Lieder
In dem Bergwald still geborgen,
Blick' ich aus in's eb'ne Land,
Das sich frisch im Sommermorgen
Bis zu blauen Bergen spannt.
Weiße Dörfer, rote Dächer
Ruh'n im heißen Sonnenglanz,
Um sie her, als grüner Fächer,
Blaubehang'ner Reben Kranz.
Da und dort, unaufgesogen
Von der Sonne, blitzt's im Moos;
Lösten sich vom Regenbogen
Fallend bunte Tropfen los?
Eine Schlange mir zu Füßen
Windet hörbar kaum sich hin —
Will sie mich bezaubernd grüßen,
Will sie mich erschrocken fliehn?
Tausend Bilder, tausend Stimmen,
Mir bewußt und unbewußt,
Glänzen, singen und verschwimmen,
Senken sich in Blick und Brust;
Bis der Duft, der Hauch von allen,
Still gepflegt und hold gemengt,
Ungeahnt beginnt zu wallen
Und als Lied die Seele sprengt.
Danaë
Mit schlummernder Gebärde,
Die blühend schönen Glieder
Üppig geschwellt
Ruht die Erde.
Den Busen auf und nieder
Wogt eine süße Welt
Von Frühlingsweh,
Bang atmet die schlummerumflossene
Danaë.
Mit blitzenden Augen wallt
Herab eine wolkenumgossene
Gestalt,
Ihre Stimme, der Donner, verhallt,
Und glühend heiß
Umschlingt sie der Erde Glieder —
Bist du es, Zeus?
Und nieder
Als goldener Segen
Fällt Frühlingsregen.
Er weiß es besser
Im Morgendufte stehn die Tannenbäume,
Grüngolden spielt das Licht in ihren Ästen,
Rings tönt Gesang von leicht beschwingten Gästen,
Und Frühlingsodem weht durch alle Räume.
Ein Jäger geht im Tau und Schatten drinnen;
Er trägt das Feuerrohr gesenkt zur Erde,
Vor ihm heut' sicher ist des Wildes Herde,
Er scheint auf eine andre Jagd zu sinnen.
Prüft manchen Baum vom Grund bis zu den Kronen
Und rüttelt auch an manchem scharf und mächtig,
Tautropfen blitzen diamantenprächtig
Auf ihn herab, den Händedruck zu lohnen.
Er aber schneidet ein mit scharfem Messer
Ein Kreuz als Zeichen, ihn im Herbst zu fällen,
Und denkt vom stolz aufragenden Gesellen:
"Träum' du von Lenzen noch, ich weiß es besser!"
So schreitet er, ein Tod, durch Frühlingsräume,
In manche Rinde kerbt er noch das Zeichen,
Und mit den eingeschnitt'nen Kreuzen gleichen
Bald Friedhofmalen in dem Wald die Bäume.
Im Menschenwald ein unsichtbarer Jäger
Geht lauernd auch umher und kerbt in Herzen
Die Zeichen ein, oft ohne daß sie schmerzen,
So sanft, so weich — ein stiller Wundenschläger.
Gewiß, er war mir nahe schon als Kummer,
Als Glück wohl auch, als Sorge schon im Traume;
Die Lippen küßt' er mir im Becherschaume
Und war die Nacht, die hinging ohne Schlummer.
Er schnitt in's Leben mir mit seinem Messer,
Oft merkt ich's kaum, ein leises, leises Zeichen;
Ich meine manchen Lenz noch zu erreichen,
Noch manche Tat zu tun — er weiß es besser!
Alleben
Wandelst du am Bache
Durch den Wald gemach,
Sinne du der Sprache
Seiner Wellen nach.
Wenn die Blume traulich
Dir entgegenlacht,
Weile du beschaulich
Vor der duft'gen Pracht.
Den Kristall beachte,
Der den Tropfen birgt,
Liebevoll betrachte,
Wie er lebt und wirkt.
Liebevoll versenke
Dich in jedes Sein,
Wirst vielleicht, bedenke,
Blume, Welle, Stein.
Asyl
Hast du ein tiefes Leid erfahren
Im wild bewegten Lebensdrang,
Dann flüchte aus der Menschen Scharen,
Zum Walde richte deinen Gang.
Die Bäume und die Felsen wissen
Ein Wort zu sagen auch von Schmerz —
Der Blitz, der Sturm hat oft zerrissen
Der Felsen Brust, des Waldes Herz.
Sie werden dir kein Trostwort sagen,
Wie anteillos die Menschen tun;
Doch wird ihr Echo mit dir klagen
Und wieder schweigend mit dir ruh'n.
Kranichzug
Herbst ist es rings, duftlose Sterne
Blühn Astern durch bereiftes Grün.
