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Und so schwand Jahr auf Jahr dahin.
Die dunklen Triebe sind geläutert,
Der Liebe Kreis ins All erweitert,
Der Geist erhellt, das Herz erheitert, —
Nach Glück und Pein, als Hochgewinn
Bleibt uns: fürs Ewige der Sinn.
 

V.
Sinn

 

Zuversicht
Den Jüngeren
Schmiedelied
Geschichte
Ethisch
Schüler
Meister
Beruf
Typen
Schatz
Zu Howards Andenken
Beata solitudo, sola beatitodo
Bewältigung
Vom Gebirge
Epicharmos
Pflichttod
Chiser
Methamorphose
Zuruf
Mut
Stimmung
Höchstes
Aus Pestalozzi's Fabeln
Epochen
Ruhe
Der Templer
Poeten
Ergebung
Abschluß
Die Harfe

Zuversicht


Der Jüngling, von der Vorwelt Kraft beschämt,
Flieht aus dem Spiel zu edleren Genüssen;
Harmonisch stimmt er sein Gemüt, und strömt
Es hoffend aus in lyrischen Ergüssen.

Er sendet sie der Welt; sie gafft, zergliedert,
Und weis't ihn ab; sie weiß nicht, was er will;
Die edle Frage, sie bleibt unerwiedert, —
Elegisch wird der Ton, dann wird er still.

Der ernste Mann entsagt noch nicht dem Hoffen, —
Vom Innern geht der Menschheit Bildung aus:
Die Schöpfung ist unendlich reich an Stoffen;
Du, Geist des Menschen! bilde Welten draus!

Den Jüngeren

Beglückte, die des Hoffens Regionen,
Der Jugend Land, das reiche, wunderbare,
Worin es ewig blüht und tagt, bewohnen!

In edlen Träumen dämmert euch das Wahre,
Aus märchenhaften Fernen winken Kronen,
Umwebt vom Schleier ahnungsvoller Jahre;

Da dringt hindurch! das habt ihr zu entwirren!
Das blumenschwangre Träumen, süße Ahnen,
Es ist nicht eitel! ist kein schmerzlich Irren;

Es ist, vom Innern aus, ein göttlich Mahnen:
Ob Rosen duften, oder Tauben girren, —
Stumm hinzuschreiten dornenvolle Bahnen.

Der Traum hilft aus; bis, nach der Jahre Walten,
Das schroffe Bild des Lebens sich uns ründet;
Bis in den Tiefen, die sich nun entfalten,

Der höchste der Begriffe sich begründet:
Begriff der Pflicht! ihn ewig festzuhalten,
Genügt der Liebe Glut, die euch entzündet,

Genügt des Glaubens Kraft, die euch begeistert!
Das sind die Wurzeln unsres wahren Lebens;
Vom Staube — doch nicht ewig! — überkleistert;

Aus ihnen sproßt die Palme unsres Strebens,
Der Zweig, des sich der Held am Ziel bemeistert!
Er winkt auch euch; — er winke nicht vergebens!

Schmiedelied
Paraphrastisch

     Heil'ge Flamme, sei entzündet!
     Glühst, den Tätigen verbündet,
     In des Lebens Nacht hinein
     Götter-Tagwerks Widerschein;
Wärmst die Kalten, stärkst die Müden;
Schwingt den Hammer, um zu schmieden!
Schmieden nur gewähret Frieden.

Werd' es schwachen Toren bange!
Deinen Söhnen glüht die Wange:
Selig, wer für dich entbrennt,
Heiligendes Element!
Kronen sind dem Schweiß beschieden:
Schwingt den Hammer, um zu schmieden!
Schmieden nur gewähret Frieden.

Was wir bilden? was wir schaffen?
Waffen! Todbezwingers Waffen, —
Deren wohl der Geist bedarf,
Den das Los ins Leben warf!
Darum, rastlos Promethiden:
Schwingt den Hammer, um zu schmieden!
Schmieden nur gewähret Frieden.

Geschichte

Rollt, sie auf, die Weltgeschichten,
Ehrt, was Barbarei zerstob!
Ehrt, und überlaßt das Sichten
Grübelnden nach "wie? und ob?"

Wißt, ihr steht vor Clio's Tempel:
Glaube führt bei Göttern ein;
Jedes Bild wird euch Exempel,
Sinnbild jeder Name sein.

Breitet nicht von Pol zu Pole
Ihr Gebild die Muse aus?
Göttlich lehrende Symbole
Streut sie in die Welt hinaus.

Selbst der Wunderklang der Sage
Widerhall' in eurer Brust!
Um das Herrliche die Klage
Wecke frischer Taten Lust!

So, wie ewige Gedichte,
Wie das Wort in der Natur,
Sei dem Menschen die Geschichte
Weihe seiner Taten nur!

Ethisch

Im stillen Haine sagten mir die Musen:
Tritt in die Welt hinaus! den treuen Glauben
An das, was in dir lebt, im starken Busen;
Dein reines Wollen kann man dir nicht rauben,
Das stören nicht Sirenen noch Medusen.
Darum, wenn die Entlarvten Rache schnauben,
Gedenke du — daß sich dein Herz ermute: —
Unüberwindlich ist allein der Gute.

Denn das Genießen wirft den Menschen Ketten
Um Geist und Herz, und macht, daß sie entschlafen;
Wach sind nur die, so sich auf Taten betten,
Sie nenne man die Guten, sie die Braven;
Die der Genuß beherrscht, sind nicht zu retten:
Weil sie nicht gut sind, darum sind sie Sklaven;
An ihren Schwächen packt man sie, die Toren,
Man lockt, man streichelt sie, — sie sind verloren.

Doch er, der nie auf schmacherkauften Pfühlen
Gerühmter, ungetaner Werke ruhte,
Der, wie die Wogen Blatt auf Blatt hinspülen
Vom Baum des Lebens, schaut mit festem Mute,
Vertrauend seinen heiligsten Gefühlen;
Er ist der Starke, denn er ist der Gute;
Ihn labt die Pflicht. Auch er genießt. Doch wie?
Hier schweigt das Lied. Geh' hin und übe sie!

Schüler:

Der Vorsatz ist gefaßt! Was ich erkannt,
Wird ausgeführt; das Nichtige verbannt,
Das Rechte frisch getan, mit jeder Tat
Wächs't die geübte Kraft, von Grad zu Grad;
Das Wirken freut, das Denken unterhält,
Das aus dem Keim Entwickelte gefällt,
Der Reiz des Irrtums tritt stets mehr zurück,
Und der begriffne Schmerz wird nun zum Glück.
Schon hab' ich dies und jenes still erlernt,
Das dumpfe Unerquickliche entfernt, —
Ein freundlich Haus wird bald gezimmert sein:
Erkenne mich, o Herr! und tritt herein!

