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Hermann von Gilm
Gedichte Gesamtausgabe

Herausgeber: Rudolf Heinrich Greinz
Reclam Verlag 1894

gefunden bei © ALO/austrian literature online
Universitäts- und Landesbibliothek Tirol, Innsbruck, Österreich

I.
Tiroler Schützenleben
entstanden 1863
 

Der alte Schütz am Pragser-See
Unsere Berge
Die kranken Trauben
In Meran
Auf dem Schießstand
Das erste Kaiserschießen
Ein junger Schütze bin ich nicht
Der Pfarrer von Völs
Schützenlied 1
Der Kaiser-Stutzen
Wallfahrer Lied
Der kleine Zieler
Schützenromanze
Schützenlied 2
Friedensschützen
Schützenlied der Pustertaler
Der Adler von Kastelruth
Die Zentrumsrose
In der Vesper
Die Schützenfahne
Das Kaiser-Fest
Tiroler-Schütze
Fahnenwidmung

 

Der alte Schütz am Pragser-See

Elf schlägt die Pragser Uhr; am Brunnentroge waschen
Die Mägde, die zum Trank geführten Kühe naschen
Im hühnerreichen Hof frisch eingeführten Klee.
Es deckt die Kellnerin den Eßtisch in der Stube;
"Auch ein Gedeck für mich!" Nach Tisch führt mich der Bube
   Des Badwirts  an den Pragser-See.

Durch Felsenstücke, reich behängt mit dem Damaste
Des Epheus, führt der Weg; von einem Birkenaste
Zum andern hüpft und fliegt die gelbe Zeisigbrut.
Hoch steht der Himmelbrand im Bux der Heidelbeere,
Indes am Rand des Wegs mit eingelegtem Speere
   Die Diestel ihren Wachtdienst tut.

Dicht steht nun Baum an Baum, die Rabenkarawane
Ruht aus auf eines Ast's weit blickender Altane,
Dazwischen liegt der See so feierabendstill,
Ein Stück vom Himmel, das zur süßen Ruhe ladet,
Ein keusches Frauenaug', das in der Träne badet
   Und sich nicht sehen lassen will.

Kein Hauch bewegt den See, nicht eine Wellenspitze
Berührt das Traubenpaar am Strauch der Berberitze,
Das übers Wasser hängt; kein Atemzug, kein Ton . . .
Da fällt ein Schuß, und ringsum an die Felsenwände
Das Echo klopft, es knallt, es dröhnt, es rollt, als stände
   Im Feuer ein Bataillon.

Die Raben schreien auf und flüchten auf die Zinnen
Der Dolomite; dort der Schütz', was mag er sinnen,
Die Hände auf dem Rohr, im Auge Lust und Zorn?
Im grauen Schnurrbart liegt versteckt ein heimlich Lachen:
"Schlafsücht'ger Donner! wie, wollt nimmer ihr erwachen?"
   Höhnt er und greift ans Pulverhorn.

He, Landmann! rief ich ihm, hat hier zu Lande jeder
An Pulver Überfluß für eine Rabenfeder?
Der Alte schließt die Pfann', spannt rasch den Hahn und spricht:
"Ein alter Fuhrmann, Herr, sagt's Sprichwort, hört gern schnalzen:
Im Stand erseh' ich's nicht, und wo die Hähne falzen,
   Zum Joch hinauf, ersteig' ich's nicht."


"Gebt acht nun, wie das knallt . . . so war es an der Rienz,
Am Eisack, an der Sill, beim Klausentor von Lienz;
Schön ist's am Scheibenstand, wenn Büchs' an Büchse kracht,
Schön ist die Gemsenjagd, schön ist's, wenn aus dem Haber
Das Rebhuhn steigt — ich hab's versucht — das Schönste aber
   Im Schützenleben ist die Schlacht."


Unsere Berge


Es ziehen die Nebel durchs blühende Tal,
Laßt ziehen das graue Gewimmel!
Es leuchten die Berge im Sonnenstrahl
Und zeigen die Wege zum Himmel.
Die kriechenden Schatten ereilen uns nicht,
Wir trinken hoch oben das rosige Licht
   Auf unsern ewigen Bergen.

Es welken die Blumen des Frühlings so schnell,
Laßt unten die Blumen verwelken!
Hoch oben gibt's Primeln am sprudelnden Quell
Und Rosen und brennende Nelken.
Weicht unten der Frühling dem reifenden Halm,
Zieht er mit der klingenden Herde zur Alm
   Auf unsern ewigen Bergen.

Und macht verschmähte Liebe dich krank,
Laß liegen den Kummer im Tale;
Es reicht hoch oben die Freude den Trank
Aus bergkristallener Schale;
Denn zwischen den Sternen und zwischen dem Firn
Da neigt sich zum Kusse die stolzeste Stirn
   Auf unsern ewigen Bergen.

