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Quelle:

Gedichte

Ernst Freiherr von Feuchtersleben

Stuttgart und Tübingen 1836
in der J.G. Cotta'schen Buchhandlung


Uns treibt's hinaus in Jugendjahren,
Wir sollen Glück und Pein erfahren!
so wirkt in uns ein dunkler Trieb —
Wir leben, dichten, ihm zu lieb;
Doch alle Wünsche, alle Triebe,
Verschmelzen bald in Einen: Liebe.
 

I.
Trieb

 

Den Musen
Lyra
Nach altdeutscher Weise
Im Zaubertale
Lust und Leid
Abendstern
Liebe
Lied vom Vergessen

Melancholie
Shakespeare
Ein wahres Wort
Resignation
Verlust
Lebensgewinn
Herz
Zeitnützung
Bacchisch

Ein Lied
Wein und Liebe
Kegelspiel
Rauchlied
Ermunterung
Gaben

Feierabend
Vögelwanderung
Unterm Wandern

 
In Nöten zu singen
Flug
Spruch
Beschauung
Im Walde
Mittelalter
Sonnenblume
Ermannung

 

Den Musen


Mein Lied, es rauscht aus dunklen Klüften,
Es säuselt aus des Himmels Lüften,
    Ums Echo kümmert es sich nicht;
Es kommt doch nur aus meinem Busen
Und singt in Schlummer die Medusen,
    Wenn ihr Gelock mein Herz umflicht.

Auf eine Weile wird es stille —
Und selbst die warnende Sibylle
    Verkündet nichts so lang' es tönt:
So stamml' ich euch denn Dank entgegen,
Ihr Göttlichen! für einen Segen,
    Der selbst des Menschen Los verschönt.

Lyra

Auf dem Kahn, gebaut aus Jugendtrümmern,
Schifft der Mann die ungewisse Bahn;
Einzelne, verlorne Sterne schimmern,
Ihn umatmet rings der Ozean.
Die verlass'nen, veilchenreichen Auen
Kann sein Auge nimmermehr erschauen —
Fragend strebt es ins Gewölk hinan.

Antwort rollt ihm aus den schwarzen Fernen —
Es erhebt sich des Orkanes Wut, —
Und, verlassen von den letzten Sternen,
Tanzt das Boot auf der empörten Flut;
Leidenschaften, Todesblitze zischen,
Droh'nde Donner murren dumpf dazwischen —
Über Bord wirft er sein liebstes Gut.

Angstdurchzittert dröhnt der morsche Nachen,
Treibend übers weite, off'ne Grab —
Finst're höhnende Dämonen lachen:
Schöner Friede, der sich dir ergab!
Und verzweifelnd greift er in die Saiten —
Und des Schmerzes Melodie'n begleiten
Tröstend und verklärend ihn hinab.

Nach altdeutscher Weise

1.
Es ist bestimmt in Gottes Rat,
Daß man, was man am liebsten hat,
Muß meiden;
Wiewohl nichts in dem Lauf der Welt
Dem Herzen, ach! so sauer fällt,
Als Scheiden! ja Scheiden!

So dir geschenkt ein Knösplein was.
So tu' es in ein Wasserglas, —
Doch wisse:
Blüht morgen dir ein Röslein auf,
Es welkt wohl noch die Nacht darauf;
Das wisse! ja wisse!

Und hat dir Gott ein Lieb beschert,
Und hältst du sie recht innig wert,
Die Deine —
Es werden wohl acht Bretter sein,
Da legst du sie, wie bald! hinein;
Dann weine! ja weine!

Nur mußt du mich auch recht verstehn.
Ja, recht verstehn!
Wenn Menschen auseinandergehn,
So sagen sie: auf Wiedersehn!
Ja Wiedersehn!

2.
Nach Frankreich bin ich gangen,
In Welschland war ich auch;
Sie haben Sitten allerlei,
Manch wunderlichen Brauch;
Sie haben dies, sie haben das —
Es fehlt doch was;
Nur weiß ich nicht,
Was ihnen eigentlich gebricht;
Die Rede will nicht recht heraus,
Der Blick geht nicht vom Herzen aus,
Es ist nicht wie bei uns zu Haus!

