Der
Tempel von Paphos
Herrlich prangend breitete seine Triften
Cypern vor phönizischen Hirtenstämmen,
Und sie weihten gläubig das schöne Eiland
Weiblicher Gottheit.
Heilig unergründliche Mächte sah'n sie
Wie im lebendweckenden Strahl des Sonngott's,
So in weichen Tiefen der Erde, wenn sie
Neu sich vermählt ihm.
Wunderkräftig trieb das vereinte Walten
Von des Himmels Glut, von dem feuchten Grunde.
Alle Keime Cyperns empor zu vollster,
Seltenster Blüte,
Und so rief das Volk auf dem grünen Eiland:
"Göttin Fruchtbarkeit, die dem Schlamm entstiegen,
Preis dir! hier sei ewig dein hehrer Wohnsitz,
Heilige Astarte!"
Und zu Paphos fügten sie rohes Steinwerk
Ungeschlacht zum Tempel zuerst zusammen,
Gleich dem Götzenbilde, des' stumpfe Masse
Er überdeckte.
Wenn der Frühling über die Insel schwebte,
Daß sie prangt' im bräutlichen Schmuck der Blüten,
Kam das Volk in Scharen herbei, die Göttin
Würdig zu feiern.
"Große, Allgebärende, voller Wonne,
Furchtbar Allverzehrende, voll Verderben,
Preis dir! nimm die Huldigung deiner Knechte,
Göttin Astarte!
Du nur gibst das Leben — es blüht und welket
Dir der Erdkreis — laß uns in Lust und Grauen,
Gänzlich untergehend in deiner Allmacht,
Opfer dir bringen!" —
Aus dem wilden Taumel, der rohen Wollust
Ihrer Feier kehrten sie stumpfen Sinnes,
Öden Herzens wieder — sie fühlten nur mehr
Ewiges Welken.
Aber Wachstum waltet ringsum im Dasein,
Langsam reift veredelt heran die Menschheit,
Und ihr Weg, wie dunkel er sei, führt dennoch
Immer nur vorwärts.
An das Eiland stießen der Griechen Schiffe:
Staaten bildend zogen sie aus und dehnten
Ihre enggewordene Heimat mählich
Über die Insel.
Und sie riefen: "Perle des blauen Meeres,
Blühend Eiland, würdig der Schaumgebor'nen,
Sei der lebenspendenden, holden Göttin
Herrlichster Tempel!"
Und auf schöngeschwungenen, hohen Säulen
Ruhte bald das stolzeste Dach von Paphos,
Hielt ein reizvoll marmornes Frauenbildnis
Prächtig umschlossen.
Wieder kam das Volk mit des Frühlings Wehen
Strömend dicht in Scharen herbei, und festlich
Schmückten sie den Tempel mit allen Blumen,
Tanzten und sangen:
"Ew'ger Preis dir, Göttin der heil'gen Schönheit,
Die das Sein zum Leben erst macht, die einzig
Freude weckt, das Himmelsgeschenk, beglückend,
Adelnd die Menschen.
Schön wie du sei, was uns umgibt, o Göttin,
Nimm die Huld'gung deiner entzückten Diener!
Im Genusse Trübes vergessend, laß uns
Opfer dir bringen!" —
Von der sinnbestrickenden Feier kehrten
Regen Geistes sie, doch mit leerem Herzen;
Fühlten kurzes, schönes Erblüh'n, und langes,
Trauriges Welken.
Langsam reift des äußeren Sein's Veredlung,
Langsam folgt der regere Schwung des Geist's ihr;
Doch am stillsten aus den geheimen Tiefen
Sproßt das Gemüt auf.
Röm'sche Herrschaft kam auf die schöne Insel;
Macht und Reichtum kamen mit ihr — doch während
Tausende noch riefen in Paphos: Heil dir,
Cyprische Venus!"
War ein kleines Häuflein dabei, mit andern,
Fernen, traumhaft schönen Gedanken; schweigsam
Mußt' es lang noch bleiben — es hätte anders
Höchstes verraten.
