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IV.
Rasten und Sinnen

 

Entzauberung
Kef
Wandelbilder
Allerlei Tand
Ein Adler
Gestalten
Dichtergeschicke
Entfesselte Geister
Ein Ende
Göttliche Dulder
Wiederstand
Warum zagen?
An Gott
Geheimes
Alleines
Unsterblichkeit
Verzagtheit
Zweifaches Erleben
Gleichgültigkeit
Beruhigung
Erbübel
Plandite!
Träumer

 
Beichte
Ruhm
Altarwächter
Knappentum
Tanzsaal
Demütigung
Befreiung

 

Entzauberung


Wo sind die Zeichen alle hingekommen,
Die, Andern, unhörbar, mir leise klangen,
Geheimnisvoll als Geisterstimmen sangen,
Als Glanz auf dunklen Gegenständen glommen?

Wenn ich im Walde ging, im Meer geschwommen,
Die Perlen redeten zu mir, die Schlangen,
Es sind die Rosenknospen aufgegangen,
Wenn ich durch Gärten meinen Weg genommen.

War ich bezaubert, konnt' ich Zauber üben?
Die Wunder alle muß ich jetzo missen,
Es scheint das Seherauge sich zu trüben.

In meiner Seele hingen Silberglocken,
Das Leben hat so lang daran gerissen,
Daß sie zersprangen, schweigen jetzt erschrocken.

Kef

Das schwarze Kraut aus Latakias Gärten,
Der schwarze Knabe reicht es mir zu Handen,
Ich hab' ihn losgekauft aus Sklavenbanden
Und mir erwählt zum dienenden Gefährten.

Narkotisch süßen Duft, den lang entbehrten
Einatm' ich tief — es nah'n aus Morgenlanden
Gestalten mir in wallenden Gewanden,
Im Turban, weiß und grün, mit langen Bärten.

An Herz und Stirne legen sie die Hände,
Vom Jordan die, vom gold'nen Horn, vom Nile,
Kaum fassen können sie des Saales Wände;

Von Rom, Athen gesellen sich noch Viele.
Mehr Weisheit sprechen sie, als tausend Bände
Enthalten, und hinschreiben tausend Kiele.

Wandelbilder

Ich sah im Abendrot die Pyramiden
Und durch die Wüste geh'n die Karawane,
Italiens Meer, die brennenden Vulkane,
Den Kampfplatz der empörten Titaniden;

Wo Zeus geherrscht mit seinen Augenliden,
Wo Völker huld'gen noch dem Götzenwahne.
Ich schwamm im Nordmeer auf bewegtem Kahne,
Wo keine Nächte helle Tage schieden.

Ich sah den Sonnentempel Baalbeks trauern,
Des Tigers nächt'ge Spuren in dem Sande,
Im Schutte von Jerusalem die Mauern;

Ich war ein Sohn des Wegs im heil'gen Lande,
Sah in der Wüste Beduinen lauern
Und jagte schnell mein Roß an Karmels Strande.

Allerlei Tand

Welch' bunter Tand aus allen Erdenzonen
Umgibt mich rings und schmückt des Zimmers Wände:
Giftpfeile, die geschnellt des Wilden Hände,
Und Götterstatuen auf Marmorthronen;

Gebälgte Tiere, die in Wüsten wohnen,
Gemälde und von Büchern gold'ne Bände,
Pokale, Dolch und Stein auf dem Gelände
Aus Thule und dem Lande der Zitronen;

Ein Stab vom Jordan, Schnitzwerk von den Zedern,
Andenken auch aus goldenen Haremen,
Ein Adler d'rüber, ausgespreizt die Federn;

Aus dem Ägypterlande Götzenschemen,
Aus Bronz' ein Roßgespann mit gold'nen Rädern
Und Elfenbein von Neger-Diadem.

Ein Adler

Welch' schönes Los war einmal dein hienieden,
Als Alpen unter dir und Gletscher lagen,
Im Sonnenglanz die Flügel du geschlagen,
Der Freiheit frischer Hauch dir war beschieden.

Blitzträger an dem Throne des Kroniden,
Genoß' der Stürme bei der Wolken Jagen,
Jetzt mußt du dienend mir die Ampel tragen
In meines Zimmers still umgrenztem Frieden.

Du kamst herab zu holen nur die Beute,
Auf Felsenhöhen wieder dann zu thronen,
Stolz, unbekümmert um die wilde Meute.