Nach Deutschland bin ich kommen
Zurück nach manchem Jahr;
O wär' ich lieber blieben heim!
Ich war ein rechter Narr.
Und sucht wo Einer, was ihm fehlt
In weiter Welt —
Glaubt sicherlich
Er ist und bleibt ein Narr wie ich;
Er hat's daheim, und geht hinaus,
Und kommt er heim, so ruft er aus:
Zu Haus nur ist man recht zu Haus!

*  *   *

Was einen Guten glückselig macht,
Es findet sich überall, bei Tag und Nacht.

Im Zaubertale, unfern Linz
An G.

Weit, weit vom Stadtgewühle,
Vom wüsten Bacchanal,
Trag' ich die Schmerzgefühle
In dieses stille Tal;
Hier, wo nicht Späher lauschen,
Die Scabiose sprießt,
Wo mit des Mühlbachs Rauschen
Mein Lied, melodisch fließt —
Hier laß mich weinen, weinen,
So recht nach Wunsch und Lust,
Enthüllen diesen Steinen
Den Inhalt meiner Brust.

*  *   *

Des Äthers Blau wird trübe,
Wie Rosen schimmert's drauf:
Dann steigt der Stern der Liebe
Am Horizont herauf;
Und wie aus Ahnenzeiten
Der Sage Dämmerschein,
So quillt ein magisch Läuten
Ins grüne Tal herein;
Der stille Vollmond, labend
Mit Ruhe und mit Pracht,
Glänzt, während noch der Abend
Mit goldnen Wellen lacht.

Da denk' ich all der Lieben,
Der Lieben hier und dort —
Und fühle mich getrieben
Aus sich'rem Friedensport.
Ihr Pflanzen, grünt! und tragt nur
Der Erde Jahreszoll!
Der freie Mensch erfragt nur
Bei Menschen, was er soll.
Doch — enden die Geschicke
Den edeln Traum der Wahl:
Dann froh zu dir zurücke,
Du stilles Zaubertal!

Lust und Leid

Was überschwenglich
Dich entzückt,
Das ist vergänglich,
Wird entrückt.
Stürmen alle Schmerzen
Auf dich ein,
Wird bald im Herzen
Friede sein.
Kurz, stürmisch - schauernd:
Leidenschaft;
Still, aber dauernd:
Liebeskraft.
Was schnell entsprungen —
Schnell verweht's!
Was Schmerz errungen,
Fest besteht's!
Des Menschen Leben,
Wie sein Wort,
Es rauschet eben,
Rauschet fort:
Von Ort zu Ort, in
Lust und Leid, —
So rauscht es fort, in
Ewigkeit.

Abendstern

       Bist du noch fern,
       Dämmernder Stern,
Wie vereinsamt irrt dann mein Blick!
       Glänzest nun du,
       Heilige Ruh',
Auf des Freundes Geschick:
Wie befriedigt ist er da!
Denn er fühlt sich Liebe nah;
       Fühlt in der Brust
       Wehmut und Lust,
Fühlt ein reines Glück!

Liebe
1826

Wenn dich alles,
Alles im Leben verläßt,
Die Hoffnung auch,
Die seligbetrügende
Jugendfreundin —
Dann kehrest du ein
In deines Busens
Ernste, schlummernde Wundertiefe.
Du schauest, staunest,
Und fassest dich.
Nicht was du verloren
Findest du wieder —
Du findest mehr.
Wenn du aber,
Unglückseliger,
Dich selbst verlässest,
Dann irrst du betäubt, vernichtet,
Durch lichtlose, ewige,
Tonlose, unaussprechliche
Einsamkeiten.
Schwingen des Todes
Rauschen ums Haupt dir.