Ich blicke krank und bleich zur Ferne,
Betrachte still des Tags Verglühn.
Zerriss'ne, feuchte Nebel steigen,
Durch Bäume rauscht des Windes Flug.
Es zieht, ein schattenhafter Reigen,
Am Horizont der Kranichzug.
Beglückte Wandrer nach dem Süden!
Nur Einer, dem der Flügel brach,
Sie kümmern sich nicht um den Müden,
Er ringt der Schar vergebens nach.
Ein Jäger traf wohl seinen Flügel —
Es trägt ihn kaum, er sinket bang
Herab zu einem dunklen Hügel,
Die Brust voll wehem Sehnsuchtsdrang.
Und Dämmrung hat sich rings ergossen,
Der rasche Kranichzug entschwand —
Ich denk' an meine Sanggenossen
Und an das warme Lorbeerland.
Herbst
Des Herbstes kalter Nebel deckt die Auen,
Es glänzen einsam schimmernd in der Ferne
Nur Hirtenfeuer durch das feuchte Grauen,
Wie Seelen durch betränte Augensterne.
Die Glocken läuten einer fernen Herde,
Die Vögel zogen fort in tiefem Leide,
Ein bunter Blätterteppich glänzt die Erde,
Bedenklich wiegt das kahle Haupt die Weide.
Und weiße Fäden spinnen sich und schweben
Im kühlen Winde hin von Baum zu Baume
Und scheinen sich zum Leichentuch zu weben,
Drin bald die Erde ruht in starrem Traume.
Im Gewitter
Vom Himmel strömt und braust herab der Regen,
Der Wolken Schlachtruf, der Donner gellt;
Es legt der Blitz, als wie zum Todessegen,
Die Flammenhände auf die weite Welt
Auf hohem Felsen ist des Waldes Mitte
In Wolken ragt mein Haupt so stolz, so kühn;
Nur nicht vermodern! Höre, Blitz, die Bitte:
Triff rasch mein Haupt, so lang es jung und grün!
So wie der Blitz zu sein, das wäre Leben!
Ein rasch beseligender Atemzug,
Ein Leuchten, ein Verklären, ein Verschweben,
Ein voller Pulsschlag Dasein und — genug!
Frühlingsbotschaft
Noch kein Vogelsingen,
Grün ist noch kein Strauch,
Kommt auf sonn'gen Schwingen
Früh ein Frühlingshauch.
Und dem lustig Losen
Wird es bang allein;
Niemand ist zu kosen
Nah auf Flur und Hain.
Und zur Quelle nieder
Fährt er, haucht ihr zu:
"Frühling ist es wieder,
Auf aus deiner Ruh!"
Murmelnd unterm Eise
Gibt sie Antwort drauf,
Wie im Schlaf noch leise,
Springt dann lustig auf.
Und indes der Erde
Hat er froh gelaunt,
Daß es Frühling werde,
Leise zugeraunt.
Und mit Neugier strecken
Gräser sich empor;
Und die Veilchen recken
Schlanke Hälschen vor.
Tausend Blumenaugen
Werden wach im Tal,
Die mit Wonne saugen
Warmen Sonnenstrahl.
Dann zu allen Bäumen
Schwärmt er fern und nah:
"Auf aus Winterträumen,
Lenz, der Lenz ist da!"
Und mit jungen Bättern
Prangen sie voll Duft,
Lerchenstimmen schmettern
In die blaue Luft.
Wie das blüht und singet
All' das Lenzgesind';
West, der hüpft und springet,
Lustig wie ein Kind.
Und dann rauscht er leise
Auch an meine Brust:
"Ist zum Frühlingspreise
Dir kein Lied bewußt?"
Lerchenschlag
Der Himmel blau, die Erde grün
Nach langen Wintertagen,
Du darfst, mein Geist, auch hoffnungskühn
Die Ätherflügel schlagen.
So schwinge dich empor, empor
Als Lerche durch die Lüfte,
Sieh' offen weit des Himmels Tor
Und überblüht die Grüfte.
Im Walde
Es zieht ein rauschend Wehen
Im Wald, wie Meeresflut,
Die fernen Berge stehen
In roter Abendglut.
Flugmüde Vögel singen
In Gipfeln sich zur Ruh,
Und ferne Glocken singen
Seltsamen Gruß mir zu.
Und stumm von Ast zu Aste
Ward mählich der Gesang,
Das Abendrot erblaßte,
Es starb der Glockenklang.
Grau ist die Welt und traurig,
Es kommt die Nacht so bald,
Ich bin allein, und schaurig
Saust um mich her der Wald.