Lang werd' ich tot in einem Grabe wohnen,
Elementare Freiheit scheint mir heute
Allein nur wert des Daseins Müh' zu lohnen.

Gestalten

Ein andermal ich sehe niedersteigen
Gestalten rings aus goldgeschnitzten Rahmen,
Erzählen mir verklung'ne Lebensdramen,
Wie sind sie bleich, umgrünt von Lorbeerzweigen.

Auch Frauen nah'n, stumm schlingend einen Reigen,
Ich kenne sie, doch ich vergaß die Namen,
Die einst mit anmutsvollem Lächeln kamen,
Jetzt nur ein geisterhaftes Weh'n und Neigen.

Vergilbt sind ihre gold'nen Liebespfänder,
Sie trifft mein Blick, wehmütig und verdrossen
Tot sind, geächtet weit durch Meer und Länder,

Weit hingestreut die Lied- und Streitgenossen —
Der Wein floß über der Pokale Ränder,
Und Glanz und Klang und Jugend sind zerflossen.

Dichtergeschicke

I.
Lenau

Wahnsinn'gen Blickes schaust du auf mich nieder,
Faust-, Don Juan- und Albigenser-Dichter!
Es ist die Welt mitleidvoller Richter
Für Träumende auf des Gesangs Gefieder.

Unsterblich sind sie nicht allein durch Lieder,
Ein tragisches Geschick muß als Vernichter
An ihre Geister hängen die Gewichter,
Des Genius Symbol ist eine Hyder.

Genügten des Alkiden Heldentaten?
Ihm hat Unsterblichkeit sich erst verbündet,
Als Dejanirens Giftkleid ihn verraten,

Bis er wahnsinnig auf des Oeta Spitze
Sich hat den Scheiterhaufen angezündet,
Und zum Olymp ihn trugen gold'ne Blitze!

II
Blind zog Homeros hin durch Hellas Lande,
Der Götter und Heroen schön geschildert,
In grauenhaftem Wahnsinn ward verwildert
Torquato's Geist, umwallt vom Liebesbrande.

Ein Flüchtling war, dem Vaterland zur Schande,
Der Höll' und Paradies uns vorgebildert,
Ein Sklave hat Camoëns Not gemildert,
Cervantes trug des Sklaven schwere Bande.

Es lebte Persiens Dichter im Exile,
Und da man heim ihn zum Triumphe holte,
Kam ihnen still sein Leichenzug entgegen.

Und Byron's Ruhm, den wohl erreicht nicht Viele;
Erst als im Freiheitsbrand sein Geist verkohlte,
Ward ihm Unsterblichkeit als später Segen.

Entfesselte Geister

Wenn Einer über Geister Macht errungen,
Ein Magus stirbt, der sie in Bann geschlossen,
In alle Welt hinstürmen die Genossen,
Der langen Knechtschaft trotzig jetzt entsprungen.

Noch bann' ich alle die Erinnerungen,
Die ich gesammelt still und unverdrossen,
So lang mein Atem drüber ausgegossen,
Stumm reden sie zu mir mit tausend Zungen

Doch wenn sich meine Augen werden schließen,
Was ich geordnet und gepflegt seit Jahren,
Wird wirr sich über alle Welt ergießen.

Gleichgült'ge Hände werden es bewahren,
Die Zauber doch, die in den Dingen fließen,
Gelöst, den Erben sich nicht offenbaren

Ein Ende

Wenn stirbt ein Fürst im dunklen Inderlande,
Da eilen sie, den Holzstoß ihn zu schlichten,
Den gold'nen Thronstuhl oben aufzurichten,
Und kleiden ihn in purpurne Gewande.

Umglänzt von allem reichen Königstande,
Soll er im Tode noch auf nichts verzichten;
Dann aber, Macht und Pracht rasch zu vernichten,
Den Holzstoß unterzünden sie zum Brande.

Aufschlagen um ihn her die roten Flammen,
Die Priester streuen Weihrauch in das Feuer,
Die Krieger schlagen Schilde wild zusammen.

Nachstürzen in die Glut des Königs Frauen,
Und Glanz und Kranz und Alles, was ihm teuer,
Versinkend langsam, fällt in Todesgrauen.

