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Venedig
 

Venedig
Der Improvisator
Lidofahrt
Eine Gruppe
Ebb' und Flut
Rückkehr
Rom
Im Tal Egeria
Ponte molle
Im Zirkus Maximus
Pompeji

 

Venedig


An des Palast's Portale plastisch
   Stellt sich ein schönes Weib mir dar,
Von blauen Blumen schlingt phantastisch
   Ein Kranz sich durch das schwarze Haar.

Der Leib venezianisch prächtig,
   Der runde Nacken stolz und bloß;
Um Herzen zu entzünden, mächtig
   Die schwarzen Augen, ruhig groß.

Die roten Lippen schön geschnitten,
   Und rings ein rührend weicher Zug,
Der spricht: ich habe viel gelitten
   Und bin zum Schweigen stolz genug.

Ein Lächeln grüßt mich aus den Mienen?
Wohl steht es deinem Antlitz gut
Und paßt so schlecht zu den Ruinen,
Die ringsum steigen aus der Flut.

O bleibe unbeweglich stehen,
Und ich erzähle heimgelangt,
Daß ich ein Götterbild gesehen,
Das unter Schutt vergessen prangt.

Der Improvisator

Auf dem Platze von San Marco
Ist das Leben stumm geworden,
Finster rauscht nur die Lagune
Und das Meer an fernen Borden.

Auf der stolzen Piazetta,
Wo die Riesensäulen ragen,
Die den Löwen und den heil'gen
Teodoro mächtig tragen.

Steht ein Häuflein bunter Schiffer,
Der Poeta hinter ihnen;
Wie es flammt aus seinen Augen,
Wie es zuckt aus seinen Mienen!

"Bucentoro" hat die Menge
Ihm zu dichten aufgegeben,
Und vor seinem Seelenauge
Ist entrollt Venedigs Leben.

"Seht die Rosse auf San Marco!
Ohne Zäume stehen sie lange;
Doch gewohnt schon an die Knechtschaft,
Bringen nimmer sie's zum Gange.

Und die dunkle Seufzerbrücke
Haben milde sie vermauert,
Eine and're Seufzerbrücke
Hat die alte überdauert.

Auf die Brücke eurer Zunge,
Von dem Herzen in das Freie
Will das Wort, der Seufzer schreiten,
Hemmte nicht ein Dach von Bleie.

Vor dem mächt'gen Arsenale
Stehen Löwen frei gewohnte,
Deren jeder vor dem Hafen
Von Athen einst mächtig thronte.

Kommt ein Schiff mit stolzen Flaggen
Aus dem Lande der Hellenen;
Bringt es ihnen Freudenkunde?
Traurig schütteln sie die Mähnen.

Seht die kühnen Riesenmaste
Vor San Marco mächtig ragen!
Ach, wo sind die Königreiche,
Deren Flaggen sie getragen?

Was ihr war't, ihr könnt es lesen:
In der Chronik steht's geschrieben;
Da und dort gemalt an Wänden,
Ist es hängen noch geblieben."

Also tönt es dem Poeten
Von den Lippen schmerbezwungen,
Und der ferne Brandungsdonner
Hat in Pausen d'rein geklungen.

Lidofahrt

Es schimmert die Lagune hell
   Ein Spiegel aus Metalle;
Ha, wie ich mit der Gondel schnell
   Durch's weiche Silber walle.

Ein rüst'ger Greis mit weißem Haar
   Bewegt das Ruder mächtig,
Rings glänzen Kirchen wunderbar,
   Paläste stumm und prächtig.

Ich schein' aus tausend einer Nacht
   Ein Märchen zu erleben,
Bald werden die Paläste sacht,
   Ein Seegesicht, verschweben.

Und schwarze Särge ziehn mit Hast,
   Bewegen sich so schaurig,
Das Wachtschiff schüttelt seinen Mast
   Und Glocken läuten traurig.

Mit dunklen Lorbeerbäumen hebt
   Ein Garten sich phantastisch,
Durch all die Wunder trägt und hebt
   Die Welle mich elastisch.

Mein Gondler, mit dem Haar wie Schnee
   Legt an am sand'gen Lido;
Da liegt vor mir die schöne See,
   Verlassen wie einst Dido.

Der Sonne goldne Kronenzier
   Ist ihrem Haupt entfallen,
Nachlässig um die Schultern ihr
   Spielt Abendpurpurwallen.

Der Ring, den sie vom Dogen nahm,
   Ist ihr zum Schoß gesunken,
Und Perlen weint sie nun im Gram,
   Wie mondenhelle Funken.

Sie hüllt den königlichen Leib
   In nächt'ge Trauerschleier —
Er kommt nicht wieder, schönes Weib,
   In goldnem Schiff dein Freier.

Eine Gruppe

Einsam an der Riesenmauer,
   Die Venedig trennt vom Meer,
Ging ich hin stummer Trauer,
   Ernsten Sinns, gedankenschwer.

Und die Wogen sah ich brausen,
   Lärmend branden weiß wie Schnee,
Und im taktgemäßen Pausen
   Donneratem holt die See.