Menschenlose
Vom Himmel zogen rauschend
Viel Regentropfen sacht;
Ich hörte einsam lauschend
Ihr Lied in dunkler Nacht:
"Wie wir so traulich wallen,
So hell, so klar, so rein,
Welch Los wird, wenn wir fallen,
Auf Erden unser sein?"
Auf Blüten fiel der eine
Und schwelgte im Genuß,
Geliebt vom Sonnenscheine
Starb er von seinem Kuß.
Im Meere nahm den zweiten
Still auf der Muschel Schoß,
Der ward für Ewigkeiten
Zur Perle hell und groß.
Ein andrer fiel auf Eisen,
Das just von Flammen rot
Und brannte sich mit leisen
Und flücht'gen Seufzern tot.
Der vierte der Genossen
Trieb mit den Lüften Spiel,
Und war schon leicht zerflossen,
Eh' er zur Erde fiel.
Abendglocke
Die Nacht schaut finster durch die Luft,
Am finstern Rand des Waldes steigt
Der Herbstesnebel feuchter Duft,
Zu sinnen scheint die Welt und schweigt.
Ich fühle mich so einsam bang,
Da plötzlich aus dem Tale weht
Zu mir herauf ein Glockenklang,
Des Tales frommes Nachtgebet.
Ich halte still und horche zu,
Auf meinen Stab gelehnt, dem Ton,
Mich überkommt so süße Ruh,
Als wär's die Sterbeglocke schon.
Wie wär's, weil du bereit, mein Herz,
Wir hielten mit dem Wandern ein —
Ein Tropfen Lust, ein Weltmeer Schmerz,
Du kennst ja das! harrt wieder dein.
Stille Musik
Durch des Waldes dunkle Föhren
Saust der Herbstwind schwer,
Und ich meine laut zu hören
Das urheil'ge Meer.
Keine Sonnenstrahlen leuchten
Durch die graue Luft,
Erde sendet ihren feuchten
Nebelhaften Duft.
Nur zuweilen durch das Schweigen
Krächzen Raben wild,
Weißer Reif auf Nadelzweigen
Ist ein traurig Bild.
Auf des Weges nasse Gleise,
Auf mein Haupt herab
Flattern, fallen rauschend leise
Welke Blätter ab.
Sinnend lausch' ich diesem Schalle,
Und mein Ohr vernimmt,
Wie er mit dem Tropfenfalle
Mir im Herzen stimmt.
Und die Lerchen sangen
Bei der Sonne Strahl
Ging ich durch's Gefilde,
Wehten durch das Tal
Duft und Frühlingsmilde
Neues Leben war
Fröhlich aufgegangen,
Blau die Luft und klar,
Und die Lerchen sangen.
Und ich kam vorbei
An des Friedhofs Räumen,
Gräber Reih' an Reih',
Drin die Toten träumen.
Und vom Frost befreit,
Blumenaugen spähen,
Ob es an der Zeit
Schon zum Auferstehen?
Achtend nur des Winks,
Himmelher ergangen,
Bebten sie schon rings,
Und die Lerchen sangen.
So viel Tote hier,
Die den Lenz nicht spüren —
Lerchen, Lerchen ihr,
Kann euch das nicht rühren?
Und wie Hände weiß
Winken Leichensteine;
Einmal hier im Kreis
Ruht auch mein Gebeine.
Eine Träne rann
Über meine Wangen,
Und ich zürnte dann,
Daß die Lerchen sangen;
Daß Natur uns fest
Kos't an ihren Herzen,
Dann uns sinken läßt
Ohne Gram und Schmerzen;
Daß Natur allwärts
Stets sich darf verjüngen;
Nur das Menschenherz
Muß die Erde düngen!
Einsamkeit
In dem Walde tiefes Schweigen,
Finstre Nacht,
Geisterhafte Wipfel neigen
Sich nur sacht.
Sternenaugen einzeln schauen
Stumm herein,
Und ich fühle mich mit Grauen
So allein.
Mein Gesang im öden Raume
Leise hallt,
Und mir ist, als spräch' im Traume
Jetzt der Wald.
Bienenbegräbnis
Wie sich's bewegt und regt
Im kleinen Bienenstaat,
Das klettert, fällt und trägt
Fliegt munter fort und naht.
Welch Summen, Schwärmen, Wallen,
Das hat nicht Ruh, nicht Rast.
Ein Bienchen ist gefallen
Mit seiner Blumenlast.
Ein Rennen und ein Eilen;
Zu helfen seiner Not,
Mit ihm die Last zu teilen;
Das Bienchen doch ist tot.
Da lassen sie das arme
Ziehen wieder durch die Flur;
Es bleiben aus dem Schwarme
Zwei gold'ne Bienen nur.
Als Leichenträgerbienen,
So stellen sie sich ein
Ein Blumenblatt muß dienen
Zum Leichenwägelein.