Und wenn man das Lied zu Boden tritt,
So laßt es zertreten, zertreten,
Bevor der Roggen steht im Schnitt,
Ruft Gott die neuen Poeten
Aus jeglichem Wald, aus jeglichem Hag,
Um einzusingen den neuen Tag
   Auf unsern ewigen Bergen.

Und brechen die Feinde herein ins Land,
Laßt tausend kommen und tausend;
Wir haben pfeifendes Blei zur Hand
Und Eisen singend und sausend.
Und zöge die Freiheit aus dieser Welt,
Wir baun der Verbannten ein sichres Zelt
   Auf unsern ewigen Bergen.

Die kranken Trauben

Matt hängt vom Turm die Fahne nieder,
Der Wind, der sonst so lustig blies,
Er ist verstummt, wie unsre Lieder;
Der Lärchen Wald, der Berge Vlies
Brennt in der Farbe des Zinnobers,
Ihn hat in solchen Zorn gejagt,
Daß alle Freuden des Oktobers
Der Mai schon boshaft hat vertagt.

Sonst, welch ein Leben hat begonnen
Die traubenreiche Etsch entlang,
Wenn neuer Wein floß in die Tonnen
Und neue Lust in den Gesang!
Kein Gruß, kein Kuß blieb unerwidert,
Denn neuer Wein gibt neuen Mut,
Und himmelan flog neubefiedert
Der dunkelgrüne Schützenhut.

Die Spinnerin am Leno-Bache,
So sittsam, sparsam und so klug,
Saß lachend unterm Rebendache
Und trank aus dem bemalten Krug;
Wie anders jetzt . . . stumm sind die Berge,
Und nur die Fässer dröhnen hohl,
Denn, ach, in jedem dieser Särge
Liegt eine Freude von Tirol.

Da hängt die Traube eingebrochen,
Versengt, verkohlt und ohne Most,
Und draußen warten fünfzig Wochen,
Mit leerem Krug und magrer Kost.
Der arme Winzer! ach, was Wunder,
Daß er gebeugt zu Boden schaut —
Der Wein mißrät, doch schwarzer Zunder
Gedeihen und das Farrenkraut.

Würd' Wein mein Blut mit einem Male,
Und wär' mein Herz so groß und weit
Wie euer See im Achentale,
Beim großen Gott, ich wär' bereit,
Es auszubluten in die Fässer,
Die leer zu Hause sind gestellt,
Jedweder Tropfen ging dann besser
Als Lied und Liebe durch die Welt.

Das Lied liegt manchmal auch im Schlummer,
Wer wagt zu sagen in dem Grab?
Es brechen Undank, Not und Kummer
Ihm seine schönsten Blüten ab;
Doch werft die Sorge mannhaft nieder,
Die Hoffnung öffnet weit das Haus:
Der Wein, ich sag's euch, und die Lieder,
Die sterben in der Welt nicht aus.

Erkranken können beide leider,
Doch oben lebt der alte Gott,
Der gibt den Reben neue Kleider
Und macht die Lieder wieder flott.
Wer weiß, wenn einst des Liedes Weise
Frei wieder durch die Täler geht,
Ob dann nicht auch im Rebenreise
Der Wein von Toten aufersteht.

In Meran

Ein Schütz' aus Unterpustertal
Im Lodenrock, im grauen,
Geht langsam durch den Schützensaal,
Die Fahnen zu beschauen,
Schätzt jedes Band und jede Zier
Und läßt den Hahn laut knattern:
"Von diesen da soll eine mir
Im Pustertale flattern!"

Wie er so nach den Fahnen schaut,
Kommt, schmächtig wie die Fichte
Und weiß behangen gleich der Braut,
Ihm eine zu Gesichte,
Die Reichste dieser weich und mild
Hinwallenden Gestalten,
Und Schönnas Schloß als Fahnenschild
Glänzt aus den seidnen Falten.

Die Fahne träumt, man sieht's ihr an,
Von fernen Schlachtentagen,
Vom jungen Grafen von Meran,
Des Schlosses Herrn, getragen;
Sie bog umsonst den Eichenast
Sich nicht so voll zum Kranze
Und setzte auf den schlanken Mast
So kühn den Blitz der Lanze.

"Nun, alte Röhre, halt dich brav!"
Hört man den Pustrer sagen,
"Beim Himmel! und der junge Graf
Soll diese Fahne tragen."
Er spricht's und geht, und wohlgemut
Grüßt er hinauf zum Söller —
Es knallt sein Rohr, er schwingt den Hut,
Denn dreimal kracht der Pöller.

Als nun die Schützen alle froh
Versammelt sind beim Mahle,
Dem Grafen bringt die Fahne so
Der Schütz' vom Pustertale:
"Nimm sie für deines Vaters Huld.
Bewährt zu tausendmalen,
Und laß des Landes große Schuld
Uns Schützen kleinweis zahlen."