Doch vermorscht brach römische Macht zusammen;
Neuer Geist durchwehte die Welt und streifte
Cypern auch, erst leise, dann immer lauter,
Immer allmächt'ger,
Bis das heil'ge Zeichen sie jubelnd hoben,
Bis das Kreuz vom Tempel der Venus strahlte,
Bis ein Frauenbild er umschloß, im Blicke
Unschuld und Würde.
Wieder kam im Lenze das Volk in Scharen
Sanfte Weisen singend herbei und schmückt' es
Ehrfurchtsvoll mit Lilien und Rosen, betend,
Bittend im Chore:
"Sieh herab vom Himmel auf dieses Eiland,
Segne seine blütengeschmückten Fluren,
Dir geweiht, wie Alles, was hold auf Erden,
Erste der Frauen!
Schütz' die Erde, du, deren ärmste Tochter,
Bitt' im Himmel, du, dessen schönste Zierde,
Neige dich barmherzig zu jedem Leiden,
Mutter der Güte!
Schütz' die Unschuld, Königin reiner Engel,
Bitt' für Schuld'ge, Mutter des Allerbarmers,
Ew'ger Preis auf Erden dir, Preis im Himmel,
Ave Maria!"
Und sie kehrten still von der Andachtsfeier
Wieder, tief im Herzen ein neues Leben;
Fühlten auch im äußeren Welken stets noch
Inneres Blühen.
Berghymne
Trankst du je den würzigen, reinen Lufthauch,
Wie ihn kraftvoll atmet der hohe Bergwald?
Hat des Hochlands mächtiger Zauber einsam
Je dich umrungen?
Ward, entrückt dem Treiben des Tag's, beim Aufstieg
Dir der Sinn nicht freier mit jedem Herzschlag?
Stille rings, und dennoch beredt, nicht tonlos
Stumm wie die Heide:
Wie der Wind streicht über die tausend Wipfel,
Tönt es machtvoll bald wie der Orgel Brausen,
Flüsternd bald und lind, wie der Mutter Segen
Zu dir hernieder,
Und der Wildbach, über bemoostes Felswerk
Schäumend, milchweiß hier, da demanthell, rauscht dir
Seitwärts, ungestüm oder weich und sangvoll,
Tief in der Waldschlucht.
Maiengrün umlächelt dich hier der Erdgrund,
Wär's auch Herbst, wie tief im Gemüt ein Frühling
Nie verwelkt — Es duften die keuschen Blumen
Hold dir entgegen,
Wie ein süß' Geheimnis, im Laub verborgen,
Unberührt im zartesten Schmelze prangend,
Wie fernab die Lieblichen nur im Waldschutz
Traulich gedeihen.
Über dir, umsäumt von gewalt'gem Bergkranz,
Wölbt sich tiefblau herrlich der klare Himmel;
Nicht des Flachland's Himmel, der endlos weite,
Matte Gesichtskreis,
Der am Rand verschmilzt mit dem Dunst des Erdballs,
Wo du trostlos selbst dich verlierst — d e i n Himmel,
Der allein für Heiligstes, Höchstes Raum hat,
Schaut auf dich nieder.
Sieh! Du hast ihn plötzlich erreicht, den Bergkamm!
Wie befreit von menschlicher Last und Kleinheit,
Hebt sich sieghaft atmend die Brust dir, ringsum
Schweifen die Blicke.
Hehr und lieblich tut sich das Herz der Bergwelt
Auf vor dir in traumhafter, reiner Schönheit,
Und des selbstvergessenen Schauens Wonne
Nimmt dich gefangen.
Nicht mehr bist du nur in dir selbst: Du fühlst dich
Eins mit kühn geschwungenen, schroffen Felsen,
Mit dem Weidland, schwellend in weichen Hügeln
Ihnen zu Füßen;
Mit den majestätischen, dunklen Tannwald
Und dem grünen, lachenden Tal, durchzogen
Von dem silberblinkenden Fluß, mit Bergseen
Spiegelnd den Äther.