Die Bienenleiche führen
Sie aus des Lebens Kreis,
Und unbekümmert rühren
Die Andern sich im Fleiß.
Und summen, flattern, schwärmen
Der Honigarbeit nach —
Wer soll auch lang sich härmen,
Wenn bang ein Leben brach!
Getrübtes Glück
Der Herbst begrüßte schon die Hügel,
Die Rebe beugte sich bekränzt,
Die Bäume schwangen grüne Flügel,
Von Gold und Purpur leicht beglänzt.
Der Sonne gold'ne Strahlen flossen
Noch sommerwarm auf munt'rem Wind,
Wie wir mit freundlichen Genossen
Bei nahem Abschied wärmer sind.
Wie schlugen hell des Lebens Quellen,
Vergess'nes Märchen jede Pein,
Und mit des Blutes leichten Wellen
Floß heiter Lust in's Herz hinein.
Und die Gefühle wurden Lieder,
Und offen lag des Traumes Reich;
Nur Eines trübe: Wird denn wieder
Die Zukunft diesen Stunden gleich?
Warum mußt' ich dem Bache lauschen,
Der Blumen küßte an dem Strand;
Sein flüchtiges Vorüberrauschen
Hat alle Freude mir verbannt.
Ich werde gehen wie die Welle
Und And're kommen Schar auf Schar,
Und Niemand ahnt und weiß die Stelle,
Wo einst ein Mensch so glücklich war!
Frühlingsregen
Ich lausche in das mitternächt'ge Schweigen
Mein Auge wacht,
Es rauscht der Regen in bewegten Zweigen,
So heimlich sacht.
Die Wolke gießt die warmen Regentropfen
Aus voller Brust,
Wie eine Jungfrau weint, die Pulse klopfen
In Sehnsuchtslust.
Doch mit dem Morgen trocknet sie die Tränen,
Ihr Antlitz lacht,
Und Niemand ahnt und weiß dann um ihr Sehnen
In stiller Nacht.
Verträumt
Es hat wohl lang gedauert,
Ach viele Monde lang,
Von Büchern rings ummauert,
Saß ich in Träumen bang.
Mich quälten Forschersorgen,
Gedankenvolle Pein,
Da kam an einem Morgen
Zu mir der Sonnenschein.
Und wie ein lichtes Wunder
Umwogte mich es hell,
Ich ließ den Weiheitsplunder
Und trat in's Grüne schnell.
Und wie ich trat in's Freie,
Da wehte kühl mich's an,
Ein blöder Lebensleie
Stand ich im weiten Plan.
Um mich lag die verfahlte,
Hinsterbende Natur,
Die Herbstessonne strahlte
Durch weiße Nebel nur.
Zu meinen Füßen lieget
Der Waldschmuck gelb und matt,
Ein Todgedanke flieget
Von jedem Baum das Blatt.
Hoch oben zogen Schwäne
In südliches Gefild,
Und eine Wehmutsträne
Trat mir in's Auge mild.
Warum mußt du als Leichen
Die Blätter alle seh'n?
Und sah'st in Frühlingsreichen
Sie doch nicht grünend weh'n.
Sie buhlten jung mit Andern,
Zur Zeit jetzt des Verfalls
Frech werfen sie beim Wandern
Sich welk dir an den Hals.
Wie hast du, Lebensmühling,
Zu leben doch gesäumt
Und einen schönen Frühling
Verloren und verträumt.
Wanderlied
Ich zog zur hellen Stadt hinaus,
Im Bündel all' das Meine.
Die Fenster hell an jedem Haus
Im klaren Morgenscheine.
Da dacht' ich still im Herzen mir:
Aus all' den tausend Scheiben
Winkt Niemand frohen Abschied dir,
Kein leiser Wunsch zu bleiben.
Nicht wähl' ich, ob mir einer frommt
Von all' den tausend Wegen,
Aus einer süßen Heimat kommt
Doch keiner mir entgegen.
Ich steh' allein in weiter Welt,
Mag, wo ich will, erscheinen —
Und als ich kam in's weite Feld,
Da mußt ich bitter weinen!
Der mähende Greis
In grüner Mark einmal
Schritt ich am Wanderstab.
Rot glomm der Abendstrahl
Vom grünen Berg herab.
Da hab' ich einen Greis
Schneeweißen Haupt's geseh'n,
Den bunten Wiesenkreis
Mit blanker Sense mäh'n.
Wie er so langsam schritt,
So bleich im Abendrot,
Durch tausend Blumen schnitt,
Erschien er mir der Tod.
Spätabend bald verschlang
Den Greis, im Weitergeh'n
Der Sense schrillen Klang
Hört' ich noch lange mäh'n.