Rings im Kreise blickend sehe
   Eine Grupp' ich selt'ner Art,
Daß mir's in der Seele wehe
   Wie bei einer Leiche ward.

Stumm, mit langen, weißen Haaren
   Stand ein Greis bewegungslos
Locken, die wohl dunkel waren
   Als Venedig riesengroß.

Zu dem edlen Angesichte
   Paßte schlecht sein dürft'ges Kleid,
Just wie wenn die Weltgeschichte
   Betteln ginge durch die Zeit.

Seine Augen füllen Tränen?
   Was bewegt ihn so zum Schmerz?
Denkt verblaßter Dogenszenen,
   Denkt der Jugend still das Herz?

Ihm zu Füßen arg verwittert
   Liegt Venedigs Leu aus Stein,
Von Gestrüppe überzittert
   Sinkt er bald vergessen ein.

Und die Dornenranken schlingen
   Sich, ein grünes Netz, um ihn,
Abgebrochen sind die Schwingen,
   Und die Mähnen sind wohin?

Und dem Greis, dem Leu'n nicht ferne,
   Sitzt ein schönes Schifferkind,
Rosenlieblich, weil so gerne
   Rosen bei Ruinen sind.

Schmal das Antlitz, bleich die Wangen,
   Schwarz das Haar, der Busen Schnee,
Und des Mundes rotes Prangen,
   Wie Korallen aus der See.

Aus zwei schwarzen Augen leuchtet
   Ihre Seele an den Greis,
Weil was ihm das Aug' befeuchtet,
   Ahnungsvoll das Mädchen weiß.

Hinter'm Mädchen, Leu und Greise,
   Als ein ernster Hintergrund,
Zieht das Meer die dunklen Kreise,
   Sinkt die Sonne strahlenbunt.

Halb verlorne Glockenstimmen
   Hallen durch die stille Luft,
Und Venedigs Türme schwimmen
   Fern im gold'nen Abendduft.

Ebb' und Flut

Das laute Leben schweigt im Hafen,
Die Wimpel, müde wie sie sind,
Sind alle nickend eingeschlafen,
Zuweilen nur geneckt vom Wind.

Der Mond hängt klar im Himmelsraume,
Und von Palast und Turm und Haus
Stürzt sich, nachtwandelnd wie im Traume
Der Schatten in das Meer hinaus.

Da kommt's heran mit fernem Rauschen,
Lebendig wird es in dem Meer,
Die stillen Wogen lauschen, lauschen
Und mächtig flutend kommt es her.

Die Wogen sind's aus fernen Weiten,
Neugierig kommen sie heran;
Es herrscht seit altergrauen Zeiten
Die Sage in dem Ozean:

Von Türmen, Kirchen und Palästen,
Die sich das stolze Meer gebar,
Und von Triumphen, tausend Festen,
Von einer Hochzeit wunderbar.

Und wie sie eilig zieh'n und wandern,
Drängt manche sich neugierig vor,
Hebt auf den Nacken sich den andern
Und wölbt den weißen Hals empor.

Verwundert ihre Häupter wiegend
Steh'n alle Schiffe rings umher,
Und mancher Wimpel, traumhaft fliegend,
Glaubt sich im Sturm auf hohem Meer.

Das Meer ist eine Witwe worden,
Venezia ihr Aschenkrug —
Und traurig von verlass‘nen Borden
Ebbt still zurück der Wogenzug.

Rückkehr

Die Nacht bedeckt Venedig schon,
Im letzten Strahl nur blinkt
Auf seinem schlanken Säulenthron
Der Löwe, goldbeschwingt,

Als setz' zu weitem Sprung er an,
Dem alten Ruhme nach —
An meinem nachtumfloss'nen Kahn
Bricht sich die Flut gemach.

Und auf dem Kiele singend steht
Mein ruderfert'ger Greis,
Von seinem Haupt im Windzug weht
Die Locke silberweiß.

Die Linke streckt er hoch empor,
Die Rechte lenkt den Kahn,
Begeistert zu dem Sternenchor
Blickt kühn sein Aug' hinan.

Von seinem Munde Tasso's Lied
Schallt weithin durch die Nacht;
Vorbei an meinem Auge zieht
Der frommen Helden Pracht.

Der Brandungsdonner, ferneher,
Begleitet, was er singt,
Und rings aus dem Lagunenmeer
Ein Funkenregen springt.

Rom

Ein deutscher Pilger bleib' ich sinnend stehen
Bei Nero's Grab, hier auf der Höhenstraße,
Zum erstenmale Roms Ruinenmasse,
Im Sinken noch den Vatikan zu sehen.

Der hier im Grab ruht, hieß die Flammen wehen
Um diese Stadt von seiner Burgterasse,
Ihr Antlitz seh' ich jetzt, das totenblasse,
Im Lichte nicht, in Finsternis vergehen.

Die Götter wichen längst dem Galiläer,
Und dunkle Priester kamen mit der bleichen
Askese, aller Erdenfreuden Schmäher.