Auf dem Schießstand

Stutzen knattern, Kugeln pfeifen,
Mit den Fahnen scherzt der Süd!
Und die Augen aller schweifen
Nach den Scheiben nimmer müd!
Dort ein Zweier, rechts, zu nieder!
Wein her! Wein ist Schützenblut!
Und zur Seite knallt es wieder,
Und der Zieler schwenkt den Hut.

Jauchzen, daß die Gläser springen,
Eine Brust nur stark und frei
Kann so jubelselig klingen,
Hat solch' hellen Freudenschrei.
Landsmann mit der Lederhose,
Sing', wie deine Kugel sang,
Als sie nach der Zentrumsrose,
Dir den Hut zu schmücken, sprang.

Denn ihr sollt mit dem Gewehre,
Das der Berge Echo rief,
Auch das alte Lied zu Ehre
Bringen, das im Wald entschlief.
Auch das Wort ist nebst den treuen
Waffen unsrer Freiheit Pfand,
Weckt die Lieb- und Feuerscheuen
Ringsum auf im Vaterland.

Wenn die Scheiben dunkler werden,
Wenn das heiße Rohr verkühlt,
Wenn beim Glockenklang der Herden
Heimatselig ihr euch fühlt,
Nehmt den Becher in die Rechte,
Legt den Stutzen auf das Knie,
Singt dem alternden Geschlechte
Ein Stück Zukunfts-Poesie!

Das erste Kaiserschießen in Bregenz

Ihr Schützen auf! So hieß es überall,
Indes ans Tor die Stutzenkolben hämmern;
Durch unsrer Fenster hellen Bergkristall
Fängt schon der Morgen blaßgrün an zu dämmern.
Wacht auf, Wallfahrer an den deutschen Rhein,
Die Fahne schmück', Tiroler Schützengilde,
Mit Speik und Unserfrauenäugelein,
Und Weib und Kind empfiehl dem Gnadenbilde.

Den Arl hinauf! Der Hafer steht im Schnitt;
Rot blüht das Heidekorn, des Älplers Manna,
Und weiß wie Milch springt über den Granit
Des Inns mutwill'ge Tochter, die Rosanna.
Den Arl hinab! Da sind wir; Gott zum Gruß!
Schön ist es an des Bodensees Gestaden.
Ein deutscher Handschlag vor dem ersten Schuß,
Ein off'nes Wort, ihr Brüder, eh' wir laden.

Am freien Rhein sind auch die Lieder frei,
In dürrer Zeit die Raben des Elias;
Das Wort, wir wissen's alle, nicht das Blei
Ist unsrer Berge rettender Messias.
Wir sind die Alten noch — ihr zweifelt fast? —
Den Vätern ähnlich, wie zwei Wassertropfen,
Den Welschen Trotz, die auf den Eichenast
Die landverwies'ne Distel möchten Pfropfen.

Wer zierte je mit größ'rem Siegerrecht,
Wie wir, den Hut mit frischen Alpenrosen?
Wer war so heitern Sinn's, so ungeschwächt,
Wie wir, Europas Jodlervirtuosen?
Wer hat die Fürsten so geliebt? Bei Gott!
Welch' Volk verehrte blinder seine Priester,
War frömmer, gläubiger fast bis zum Spott,
In Österreich vom Po bis an den Dniester?

Und dennoch krank zu gelten, wirklich krank,
Nur wir allein bedürftig fremder Ärzte!
Mißtrauen des Vertrauens schnöder Dank?
Ach, wie das weh tat, Brüder, wie das schmerzte!
Kein Lied erklang mehr, keine Zither rings,
Der Wein warf keine Perlen mehr ins Glase;
Die Toten am Berg Isel und bei Spings
Sie schliefen nicht so stille unterm Grase.

's war eine trübe Zeit: man hörte bald
Nur Büßerklaglaut, Glockenton und Psalmen;
Ein düst'res Bethaus war der grüne Wald,
Wie Sünderinnen bückten sich die Halmen.
"Wie kam das? Den Tiroler will ich froh,
Will Spiel und Tanz auf seinen Alpenmatten,
Will seinen Stutzen hören, will ihn so,
Wie ihn von jeher meine Väter hatten."

Das sprach der Kaiser, und des Kaisers Wort
Vertrieb die schwarzen Nebel gleich dem Blitze;
Entblättert war der Baum, doch nicht verdorrt,
Nicht tot, nur eingeschlafen war der Schütze;
Aus jedem Dorfe trat geschmückt ein Zug,
Im Morgenwinde flatterten die Fahnen;
Es war kein Herz, das nicht vor Sehnsucht schlug,
Zu leben und zu sterben wie die Ahnen.