Meister:

Schon Manchem lag im Sinne solch' ein Haus;
Bau' immer zu! du baust es auch nicht aus.
Dem Herrn jedoch genügt schon, daß du baust,
Er kräftigt dich, indem du ihm vertraust:
Treu schaffe bis ans Ende deiner Sendung —
Und laß dann seinen Händen die Vollendung.

Beruf

Wähnest du, im Lande der Heroen
Pflücke man Dionens süße Frucht?
Ausgeschlossen hat sich von den Frohen
Wer der höchsten Siege Palmen sucht.

Sein Olympia, er hat's im Busen,
Seine Wirkung bleibt, sein Ruhm verhallt,
Seinen Seufzer hören ernste Musen, —
Sie verkünden ihn — die Welt bleibt kalt.

Was den Edelsten das Leben kürzte,
War den Edelsten des Lebens Ziel;
Des Neokles Sohn, der Hohe, stürzte,
Aristides, der Gerechte, fiel.

Nun so hülle sich in starrend Eisen,
Wer berufen ist zur Heldenbahn:
Ernstes Denken wird die Richtschnur weisen,
Kräftig Wollen flamme kühn hinan!

Typen

I.

1. Die Schmetterlinge

Wie lieblich, wie fröhlich,
Im Glanze zu schweben
Hoch über der Dämm'rung,
Ein göttliches Leben!

Wir führen im Äther
Den seligen Lauf,
Da kommt nicht die Sorge,
Der Ernst nicht herauf;

Wir tanzen den Reihen
Im zitternden Licht,
Die Weisheit erreicht uns,
Die grämliche, nicht.

Wohl bricht sich die Woge,
Wohl donnert das Meer,
Wir hören die schlagende
Brandung nicht mehr.

Sie brande, die Woge,
Das Meer donn're fort!
In duftiger Höh' ist
Ein schweigsamer Ort;

Dort lockt die betrügliche
Welle dich nicht,
Dort läßt der Vergnügliche
Wechsel dich nicht;

Es wechseln Vernünftige
Immer so gern;
Es sorgen für's Künftige
Toren so fern!

Wir naschen aus Blüten
Den duftigen Raub;
Und hat denn die Welt
Etwas Bess'res als Staub?

Ein göttliches Leben!
Hoch über der Dämm'rung
Im Glanze zu schweben!
Wie lieblich, wie weise!

2. Die Sphinxe

Uns umschwirren, leisen Fittigs,
Uns umschlagen, lauten Schwunges,
Die Phalänen, wie die Aare;
Und die Zeit, sie rauscht vorüber.
Sterbliche in Wieg' und Särgen
Sehen wir vorüber tragen,
Und vernehmen Memnons Klagen
Schon seit tausend aber tausend
Flücht'gen Segnungen Aurorens;
Hesper auch, er blitzt und schwindet;
Und wir ruhen, leere Augen
Auf den steten Wandel heftend,
Und wir lassen es geschehen,
Auf den Nil hinüberschauend,
Daß die Zeit in stillen Tropfen
Ewig auf uns niederfallend,
Uns auch löse, uns verwandle!

II.

3. Die Aloiden

Uns fürchte der Donn'rer auf wolkigem Sitz —
Er schleudert vergebens den dräuenden Blitz:
Wie leicht er den Alten das Szepter entrafft,
Er scheue der Jugend entschlossene Kraft!

Wir Söhne der Macht, die den Meeren gebeut,
Verwandte dem Sprößling ohnmächtiger Zeit,
Erglühend in Schönheit und Streben und Lust,
Von Zuversicht schwillt uns die gläubige Brust:

Wir werden sie bauen die schwindlichte Bahn
Vom irdischen Dunkel zum Urlicht hinan;
Auf! Pelion noch über Ossa getürmt
Dann kühn den erschütterten Himmel erstürmt!

Er droben, er zucke den zündenden Strahl —
Aufsiede das Meer, Qualm fülle das Tal!
Wenn Kraft sich an Kraft ungebändigt zerschellt,
Gebärt in Vernichtungen Welt sich aus Welt.

4. Prometheus

Wölbe, Himmel! deine tausend Fernen
Meinem Auge vor, das ruhig blickt:
Jugendkräfte ringen nach den Sternen;
Mögen sie doch ringen! werden's lernen,
Daß kein Lärm die greise Bahn verrückt;

Als ich abgewogen die Gewalten,
Sah man längst mich ein Geschlecht gestalten,
Dessen Schoß ich Keime anvertraut;
Diese Keime werden sich entfalten,
Wenn des Schicksals Segen sie betaut.

Aber du in deinen Ungewittern
Labe dich, wenn unter Erderschüttern
Sich an meinem Fels die Woge bricht:
Deine Zeit kommt auch! auch du wirst zittern, —
Das Verhängnis übergeht dich nicht.

Seit Jahrtausenden die Wunde offen,
Tropft mein Blut auf mürbe Felsen her;
Beb' Olympischer! Du wirst getroffen:
Meine Menschheit! Du sollst hoffen — hoffen —
Deinen Vater schau' — und duld' wie er!

Schatz

Was du verlorst, samml' es in Eins,
Keime der Zukunft lege dazu!
Was du als wahr, herrlich und groß
Endlich erkannt, füge das bei!
Schließe den heimlich erworbenen Schatz
In das verschwiegne Gefäß deiner Brust;
Da, wo der Welt flüchtiger Blick
Niemals verweilt, ruh' es beschirmt:
Unbelauscht oft, Geizigen gleich,
Schwelge dein Aug' in dem heiligen Schatz;
Wenn schon der Nacht Flügelschlag rauscht,
Donner die Welt, rollend, bedräu'n,
Wenn in Zerstreuung Heil sucht der Troß:
Sammle dich still, zähle dir vor!

Zu Howards Andenken

— quelque chose de plus qu'un grossier limon.
                                                   SALVANDY.


Das hohe, segenreiche Wandeln
Der reinen, milden Menschlichkeit,
Des echten Wohltuns heilig Handeln —
Es wird durchs Wort getrübt, entweiht.
Entblößten Hauptes stehen wir,
Und deuten schweigend hin nach dir.

Denn du vernahmst des Elends Jammern,
Vernahmst der Duldung stilles Ach!
Und spürtest in des Leidens Kammern
Dem bittern Quell der Klagen nach;
Da scholl's: Kannst du den Tod verachten?
Du halfst und starbst; und wir betrachten.