Wir klagen, wir irren
Auf Pfaden der Nacht.
Die schönen Wiesen,
Auf denen wir spielten.
Wir finden nie wieder dahin zurück!
Die blauen Alpen,
Von denen wir träumten,
Wir erreichen sie ewig nie!
Uns über'm Scheitel
Murren Gewitter,
Die Erde wankt
Unter unsern Füßen;
Sterne der Liebe,
Die dich geleiteten,
Ewige Wolken
Bergen sie nun.

Tiefer im Busen,
Siehe! was schimmert
Licht auf den Pfad mir?
Bist du nicht auch
Ein Stern der Liebe?
Aber ein andrer
Wie die da draußen;
Sagst mir im Tiefsten
Worte des Lebens:
Geliebt werden —
Es ist süß,
Aber es schwindet;
Selber lieben
Aus reiner Fülle —
Seligkeit ist es,
Göttlich lohnende dich,
So lange du dauerst.

Lied vom Vergessen

Selig, wer den Lebensgluten
Aus dem Lethe Kühlung trinkt,
Selig, wer in seinen Fluten
Für die Ewigkeit versinkt!

Manche Quelle rauscht hienieden,
Klar und trübe, kalt und heiß:
Doch nur Eine sprudelt Frieden,
Frieden, der nichts will noch weiß.

Laß mich dies Nepenthe nippen,
Reich' mir, Hades, den Pokal!
Mutig, lustgewohnte Lippen,
Saugt euch an zum letzten Mahl!

Holde Schöne! süßes Wesen!
Nur die Stunde ist gewiß;
Wenn der Freund dir lieb gewesen,
So vergiß ihn, o vergiß!

Mit verwandelten Gebärden
Kosen wir vielleicht, mein Kind,
Wenn kein Waller mehr auf Erden
Weiß, daß wir gewesen sind.

Melancholie

I. Morgens

Der Morgen weht mit zarten Lüften,
Und spielt mit Gras und Blatt' und Blüt',
Und haucht aus tausend süßen Düften
Erinnerung in mein Gemüt.

Wie bald verweht des Lebens Morgen!
Kein Frühling macht uns wieder jung;
Was bleibt uns, zwischen Pein und Sorgen,
Als du — als du — Erinnerung?

Momente kommen, gut und herzlich,
Und man vergißt das schlimme Jahr;
Ach, man gedenkt, entzückend-schmerzlich,
Der Stunden, da man glücklich war!

Das Leben ist ein Kranz von Blüten,
Tief zwischen Dornen eingewebt;
Nur die erringen, die sich mühten,
Nur wer geweint hat, hat gelebt.

II. Abends

Einer schwanken Wiege Schaukeln,
Bald darauf ein schmaler Schrein,
Jetzt der Morgenträume Gaukeln,
Jetzt des Abends fahler Schein.

Stetes Werden, stetes Schwinden,
Alldurchschallendes Warum!
Stetes Trennen und Verbinden —
Frägst du, Tor? Natur bleibt stumm.

Tausend Millionen Lichter,
Und die Nacht bleibt Finsternis;
Tausend Weise, tausend Dichter —
Und das Unglück nur gewiß.

"Frisch! des Kummers dich entledigt!
Sanfte Ruhe! heit're Tat!"
Ach, es ist so leicht gepredigt,
Wenn man nichts erfahren hat;

Nicht erfahren, daß von Schmerzen
Selbst das Herz des Weltalls bricht,
Daß für edle Menschenherzen
Du nur Trost hast: falsch' Gedicht!

Shakespeare

Atlas trägt die jammerschwere Kugel
Unsrer Welt auf seinen Riesenschultern,
Trägt den Sack und Pack der ganzen Menschheit;
Und im Tragen wälzt er sich die Kugel
Über'm Haupt, um sie von allen Seiten
Zu beschaun, sie etwa zu erleichtern,
Wenn er sie am rechten Punkte faßte; —
Leichter wird sie nicht! allein im Drehen
Unvermerkt glitt Jahr auf Jahr hinunter; —
Durch Betrachtung ward die Zeit betrogen.
Und die Stunden alle, die uns Atlas
Von der Kugel zu erzählen wußte!
Wunder, welche dich, o Zeit! um manchen
Aeon noch betrügen werden! Doch du
Leihst dich willig, leihst dich gern dem hohen
Manne, dem Erheiterer der Stunden,
Dem Verschönerer des Glücks, dem Tröster
In getrübter Zeit, dem Kenner unsrer
Herzen, der wohl weiß, wo's Jedem weh tut,
Der für Jedes einen Balsam mitbringt,
Der mit Frohen lacht, mit Duldern trauert,
Dem Erlöser des Geschlechtes, der die
Leiden seiner Brüder trägt und ausspricht,
Dem Erzähler herrlicher Geschichten:
Dem verehrten, hohen, lieben Atlas.