Gott lohn's dem guten Herrn! Er wußte wohl,
Was uns gebrach; so lang die Stutzen hallten,
So lange kann die Berge von Tirol
Kein Orden dieser Welt umgestalten.
Der fremden Meinung nicht gilt unser Groll —
Vielfarbig bricht das Licht sich in den Geistern —
Nur unsre weiß und grüne Freude soll
Kein schwarzer Pinsel traurig überkleistern.

Was Jesuiten! Wirft der Zeitenstrom
Doch alles aus, die ihm nicht länger nützen;
Der bankerotte Janitschar von Rom
Liegt im Fossil, mehr nicht, im Land der Schützen.
Wir haben sie — ja denn — wie auf dem Joch
Wir all die Trümmer einer Urwelt haben.
Beim Himmel! Die Geschichte hat sie doch
Für ihre Sünden fast zu schön begraben.

Wir bleiben deutsch, so deutlich wie dieser See,
Wenn auch vier Fürsten und zwei Republiken
In das Ultramarinblau der Kamee
Verschiedenartig ihre Wappen drücken.
Ja, Brüder, ja, ihr kennt das Land Tirol,
Das alpengrüne, gletschereisdurchglänzte,
Den Schmuck- und Blumentisch und die Konsol,
Wo deutsche Freiheit ihre Schläfe kränzte.

Zwar gibt's noch viel Entbehrende des Lichts,
Und viele heucheln Blindheit — das ist ärger!
Wenn wir nicht Deutsche sind, so sind wir nichts,
Das merkt, Tiroler und Vorarlberger!
Gelobt es hier bei diesem deutschen Wein,
Der droben reift am Hügel der Ardetzen;
Kein deutsches Blut soll einen deutschen Stein
Im Bruderkampfe sündhaft mehr benetzen.

Vom Lande weht der Wind; der Wellen Tanz
Wird diesen Schwur ans Ufer drüben schlagen:
Verbrüderung! Das ist der schönste Kranz,
Die schönste Fahne, die wir heimwärts tragen.
Schenkt noch ein Glas Ardetzenwein, es gilt
Dem guten Kaiser, der uns hier vereinte —
Und wenn die Dummheit, die nie ausstirbt, schilt,
So trinkt und denkt: Wir wissen, wie er's meinte.

Ein junger Schütze bin ich nicht

Es zeigen sich schon sichtbarlich
Die kaiserlichen Gnaden,
Denn Herr und Bauer haben sich
Mit Stutzen schwer beladen;
Und schießen Männer von Gewicht,
Wag's ich auch unverdrossen:
Ein junger Schütze bin ich nicht,
Hab' auch schon schwarz geschossen.

Ein Stück ist auch in meine Brust
Tiroler Muts gefallen,
Es war von jeher meine Lust
Dies Pfeifen und dies Knallen;
Mir ist das Blut vom Angesicht
Als Knabe schon geflossen:
Ein junger Schütze bin ich nicht,
Hab' auch schon schwarz geschossen.

Wenn lustig singt das heiße Blei
Wie's Heimchen in den Saaten,
Wird mir ums Herz so wohl und frei
Wie nach vollbrachten Taten.
Hier in Tirol wird das Gedicht
Gesungen nicht, gegossen:
Ein junger Schütze bin ich nicht,
Hab' auch schon schwarz geschossen.

Es war einmal ein Schützenfest,
Der Himmel hat's gegeben,
Tiroler Freiheit war das Best,
Der Einsatz Blut und Leben;
Wer dort nicht mitschoß, war ein Wicht,
Den Bergen nicht entsprossen:
Ein junger Schütze bin ich nicht,
Hab' damals schwarz geschossen.

Der Pfarrer von Völs

Keine weiß und grüne Fahne
Flattert in dem Sonnenschein,
Keine Trommel wirbelt lustig,
Keine Glocke klingt darein,
Keine Blumen, keine Federn
Steckt der Schütze auf den Hut,
Denn es ging Tirol verloren
Und vergebens floß sein Blut.

Doch wie's Meer, das leichtgereizte,
Wenn der Donner ist verrollt,
Mit des Friedens glatter Miene
Lange noch im Innern grollt,
Wie die Eichen nach dem Sturme
Heimlich flüstern unter sich,
Also geht's von Mund zu Munde:
Vaterland wir rächen dich!

Auf die nackten Rebenzweige
Fällt die Wintersonne warm;
Frankreichs stolze Grenadiere
Stehen, das Gewehr im Arm,
Und vor ihnen, fünfzehn Schritte,
Kniet im Gras ein Priestergreis,
Frische Morgenlüfte scherzen
Mit den Haaren silberweiß.

Ruhe ringsum, nur zur Seite
Glühen Wangen, zornentbrannt,
Wird das Wort der Rache leise
Den Bedrückern zugesandt,
Und wenn auch die waffenlose
Hand zu heben sich beginnt,
Ist es nur, das Aug' zu trocknen,
Das von Schmerzen überrinnt.