Göttliche Dulder

I.
Hiob

Erst als der Blitz einschlug in deine Garben
Und dir die Seuche traf die fetten Herden,
Im Kelter deine Reben dir verdarben,
Die Krankheit kam mit folternden Beschwerden,

Als dir die Söhne und die Töchter starben,
Da riefst du aus, verzweifelter Gebärden:
"Warum schlägst neue du, eh' noch vernarben
Die Wunden? Gott, mein Gott, was soll noch werden?"

Du nahmst nicht wahr der Menschen Not und Plagen,
Dieweil du saßest bei dem Glück zu Gaste;
Du fingst erst an zu zweifeln und zu klagen,

Als dich das Weh der Menschlichkeit erfaßte.
Dein Mund begann Unsterbliches zu sagen,
Als dir, dem Knecht des Herrn, der Mut erblaßte.

II.
Prometheus

Auf gold'nen Stühlen in Kronions Saale
Die Götter ruh'n mit ewig heitern Mienen,
Ihr Liebling ist Prometheus unter ihnen,
Und Hebe reicht auch ihm die Nektarschale.

Er aber geht vom sel'gen Göttermahle,
Ihm ist der Menschheit herbes Los erschienen,
Und ihrer Sehnsucht nach dem Licht zu dienen,
Raubt, trägt den Funken er zum Erdentale.

Der ewig konnte mit den Göttern wohnen,
Liegt nun, von ihrem Zorn erfaßt, in Banden,
Des Geiers Hunger quält ihn ohne Schonen.

Er schweigt und macht der Götter Zorn zu Schanden;
Er weiß, sie stürzen einst von ihren Thronen,
Ein Lichtmeer wird die Menschheit dann umbranden.

Widerstand

Ich bin ein sichtbar Teil des Unsichtbaren,
Fühlhörner sind für ihn nur alle Leben,
Ihr Träumen, Hassen Denken, Lieben, Streben
Ist nur dem Gotte selber ein Erfahren.

Es sind ihm nötig der Geschöpfe Scharen,
Menschwerdung ist ihm Selbsterkenntnis eben,
Mein Schmerz macht auch sein Weltenherz erbeben,
Und er kann meine Seele nicht ersparen.

Des' bin ich stolz und bin doch überwunden,
Ich kann nur Eines ihm entgegensetzen:
Den Gang in's Nichts; wenn auch nur für Sekunden,

Die Allmacht ihm titanenhaft entgegensetzen.
Doch will er nicht des Mörders Qual erkunden?
Mir soll kein Giftpokal die Lippen netzen!

Warum zagen?

Wenn tiefstes Leid dich will  zugrunde richten,
Und wenn dir Überdruß vergällt das Leben,
Nicht nehmen darfst du's, weil du's nicht gegeben,
Du sehnst den Blitz herbei, dich zu vernichten;

So hängt sich Feigheit noch zu den Gewichten.
Was macht dich vor der eig'nen Tat erbeben?
Daß sie die Steine gegen dich erheben,
Wenn du entfloh'st den irdischen Gesichten?

Doch ist's, wie salbungsvoll die Toren sprechen,
Nur eine blut'ge Schmach, sich selbst zu töten,
Ein finst'res, nicht zu sühnendes Verbrechen;

So mag dein Gott allein darob erröten,
Daß du dich mußtest gegen ihn erfrechen,
Er helfen nicht gekonnt in deinen Nöten.

An Gott

Hier aus dem Dornbusch sprachst du zum Propheten,
Die Schuhe hießest du ihn abzulegen;
Du sprachst im Säuseln und in Donnerschlägen,
Und wo sie an der Kaaba gläubig beten.

Noch tausend Sehern bist du nah getreten
Mit deiner Offenbarung großem Segen;
Beglückt selbst hast du einst als gold'ner Regen,
Du redest mit indischen Asketen.

Es glauben alle Völker dir zu schulden
Die Wahrheit, höre, wie darauf sie pochen
Und Haß und Krieg und Martyrium erdulden;

Du liebst es, alle sie zu unterjochen.
Du lieber Gott, vertraue mir in Hulden,
Mit wem hast du denn eigentlich gesprochen?

Geheimes

Was in der Menschenseele tiefem Grunde
Geheimstes ruht, der Mensch kann es nicht sagen,
Kein Weiser weiß, kein Dichter kann es klagen,
Wie süß auch Wohllaut fließt von ihrem Munde.

In Marmor gibt kein Bildner davon Kunde,
Der Menschheit höchste Genien verzagen,
Wenn sie den Vorhang wegzuziehen wagen,
Sie schweigen selbst in ihrer Todesstunde.