Beata solitudo, sola beatitodo

Beneidenswürdig preis ich Jenen
In dieser schalen Welt des Scheins,
Der dich gelernt, wenn auch durch Tränen,
Du stille Kunst des Einsamseins!

Wo durch des Erdgetriebes Schluchten
Des Lebens Wogen sich ergießen
Und zürnend in die Tiefe schießen,
Da wird sein Inhalt Keinem kund:

Nur in den blütumkränzten Buchten,
Wo seine Wasser sanfter fließen,
Da schaut man tief bis auf den Grund,
Und des Betrachters Bild umgaukelt
Ihn lieblich, von der Flut geschaukelt.

Da spült des Alltaglebens Bürde
Ein holder Lethe gütig fort,
Und, Einsamkeit! dein Zauberwort
Verleiht dem Dasein wieder Würde.

Als du an trauter Waldesstelle
Beim Murmeln der umbuschten Quelle
Im Lenz des Lebens mir begegnet, —
Du botest die kristallne Welle —
Ich sah hinein — der Blick ward helle;
Ich trank — da fühlt' ich mich gesegnet.

Und als ich dann im Weltgewühle,
Wohin mich bald das Los verbannte,
Am Hauch', den deine Liebe sandte,
Mit unbeschreiblichem Gefühle
Der Freundin holde Näh' erkannte, —
Wie durft' ich da in Götterarmen
Vom Frost der Bettelwelt erwarmen!

Da wandten sich aus ewigen Sternen
Die Geister unsrer hohen Brüder
Zu meiner Sehnsucht groß hernieder, —
Ich durfte träumen, konnte lernen:

Die holden, griechischen Naturen
Beglückten läuternd das Gemüt;
Dann ward's von Roms Tatkraft durchglüht,—
Ich wandelte auf Freiheitsspuren.

Denn in der Welt, wohin uns Dike warf,
Sind wir nur frei, so lang wir einsam sind;
Doch Menschen sind wir, und der Mensch bedarf;
Sein Schicksal ist der Not und Willkür Kind.

Du aber, dessen tiefbewegte Brust
Ein liebend Echo heischt für Qual und Lust,
Der zur Entschließung reifer Weisheit Rat,
Mitwirkung sucht zur kühn gedachten Tat, —

Laß dir mich Eines ernst vertrauen:
Auf Jenen sollst du nimmer bauen.
Der nie mit sich alleine war.
Und nie allein zu sein vermag,

Denn über diesen herrscht der Tag.
Der Einsame bedarf sein nicht,
In seinem stillen Siedlerlicht
Wird dem Glückseligen die Pflicht,
Und in ihr Welt und Himmel klar.

Und darum preis' ich einzig Jenen
In dieser schalen Welt des Scheins,
Der dich gelernt, wenn auch durch Tränen,
Du stille Kunst des Einsamseins!

Bewältigung

Wenn von der Landschaft deines Lebens
Des Glaubens heitre Farbe schwand,
Da, trotz des menschlichen Erbebens,
Nimm du die Waffe kühn zur Hand:

Hat sich des Geistes Adler, denkend,
Den Schwingen des Geschicks entrafft,
Dann ruht er, seine Schwingen senkend,
Und sagt sich: Heilig ist die Kraft.

Vom Gebirge

1.
Geologisch

Im Gebirge fand mein Innres
Eine wundersame Nahrung;
Ihm erschloß sich im Gebirge
Eine tiefe Offenbarung.

Doch verschlossen sind Granite,
Und so lehren sie zu schweigen;
Aber Jedem, der da stehet,
Wird das Göttliche sich zeigen.

Nicht Hephästos, nicht Poseidon
Sah ich todes-froh gestalten;
O, ich fühlte einer stillen,
Milden Gottheit leises Walten;

Welches lispelnd im Kristallborn,
Und im Strom der Bergschlucht brausend,
Liebend fortwirkt, wirkend fortliebt.
Von Jahrtausend zu Jahrtausend.

2.
Wie am Hochgebirg die Streifen
Nebels in einander fließen!
Wo sie lagern — dorthin geht es!
Weicht! und laßt mich rein genießen.
Oder ballt ihr euch nur deshalb,
Und verhüllt die schönen Weiten —
Um dem Nahenden Entzücken
Durchs Entschleiern zu bereiten?
Nun, so sei die Hand gepriesen,
Die, mit Nacht das Auge deckend,
Still indes den Strahl bereitet,
Der es trifft, zur Wonne weckend!

3.
Wir wandelten durch hallende Ruinen,
Wo wir Vergangenheit uns näher fühlten, —
Wo Abendstrahlen durch die Ritzen schienen,
Und freundlich mit dem Epheugitter spielten,
Das seit Jahrhunderten den morschen Bogen
Mit neuem Leben liebevoll umzogen.

So wird einst unser Grab zur stillen Wiege
Für lichtanstrebende, duftreiche Pflanzen —
Es wird, wo ich mit meinen Träumen liege,
Ein Abendschwarm vergnügter Mücken tanzen,
Und einem späten Wandrer tröstend sagen:
Sieh hier die Antwort auf des Unglücks Fragen!

4.
Dumpf herüber pochen Hämmer,
Und die Sägemühle zischt;
Felsen, Schicht auf Schicht gelagert,
In der Tiefe Wogengischt;
Ferner Kühe einsam Läuten,
Blätter rascheln hoch im Wald;
Wolkenschatten fliehn und schreiten,
Und des Jägers Büchse knallt.
Geier krächzen in den Lüften,
Flücht'ges Reh verbirgt sich scheu;
Nordwind bläs't aus grauen Klüften,
Ruft den frühen Herbst herbei;
Armes Bergvolk, Reisig sammelnd,
Macht sich Pfade durch den Forst;
Bäche quellen, Leben stammelnd,
Wo des Berges Rinde borst.
Wo der Wanderer hindurch eilt,
Weile du! da fühle, lerne!
Sage Keinem, was dir kund ward,
Doch bewahr' es für die Ferne:
Was die ernsten Berge sprechen,
Trost gewährt es in den Flächen.

5.
Mittag! Stunde hehrer Feier,
Wo er schläft, der ewige Pan;
Helios strahlt ohne Schleier,
Spiegelnd ruht der Ozean.

Zephyr schlummert; aufgesogen
Ist der letzte Tropfen Tau;
Leiser schwätzen Murmelwogen,
Friede schwebt auf Tal und Au;

Hoch am Berg, im Haselschatten
Sitzt der mäßig-frohe Hirt,
Eingewiegt vom fernen, matten
Dorfgeläut', das herwärts irrt;

So der Dichter, der im Innern
Nichts beklagt, nichts forscht, nichts will;
Nennt's nicht Hoffnung, nicht Erinnern!
Selig ist er, und ist still.