Doch der Pfarrer blickt so heiter,
Grüßt freundlich mit der Hand:
"Weint nicht, Kinder, denn ich sterbe
Ja unser Vaterland;
Habt Geduld — was Helden können
Und noch mehr habt ihr getan —
Bis der Morgen der Erlösung
Lacht die Felsenspitze an."

Horch! da rasseln die Gewehre!
Ach, es ist der letzte Ton
In dem ganzen Reich der Töne,
Fertig — nein! Pardon, Pardon!
Ruft man ferne, ruft man näher,
Rufen Tausende zumal,
Wie vom Berge die Lawine
Niederdonnert in das Tal.

Eine weiß und grüne Fahne
Flattert in dem Sonnenschein,
Eine Trommel wirbelt lustig,
Eine Glocke klingt darein,
Neue Blumen, neue Federn
Steckt der Schütze auf den Hut,
Und in die gebrochnen Herzen
Kehrt zurück der alte Mut.

Auf den Händen hoch getragen
Und von Jubelruf umtönt,
Kehrt der alte Pfarrer wieder,
Wie ein Heiliger verschönt,
Heim zu seiner Mutterkirche,
Wo zur Orgel feierlich
Die Gemeinde singt das schöne:
"Herr, mein Gott, wir loben dich!"

Aber als die letzte Note
Langsam ausgeklungen war,
Sinkt der Greis des Lebens müde
Tot zusammen am Altar.
Schweigend geben sich die Hände,
Die der schönen Leiche nahn,
Denn der Morgen der Erlösung
Lacht sie rosenfarbig an.

Schützenlied 1

Schützen singt! es ist befohlen,
Freigegeben der Gesang,
Was noch gestern halb verstohlen
Um die Hüttenfenster klang,
Durch die Wiesen, durch die Saaten
Singt es, durch der Wälder Pracht:
Wir sind Deutschlands Grenzsoldaten,
Seiner Freiheit Gemsenwacht.

Wißt ihr, oben wo die Malve
Bei der Alpenrose blüht,
Donnerte die Rettungssalve
Hat der Freiheit Tag geglüht.
Deutschland sah die Glut, und härter
Drückte es das Frankentum,
Bis es auch, wie wir, in Schwerter
Schmiedete die Ketten um.

Eure Fahnenlanzen strahlen,
Und die Seide schwellt der Wind,
Kommt, die Brüder draußen zahlen
Heute, was sie schuldig sind.
Steigt auf eurer Berge Zinnen,
Schaut hinab, wie's blüht so jung,
Wo die deutschen Ströme rinnen —
Schaut hinab . . . und wagt den Sprung:

An ein Bruderherz zu fallen,
An ein großes Vaterland —
Brüder sind wir, sagt es allen,
Schreibt's an jede Felsenwand;
Mit dem Eisen eurer Pflüge,
Wo der Grund am tiefsten ist,
Grabt sie ein die alte Lüge
Von dem deutschen Bruderzwist.

Trauben, Feigen, Aprikosen,
Einen Lorbeer unverdorrt
Tauschet ein für Deutschlands Rosen,
Für das freie deutsche Wort.
Von des Eisacks dunklen Föhren
Bis zum Rhein, der seewärts zieht,
Feuert ihr aus deutschen Röhren,
Singt ihr ja das  deutsche Lied.

Steht's auch anders im Befehle,
Singt ihr Schützen, was euch freut
Denn das Lied, das nimmt die Seele
Aus dem Blütenkelch der Zeit.
Nicht, was eure Väter taten, —
Laßt die armen Toten ruhn —
Singt ihr deutschen Grenzsoldaten,
Was ihr heute habt zu tun.

Tränen liegen dort im Roggen,
Heiße Tränen dort im Klee,
Und die Sonne macht's nicht trocken,
Nicht gefrieren macht's der Schnee,
Hört ihr nicht die Ziller mahnen:
"Ruft sie heim, die ihr verbannt,
Und seit würdig eurer Ahnen,
Die die Zwietracht nicht gekannt."

Spannt euch selber vor die Pflüge,
Gebt dem Boden Schweiß und Kraft,
Dieses Ährengold ist Lüge,
Täuschung jener Traube Saft.
Was die Felder Reiches tragen,
Das gehört dem, der sie baut,
Drum zerschlagt den Zehentwagen
Der vom Schlosse drohend schaut

Raff dich auf, du Mann im Loden,
Bist du doch ein deutscher Schütz,
Freies Wort und freier Boden
Sind der Deutschen Erbbesitz.
Auf Tirol! In jedes Gaues
Kirchspiel trägt man Steine zu,
Und des deutschen Einheitsbaues
Fester Eckstein — der bist du.

