
Die Zukunft, kalt und wüst und farbenlos,
Ein Nebelmeer, um deine Brust sich legte:
Wie war dir da! wie zog die Seele damals,
Mit ihren Wünschen, ihren Kräften allen,
Sich in ein selbstgenügsam Nichts zusammen!
Du dachtest dir das Leben so. Da traf
Der schöpferische Strahl auch deine Mitte:
Du wardst gelös't, und deine Zweige blühten,
Und deine Frucht reift Ewigkeiten zu.
|