6.
Im zartem Duftgewebe badet
Sich lächelnd die verjüngte Flur;
Und der durchwürzte Schatten ladet
Mich zum Genusse der Natur.

Hier mag ich wieder glauben, hoffen,
Ich gleiche dir, geliebtes Tal:
Uns hat des Sturmes Hand getroffen,
Nun grüßt uns auch der Sonne Strahl.

Es rauscht der Bach, die Zweige plaudern,
Die Fliege summt, die Käfer schwirren, —
Das Herz allein, es will noch zaudern —
Weil es ihm wohl wird, glaubt's zu irren.

Vom Schicksal bang gepreßt, verwirrt,
Muß es sich erst erweitern lernen
An euch, ihr blauen Riesenfernen,
Um die befreit das Auge irrt.

Und fällt der Blick zur grünen Erde,
Aufs Würmchen wird er hingelenkt,
Das dort, mit ärmlicher Beschwerde,
Sich durch die zarten Halme drängt;

Ist doch dem Halbgott wie dem Wurme
Das gleiche, ewige Los beschieden!
Bedenk' ich's nach vertobtem Sturme,
So stillt es mich mit ernstem Frieden.

Ich finde meine Gottheit wieder,
Der Zweifel flieht, vom West verhaucht,
Dann sehn' ich mich zu euch, ihr Brüder,
Weil meine Brust ein Echo braucht;

Zu dir zurück, geliebte Eine,
Die meine Prüfungsbahn verschont;
Das dumpfe Herz hieß sich das deine. —
Nun ist's dein wert: es ist versöhnt.

7.
Was kündet jener dumpfe Schall,
Der aus den föhrenschwarzen Gründen
Mit stets erneutem Widerhall
Tobt in den rauhen Felsenschlünden,
Als könnt' er keinen Ausweg finden?

"Er kündet dir den Wasserfall.
Gedrängt von gärenden Gewalten
Hat dort das junge Element
Den riesigen Granit gespalten,
Und unbesorgt, was leide, hemme,
Zerbricht's den Fels, entwurzelt Stämme,
Indes sich Strahl vom Strahle trennt.
Da lernen sie im tollen Wühlen
Erst ihre Ohnmacht schmerzlich fühlen,
Die Brüderstrahlen; sie vereinen
Im Becken sich, und, Hand in Hand,
Daß sie als goldner Strom erscheinen,
Erquicken sie das durst'ge Land.

8.
Welch ein tiefes, feierliches Schweigen!
Nur der Föhrenwaldung ernstes Neigen
Vor der Ahnung eines nahen Sturms,
Und im Holz das Picken eines Wurms.

Unbekümmert um der Erde Beben
Schleppt das arme Tier sein dürftig Leben
Knisternd zwischen Bast und Winde hin —
Seine Wiege ist, sein Grab darin.

Nun erkracht's! Des Donners Schläge schallen,
Die von hundert Wänden widerhallen;
Nieder zuckt ein Blitz — die Flamme sprüht —
Und der Stamm mit samt dem Wurm verglüht.

Und der Mensch? ihn ging der Strahl vorüber,
Aber trüber wird's und immer trüber;
In ihm tönt's: Es kommt auch deine Zeit,
Sichres Opfer der Vergänglichkeit!

Sinnend bleibt er auf dem Gipfel sitzen,
Das verstörte Antlitz folgt den Blitzen —
Ach! das kummervolle fleht nach Licht:
Es erscheint — allein es weilet nicht.

Endlich hat das Wetter sich verzogen,
Aus den Wolken tritt der liebe Bogen,
Der den Frieden kündet, zart heraus,
Immer schöner bildet er sich aus.

Sohn des Staubes! eines Vaters Güte
Spricht zu dem gereinigten Gemüte
Durch das wunderbare, holde Bild:
Wenn es nachtet, — Glaube sei dein Schild!

Glaube, daß die herrlichsten der Kräfte
Nicht ein Wahn mit Wirkungsträumen äffte,
Daß des echten Wohltuns edle Saat
Gegen reife nach des Höchsten Rat.

Diesen höchsten, kräftigenden Glauben
Laß dir in des Todes Nacht nicht rauben;
Und verlischt dein Stern auch — steure du
Der erkannten Richtung mutig zu!

9.
So lebt nun wohl, ihr goldnen Zinnen
Die noch des Abends Strahl umwebt,
Indes mit schwerer Brust von hinnen
Der heimberufne Wandrer strebt.

Lebt wohl! und ragt, der Erde Wächter,
Noch manch Jahrhundert kühn hinan,
Und lehret wechselnde Geschlechter:
Stark und beharrlich himmelan!

Epicharmos

Könnt' ich euch den Frieden geben,
Der in meiner Seele ist,
In den Äther euch erheben,
Der mich lind und klar umfließt!

Wo die Täuschungen verschwinden,
Sich das All beleuchtet zeigt,
Höh're Wünsche Boden finden,
Und der niedern Stimme schweigt.

Nennt es Farben, nennt es Töne,
Was durch alle Schöpfung quillt,
Und mit Abglanz reinster Schöne
Die gestimmte Seele füllt:

Göttlich ist's! die höchsten Musen
Brachten vom Olymp den Strahl,
Und entzündeten im Busen
Liebreich uns das Ideal;

Auf der reinen Flamme schwingt sich
Unser Geist zu reinem Glück,
Hält es glühend fest, und schlingt sich
Seliger in sich zurück.

Und da ruht er! spürt es rinnen
In den Adern der Natur,
Wie von Liebe; lauschend innen
Folgt er still der höchsten Spur.

Ihm wird klar, wie durch Verwandlung
Rings der Geist des Lebens schafft,
Und er fühlt in treuer Handlung
Die Bestimmung seiner Kraft;

Fühlt, daß die Erinnys rastet,
Wenn der Mensch sich nur erkühnt;
Daß den Fluch, der auf uns lastet,
Liebevolles Wirken sühnt.

Schöner blüht ihm dann die Rose,
Holder rauscht der goldne Fluß,
Und mit traulicherm Gekose
Schmeichelt ihm der Weste Kuß.

Hege das im stillen Herzen,
Wenn du matt den Arm schon senkst,
Und mit edlen tiefen Schmerzen
An der Brüder Irrtum denkst:

Bist ja doch des treuen Strebens
Warmer Liebe dir bewußt!
Wirke fürder! nicht vergebens
Glüht der Gott in deiner Brust!

Pflichttod

Du siehst den Falter, der im Feuer
Ein liebewillig Opfer starb;
Das Sterben war ihm allzu teuer,
Die Gluten lockten rosenfarb.