Singt euch Wahrheit in die Seelen
Statt dem schmeichlerischen Sang
Der euch aus bezahlten Kehlen
Giftig in die Adern drang.
Laßt euch nicht von andern lenken —
Spielzeug fremder Leidenschaft —
Selber prüfen, selber denken
Gibt zum Handeln Mut und Kraft.

Singt im Tal, singt auf den Almen,
Auch das Lied wird einmal Tat;
Gleichet ihr auch jetzt den Halmen,
Die der Regen niedertrat . . .
Nun ihr wisset, wie die Saaten
Langsam aufstehn in der Nacht —
Singt ihr deutschen Grenzsoldaten,
Deutscher Freiheit Gemsenwacht.

Der Kaiser-Stutzen

Ich hab' kein Feld, ich hab' kein Haus,
Bin armer Leute Sohn,
Und schossen sie die Taler aus,
Schlich ich mich still davon.

Hab' mich geplagt und hab' gespart,
Zum Stutzen reicht's nicht hin;
Doch lag mir nach Tirolerart
Der Stutzen stets im Sinn.

Da denkt der Kaiser, immer gut,
An einem schönen Tag,
Wie's wohl dem Schützen sei zu Mut,
Der kein Gewehr vermag.

Und legt mir funkelnagelneu
Den Stutzen in die Hand;
Ich bleibe Schuldner, meiner Treu',
Dem Kaiser und dem Land.

Ruft mich, wenn's Not an Schützen tut,
Ich folge kühn und blind,
Und zahl' ich nicht mit meinem Blut;
So zahlt gewiß mein Kind.

Wallfahrer Lied

Berg hinan die Waller klimmen
Zu der Jungfrau voller Gnaden,
Zu den Geigen der Zikaden
Singen laute Männerstimmen:

Wende, Jungfrau, die Gefahren
Ab von uns und unsern Herden,
Und laß unsre Kinder werden
Stark, wie ihre Väter waren.

Unser Reichtum liegt im Freien,
Liegt nicht unter Schloß und Riegel,
Laß das Gras auf Berg und Hügel
Und das Korn im Tal gedeihen.

Laß auch nicht in fremde Hände
Fallen unsres Landes Krone,
Und erfleh von deinem Sohne
Allen uns ein selig Ende.

Der kleine Zieler

Der Pöller kracht, und niederfällt
Die Ehrenwacht der Scheibe;
Nichts Schön'res gibt's auf dieser Welt,
Mir hüpft das Herz im Leibe.

Das war des Vaters Feuerrohr,
Ich kenn' es unter vielen,
Setzt mir den gelben Hut aufs Ohr
Und laßt den Schuß mich zielen.

Doch ist einmal mein Arm so fest,
Den Stutzen anzuschlagen,
Dann will auch ich manch schönes Best
Von diesem Stande tragen.

Drum alte Schützen nehmt in acht
Euch vor dem jungen Zieler!
Ihr wißt, ein guter Meister macht
Auch einen guten Schüler.

Schützenromanze

Im Heimwald an die Edeltanne
Hat sich ein junger Schütz gelehnt,
Die Brust gewölbt, wie sie dem Manne
Die freie Luft der Berge dehnt.
Er hat sich eine Fahn' erschossen
Mit einem tiefen Meisterschuß,
Die Kugel hat sein Lieb gegossen,
Er wußte, daß sie treffen muß.

Die linke Hand im Gurt von Leder,
Die andere zerdrückt den Hut,
Dran klebt am Kiel der Spielhahnfeder
Ein Nelkenpaar wie rotes Blut;
Und achtlos liegt die Fahn' am Boden
Und flattert übers Farrenkraut —
Nicht wahr, du Mann im braunen Loden,
Die Nelken sind von deiner Braut?

Ist's noch zu helle dir am Gitter,
Das leicht ein Jäger überspringt,
Wenn jeden Abend zu der Zither
Des Dorfes schönste Stimme singt?
Was läßt du Rohr und Fahne liegen
Und starrst auf einen gift'gen Schwamm?
Ist sie nicht oben bei den Ziegen,
Die nagen an dem Birkenstamm?

Siehst du sie nicht herunterwinken
Im schwarzgefärbten Doppelzwilch?
Sie lächelt — ihre Zähne blinken
Wie Türkenkörner in der Milch.
Schlank wie das Fohlen von dem Hirsche,
Die Augen groß und brombeerschwarz;
Der Mund ist eine Berg-Süßkirsche,
Der Hals ist weißes Fichtenharz.

Es dämmert schon, die Bienen tragen
Den letzten Honig aus dem Klee,
Die Rosen schließen zu und schlagen
Die roten Zelte in den Schnee,
Und mit dem Büchsensack von Juchten,
Mit seiner Fahne reich gestickt,
Springt jetzt der Schütz hinab die Schluchten,
Wie eine Gemse, die erschrickt.