Als schon Dämm'rung herrscht in den breiten Tiefen,
Da ergießt der scheidenden Sonne Glanzflut
Herrlich leuchtend sich über jede Felswand,
Jegliches Berghaupt,
Daß sie glühn, vom strahlenden Gott getroffen,
Wie die Himmelstochter Begeist'rung einzig
Solche Stirnen schmückt, die des Alltags Treiben
Hoch überragen.
Kennst du sie, die Zauber des freien Hochlands?
Nahmst du je sie ganz in dich auf, und fühlst du,
Wie an ihnen menschliche Würde höher,
Reiner emporwächst?
Volksgunst
An
einen Volksvertreter
Wohl ist es süß, wenn tausend Herzen schlagen
Entgegen deinen Taten, deinem Wort,
Wenn deinen Namen sie gen Himmel tragen
Mit tausendfält'gen Ruf als ihren Hort
Und auf dem Weg, den sie durch dich erkennen,
Dich hochbegeistert ihren Leitstern nennen.
Du fühlst, wie neue Kräfte sich entfalten
In deinem Innern durch den schönen Bund;
Als Segen schwebt auf dir der Spruch der Alten:
"Die Gottesstimme spricht durch Volkesmund!"
Und würde Freude nicht dein Herz erheben —
Du wärst kein Mensch, du hätt'st kein inn'res Leben.
Doch tönt auch noch so hehr des Waldes Sausen —
Nur Blätter sind's, von jedem Wind regiert;
Und mag die hohe Flut allmächtig brausen —
Der Strömung folgt sie nur, die sich verliert.
Doch eh' die heut'ge Sonne mag erbleichen,
Wird lautlos sie vielleicht von dannen schleichen.
So denke, wenn die leicht betörte Masse
Dir kopfscheu plötzlich aus dem Wege stiebt,
Ganz unbekümmert, wie sie dich verlasse,
Verleugnend, was sie einst zumeist geliebt:
Bewegte Blätter sind's, getrieb'ne Fluten,
Zu unfrei für den Groll des Starken, Guten!
Und hat ihr Abfall nichts dir abgerungen
Von deinem Selbst, so aufrecht wie zuvor,
Blieb deine Menschenliebe unbezwungen —
So ragst du höher, reiner nur empor;
Mag auch der flücht'ge Tag dem Niedern fröhnen —
Die Zeit wird immer doch den Würd'gen krönen.
Mondesaufgang
Hoch von grün umrankter Terrasse schau' ich
Still hinaus zum scheidenden Tag, des' Klarheit
Langsam nur entweicht auf des Sommers lichten,
Rosigen Flügeln.
Goldhell aus dem lieblichen Grün der Reben
Hebt sich noch manch reifendes, weites Kornfeld,
Doch die schlanke Reihe der Pappeln ragt stets
Dunkler und dunkler.
Sieh! am tiefblau werdenden Himmel steigt jetzt
Groß der Vollmond auf, gesättigt in dunklem Feuer,
Prachtvoll, überwältigend ganz durch seine
Scheinbare Nähe.
Sonnenhaft, doch nimmer das Auge blendend,
Nein, es süß berauschend, so schwebt er höher
Über alles Land, das ein später Lichtschein
Sanft noch umkleidet.
Einer Jungfrau gleich, deren inn'rer Reichtum
Ungenützt an rosiger Lebensschwelle,
Dennoch ahnungsvoll schon ihr ganzes Wesen
Herrlich durchflutet,
Kündend, was für Kräfte sich da entfalten,
Eine Welt durchstrahlend in Liebesfülle —
Also schwebt die Leuchte der künft'gen Erdnacht
Hin durch den Äther.
Vor so herzbewegender Schönheit steh' ich
Sprachlos, ganz mir selber entrückt, als hätt' ich
Dieses Schauspiel kreisender Himmelskörper
Niemals gesehen.
O Natur! erlösender, reiner Zauber,
Ew'ge Jugend! uraltes, höchstes Wunder!
Sei im Walten deiner Gesetze staunend
Immer gepriesen!
Lieder aus der Rosenzeit
I.