Du siehst den Guten, der am Bette,
Wo jammernd Sohn und Tochter saß,
Besorgt wie er den Vater rette,
Sein Leben gern — wie oft! — vergaß.

Du siehst den Starken, siehst ihn fallen,
Sein Antlitz noch im Tode wild, —
Siehst Helden mit der Leiche wallen,
Die festen Herzen lusterfüllt;

Sie schauen freudig hin nach Osten,
Verheißend wirkt der Morgenstern;
Laßt — rufen sie — uns Äther kosten!
Wer je gekostet, opfert gern.

Ihr Schmerzbeladenen! erfahrt es —
Die Welt begreift es ewig nicht;
Verzagt nicht! fasset und bewahrt es:
Aus Blut und Dunkelheit kommt Licht!

Chiser

"Sage, Jüngling, in dem grünen Kleide
Mit des Frühlings tröstlichem Geschmeide —
Sage, wo der Quell des Lebens fließt?
Heißt es doch, du habest ihn gesehen —
Ihn, aus dem, bei heitrer Ostluft Wehen
Ewige Verjüngung sich ergießt!"

Wohl, ich sah ihn, und ich leite hin.
Gürte dich mit Stärke und Vertrauen —
Folge mir durch mitternächtlich Grauen —
Wandre gläubig, wandre! du wirst schauen.
Fasse tief der Wandrung ernsten Sinn:
In dem Land der Finsternisse quillt
Jener Born, der deine Sehnsucht stillt, —
Überm Moder schimmert dort ein Grün, —
Deine Blumen sind's, die ewig blühn!
Hast du's wohl begriffen? pilgre hin!

      Und ich wandte meine Blicke
      Einmal noch ans Licht zurücke —
      Trat dann auf die finstre Brücke,
      Pilgerte die Nacht entlang:
      Leise fühlt' ich mich gesunden,
      Furcht und Hoffen war entschwunden,
      Linder bluteten die Wunden,
      Und die Klage ward Gesang.

Metamorphose
Gloggnitz 1854

Die Nebel, die das Tal verdüstern,
Ziehn sich zu jenen Felsenwänden:
Sie werden dort als Quellen flüstern,
Und Segnung in die Täler senden.

Wohin ich hier mein Auge richte,
Erblickt es der Verwandlung Spur:
Es malet sich die Weltgeschichte
In der Geschichte der Natur.

Ich sehe, was wir Willkür nennen,
Im ewigen Gesetz begriffen;
Der Mensch, die Welt, sind nicht zu trennen;
Verwandlungen sind Hieroglyphen
Von einer Schrift, die wir nicht kennen.

Der wähnt, den Seitenschritt zu zügeln,
Und schafft ihm unwillkürlich Flügeln. —
Und Jener, der sein reiches Leben
Dem Ganzen gläubig hingegeben —
Als er begann, da schien die Erde
Zu jubeln einem neuen Werde,
Ein Hoffnungsstrahl schien angefacht:
Doch war der Dämon bald erwacht,
Zertrümmerte die Schöpfung seiner Hände,
Und deckte ihn wie sie mit Nacht.
Verzweiflung war des Edlen Ende.

Das ist der alte Text. Hierüber
Ist, was geschieht, der Kommentar;
Hier hilft kein Ängstigen, mein Lieber!
Du bist mit drin, — so viel ist klar.
Allein dir ward ein Aug', zu schauen
Die Schlange, die den Zirkel macht;
Zuvörderst ihr nicht ganz zu trauen,
Dies sei bedacht;
Sodann, dich in den Platz zu schicken,
Der dir geziemt auf ihrem glatten Rücken,
Dich da wohl zu befestigen,
Die Nachbarwelt nicht zu belästigen.

Es ist getan. Nun gehst du weiter,
Und läss'st das Ungeheuer liegen;
Mag es den Zaudernden betrügen!
Du bist entschlossen, du bist heiter.

Jetzt fällt dein Blick, gestählt, gesammelt,
In wundersame, hehre Räume,
Entzückend-ernst, wie Jugendträume,
Die dir bisher die Schuppenhaut verrammelt.
Hier offenbart sich eine Welt,
Wo es dir mehr und immer mehr gefällt,
Die nur der fessellose Geist begreift,
Wie er in sich allmählich wächs't und reift, —
Der Damm zerbricht, das Leben fließt —
Du fühlst nun, daß es ewig ist.
Du lernest andre Kräfte kennen
Als jene, welche tötend trennen, —
Beruhigt schaust du auf die Schlange —
Es wird dir nicht mehr weh und bange.

Hier baue deine Liebe an,
In reinen, geistdurchdrungen Taten.
So viel kann dir der Bruder raten,
Doch jeder fängt's von vorne an.

Das Faß der Danaiden
Füllt nimmer sich mit Frieden —
Herakles bittre Mühen
Beschloß ein ewig Blühen.

Zuruf

Brüder wendet euch nach Osten,
Duft zu kosten,
Der des Geistes Leben nährt!
Auf zum Licht!
Zaget nicht:
Streben nur ist Menschenwert.
Kraft und Frieden
Auf die Müden
Gießt der heiligende Strahl;
Jede Bürde
Trägt Bewußtsein höhrer Würde;
Über nachtgewobne Werke
Siegt die Stärke,
Über Schmerz das Ideal.
Immer, zu!
Sonder Ruh'
Webt das herrliche Gespinst:
Kleider zu der Sonne Dienst;
Auf dem Altar legt sie nieder,
Es bekleiden sich die Brüder,
Und die Weihe faßt auch sie.
Da zerschmelzen unsre Lieder:
Harmonie,
Lang entbehrte, kehret wieder.
Nah und näher
Ahnt der Seher
Die Erfüllung alter Träume:
Sieht die dumpfe Nacht gewichen,
Kraft und Wollen, Zeiten, Räume,
Schön verschwistert, ausgeglichen.
Schlagt zusammen
Heil'ge Flammen,
Die noch still und einsam glühn:
Daß es werde!
Daß der Erde
Blumen des Olymps entblühn!
Zaget nicht!
Auf zum Licht!
Seid ja doch aus ihm entsprossen,
Seid ja doch aus ihm genährt:
Zeigt euch, herrliche Genossen,
Eures ewigen Ursprungs wert!

Mut

Nicht das allein ist Mut: ein Leben,
Das Todesgötter schon umweben,
Wo Schwerter blitzen, Lanzen ragen,
Noch kämpfend in die Schanze schlagen;

Ein höhrer Mut wird noch gefodert:
Die heil'ge Flamme höh'ren Lebens
Mit Opfern ird'schen Glücks zu nähren,
Zu sehn, wie sie allmählich sich verzehren, —
Und wenn das Feuer still verlodert,
Die Asche ruft: Es war vergebens!
Dann stumm-gefaßt, mit Ernst zu lächeln,
Und sie von neuem anzufächeln.