Der Sterbende sieht Gott, erzählt die Sage,
Die Seele stürzt zurück in seine Flammen,
Und plötzlich stumm ist ihre Erdenklage.

Es schauern Lebende darum zusammen,
Seh'n eine Leiche sie im Sarkophage,
Und wissen nicht, woher die Schauer stammen.

Alleines

In dunklen Wäldern stand ich der Druiden,
In Tempeln, wo zu Isis Priester flehten,
Wo zu Jehova's Ehren Psalmen wehten,
Und wo der Sohn Maria's ging hienieden.

Ich sah den Schauplatz göttlicher Kroniden,
Den Derwisch, der sich gläubig läßt zertreten,
Anstaunt' ich stumm die großen Weltpropheten,
Am Bau der Menschheit die Kariatiden!

Allwelten, wo sie Religionen schmieden,
Der Wunderglaube wächst zu üpp'gen Halmen,
Ich habe sie zu sehen nicht gemieden.

Ob unter Eichen hier, dort unter Palmen,
In frommem Wahne sucht der Mensch den Frieden —
Die Opfer bluten, Weihrauchnebel qualmen.

Unsterblichkeit

Nicht wie das Ewige sich Toren träumen:
Ein ruhevolles, sel'ges Gottbetrachten,
Mit allen jenen ew'ges Liebesschmachten,
Die uns vorangeeilt zu lichten Räumen;

Es fächelt Kühlung von den Palmenbäumen,
Als Spiel nur dämmern noch des Lebens Schlachten,
Es führt wohlfeiler Weisheit volle Frachten
Das Meer der Ewigkeit auf seinen Schäumen.

Ich ende mit dem letzten Atemzuge,
Und auseinanderfall' ich in Atome,
Zu neuer Fruchtgestalt geformt im Fluge:

Zur Blume, zur Libelle auf dem Strome,
Zur Atzung für den Wurm, zum Sternkristalle,
Zum heimatlosen Blitz im Weltenalle.

Verzagtheit

Das ist das Schlimmste nicht der greisen Locken,
Daß uns die Weisheit winkt statt des Genusses,
Gedanken jetzt statt leichtem Silberflusses,
Vom Blut zu schwach gehitzt, im Haupte stocken.

Verstimmt sind der Begeist'rung helle Glocken,
Vergessen ist die Süßigkeit des Kusses,
Vergessen selbst die Pein des Überdrusses,
Doch über eines bin ich tief erschrocken:

Werd' ich vollenden noch was ich beginne,
Ist's wert der Mühe, daß ich weiter strebe?
Und bei der Arbeit halt ich mitten inne.

Gleichgültig selbst dünkt mir schon, ob ich lebe.
Indes ich in das Leichentuch mich spinne,
Webt frische Jugend purpurne Gewebe.

Zweifaches Erleben

Ich habe voll der Liebe Glück erfahren,
Mehr als es sich vertrug mit meinem Glücke;
Zeit wär's, daß nimmer mich beglücke
Das Spiel mit weißen Nacken, langen Haaren.

Noch fesseln meinen Blick die wunderbaren,
Der Schöpfung weiblich schönen Meisterstücke,
Und abgebrochen ist schon lang die Brücke,
Die mich zum Glück geführt in jungen Jahren.

Was soll, mein Herz, aus deiner Sehnsucht werden?
Wie willst du schmerzlichen Verlust ertragen
Von süßem Kuß, von lieblichen Gebärden?

Wir leben Alles zweimal hier auf Erden:
Erst wirklich in der Jugend gold'nen Tagen,
Dann schmerzlich im Betrachten und Entsagen!

Gleichgültigkeit

Ob's endet mit dem letzten Atemzuge,
Und die Atome auseinander sinken,
Wie Funken vom zerfall'nen Herde blinken,
Die bald der Wind auslöscht auf ihrem Fluge?

Wer träumen mag, er folg' der Hoffnung Truge,
Das Tor der Ewigkeit sich aufzuklinken!
Ich fühle meines Ich's Vernichtung winken,
Der fest ich zog an des Gedankens Pfluge.

Was kümmert's mich, wenn meines Lebens Teile,
Von des Bewußtseins Klammern losgelassen,
Zu bannen des Weltgeistes Langeweile,

Zu neuem Dasein wieder Wurzel fassen!
Nur preisen kann ich still des Lebens Eile,
Und die Vernichtung macht mich nicht erblassen.