Königstraum
Mir träumt', ich war ein König
Und herrschte weit umher,
Und liebt' in Leid und Wonne
Die rauschenden Harfen sehr.
Und was ich an Schmerzen erfahren,
Und was ich erfahren an Glück,
Das brachte mein treuer Sänger
In Liedern mir zurück.
Die horchenden Ritter und Frauen
Bewegte so Lust als Schmerz,
Sie fühlten mit, was getroffen
Hat ihres Königs Herz.
Erwacht bin selbst ich der König
Und bin sein Sänger zugleich,
Die Worte sind meine Harfen,
Das Menschenherz mein Reich.
Waldgruß
Tret' ich in den grünen Wald
An dem Wanderstabe,
Wo es lustig hallt und schallt,
Kommt mir frische Labe.
Kommen Grüße überall
Freundlich mir entgegen,
Blinzend schaut der Sonnenstrahl
Durch den Blättersegen.
Eiche selbst, die stolze Frau,
Neigt den hohen Gipfel,
Wo ich wandre, wo ich schau,
Neigen sich mir Wipfel.
Schatten hüpfen hier und dort,
So wie Kinder munter;
Blätter schwatzen immerfort,
Waldstrom predigt drunter.
Und der steinerne Kumpan,
Dort der Fels so öde,
Red' ich ihn mit Worten an,
Steht mir artig Rede.
Und die Vöglein mit Gesang
Musizieren heiter.
Bei so lustigem Empfang,
Wer ging stumm da weiter?
Verschiedene Andacht
Wie glänzt im grünenden Gefild
Der Hügel in der Abendsonne,
Auf seinem Gipfel prangt das Bild
Der heilandseligen Madonne.
Und vor dem Bilde knie'n vereint,
Zwei Jungfrau'n betend auf dem Moose,
Von Abendrot und Andacht scheint
Der Antlitz Jeder eine Rose.
Jetzt hat sich von dem Blumengrund
Die Eine schlank emporgehoben,
Und küßt mit unschuldsvollem Mund
Das Bild der Mutter Gottes oben.
Die Andre hängt am Kind mit Lust
Und kniet mit inniger Bewegung,
In ihre Andacht unbewußt
Bebt keusch der Mutter süße Regung.
Verlorener Lenz
In golden grauen Düften
Schwimmt blauer Berge Zug,
Und drüber hin in Lüften
Ein schwarzer Kranichzug
Und ist es denn, ihr Dunkeln,
Zum Süd schon Wanderzeit?
Die Sonnenstrahlen funkeln
Warm über Lande weit.
Doch sieh, die grünen Wälder
Sind rötlich schon gestreift,
Und über Stoppelfelder
Ein kühler Windhauch schweift.
Schwer hängt die reife Traube
An dem verwelkten Ast;
Der Herbst schon da? ich glaube,
Ich hab' den Lenz verpaßt!
Er hat, voll Regenschauer,
Nicht blauen Blicks gelacht
Und hat in seiner Trauer
Die Rosen nicht entfacht.
Jetzt duften rings Reseden,
Der Astern Pracht gedieh,
Mir das verlor'ne Eden
Nachzaubern wollen sie.
Wie all' der farb'ge Plunder
Mich buhlerisch jetzt grüßt,
Ich hab' das Frühlingswunder,
Die Rose, nicht geküßt!
Auf der Alpe
Von Sternen noch ein funkelndes Gewimmel,
Der Sichelmond in zitterndem Erbleichen,
Ein tiefes Schweigen auf den Alpenreichen,
Ein roter Streif am östlich grauen Himmel.
In Schlucht und Tälern noch tiefblaue Schatten,
Kein Vogel wach, nichts hörbar von Gesängen,
Ein Läuten fern von Herden- Glocken- Klängen,
Balsamisch frischer Hauch von Alpenmatten.
Tief unter mir der Tannen schwarze Wipfel,
Ein Windhauch plötzlich macht sie bebend rauschen,
Nichts regt sich sonst, und Welt und Seele lauschen;
Da glüht es auf, rot ist ein Gletschergipfel.
Ein zweiter jetzt, in Glut die nächste Spitze,
Fließt purpur'n es von einer zu der andern,
Begriffen ist das Licht in leisem Wandern,
Bis alle Spitzen glüh'n vom Sonnenblitze.
Ein seliges Ereignis ist im Werden,
Die Seele schließt die Augen auf, zu schauen,
Ist's Wehmut, ist es Wonne, ist es Grauen?
Weht so erhab'ne Schönheit noch auf Erden?
Ein Ozean von Licht fließt still und breiter,
Die Sonne hebt das Haupt mit gold'nen Locken,
Es liegt die weite Welt vom Glanz erschrocken,
Der Purpur auf den Gletschern glüht nicht weiter.