Ein wahres Wort
1824

Ein wahres Wort, es ist so selten,
So selten wie ein wahrer Mann;
Die Falschen lassen es nicht gelten,
Das sich nicht geltend machen kann.

Ein wahres Wort scheint kühl und trocken,
Das falsche gleitet leichter fort.
Zwar wenn die Räder alle stocken,
Da wär' es just am rechten Ort;

Doch da muß Fett her oder Eisen,
Geht's nicht gelind, geht's mit Gewalt:
Wenn nur zur Not die Räder kreisen!
Das wahre Wort ist längst verhallt.

Doch, nun ist's mit der Kunst zu Ende,
Das Holz ist morsch, der Schmied ist fort;
Da stehst du nun, und ringst die Hände:
Wo ist — ach wo! ein wahres Wort?

Resignation

Wend' ich aufs Vergangne
Prüfend mich zurück:
Trifft auf schwarz behangne
Särge nur mein Blick.

Schau' ich in das Heute,
Was gewahr' ich drin?
Alles Leben deute
Auf Verwandlung hin.

Unerforschter Weiten
Dämmerung verschließt,
Was in fernen Zeiten
Mir bereitet ist.

Und so schiff' und lenk' ich
Durch die Nacht dahin;
Wohlgemut bedenk' ich,
Welch ein Nichts ich bin.

Laßt uns, was auch dräue,
— Weil wir das verstehn —
Ohne Furcht und Reue,
Lächelnd untergehn!

Verlust

Ach, wie so lachend,
Ach, wie so mild,
Sah ich erwachend
Am Morgen dein Bild!
Und wie so labend,
Selig vergnügt,
Hat's mich am Abend
In Träume gewiegt!
Immer noch mein' ich,
Daß ich es habe —
Ach! und doch wein' ich
Über dem Grabe!

Lebensgewinn
1826

Zwischen Schmerz und Freuden,
Leben, fließe hin!
Hab' ich doch von beiden
Reichlichsten Gewinn!

Gottes Schönheit seh' ich,
Wie ich froh bin, ein;
Holde Pflicht — versteh' ich —
Soll mir Freude sein.

Kommen dann die Schmerzen —
Kommt nur immerhin!
Lehrt bereitem Herzen
Kraft und Menschensinn!

So, in dunkler Tage,
Wie in heller, Lauf,
Baut, aus Lust und Klage,
Sich die Weisheit auf.

Rinne, Strom des Lebens,
Rinne nur so zu!
Rannst doch nicht vergebens,
Flücht'ge Welle, du!

Liebe war am Quelle,
Liebe war im Hain —
Liebe wird, o Welle!
Wo du landest, sein.

Herz

Das seltsame, törichte, fragende Herz,
Im Glücke so bang, so glückselig im Schmerz —
    Was mag es nur ewig so klopfen?
Es klopft, ach! nicht ewig; es bebet, es harrt,
Bis das Blut in den Gängen des Lebens erstarrt,
    Allmählich, von Tropfen zu Tropfen.

Dann schweigt es; dann ruht es; Dämonen der Welt
Sie tragen's ins Haus, das nicht Helios hellt,
    Das die Schatten Persephone's schwärzen;
Doch die darin pochte, die selige Kraft,
(Die Hülse zerstiebte) — sie hat sich entrafft,
    Und fliegt an das Herz aller Herzen.