Ein Weg, bestreut mit feinem Kiese,
Führt ihn zu einem Gitter hin,
Kein Garten ist's und keine Wiese,
Doch blühen Gras und Blumen drin;
Das Tor ist offen, gestern, heute
Und immerfort, als wär' kein Dieb,
Und drinnen schlafen so viel Leute,
Und drinnen schläft des Schützen Lieb.

Ob ihrem Antlitz alabastern
Steht angestrahlt von Bergschneeglanz
Ein blaues Kreuz bemalt mit Astern,
Behängt mit einem Rosenkranz;
Und auch ein Sprüchlein schrieb der Maler
Mit goldnen Buchstaben hinein —
Es kostete 'nen Frankentaler
Und eine Maß Tirolerwein.

Ich muß mein Herzleid weiter schleppen,
Mir wird zu schwer hier in Tirol,
Vielleicht wird in den Weidesteppen
Hochasiens mir wieder wohl;
Weit trug ich's in das Land der Slaven,
Viel Werfte hinter dem Ural,
Da leben unter Edelschaften
Landsleute aus dem Zillertal.

Dem Schießstand, daß es täglich knalle,
Schenk' ich's Gewehr mit starkem Schloß,
Die Kugeln, spart sie! treffen alle,
Sie liegt da drunten, die sie goß;
Die Fahne gebt dem Kommandanten
Für unsre Schützenkompanie;
Gott schütze euch und den Verbannten,
Schütz' diese Fahn'; verlaßt sie nie!

So stand's auf einem keinen Blatte
Papier, daneben lag's Gewehr,
Das Blei und was er sonst noch hatte
An andrem Schützenzugehör.
Früh morgens fanden es die Schnitter —
Es tagte kaum noch auf den Höhn —
Sie sahen durch das Kirchhofgitter
Die weiß und grüne Fahne wehn.

Schützenlied 2

Ihr Schützen schwingt die Fahnen,
Die Fahnen weiß und grün!
Es ist ein stolzes Mahnen
Gar eigner Art darin,
      Juhe!
Es ist ein stolzes Mahnen
Gar eigner Art darin,

Hebt frohen Muts vor allen
Den Stutzen frei empor!
Es ist ein stolzes Knallen
Gar eigner Art im Rohr,
      Juhe!
Es ist ein stolzes Knallen
Gar eigner Art im Rohr,

Und wo ihr seid beisammen,
Schenkt voll die Gläser ein!
Es ist ein stolzes Flammen
Gar eigner Art im Wein,
      Juhe!
Es ist ein stolzes Flammen
Gar eigner Art im Wein.

Laßt Rundgesang ertönen,
Wohin ihr immer zieht!
Es ist ein stolzes Höhnen
Gar eigner Art im Lied,
      Juhe!
Es ist ein stolzes Höhnen
Gar eigner Art im Lied.

Und laßt den Tod, den herben,
Den Muckern dieser Welt!
Es ist ein stolzes Sterben
Gar eigner Art im Feld,
      Juhe!
Es ist ein stolzes Sterben
Gar eigner Art im Feld.

Friedensschützen

Ihr treibt mit keckem Grimme
Die Kugel in das Rohr
Und jauchzt mit heller Stimme
Und werft den Hut empor.
Was übt ihr ohn' Ermüden
Euch ein im wilden Krieg?
Und es gehört dem Frieden
Die Zukunft und der Sieg.

Nicht mehr die Waffe weiland,
Das Eisen und das Blei,
Das Wort ist jetzt der Heiland,
Der macht die Erde frei.
Ihr könnt trotz sicherm Zielen,
Samt Kranz und Fahnenbest
Die Geisterschlacht verspielen,
Der Feind ist kugelfest.

Und dennoch bringt euch Schützen
Der Sänger seinen Gruß;
Er muß doch etwas nützen,
Der donnerhelle Schuß,
Sonst würden nicht im Lande
Die Herrn, gelehrt und fein,
In jedem Schützenstande
Tirols die Ersten sein.

Es hängt ob diesem Volke
Gar schwarzer Nebel Schar;
Der Knall zerreißt die Wolke
Und macht den Himmel klar,
Und weben sie den Schleier
Auch noch so fest und dicht,
Das helle Stutzenfeuer
Verschafft ihm immer Licht.

Ein tränender Geselle,
Ein Bußgewand, ein Joch,
Und auf derselben Stelle
Ein Schütz! — was wollt ihr noch?
Er schließt die Augen wachend
Und schläft mit hellem Blick,
Und schüttelt plötzlich lachend
Das Joch sich vom Genick.

Nur zu, Tambour und Pfeifer,
Ihr Schützen, nah und fern,
Die Kugel ist der Läufer
Und Bote Morgenstern.
Ein Glas dem Schützenglücke!
Die Kugel ist im Lauf,
Und gegen Teufelsstücke
Das alte Kreuz darauf.