Beruhigung

Du hörst nicht auf, mit deinem Gott zu hadern,
Er will dir sein Geheimnis nicht verraten,
Und schleuderst, wie einst die Titanen taten,
Empor zu Wolken deines Zweifels Quadern.

Bezwing' die rote Glut in deinen Adern.
Hinwarf der Schöpfer gold'ne Wundersaaten,
Die Perl' in's Meer, in Felsen die Granaten,
Geschöpfe in unzähligen Geschwadern.

Du forsche nicht nach dem, was er verborgen,
Es liegt so Herrliches vor dir im Klaren,
Du bist sein Werk, er muß auch dich besorgen,

Hinlenkend dich zum Glück und zu Gefahren.
Nach kurzer Nacht, vielleicht an einem Morgen,
Wird er das Tiefste dir noch offenbaren.

Erbübel

Durch das Geschlecht, aus dem auch ich geboren,
Geht tragisch das Geschick von Ahn zu Ahne,
Daß ihre Geister sich mit einem Wahne,
Inmitten vollen Lebens, wirr umfloren.

Dann geh'n sie schweigend zu des Todes Toren,
Geheim von einem inneren Orkane
Getrieben, lassen sie des Lebens Fahne,
Vorüberfahren sie gleich Meteoren.

Von ihnen erbend fiel auf mich ein Glänzen,
Vielleicht ein Irrlicht auch in mein Gehirne,
Ablenkend von des Daseins sich'ren Grenzen;

Vielleicht ein Morgenrot, wie auf die Firne?
In irrer Hoffnung sehnt darum nach Kränzen
Vielleicht sich meine bleiche Dichterstirne.

Plandite!

Ich habe alle Drangsal schon erfahren,
Auch kam das Glück zu mir auf leisen Sohlen;
Ich strebte mir zu deuten in Symbolen
Des Lebens Widerspruch seit manchen Jahren.

Wär's besser nicht, sich rasch den Toten scharen,
So lange noch purpurn glüh'n des Lebens Kohlen?
Es kann das alte Spiel nur wiederholen
Das Dasein, mir nichts Neues offenbaren.

Wozu des Alters Last und Schwächen tragen?
Wenn der Gemeinheit zu entgeh'n, dem Spotte,
Die Helden auf der Bühne sich erschlagen,

Klatscht Beifall ihr gerührt dem trag'schen Gotte;
Doch will im Leben Einer Gleiches wagen,
Verdreht die Augen fromm die blöde Rotte.

Träumer

Wer möchte aus des Lebens ungemeiner
Erbärmlichkeit nicht flieh'n in Einsamkeiten,
Zur letzten Arbeit still sich vorbereiten,
Der noch entgangen ist auf Erden Keiner.

Flieh' in den Wald, der Frieden dann ist deiner,
Blick' auf zum Himmel, wo die Sterne gleiten,
Der Menschen ferne, in des Meeres Weiten
Blüht dir das Leben ruhiger und reiner.

Im Wald doch sah ich Spinnen Netze weben,
Den Sternen feurige Kometen drohen,
Im Meer die wilden Ungeheuer rauben.

Wenn Mord so mächtig ist, so schwach das Leben,
In's Nichts verwehet des Gedankens Lohen,
Ein Träumer magst du dann an Träume glauben.

Beichte

Ich habe böse Sünden mir zu beichten:
Der Weisheit bin ich schläfrig nachgehangen,
Das Leben ist in Sorgen mir vergangen,
Wohl auch in Lust mit Fröhlichen und Seichten;

Mit Rosen schön umkränzte Becher reichten
Die Frauen meinem dürstenden Verlangen.
Nun furcht nutzlose Reue mir die Wangen,
Seit mit dem Mut die Haare mir erbleichten.

Ich habe nicht das höchste Glück gekostet,
Es hat auch Not den Geist mir aufgerieben,
Und seine schärfsten Pfeile sind verrostet;

Hab' in der Nachwelt einen Vers geschrieben,
Des Lebens süß'te Reben wohl entmostet?
Sein Rest ist mir, das Alter nur, geblieben!

Ruhm

Früh, oder später doch, die Schatten lauern
Auf alle irdischen Unsterblichkeiten,
Auf jene selbst, die da für alle Zeiten
Als Statuen stehen in den Tempelmauern.

Ob lang die Namen dauern, werden dauern
Sie doch nicht ewig, und auf alle gleiten
Die Schleier endlich der Vergessenheiten —
Wer mag bei seinem kühnsten Tun nicht schauern?