Zeitnützung

Unter dicht verrankten Zweigen,
Wenn des Tages Klange schweigen.
Angehaucht von lauen Westen —
Lesen Dichter sich am besten;

Wieder: wenn man nächtlich-leise
Ausruht von des Tages Reise,
Ausruht von des Tages Pflichten
Läßt es sich am besten dichten;

Aber wenn in bösen Stunden
Bluten die vernarbten Wunden,
Aufgeritzt vom Dorn des Lebens —
Lies'st und dichtest du vergebens.

Bacchisch

1.
Hast in wonnevollen Tagen,
Über Lust und Pein getragen,
Du die Erde überschwebt?
Lustdurchschauert? Darfst du's sagen?
Qualberauscht? — Du hast gelebt!
Hat dir's nie im Taumelschweben,
Im Erlangen, Kühner-streben,
Selig durch die Brust gebebt?
Nur der Übermut ist Leben!
Kennst ihn nicht? - Hast nicht gelebt!

2.
Ihr müht euch fruchtlos!
Was schöpft ihr Weisheit
Aus dem Gefäße
Der Danaiden?
Ein Dithyrambos
Ist unser Leben:
Wir wandeln rhythmisch
Ums Licht der Schönheit
In heil'gen Kreisen;
Die Götter sehn uns
Und nicken freundlich.

Ein Lied

"Ein Lied ist bald gesungen!"
Herr Krittler spricht's, und lacht;
Kritik ist bald verklungen,
So bald fast als gemacht!
Ein Lied, das ungezwungen
Mit echten Frohsinns Macht
Ertönt von wackern Zungen,
Hat Manches angefacht,
Was Krittler nie erschwungen,
Was Krittler nie erdacht;
Und ist's nur echt entsprungen,
So habt es wohl in Acht:
Dann sei es frisch gesungen,
Und Krittler ausgelacht!

Wein und Liebe

Ein Gläschen Wein ist gar so gut;
Und wie's dem Herzen wonnig tut!
Durch den charmanten Rosenflor
Kommt Einem alles rosig vor.

Dazu ein Pfeifchen, das gut brennt;
Das wäre so dein Element!
Warum denn nicht? Es schäme sich
Der Gleißner des, und gräme sich!

Doch hat das alles keinen Sinn,
Wenn ich allein am Tischchen bin;
Ich bin nur ich; ich brauch' als du
Ein liebes Kind doch auch dazu;

Ein herzig's, das mit trinkt und lacht,
Und mir geheime Zeichen macht;
Allein hat's Trinken kein Gewicht;
Wozu denn das? Das mag ich nicht!

Kegelspiel

Den Werfer soll der Wurf erproben!
Kraft und Gewandtheit lenkt das Spiel;
Ist nur die Kugel gut geschoben,
So kommt sie sicherlich ans Ziel.

"Allein, wird auch das Glück erhandelt?
Die Bahn ist holprig, sandig, feucht;"
Auch gut! so heißt es: angewandelt!
Der nächste Schub gelingt vielleicht.

Ein "Pah!" den Rezensentenflegeln!
Man macht nicht immer alle neun;
Es werden doch von allen Kegeln
Am End' ein paar getroffen sein!

Und Bruder! den erschobnen Gulden,
Den trage du mir nicht nach Haus!
Soll man den Ruf vergebens dulden
Ein Taugenichts zu sein? — Trink' aus!

Rauchlied

Laßt uns unsre Pfeifen stopfen!
Alles in der Welt ist Rauch;
Herzen, die vor Wonne klopfen,
Bange Herzen, sind es auch.

In den lieben blauen Wölkchen
Blasen wir die Grillen weg;
Sind wir doch ein eignes Völkchen,
Ohne Arbeit, ohne Zweck;

Hören nicht des Mißmuts Flüstern,
Der nur fern von Rauchern schleicht;
Hören bloß der Blätter Knistern,
Wie das Feuer durch sie streicht;

Riechen nicht, wie weis're Männer,
Schon von fern Verräterlust;
Riechen nur als Kräuterkenner,
Unsres lieben Krautes Duft.