Vorbei
Einst unter grünem Eichenbaum
Hab' ich empor gelauscht,
Der hat mir seinen schönen Traum
In's junge Herz gerauscht:
"Ich höre schon den Sturmwind weh'n,
Der mich ergreift und faßt,
Ich werde durch das Weltmeer geh'n
Als freier, kühner Mast.
Und fremder Glanz und fremdes Land
Grüßt meiner Wimpel Flug,
Und du vielleicht, du junger Fant,
Machst mit zum Glück den Zug.
Und Gold wird dein und Perlenglanz,
Die allerschönste Fee,
Von meinem Laub vielleicht ein Kranz,
Zur See! Komm mit zur See!"
Seitdem ist manches Jahr entfloh'n,
Und wieder rauscht der Baum,
Mir aber ist verklungen schon
Der Hoffnung gold'ner Traum.
Ich höre fern den Mühlbach geh'n
Und seh' im Mondenschein
Gespenstisch schwarz ein Rad sich dreh'n,
Die Flut spielt weiß hinein.
Scharf ist vielleicht die Säge dort
Für dich schon Eichenbaum,
Eh' deiner Wurzel Kraft verdorrt,
Eh' noch zerstob dein Traum.
Und aus den Brettern, die, dein Mark,
Durchschneidend, bald sie sägt,
Gezimmert wird der schmale Sarg,
D'rin man zur Ruh mich legt.
Trinklied
Ich trinke nicht!
Wozu die inn're Glut mit Gluten schüren,
Den Feuerdämon in die Seele führen,
Daß er mit dem, der innen mächtig haust,
Wie Glut mit Glut in Eins zusammenbraust?
Wenn's feurig aus der eignen Seele bricht,
Der trinke nicht.
Ich trinke kühn!
Den Frühlingsgeist, durchseelend laue Lüfte,
Den Blumenduft, verhüllend finst're Grüfte;
Nach Waldessturm und himmelblauem Meer
Verlangt es meine durst'ge Seele sehr.
Wenn Sternenstrahlen durch die Nächte sprüh'n,
Da trink' ich kühn.
Ich trinke gern!
Wenn Geisterströme an die Seelen branden,
Und d'rauf Gedanken aus dem Jenseits landen,
Was mild und wild, melodisch sich ergießt,
Und wie Musik von Dichterlippen fließt,
Was mir die Seele führet erdenfern,
Das trink' ich gern.
Ich drinke heiß!
Wenn mir ein Weib mit liebdurchseelter Miene
Den Kuß kredenzt im Becher von Rubine,
Wenn es, die warme Seele anzuschmiegen
Und durch der Wonnen Himmel hinzufliegen,
Die Arme schlicht zum weichen, sel'gen Kreis,
Da trink' ich heiß.
Wo mir kredenzt
Wird Schönheit, Lenz und Poesie im Becher,
Da trink' ich kühn, ein sel'ger, heißer Zecher;
In diesem Rausche will ich untergeh'n,
Wie schön mir seine duft'gen Rosen steh'n,
Wie seine Jugend fröhlich mich umglänzt!
Kredenzt, Kredenzt!
Mahnung
Die Luft wahr heiß, die Astern brannten,
Auf Wiesen farbenhell gestickt;
Am Himmel zogen Storchgesandten,
Vom Herbst dem Süden zugeschickt.
Als ich am Morgen d'rauf erwachte,
Da war die Welt so nebelgrau,
Nur herbstlich Laub, wo Sommer lachte,
Nur weißer Reif, wo gestern Tau.
Sonst flohen unbemerkt die Horen,
Der Zeiten wechselvoller Tausch,
Im süßen Jugendglück verloren,
War mir das Sein ein steter Rausch.
Doch heut' erfaßte mich die Mahnung,
Daß die Natur sich sterbend fühlt;
Da hat entschwund'ner Jugend Ahnung
Zum ersten Mal mich angekühlt.
Wirre Stimmen
Der Reif umglänzt die Tannenzweige,
Es weht ein nebelfeuchter Duft,
Welk decken Blätter alle Steige,
Der Wind erbraust durch graue Luft.
Der Gießbach wälzt die Wellen schaurig
An jäher Felsenwand vorbei;
Ich wand're bis zum sterben traurig
In dieser Waldeswüstenei.
Schwarzföhre rauschet mir entgegen:
"Was kamst du nicht, da Frühling war?"
Die Zweige, wie zum Todessegen,
Neigt sie herunter auf mein Haar.
Der Waldbach im Vorübertosen
Braust, felszerrissen, dumpf mir zu:
"Komm mit! Was träumst du noch von Rosen?