Stimmung

Gleichgesinnte magst du finden,
Und du fandest sie,
Aber bei der Horen Wandel
Gleichgestimmte nie.
Denn der Mensch, ein Sohn der Stunde,
Steht in ihrer Macht;
Diese Fessel zu zersprengen
Sei für dich bedacht:
Doch bei Brüdern harre billig,
Bis die Stunde kommt,
Die dem Streben reiner Liebe,
Reinen Wirkens frommt!

Höchstes

Über Flächen, über Klüften,
Über irdisch Wohl und Weh,
Über Flammen, Wässern, Lüften
Spannt ein Himmel sich: Idee.

Was sich selbstisch-karg hienieden
In erdachte Grenzen schließt,
Sieh nur, wie es dort in Frieden
Selig in einander fließt.

Schranken fallen, Schatten schwinden,
Alles Einzelne verschwebt —
Die Geopferten, sie finden
Sich im Ganzen frisch belebt.

Ach, wie anders war es drunten,
Als es hier im Licht erscheint!
Endlich haben wir's gefunden:
Alle haben's gut gemeint!

Epikur und Zeno reichen
Lächelnd sich die Bruderhand, —
Sie erkennen sich am Zeichen,
Worte waren Mißverstand.

Segen ist, was drunten kränkte;
Und der Falter sagt zum Licht:
Als ich mich in dich versenkte,
Flamme! da verging ich nicht.

Aus Pestalozzi's Fabeln

1.
Die erstaunten Pöbelhorden
Drängten gaffend sich an ihn:
"Bist ein Farbenpinsler worden?
Schuhe flicken, Seile ziehn,
Wär' ein nützlicher Bemühn!"
        Die ihr nun dem Freunde grollt —
        Seht ihn vom Geschick zerschlagen!
        Liebe hat er euch gezollt,
        Wollte Bürden für euch tragen
        Und in seiner Hoffnung Tagen
        Selbst sein Leben für euch wagen, —
        Doch ihr habt ihn nicht gewollt,
        Hießt ihn zweifelnd sich entfernen,
        Habt sein Dasein roh zertreten —
        Und in tiefsten Jammers Nöten
        Blieb ihm nichts als: malen lernen.

2.
Ein Bauernkind verachtete die Wolken:
"Wenn sie doch nur," sprach's ärgerlich zum Vater
"Den schönen, blauen Himmel nicht mehr trübten!"
Der Vater aber: "Kind! was hast vom Blauen?
Die grauen Wolken segnen unsre Saaten,—
Die grauen Wolken sind für uns der Himmel."

3.
                           
Ich erwache zum Werk des Menschen.
                                                                     Marc Aurel. V.


A. Sag': warum kräht nur der Hahn, bevor noch aus frühen Gewölken
Schon der Strahl uns bedräut, der uns am Tage versengt?
B. Daß du noch Einen Moment als Mensch dich mögest empfinden,
Eh' dich zu tierischer Fron treibt das Bedürfnis des Tags.

4.
Das Ufer sagte zur Welle,
Weshalb beschädigst du mich?
Die Welle sagte: der Strom nur,
Zu meinem eignen Verderben, —
Er wirft mich mächtig an dich.

5.
"Dieser Siechling wird bald sterben!"
Nein er wird noch lange leben!
Also sagte Vetter Asmus,
Und bewies des Satzes Wahrheit
Aus der Festigkeit der Knochen
Des lebendigen Gerippes.

6.
"Nur wenn ich den Stein zu Staube reibe,
Findet sich das Gold in seinem Busen," —
Also sprach zum Sultan der Adept.
"Und das Gold, das du ihm so entquälest —
Kaufst du nicht dafür von neuem Steine?"
Also lautete des Sultans Antwort.

Hermes aber hörte sie und sagte:
"Nicht dein Goldgewinnen fass' ich, noch dein
Steinekaufen; aber unter meinen
Händen wird ein jeder Stein zu Golde.
Es gestaltet schonend ihn mein Meißel
Zu der Götter Bildnis und der Menschen."

7.
Die Erde staunte zu den Bergen:
Wie konntet ihr auf mir entstehn?
Die Berge sagten, düster lächelnd:
Durch die Verhärtung deiner selbst.

8.
Es sprach der Zwerg im Angesicht des Riesen:
"Berechtigt mich doch auch wie diesen!"
Doch der: "das Recht lass ich auf sich beruhen;
Kannst du auch gehn in meinen Schuhen?"

9.
Wandrer schritten, fröhlich plaudernd,
Über Matten sorglos weiter:
Plötzlich, an des Pfades Wendung
Stand die ernste Felsenmasse
Drohend, schauerlich vor ihnen —
Und sie sahn sich an, und schwiegen.

Bald jedoch begann der Eine:
"Wär' sie doch zur Parkverschön'rung,
Und geschmackvoll angelegt!"

Und ein Andrer drauf: "Ich weiß nicht,
Was man Schönes daran findet!"

Und ein Dritter: "Ihre Wildheit
Reget Schauer an im Busen;
Sie von Tag zu Tag beschauend
Könnte man zum Narren werden.
Lasset uns von hinnen ziehen!"

Epochen

Stimm' sie mit an, die obsolete Klage
— Denn Jedem wiederholt sich das Geschick,
Der Kindheit unbewußte, holde Tage
Bringt kein elegisch Träumen dir zurück;
Des Lebens Urgeschichte wird zur Sage,
Zum Märchen wird des goldnen Alters Glück;
Ist's doch der Menschheit eben so ergangen!
Du wirst — ein Mensch — kein bess'res Los verlangen.

Die Knabenzeit, der Leidenschaften Wiege,
Knüpft sich mit mehren Fäden an dein Jetzt;
Im edlen Sinnbild froh gespielter Kriege
Schienst du dir an Eurotas Strand versetzt;
Schon fühltest du den Kranz erträumter Siege
Dir auf das sorgenfreie Haupt gesetzt —
Nun weißt du wohl: die Siege, wie die Schlachten,
Sie zeigten sich ganz anders, als wir dachten.

Mit Schmerz erfährt's der Jüngling. Seine Brust,
Erglühend für das Große, für das Gute,
Des besten, treuen Wollens sich bewußt,
Umharnischt sich mit hoffnungsvollem Mute, —
Und schmerzlich büßt sie die erhabne Lust
Mit ihres Herzens bestem, warmem Blute;
Weh! wenn zugleich, wie es entkräftend fließt —
Sich mit der Wunde auch der Busen schließt.

