1.
Dschelal-eddin Rumi:
Was schlägt aus träumerischen Fernen
Wie Aeols-Klänge an dies Ohr?
Was trägt zu wundervollen Sternen
Ein längst vereinsamt Herz empor?
Der Himmel glänzt, Planeten rauschen,
Man spürt die Pulse der Natur;
Die Geister meines Lebens lauschen,
Sie merken ihres Ursprungs Spur.
Es ist kein Träumen, ist kein Denken,
Ist kein Gefühl, das steigt und fällt —
Nennt es ein mystisches Versenken
Ins liebevolle Herz der Welt.
Es birgt sich nicht den Schmerz, zu schwinden,
Der höchsten Liebe tief gewiß —
Gewiß, sie dann auch noch zu finden,
Wann schon des Daseins Kleid zerriß.
2. Saadi:
Überwindest du auch Schmerzen,
Wähne nicht, es sei getan!
Das Geschick, es findet Bahn
Zwischen Munterkeit und Scherzen;
Hüte dich vor diesen!
Was dir eigen, auszumerzen,
Glaube mir, es wird mißlingen;
Eigne Schwungkraft muß verschmerzen,
Wer's versucht mit fremden Schwingen;
Hüte dich vor diesen!
Flackernder als glühnde Kerzen,
Lockender, vergänglicher —
Als das Weltmeer flutender,
Tiefer noch sind Weiberherzen;
Hüte dich vor diesen!
Die Erfahrenen, die Dichter,
Predigen seit langen Jahren;
Doch die Welt folgt nur erpichter
Jenen, welche nichts erfahren;
Hüte; hüte dich vor diesen!
Hoffe, liebe, glaube, wage!
Sinne, dulde, für und für!
Freue dich der zwanzig Tage —
Aber hüte dich vor dir!
3. Omar Chiam:
Lehre heischt man vom Gedicht,
Schmeichelei darneben;
Leider kann's nicht Unterricht,
Nicht Behagen geben.
Denn ein Lied ist so ein Ding,
Das nur für sich selbst lebt;
Schätze schätzt man nicht gering,
Wenn man sie erst selbst hebt.
Eins, in Gottes Namen, Freund!
Kann ich dir vertrauen:
Nichts belacht und nichts beweint,
Emsig um dich schauen!
Mutig vorwärts ins Geschick:
Wolken sind Geschicke!
Trenne sie mit klarem Blick:
Sei's auf Augenblicke!
Was einmal vorüber geht,
Bester Freund! das hält nicht;
Und wer keinen Spaß versteht,
Der versteht die Welt nicht.
4. Hafis:
Daß ich deine Schönheit liebe,
Irrtum hat man das genannt,
Und der zarteste der Triebe
Ward zum Laster hingebannt;
Irrtum! was ist Irrtum? Nennen
Will ich euch die rechte Spur:
Irrtum ist es, zu verkennen
Das Begehren der Natur.
Laster! was ist Laster? Richtet
Auch hierüber die Natur?
Ja, sie richtet; und sie schlichtet:
Mangel ist's an Liebe nur.
Fragt das Alter, fragt die Jugend,
Was denn Irrtum, Wahrheit sei?
Seine Laster, ihre Tugend,
Sind so ziemlich einerlei.
5. Dschaim:
Jedem darfst du nicht, Dschaim,
Schmerzen klagen:
Klag' sie Jenen, die sie im
Herzen tragen.
Denn die Liebe nur versteht
Liebeszeichen:
Mein Ziel wird, wer mit mir geht,
Mit erreichen.
6. Ferhad:
Will den Stein zum Bildnis hauen,
Nimmer müde, für und für;
Einmal werd' ich sie doch schauen,
Einmal komm' ich doch zu ihr!
Weh' ich fühl's; ich fühl's mit Grauen —
Einmal werd' ich müssen ruhn:
Meinen Leichnam wird sie schauen
In dem Berge Bisutun.
Mag sie dann mit Tränen schauen,
Wie ich liebte! es genügt;
Und so laßt mich rastlos hauen,
Bis der Stein ihr Bildnis lügt.
7. Medschnun:
Laß mich nicht der Flamme wehren,
Wenn sie ewig mich umfließt,
Laß mich hastig, hastig zehren.