Ich trage dich hinab zur Ruh!"
Durch feuchten Nebel krächzen Raben:
"Was macht dir müden Wand'rer bang?
Wenn Sturm und Zweige dich begraben,
Wir singen dir den Grabgesang!"
Wie all' das raunt und schreit und plaudert,
Wahnsinnig durcheinander wirrt!
Wo führt der Weg hinaus? mich schaudert,
Ich steh' im wilden Wald verirrt.
Vielleicht ist es
das Letztemal!
Es pocht an meiner Tür: "Herein!"
""He, Alter, Gott zum Gruß!""
"Mich blendet noch der Sonnenschein
Ah, junger Freund! bist du's?"
""Ich bin's und viele noch mit mir,
Sie warten vor dem Tor:
Das Blumenheer mit grüner Zier,
Vom Lerchenvolk ein Chor.
Sie duften süß und singen schön
Dir in das Herz hinein
Und führen dich durch Tal und Höh'n
In grüne Wälder ein.""
"Ich bin nicht jung, nicht fröhlich mehr."
""Ei denn, Poet, so träum's!""
"Mein Herz ist für dein Glück zu schwer."
""Ei denn, du Tor, versäum's!
Und warst du einmal echter Most
Und bist jetzt alter Wein,
Wenn draußen alles treibt und sproßt,
Rührst du dich nicht allein?
Vielleicht ist es das Letztemal,
Daß Frühling bei dir war!""
Fortspringt er, ist schon weit im Tal,
Aufbrechen Schar um Schar.
Den Berg hinan, die Flächen hin,
Gedrängt hier, dort entschart,
Die grünen Heeressäulen zieh'n,
Lenzsturm voraus fanfart.
Und wo der junge Sieger naht,
Schwenkt Fahnen grün der Wald,
Bedecken Blumen ihm den Pfad,
Bau'n Pforten sich alsbald.
Es nehmen mit dem Lerchenchor
Die Menschen jubelnd Teil;
Es jauchzt und singt und klingt empor:
"Dem jungen Frühling Heil!"
Und ich? ich juble mit im Tal,
Wie kam ich nur hinaus?
Vielleicht ist es das Letztemal,
Herz, juble dich nur aus!
Sonett
Bist du noch nie zur blauen See gekommen,
In ihren weichen Wellen dich zu baden?
Du wirst gewiegt von plätschernden Najaden,
Die an den weißen Busen dich genommen.
Und bist du sanft geküßt hinausgeschwommen,
Wo immer Neue locken dich und laden,
Bringt wieder dich ihr Zug zu den Gestaden,
Die lieblich sind von Blumenpracht umglommen.
Des Wohllauts Woge führt dich in die Ferne,
Auf des Sonettes Wellen sanft getragen,
Es leuchten freundlich der Begeist'rung Sterne;
Doch willst du dich zu weit in's Blaue wagen,
Trägt wieder dich an's Land die Woge gerne,
Wenn Reime Takt zu den Terzinen schlagen.
Nachtfeier
Blaufinst're Nacht auf gold'nen Sternensohlen
Zieht schweigend durch die stillen Weltenträume,
Tauperlen streut sie aus und bunte Träume
In Menschenherzen, duftende Violen.
Leuchtkäfer glüh'n, des Busches Girandolen,
Die Winde schlummern und des Waldes Bäume,
Im Sternenglanze sprüh'n des Baches Schäume,
Ein Rauschen geht, wie sanftes Atemholen.
Aus weißen Lilien steigen Funken golden,
Glanzvolle Heimlichkeit ist rings ergossen.
In weißen Busen halten Blumendolden
Des Mondes Strahlen buhlend eingeschlossen.
Wer ahnt, was bis zum Tag, dem morgenholden,
An Seligkeit die Blumen still genossen?
Blume, Edelstein und Wein
Drei Dinge sind, die wunderbar erscheinen,
Kaum von der finstern Erde zu erwarten,
Daß Blumen sie erzeugt viel holde Arten,
Daß sie geheim sich schmückt mit Edelsteinen.
In selt'ner Laune beide zu vereinen
Läßt sprießen sie die Glut im Traubengarten,
Der Traube gibt sie Blumenduft den zarten,
Und von dem Edelstein das Feuerscheinen.
Den flüss'gen Edelstein in dem Pokale,
Weht mich ein Frühling an voll süßer Düfte,
Und glänzt das Leben mir im Sonnenstrahle.
Der Erde sind verzieh'n die finstern Grüfte,
Glut schlürf' ich, Licht und Duft mit Einemmale,
Der Seele Lerchen schmettern durch die Lüfte.