Noch hält ihn das Gefühl der Liebe offen,
Das heilend sich um alle Wunden legt;
Vom Strahl, der alle Rinden schmilzt, getroffen,
Fühlt sich das halberstarrte Herz bewegt,
Das, freundlich aufgetaut, erneutem Hoffen,
Erneuter Seligkeit entgegenschlägt:
Genieß' es seines Glücks! bis Scheidetränen
Zerreißend enden alles Glück und Wähnen.

Kann ihm die Freundschaft den Verlust ersetzen?
Sie kann beruhigen, kann lindern, stärken;
Der Arme darf an Edler Wort sich letzen,
Erheben an der Hochgesinnten Werken, —
Teilnehmend horcht er traulichen Geschwätzen,
Und läßt die Lücke seines Seins nicht merken;
Hier gilt es Mann sein! trotz der Menschheit Schauern
Die Mitternacht des Lebens überdauern.

Dies ist das Thema im Zenit des Lebens,
Durch unermüdet Wirken nur zu lösen;
Beharre, trotz des angebornen Lebens,
Beharre, trotz den feindlichen Getösen!
Nie sage dir: am End' ist's doch vergebens!
Du ruh'st, und bist in der Gewalt des Bösen;
Du wirst geprüft. Nun sollst du dich bewähren,
Im Tod' soll sich das Ewige verklären.

So ging's Jahrhunderten, aus deren Gärung
Die neue Zeit sich ernst entfaltete,
Als schonungslos barbarische Verheerung
Mit edler Vorwelt Trümmern schaltete,
Indes, zu höh'rer Lenkungen Verklärung,
Die neue Bildung sich gestaltete,
Durch Bruch des Einzelnen das Ganze rundend,
Dem Nachgeschlecht der Vorsicht Wege kündend.

So sieh' denn zu, daß auch aus deinen Trümmern
Ein Tempel sich dem Ewigen erhebe!
Laß dich das Unersetzliche nicht kümmern,
Sieh' nicht dem Toten nach! erschaffe, lebe!
Soll in der Lust Pokal der Purpur schimmern,
So blute, ihrem Stamm entpflückt, die Rebe:
Sie blute! muß doch manche Zeder fallen,
Bis zu des Höchsten Ehre stehn die Hallen;

Die Hallen, die trotz Sturm und Ungewittern
Dem Gläubigen des Trostes Zeichen sind; —
Die Nacht bricht an, der Wälder Eichen zittern,
Ans Fenster schlagen Regenguß und Wind,
Der Donner rollt, vermorschte Stämme splittern —
In diesen Hallen schläft es sich gelind;
Es läßt sich in den gottgeweihten Räumen
Von reiner Menschheit, bess'rer Zukunft träumen!

Das Alter naht; es bleiben diese Träume,
Sie weichen nicht mit ihrem schönen Blick;
Sie schmücken noch der Abendwolken Säume,
Und täuschen uns des Morgens Glut zurück;
Nun denn! das letzte Glas des Lebens schäume!
Das letzte Wort des Lebens sei Musik:
Ein heil'ger Wille lebt! dich ihm ergebend
Hast du gewirkt, und wirkest, ewig lebend!

Denn was gesä't ward irgendwo auf Erden,
Es sprießet einst zur Ernte schön empor;
Es wird gesegnet, wird vervielfacht werden,
Denn stets erneuend bringt es sich hervor,
Mag sich die Scholle noch so roh gebärden, —
Die Kraft, die in der Erde Tiefen gor,
Sie ringt sich siegreich an das Licht der Sonne,
Und grüßt den Tag mit jugendlicher Wonne.

In diesem Glauben opfre deine Tage
Dem ernsten, dem begriffenen Geschick;
Vergiß, was du verlorst! die tiefe Klage
Dräng' ins Gefängnis deiner Brust zurück;
Der Kindheit Ruhe wurde dir zur Sage —
Des Alters höh're Ruhe sei dein Glück!
Dich hellt das Ewige mit stillem Glanze —
Dem Leben schwindet dir ins große Ganze!

Ruhe

Du, Ruhe, bist das höchste Gut:
Der Mensch erkämpft dich nur durch Mut,
Durch ernste Übung bittrer Pflicht, —
Er hat dich, und sein Auge bricht.

Natur! wie anders ist's bei dir!
Wie weilt der Friede ewig hier,
Wie senkt er seinen Hermesstab
Auf dich, du ewig offnes Grab!

Verwesung, wo mein Auge späht,
Und Leben, wo mein Atem weht;
Der Fels verwittert: samtnes Moos
Ringt sich auf ihm zum Äther los;

In längst zerbröckeltes Gestein
Schlingt sich des Epheu's Grün hinein;
Und wo der See den Quell verschlang,
Furcht jetzt der Pflug das Tal entlang;

Beruhigt stirbt das Abendrot,
Und kaum weint Nacht den schönen Tod
Mit Tränen, die ihr Sterne nennt,
So glüht verjüngt das Firmament;

Ein glücklich Hüttchen ragte dort,
Der Bergstrom riß es mit sich fort;
Und an des Stroms verlass'nem Lauf —
Da baut man neue Hütten auf.

Und schaust du auf den Kirchhof nun,
Wo dieses Dorfes Ahnen ruhn:
Was zittert ums Gemäuer hin?
Wie schon auf Gräbern Blumen blühn!

Betrübt es dich? wie mag es nur?
Ein Friedensring ist die Natur:
Betrachtend, wie er ewig kreis't,
Erhebe sich des Menschen Geist:

An aller Wesen Lust und Schmerz
Vertröste sich des Menschen Herz —
Und schlage liebend sonder Ruh'
Dem Ozean der Gottheit zu.

Der Templer

Mit gebrochnem Herzen, bange fragend
Euch unsichre Strahlen östlich tagend —
Halt' ich dich, gestürzter Schaft,
Sinnbild der gebrochnen Kraft!

Muß sich doch der Mensch in Lebensjammern
An die Trümmer edlern Daseins klammern,
Und des Guten Träne fällt
Auf den Leichnam seiner Welt!

Molay fand die Wege zur Verklärung —
Seiner Pflanzung Frucht blieb uns: Verehrung;
Das ist alles. Nogaret's
Giftstrauch trug — und trägt noch stets.

Lebet wohl! ihr Träume, daß es werde!
Schlummert friedlich, Keime in der Erde!
Schlummert ewig! denn am Licht
Duldet euch Sirocco nicht.