Unsre Feinde müssen weichen,
Dampf und Qualm sind unser Schutz;
Unser Trost bei bösen Streichen
Ist: auch wir sind nicht viel nutz.

Drum, die Götter zu versöhnen,
Zündet ihnen Opfer an!
Zwischen des Gesanges Tönen
Dampft mit Andacht himmelan!

Ermunterung

Es flattern, ach! des Frühlings Bilder,
Wie seine Schwalben, uns vorbei:
Die Stürme blasen wild und wilder,
Wir merken, daß es Winter sei.

Allein das Frühjahr im Gemüte
Bewahrt mir vor des Winters Frost!
Wie herrlich, wenn des Scherzes Blüte
Verjüngend aus dem Schnee noch sproßt!

Ich weiß auf Erden nichts Erhabner's
Als einen heitern alten Mann,
Der, ohne Groll und Ärger, Rabners
Und Börne's Bücher lesen kann;

Der, trotz der Allgemeinen Zeitung,
Sein Pfeifchen ganz behaglich schmaucht,
Und, im Gewirr der Welt, zur Leitung
Nur einen Blick nach Innen braucht.

Doch wer als Mann den Scherz entfernt hat,
Er findet ihn im Alter schwer;
Ihr wißt, was Hänschen nicht gelernt hat,
Das lernet Hans dann nimmermehr.

Gaben

Verstand, um klug zu unterscheiden,
Vernunft, das All in Eins zu fassen,
Leichtsinn für unbesiegbar Leiden,
Mut, wenn sich Qualen zwingen lassen,
Sinn für den Stoff des Glücks im Leben,
Und Phantasie, ihm Form zu geben:
Fürwahr! ein solch halb Duzend Gaben
Schafft' ich mir ohne weitres an;
Könnt' ich sie je beisammen haben,
Schien' ich mir ein gemachter Mann!

Feierabend

Brüder, horcht! das Glöcklein klang
   Uns zum Feierabend;
Wenn den Braven Schweiß durchdrang,
   Kommt die Ruhe labend.

Wer da leere Halme drischt,
   Bleibe stets geschäftig;
Wen die kräft'ge Tat erfrischt,
   Raste; aber kräftig!

Raste im Genossenchor,
   Freu' sich des Gelungnen —
Schwinge sein Glas mit empor
   Zu emporgeschwungnen!

Edle Herzen öffnen sich
   Zwischen wackern Scherzen,
Offenbaren brüderlich
   Hoffnungen wie Schmerzen.

Nur der Falsche schließt sich aus,
   Mit gelähmtem Mute;
Singt ihn frisch und froh nach Haus, —
   Daß er brav sich spute!

Halt! wer wandelt dort entlang
   Weg von unsern Chören?
Dämpfet, Freunde! den Gesang,
   Daß wir ihn nicht stören!

Was der Arme eingebüßt,
   Wir ersetzen's nimmer!
Seine Bahnen übergießt
   Keiner Hoffnung Schimmer.

Bringt ihm ungesehn dies Glas:
   Lindr' ihm Gott den Kummer! —
Nun den Abschiedstrunk, mit Maß,
   Dann zum süßen Schlummer!

Stoßet an: den Tätigen!
   Denen, die dann leiden!
Allen soll es wohl ergehn!
   Und so laßt uns scheiden.

Vögelwanderung

Nun der Herbst ist kommen,
Nun fliegen wir fort
In südliche Lande, —
Wie fröhlich ist's dort!
Nun der Abend ist kommen,
So brechen wir auf,
Vor Geiern zu schützen
Den nächtlichen Lauf.
Der Star und die Wachtel
Probieren das Glück,
Es bleibet vom Buchfink'
Das Männlein zurück.
Hoch trägt sich die Schwalbe
Auf herbstlichem Wind;
Nach Süden, nach Süden!
Ihr Kinder, geschwind!
Ihr Gatten, ihr Brüder,
Lebt wohl, die ihr bleibt!
Wir kommen erst wieder,
Wenn die Knospe treibt.