Wenn die Kost vergänglich ist!
Laß mich hüten, mich verehren,
Was ich nicht besiegen kann;
Ich verschwende im Entbehren,
Was mich tötet, bet' ich an.
Kenntet ihr der Wüste Schwüle —
Selig prieset ihr Medschnun!
In des Wahnsinns Schatten-Kühle,
Die ihn deckt, ist's gut zu ruhn!
8. Jussuf:
Neigung läßt sich nicht erzwingen,
Nicht gebieten läßt sie sich;
Als du zuzogst deine Schlingen,
Arme! da verlorst du mich.
Doch was höh're Mächte wollten,
Es geschah; was sorgtest du?
Jahr auf Jahre, sie verrollten —
Dieses Herz, es fiel dir zu.
Floß bis jetzt in Liebestrauer
Dein verweintes Leben hin —
Nun, so fühl's mit Wonneschauer:
Daß ich dein — auf ewig bin.
9. Iskender:
Schlummre du auf Purpursitzen,
Schlummre tief und süß, Darah!
Träume, wähne zu besitzen —
Wachst du auf, ist nichts mehr da.
Feinde sind auf allen Seiten,
Fest steht Niemand als der Held —
Denn ein ewiges Erstreiten
Ist das Leben in der Welt.
Ein Erstreiten, ein Erjagen —
Fragst du wessen? frage nicht,
Bis die Pulse leiser schlagen,
Und des Auges Schimmer bricht.
10. Der Parse, des Morgens.
Ich grüße dich, du Wesen - Amme!
Bild des, der sein wird, ist und war;
Mein Opfer sei die reine Flamme,
Die reine Erde mein Altar.
So wend' ich betend mich nach Osten,
Dem Lichte dank' ich, was ich bin;
Vom Flammenurquell durft' ich kosten,
Ein Tropfen reicht fürs Leben hin.
Und Pflanzen auch, die sein bedürfen,
Sie ranken sich zu mir heran:
Ich lasse sie am Tropfen schlürfen,
Sie sehn mit stillem Dank mich an.
Du aber, selig, wandelst weiter,
Teilst Jedem mit, was Jedem frommt;
Aus Sturmgewölken ewig heiter,
Du wandelst bis der Abend kommt;
Er kommt! du sammelst deine Gluten
Für deine andern Kinder ein, —
Und sendest, um uns zu ermuten,
Uns Sterne durch die Nacht herein.
Vor allen ehren wir den Einen:
Den ernsten Deuter deiner Bahn;
Du scheidest: er beginnt zu scheinen;
Er schwindet hin: du kommst heran.
Am Tage finden die Gefühle
Im Segen deiner Strahlen Ruh';
Sie wenden in der Nächte Kühle
Sich dem Gestirn des Trostes zu.
Vermittelnd zwischen Sonn' und Erden,
Dich Zoroaster stellt es dar:
Es ist wie du; laß mich es werden:
Ermutend, leuchtend, heiter, klar.
Also betet still der Parse. Und der Moslim, stolz verachtend,
Geht vorüber. Jener aber lächelt liebvoll, ihn betrachtend.
11. Zendravesta:
Seid gesegnet, Nachgeschlechter!
Eingeweihte, Lichtessöhne,
Seid gesegnet! — Die mich gläubig
Einst umgaben, die in meinem
Namen kühn sich Brüder nannten,
Von den Völkern nicht geduldet,
Irren sie verkannt auf Erden.
Meine Bücher aber ließ ich,
Schöpfungsgeist im Wortgebilde,
Ahnenden zur Sinnesdeutung,
Wirkenden zum Trost zurück.
Auch das Tagsgestirn, es leuchtet,
Euch wie mir, Symbol des Höchsten —
Und der Stern des Aufgangs dämmert,
Licht vermittelnd, euch hernieder;
Erde, sie bedarf der Reinheit,
Die gereinigte der Pflanzung;
Pflanzung, sie bedarf der Sonne,
Sonne, sie bedarf des Dienstes:
Und so war's, so bleibt es ewig.
Diese Mahnung meines Geistes,
Des befreiten, gegenwärt'gen,
Ehret sie! — Erteile Jeder
Sich die Weihe selbst, und schüre
Seines Altars heil'ge Flamme!
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