Darum liebt der Träumer sich die Wüste,
Tiefer Schlummer bleibt sein letzt Gelüste —
Grabt ihn unter Blumen ein!
Bei den Träumen möcht' er sein!

Möchte lauschen, wie aus seinem Hügel
Gräser wachsen, die mit leisem Flügel
Der geliebte Ostwind kühlt,
Der so süß auf Gräbern spielt.

War vergebens seines Geists Bemühen, —
Wird doch Leben seinem Staub entblühen,
Holde Blüten sind wohl wert,
Daß ein Menschenleib sie nährt;

Holde Blüten, die mit frommen Augen
Aus der Sonne Glanz und Wachstum saugen,
Wenn der Mensch die seinen schließt,
Und in Selbstsucht blind genießt.

Mag sich so mein Staub verwandelnd läutern,
Bis der Pilger Pfade sich erheitern,
Bis der teure Stern erscheint,
Bis der Dulder nicht mehr weint.

Denn das weiß ich — werd ich's gleich nicht schauen
Einmal werden Brüder wieder bauen,
Und der Templer morsch Gebein
Wird des Tempels Boden sein.

Aber ihr, noch von des Lebens Schlangen
Wundgepreßt, in heißem Kampf umfangen,
Ringt als Männer freudig zu!
Schöner Tod ist Heldenruh'.

Wenn sie einst den Grundstein niedersenken,
Wird man unser wiederum gedenken, —
Unsrer Opfer ew'ger Wert
Wird betrauert, wird geehrt.

Unsre Namen wird man nicht erfragen —
Aber unser Leid hat Frucht getragen:
Aus der Asche Modergrün
Wird, ein Phönix, sie entblühn.

Weile, schönes Bild, mich zu ermuten!
Denn noch fühl' ich tiefe Wunden bluten;
Nacht ist's. Jeder Tropfen fragt
Im Verrinnen: wann es tagt?

Und ich lass' ihn fragen! — und versiegen,
Mir hab' ich die Antwort nie verschwiegen.
Treu der tief erkannten Pflicht,
Kämpfe, Bruder! hoffe nicht.

Dieses blut'ge Kreuz an meiner Seite
Ist mein Zeichen in dem schweren Streite
Meines Hügels einz'ge Zier,
Sagt's: ein Templer ruhet hier.

Poeten

Singet immer eures kleinen
Armen Lebens Hohngenuß!
Euer Lieben, euer Meinen,
Eurer Täuschungen Verdruß!

Des Geschlechtes Kraft und Weihe
Künde du, mein Hochgesang!
In den Schritt der Heldenreihe
Mische sich der Siegesklang;

Rührend tön' er: Unter Trümmern
Schläft der Väter heil'ge Kraft;
Ihre Schöpfungen verkümmern,
Denn der Enkel schwatzt und gafft; —

Höher schwell' er nun: die Klage
Lähmt des Adlers Götterschwung.
Auf! ermanne dich, und wage!
Wagend wirst du wieder jung.

Schütt' es aus, in Tat und Liedern,
All das Leben deiner Brust —
Tausend Harrende erwidern,
Tausend Herzen schwellt die Lust.
* * * * *
Jahr auf Jahr hab' ich gesungen —
Antwort suchte rings der Blick:
Lied auf Lied ist abgeklungen —
Doch kein Echo scholl zurück.

Nur des Sängers eigne Schmerzen
Sangt ihr, milde Rhythmen! ein, —
Treu bliebt ihr dem treuen Herzen,
Und es nennt euch doppelt sein.

Als der Stürme schaurig Wüten
Brand in seine Pulse goß —
Zoget ihr die stillen Blüten
Seines innern Himmels groß.

Habet Dank! es atmet wieder —
Doch es kam des Schweigens Zeit:
Ruht vergessen, liebe Lieder!
Unbegriffen, unentweiht!

Ergebung

Ich habe nicht umsonst vertraut!
In schmerzlichen und frohen Jahren
Hab' ich den Tempel aufgebaut;
Und was ich Trübes auch erfahren,
Ich wußt' ihn rein mir zu bewahren,
Der Gottheit würdig, deren Bild
Mich ahnungsvoll seit je erfüllt;
Und so gelang mir's, treu ergeben,
Nach kindlich-frommem, ernstem Streben,
Das kaum Gehoffte zu erleben:
Sie ziehen ein, die Götterscharen!
Und wenn ich alles recht bedenke,
Hab' ich zu danken und zu schweigen;
Mir kam auf meinen besten Wegen
Des Höchsten Wunderhuld entgegen;
Was ich erstrebte, ward mein eigen,
Mir ward ein Warnendes, das lenke,
Und, was kein blödes Auge sah,
Mir stund es groß und herrlich nah;
Ich denke dessen, und ergeben
Leg' ich in Gottes Hand mein Leben.

Abschluß

Schön klingt im Lied des Dichters eigne Lust,
Schön seine Qual, — sein eigenster Besitz;
Er lehrt, der tiefern Einsicht sich bewußt, —
Wir horchen gern — er lehrt mit Sinn und Witz:
Wir nehmen Teil an allem was er singt,
Weil sein Gefühl das unsre widerklingt.

Doch wenn des Dichters wie des Menschen Geist
Mit klarem Blick zum Ganzen sich erhebt, —
Und seinen Saiten, die kein Sturm zerreißt,
Nur selten mehr und ernst ein Klang entschwebt, —
Wer hört ihn da? wer folgt ihm bis dahin?
Da schweigt er nun, und ruht, und läßt sie ziehn.

Die Harfe

Treue Harfe! nie verdränge
Weltgetös dein heilig Rauschen!
All mein Leben war ein tauschen
Auf die holden Zauberklänge,
Die zwar meine Hand erregte,
Doch ein Höh'rer in dich legte.

Warst Gespielin meiner Jugend,
Trieb und Lohn verschwiegner Tugend,
Süßes Labsal in der Wüste,
Schirm von niedrigem Gelüste,
Echo still verhauchter Klage,
Nachhall wonnevoller Tage,
Zeuge schönstem Freundesbunde,
Palmenluft in heißer Stunde,
Harter Kämpfe höchster Kranz,
Freundin, so in Nacht als Glanz, —
Was du immer auch verschönt,
Hast doch nur dem Herrn getönt!

Dieses Leben, seine Gabe,
Blieb dem Höchsten fromm geweiht,
Bleib auch du mein treu Geleit,
Liebe Harfe! bis zum Grabe:
Bis es weht aus kühler Gruft,
Bis, ein höher Lied zu lernen,
Zu geahnten, bessern Sternen
Uns des Vaters Stimme ruft:
Rausche dann noch einmal, singe
Seine Größe, — und verklinge!