Es wandern die Vögel,
Die leichten, so gern;
Es wandern die Freuden,
Es wandert der Stern;
Es wandern die Leiden,
Die flüchtigen auch:
Es ist so das Wandern
Nun einmal der Brauch!
Der Star und die Wachtel
Verlachen das Glück —
Und, fauler Geselle!
Und du bleibst zurück?
Halloh! die noch schlafen,
Von Träumen frisch auf!
Mit Strahlen Aurorens
Besinnt mir den Lauf.
Im Schlafe wird Keinem
Die Palme des Siegs:
Wohlauf denn! so rühr' dich!
Das Ziel winkt — erflieg's!

Unterm Wandern

Sieh nur: sie hätscheln sich, schelten sich Freunde;
Flüchte mit uns aus der schalen Gemeinde!
Unter Vernünftigen, kräftig Gesinnten
Wirst du veredelt dich wiederfinden.
Innig beisammen, und trennten sie Welten —
Was Einer ist und kann, lassen sie gelten;
Bei der Begegnung, unter dem Wandern,
Stärket sich herzlich Einer am Andern,
Selten durch Worte, öfter durch Taten —
Jeder will helfen, Keiner wird raten.
"Bruder, was schaffst du?" — "Ach, ich bin müde!" —
"Gut! so ersäuf' dich! drunten ist Friede."
Nun ja, ich schaffe schon! Glückliche Reise!
"Leb wohl! frisch abgewandt! kennst ja die Weise."

In Nöten zu singen

Larifari heißt das Wort,
Welches mich am tiefsten tröstet,
Wenn der Böse meine Seele
Auf dem Rost des Kummers röstet.

Fiel denn meines Aug's Gewässer,
Als ich laut mein Elend klagte?
Als ich Larifari sagte:
Seht! da ward's auf einmal besser.

Wort des Segens, Wort der Liebe!
Linderndes das Lebensjoch!
Wenn dem Menschen nichts mehr bliebe,
Bleibt ihm Larifari noch!

Was kein Dichter je beschrieben,
Unsern Jammer, Angst und Graus,
Unser Leben, Hoffen, Lieben —
Larifari drückt es aus.

Darum, wenn das arme Herz
Reue, Qual und Sorge pressen,
Wend' es sich im stummen Schmerz
An das große Larifari!

Flug

Fasse, Seele, nun die Zügel!
Deiner Herrlichkeit gedenke —
Blicke nicht auf Au' und Hügel —
Stumm vorüber, vorwärts lenke!

Stürzt auch rechts und links vom Wagen
Manches Kleinod, Göttergabe —
Mag es stürzen! Freude tragen
Wird's dem Keuchenden am Stabe.

Der dir folgt, der mit Entsetzen
Schaut den Sturmflug deiner Rosse;
Laß ihn schauend sich ergötzen;
Auf! Du bist nicht sein Genosse.

Ikarus verfiel den Wogen,
Phaëtons Geschick, wir kennen's!
Du, Irion! wardst betrogen
In der Wollust des Entbrennens;

Und der Schwächling hört's mit Beben;
Wir, Genossen! glühn und streben:
Was auch dunkle Parzen weben,
Leben wagen wir fürs Leben!

Spruch

Beachte sorgsam Alles,
Die Welt wie das Gedicht,
Den Weisen, wenn er schweigt, und
Den Toren, wenn er spricht.
Des Menschen Aug' verträgt nicht
Das ungetrübte Licht,
Und ohne träumen hätte
Das Wachen kein Gewicht.
Erkenne, was dir wurde,
Woran es dir gebricht;
Was Welt und Stunde fordern,
Vollbring's und zaudre nicht!
Wer sinnt und sinnt und zögert,
Bleibt trotz dem Sinn ein Wicht —
Den nenn' ich einen Helden:
Der, wenn er fällt, noch ficht.
Verschließ in Groll dein Herz nicht,
Es liebe, bis es bricht;
Erinn're dich und hoffe!
Vergiß und fürchte nicht!

Beschauung

Vom eklen Spiel des Tags ermüdet,
Von stiller Einsamkeit umfriedet,
Senk' ich das Haupt in ernster Lust,
Melancholie! an deine Brust.