Welcher Gruß kann holder sein,
Wenn ich unverhofft dich sehe,
Als in deinem Aug' der jähe,
Schöne, flücht'ge Freudenschein?
Welcher Gruß kann holder sein?
Welches Wort kann süßer sein,
Wenn ich scheidend von dir gehe,
Als in deinem Aug' das Wehe,
All' die schwerverhehlte Pein —
Welches Wort kann süßer sein!
II.
Ich bring' in stummer, inniger Lust
Die Rose dir entgegen,
Du nimmst sie hin, an deine Brust
Sie schweigend beredt zu legen.
Und als sie dir am Herzen ruht,
Hab' Antwort ich gefunden
Auf jenen Gruß, den ihre Glut
Dir leise sollte bekunden.
Wie war es, eh' sie uns erblüht?
Ich kann es nicht mehr fassen:
Ich sehe nur vor deinem Gemüt
Die äuß're Welt mir erblassen,
Und ferner rücken mir Leid und Lust,
Des Daseins wechselnde Lose —
Ich sehe nur an deiner Brust
Die Liebe hauchende Rose.
In's dunkle Land
Du
sinkst mit bleichem Angesicht
Geschloß'nen Aug's zurück in's Kissen,
Die Hand nur hält mit halbem Wissen
Die meine noch — o laß sie nicht!
Laß uns gemeinsam, Hand in Hand
Dem dunkeln Los entgegen wallen,
Dem unerbittlich wir verfallen — —
Gemeinsam nah'n dem dunkeln Land.
Du gehst — wie bald schon! — feierlich
Dahin, wo unser Wissen endet,
Von wo kein Pfad zurück sich wendet —
Und ich — in's Leben ohne dich.
Königin Herzleid
"Von den Seelenmächten allen,
Die mit uns das Sein durchwallen —
Hehre mit dem Schleier du —
Fiel die Herrschaft dir denn zu?
Kannst nur du zu höchst dich schwingen,
Du nur in die Tiefen dringen,
Daß allein sich ganz verstehn
Jene, die dein Antlitz sehn?
Ach! warum muß dir vor Allen
Unschuld gleich der Schuld verfallen?
Grausam drückt dein Herrscherstab
Sie in gleiches Weh hinab.
Du bist uns im tiefsten Frieden
Wie im Lebenssturm beschieden;
Ob vor dir ein stolzes Haupt
Doch so sehr gefeit sich glaubt,
Ob die kindlich heit're Seele
Reinsten Freuden sich vermähle —
Weh! dein dunkler Fittig rauscht,
Schmerzen sind für Lust getauscht.
Ach! warum durch alle Zeiten
Muß sich deine Herrschaft breiten,
Grausam trübend, was da klar,
Unerbittlich, immerdar?!" —
"Menschenkind! wie Licht und Schatten
Sich in deinem Dasein gatten,
Folg' ich deiner Freuden Spur,
Grausam nicht: ich schein' es nur.
Siehe das Geschlecht der Kalten
Frei von mir ihr Los gestalten!
Siehe, wie des Leichtsinn's Geist
Sieghaft meinen Flor zerreißt!
Einzig die Empfindungsreichen
Müssen meiner Herrschaft weichen;
D e n nur hüllt mein Trauerflor,
Der ihn selbst heraufbeschwor.
Frag' ihn, der sich durch sein Leben
Meiner Macht anheimgegeben,
Ob ihm nicht am höchsten wert,
Was ihm jetzt das Herz beschwert?
Hätt' er lieber nie empfunden,
Nie mit Teurem sich verbunden,
Die um inn'res Glück gewußt,
Da er's doch verlieren mußt?
Nimmer! D a s erlebt zu haben —
Glich es nicht den Göttergaben?
Ja, ist nicht das Leid ihm lieb,
Das allein zurück ihm blieb?
Menschenkind! wenn du mein Walten
Immer willst dir ferne halten,
Schwebe, rolle durch das Sein,
Wie der Schatten, wie der Stein.
Willst du Hohes, Tiefes schauen,
An dem Dasein liebend bauen,
Willst du fühlen, daß du b i s t —
Wirst du mein in kurzer Frist!"
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