Wenn Ruhm so flüchtig ist, warum dies jagen,
Ein Wettkampf fort und fort nach seinen Kränzen?
Was schmerzt die Weisen selbst, ihm zu entsagen?

Und die in seinem vollen Strahle glänzen,
Warum sind sie nicht glücklich? muß ich fragen.
Was blieb ich selbst so fern, ach, seinen Grenzen?

Altarwächter

Ein bitt'res Los als Dichter war das meine:
Was höchste Meister schufen, konn't ich fassen,
Wenn sie, melodisch formend, schwere Massen
Verklären mit der Dichtung holdem Scheine.

Von ihren idealen Sorgen keine,
Mir blieb ihr Zagen, Zweifel nicht erlassen,
Doch war es nicht gegönnt mir zu erfassen
Von ihren schönsten Kronen auch nur eine.

Ich stand am Altar in des Vorhof's Hallen,
Die Flamme schürend, daß sie nicht vergehe,
Bis still heran die hohen Priester wallen;

Ich späte, ob der Vorhang leise wehe,
Der vor das Allerheiligste gefallen,
Ob ich die Cherubim nicht leuchten sehe.

Knappentum

Die Meister ehren wir, des Geistes Ritter,
Melodisch formend schöne Kunst in Worten;
Doch die sich drängen zu des Tempels Pforten,
Fanfarend Phrasen und mit falschem Flitter,

Da werfen wir in's Schloß des Helmes Gitter
Und schleudern Lanzen kühn auf die Kohorten,
Daß sie getroffen fallen hier und dorten,
Und ihrer Panzer Blechwerk springt in Splitter.

Ha, wie sie bügellos zu Rosse sitzen,
Statt Fahnen schwingend nur viel bunte Lappen,
Aus Holz gedrechselt ihre Lanzenspitzen!

Und fehlt auch uns'rem Schild ein stolzes Wappen,
Weiß unser Flammberg sieghaft doch zu blitzen;
Wir zählen zu der Kunst getreuen Knappen!

Tanzsaal

Musik und Lachen scholl im Spiegelsaale,
Vielhundert jugendliche Paare wanden
Im Tanze sich, lebendige Girlanden,
Wie schön im tausendfachen Kerzenstrahle!

Es klangen Chöre, läuteten Pokale,
Bis Einzelne, sich lösend aus den Banden,
Und müd' geworden Paar um Paar verschwunden —
Wie ist es schaurig still mit einem Male.

Herabgebrannt sind düster alle Lichter,
Die Diener löschen Stumm sie aus und schleichen
Im Saal umher, verdrossene Gesichter.

Die Musikanten hörten auf zu streichen,
Es fröstelt in dem Saale, und der Dichter
Mag mit dem Leben dies Gespenst vergleichen.

Demütigung

An Gletschern zog ich über Alpenstraßen,
Zusah ich unter mir der Wolken Gange,
Den Schlangenblitzen, die bei Donnerklange
Aufzüngelten, die Adler zu erfassen.

Ich sah den Strom in wildbewegten Massen
Herunterstürzen von der Felsen Hange
Und hörte zu dem tosenden Gesange,
Mit dem er brauste durch die Felsengassen.

In's Tal gekommen, sah ich ihn gebändigt,
Den freien Bergsohn Knechtesdienste leisten,
Die Mühlen treiben und die Brücken tragen,

Der stolzen Freiheit willenlos entsagen
Wer mag in kühnem Mute sich erdreisten,
Wenn also die allmächt'ge Jugend endigt!

Befreiung

Ich mußte ziehen an der Arbeit Pfluge,
Die Sorge drang in's Herz durch alle Poren,
Mir in die Flanken bohrten sich die Sporen,
Selbst wenn ich saß dem Saumtier in dem Buge.

Kein Brot im Korbe, keinen Wein im Kruge,
Ging ich im Wüstenozean verloren,
Wenn Spiegelungen zu des Himmels Toren
Mein Auge lockten mit dem Zaubertruge.

Mir ekelt vor des Seins gemeinen Lasten,
Ich schleud're sie von meiner Seele Flügeln.
Indes mir es gegönnt ist, auszurasten,

Kann ich der Seele Sehnsucht nicht mehr zügeln,
Weil flügelnde Gedanken sie erfaßten
Zu schöner Freiheit goldbesonnten Hügeln!