Du, Leben! bist das Schlangenbild:
Wer es beschaute, ward gesund;
Du bist die Sphinx: wer sie enthüllt,
Ihm stürzt sie in den Opferschlund.

So laß mich denn, in finst'rer Stunde
Mich in dein grau'nvoll Wort versenken,
Und männlich sinnend, jede Wunde,
Die du uns grausam schlägst, bedenken.

Sie sei'n geöffnet — mag es bluten!
Der tiefe, ungeheure Schauer,
Die große, rettungslose Trauer,
Sie sollen furchtbar mich ermuten.

Der Schwache kehrt den Blick vom Ziel —
Ich zitt're nicht, der Würfel fiel:
Nun mag es donnern, mag es nachten!
Ich will mit stummem Mut betrachten.

Im Walde

Wenn der Geknechtete,
Schnöde, Geächtete,
Schonungslos rechtete,
Wenn er den Glauben ließ,
Liebeswort von sich stieß,
Trost in die Lüfte blies —
Wer von euch richtet ihn?
Fraß ist der Tierheit Heil,
Zwiespalt der Menschheit Teil:
Geht hin, und schlichtet ihn!
Heilige Lüfte! Dank!
Wer eure Düfte trank,
Spürt, wie das Staubgewand
Tief in die Grüfte sank —
Und, wie die Welt verschwand,
Ahnt er ein Glaubensland.
Geister, sie suchen ihn,
Rauschen durch Buchen hin,
Höhnen, zu Sturm geballt,
Menschlicher Wurmgewalt;
Edlem Gemüt verwandt,
Eng ins Geklüft verbannt,
Welle, dich kräuseln sie —
Liebevoll säuseln sie
Hoffnungslos Müden Ruh'
Freiheit und Frieden zu!

Mittelalter

Lächle du der Väter Tagen,
Armes, klügelndes Geschlecht!
Und mit schläfrigem Behagen
Horch' den eitlen Kindersagen
Von dem Glauben, von dem Recht;
Von der Kraft, die sich ergeben
Opfert für der Menschheit Leben,
Von dem echten Rittersinn;
Von der Liebe, vom Entsagen,
Von der Treue, von dem Wagen:
Horche zu, und welke hin!

Sonnenblume

Holde, wunderbare Pflanze:
    Weibliches Gemüt!
Wie sie, nur dem Herrn zum Kranze,
    Tausendfach erblüht!
Aber, wird er auch erwarmen,
    Er, für den sie reift, —
Er, nach dem mit tausend Armen
    Welt und Schicksal greift?
"Wolle" — fleht sie — "mir nicht wehren!
    Wandle deine Bahn,
Aber schau' mein Selbstverzehren
    Herr! mit Rührung an!"

Ermannung

Wenn der letzten Sterne bleicher Schimmer
Deiner Jugend schwindend Bild erhellt,
Blickst du, schmerzlich scheidend, auf die Trümmer
Deiner schönen, früh zerstörten Welt:
Ach, wo seid ihr, liebgeword'ne Träume?
Klagend schallt der Ruf durch öde Räume.

Unsres Herzens tiefsten, bangen Fragen
Wird Erwied'rung nicht, so lang' es schlägt, —
Der Verzweiflung lauten Jammerklagen
Bleibt die Schöpfung still und unbewegt;
Glück und Elend deckt derselbe Hügel —
Seine Blumen fächelt Zephyrs Flügel.

Traure nicht, nur Eine Träne schenke
Dem, was dir doch keine wieder schafft!
Scheide männlich! neubelebt gedenke
Deiner Menschenwürde, deiner Kraft;
Senk' dein Aug' auf's Schicksal deiner Brüder,
Und, von Mut durchblitzt, erheb' es wieder!

And're Pflichten gibt es, als beschauen,
Wie die Rose deines Glücks verblüht;
Sieh' nur, wie das Leiden, voll Vertrauen,
Rettung flehend in dein Auge sieht:
Da, da sind die Zwecke deines Lebens:
Dahin alle Kräfte deines Strebens!