Fährleiten Gletscher
Ich zieh' durch's Tal in früher Abenstunde,
Mit mir die Bächlein in den Wiesenrinnen;
Die fern herabgestürzt von Felsenzinnen,
Zahm und erschrocken geh'n im Blumengrunde.
Blaugrüne Gletscher starren in der Runde,
Von Zeit zu Zeit ein dumpfes Donnern drinnen;
Lawinen stürzen, weiße Königinnen,
Entthront, verzweifelnd sich zum Todesschlunde.
Die Sonne sank. In violetten, feuchten
Lichtglorien beginnt die Welt zu leuchten,
Die Gletscher glüh'n, Waldwipfel steh'n in Flammen.
Tiefblaue Schatten fangen an zu dunkeln
Und löschen, langsam ziehend, aus das Funkeln,
Frost weht, es sinkt die Pracht in Nacht zusammen.
Nachtbild
Auf des Teiches leisen Wellen
Spielt des Mondes milder Schein,
Senken an den Uferstellen
Weiden ihre Schatten ein.
Sanft gezog'ne Silbergleise
Durch die Fläche führt ein Schwan,
Und der Ölbaum wehet leise,
Süß betäubend, Duft heran.
Tiefe Stille, schwüles Wetter
Leuchtet durch der Nacht Azur,
Einer Nachtigall Geschmetter
Ist des Raumes Seele nur.
An des Teiches fernstem Rande
Steht ein holdes Mädchenpaar,
Zögernd löst es die Gewande,
Nieder wallt sein blondes Haar,
Bis zum Fuß den Schleierlosen
Sinkt es, sie verhüllend ganz,
Einen Kranz von weißen Rosen
Schlingt hinein des Mondes Glanz.
Und mit leisem Schauer nieder
Tauchen sie in's kühle Bad —
Und gesträubt das Schneegefieder,
Stolz der Schwan den Mädchen naht.
Ob nicht eine im Gemüte,
Von dem kecken Schwan umlenkt,
Der antiken, schönen Mythe
Träumerisch verschämt gedenkt?
Ein Lindenblatt
Mittagsglut ist's, Bienen summen
Über Blumen, Busch und Bäumen,
Rings ein schläfriges Verstummen,
Nur des Baches Wellen schäumen.
Ruhend unter schatt'ger Linde,
Blick' ich in die blaue Ferne,
Und bewegt von sanftem Winde
Streut die Linde Blütensterne.
Losgelöst sank mit den Blüten
Auch ein Blatt auf mich hernieder,
Und ich mußte alter Mythen
Träumerisch gedenken wieder.
Schimmernde Gestalten fahren
Durch des Strom's grüngold'ne Wellen,
Schöne Frau'n mit gold'nen Haaren
Und mit Augen wunderhellen.
Wie sie lächeln, sich bewegen,
Könnt' ich doch die Lüfte fragen,
Was sie zu dem kühnen Degen
Zaubervolles Süßes sagen.
Sinkt herab ein grüner Schleier?
Die Gestalten sind zerflossen,
Und ein sonnig heller, freier
Waldgrund hat sich aufgeschlossen.
Legt ein Ritter ab die Wehre,
Um vom frischen Quell zu trinken,
Weh', von einem Meuchelspeere
Seh' ich ihn zu Boden sinken. —
Ob mich Duft und Glut betäuben?
Aufgewacht aus dumpfem Traume,
Spielt ein Windhauch mir zu Häupten,
Wieder in dem Blütenbaume.
Böse Stunde
Beherrscht von Genien sind die Stunden,
Von guten und von bösen,
Du kannst, sie halten dich gebunden,
Den Bann nicht lösen.
Die beste Tat laß unbegonnen,
Kein Lied ergeh' vom Munde,
In Schmerz verwandeln selbst sich Wonnen
In böser Stunde.
Kein süßes Wort der Liebsten sage,
In Bitt'res wird sich's tauschen;
Die Stunde laß mit dunklem Flügelschlage
Vorüberrauschen!
In die Welt
Das Wandern hat uns Gott bestellt,
Es wandert Alles in der Welt,
Was Füße hat und Flügel regt,
Ich lobe mir, was sich bewegt!
Der Vogel wandert durch die Luft,
Der Bach, wenn ihn der Frühling ruft,
Der Wind zieht froh von Ort zu Ort,
Reißt Düfte mit und Wolken fort.
Wenn sich der Baum bewegt und schwingt,
Wenn Vogel ihm vom Wandern singt!
Er wurzelt fest, doch ich bin flink,
Ich folge froh dem Wanderwink.
Das Ränzel leicht, das Blut nicht schwer,
Die blaue Ferne lockt: komm' her!
Wie geht sich's schön im Sonnenschein,
Die Welt ist weit, die Welt ist mein!
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