Wie über ihrer Söhne sieben Leichen
Die bleiche Mutter klagt der Makkabäer,
Weint hier die Zeit auf sieben Hügelreichen.

Im Tal Egeria

Einsames Tal, grün von Olivenbäumen,
So fern der Welt, von Hügeln sanft umschlossen,
Die Nymphe wählte hier sich zum Genossen
Den König, Herrscherpläne auszuträumen.

Sie sprach, es war wie frisches Quellenschäumen,
Sie sang, prophetisch dunkle Lieder flossen,
Sie sann Gedanken, die auf Sonnenrossen
Die Götter führten zu der Erde Räumen

Zerstäubt ist Numa's Reich, dem Volke blühte
Weltherrschaft noch einmal in späten Tagen,
Als eine Jungfrau wieder selig glühte.

Des neuen Geistes Flügel hör' ich schlagen —
Der Menschheit wieder keimt schon im Gemüte
Ein neuer Lenz und neue Göttersagen.

Ponte molle

Wo sich allen Göttern Dome
Hell und mächtig aufgebaut,
An dem gelben Tiberstrome
Grüß' ich euch mit deutschem Laut.

Heil dem Künstler, denn im Busen
Gab er Göttern ein Asyl,
Als auf Götter und auf Musen
Dunkler Bann und Ächtung fiel.

Als der Vesta Glut gesunken,
Warf die Göttin noch im Schmerz
Zu bewahren einen Funken
In des Künstlers warmes Herz.

Jovis Tempel sind gefallen,
Doch von seines Adlers Schwung
Blieb, der Erde zu entwallen,
Himmlische Begeisterung.

Freudenlos und düster zeiget
Sich die Welt, seit Venus wich,
Doch der fromme Künstler neiget
Ewig vor der Schönheit sich.

Laßt die Gläser freudig tönen
Und das Lied aus voller Brust,
Unverloren Musensöhnen
Ist die alte Götterlust.

Glut für's Heil'ge, Kraft zum Schwunge,
Schönheitssinn in Herz und Haupt,
Ist Prometheus ewig junge
Kraft, die Göttern Funken raubt.

Im Zirkus Maximus

Im Zirkus hier? Seltsame Gräberstätte
Für's arme Ghettovolk am Tiberstrom;
Gladiatoren kämpften um die Wette
Und fielen hier zur Lust dem alten Rom.

Ich höre wieder zieh'n die wilden Fechter:
"Dich, Cäsar, sterbengehend, grüßen wir!"
Des Italus entartete Geschlechter,
Sie waren, Juda's Volk! auch feindlich dir.

Ob Einer waltet, ob der Götter viele,
Zu dulden und zu denken ist dein Ruhm;
In dem zweitausendjähr'gen Trauerspiele
Ward dir unsterblich schönes Martyrtum.

Die Trümmer sahst du schon von hundert Reichen,
Dich nicht verschlang der Weltgeschichte Strom;
Wie Hanna auf der Söhne sieben Leichen,
Weint Trauer auf das Siebenhügel-Rom.

Einmal in deines Ghettokerkers Ritzen,
Urplötzlich brach's herein wie Sonnenpracht —
Und wieder, nur der Glanz war es von Blitzen,
Liegt über dir und Rom die alte Nacht!

Und wenn sie d'rin das Fastnachtsspiel beginnen,
Auf Silberschüsseln bringst dein Gold du dar,
Um wieder die Erlaubnis zu gewinnen,
Des Ghetto Luft zu atmen für ein Jahr.

Doch, wie auch Schmach dir deine Seele geißelt,
Zerfallend zeigt der Titusbogen noch
Höhnischen Trostes voll, kunstreich gemeißelt,
Die Väter ziehen in der Römer Joch.

O, welch ein Schmerz: das Vaterland zertreten,
In Brand der Tempel und im Staub der Thron,
Und nur die Wahl zu sterben oder beten,
Treulos dem Herrn zu knien im Pantheon.

Sie aber springe in die Glut der Scheiter,
Sie stürzen in den Strom, in Schwerter sich,
Und rufen Todgeweihte Gottesstreiter:
"Herr! die wir sterben geh'n, wir grüßen dich!"

Pompeji

Einst in Pompeji sah ich Sarkophage,
D'rauf Amazonenkämpfe, Zirkusringer,
Mänadentänze, lust'ge Thyrsusschwinger.
Entbranntes Leben bei des Todes Klage.

Kunstvoll geformet von des Meißels Schlage,
Auf Särgen noch die wilden Freudenbringer?
Winkt höhnend den Verwesenden ihr Finger,
Mahnt er die Lebenden am Lustgelage?

Hier lernte, nah' des Feuerberges Leben,
Des Künstlers Geist des Lebens weise Richtung:
Er sah um den Vesuv die grünen Reben

Sich ranken schön um Tod und um Vernichtung,
Und heiter meißelt' er das kühnste Leben,
Auf Marmorsärge eine schöne Dichtung.