Der Nebel ist zerflossen,
Der drückend auf euch lag,
Ihr habt ihn weggeschossen,
Erjubelt euch den Tag,
Verführer, gleich dem Kinde,
Mit Lächeln weggescherzt,
Und eine rost'ge Sünde
Mit Pulver ausgemerzt.

Schützenlied der Pustertaler

                        Hand in Hand!
Unser Kaiser liebt die Schützen,
Deren Augen mutig glühen,
Während an den Fahnenspitzen
Junge Morgenrosen blühen.
Kommt, wir tragen im Gewehre
Unsre Zukunft, unsre Ehre,
Kommt zum grünen Schützenstand
                        Hand in Hand!

                        Richtet euch!
Doch um erst den Arm zu stählen,
Laßt nach alten Schwegelweisen,
Die der Väter Tat erzählen,
Fröhlich volle Gläser kreisen!
Heute fließt das Blut der Reben,
Morgen mußt du deines geben,
Gilt es ja für Österreich!
                        Richtet euch!

                        Scharf gezielt!
Frei den Arm und ohne Stütze,
Wo es gilt ein kühnes Wagen,
Denn das Herz, das muß der Schütze
Immer in den Händen tragen;
Er muß betend Wache stehen,
Daß von seiner Berge Höhen
Niemand eine Blume stiehlt.
                        Scharf gezielt!

                        Losgedrückt!
Blaue Opferdüfte schwimmen,
Das sind unsre Losungszeichen,
Das sind unsrer Berge Stimmen,
Die des Himmels Donner gleichen.
Horcht, ihr Schützen, wie sie reden,
Horcht! sie sagen einem jeden,
Was ein deutsches Herz entzückt.
                        Losgedrückt!

                        Fahn' und Kranz!
Ziehet heim, sie sind gewonnen,
Legt's den Kindern in die Hände!
Was der Vater heut' begonnen,
Morgen bringt's der Sohn zu Ende!
Vaterland, dann hast du wieder
Deine Helden, deine Lieder,
Deinen Ruhm im alten Glanz.
                        Fahn' und Kranz!

Der Adler von Kastelruth

Mit einem Adler, echtem Königsblut,
Mit starken Stricken, die die Füße schließen,
Fuhr stolz der Schützenstand von Kastelruth
In Bozen ein zum zweiten Kaiserschießen.

Des Sieges immergrüne Blätter sprießen
Um seiner Augen rote Flammenwut;
Seht, wie er beißt und flattert und nicht ruht,
Bis er den Kranz zerblättert und zerrissen.

Das ist des Aars ureigne Lichtnatur:
Mit freiem Fuß, mit freiem Flügel nur
Liebt er den Scheitel immergrün umlaubt.

Vielleicht, daß ihr, was ihr gesehen, glaubt
Und künftig eurem Adler löst die Schnur,
Daß er den Kranz nicht reiße von dem Haupt.

Die Zentrumsrose

Ich hab' ein Röslein auf dem Hut,
Das ist nach meinem Sinn:
So rot wie treu Tirolerblut,
Der Zentrumsnagel drin.

Mein Liebchen ist ein rundes Kind
Und Augen hat's wie Feu'r,
Doch seiner Wangen Rosen sind
Mir dennoch nicht so teu'r.

Vor jedes Menschen Angesicht
Stell' ich mich trotzig hin —
Wer kennt mein rotes Röslein nicht,
Den Zentrumsnagel drin?

Wem macht es nicht die Augen glühn,
Ums Herz nicht frei und wohl?
Solange diese Röslein blühn,
Solange lebt Tirol!

Sterb' einstens ich den Schützentod,
Legt's Röslein zu mir hin —
Ein bleicher Schütz, im Herzen rot,
Der Zentrumsnagel drin.

In der Vesper

Herr Pfarrer macht den Segen kurz!
Der Zieler Hans im Garten

Zieht schon die roten Hosen an,
Und an der Stange reißt die Fahn'
Und will nicht länger warten.

Herr Pfarrer macht den Segen kurz!
Und laßt euch etwas sagen:
Der Priester ist ein Friedensmann,
Das ist gewiß, indessen kann
Er doch den Stutzen tragen.

Herr Pfarrer macht den Segen kurz!
Der Freund in unsern Nöten
Sei auch bei unserm Spiel dabei!
Probiert das Ding, es ist nicht neu
Und ihr dürft niemand töten.

Herr Pfarrer macht den Segen kurz!
Der Wein ist auch geraten,
Ihr schießt und trinkt und geht dann heim
Und bringt das Ding in schöne Reim'
Samt unsrer Väter Taten.

Herr Pfarrer macht den Segen kurz!
Der Zieler Hans im Garten
Zieht schon die roten Hosen an,
Und an der Stange reißt die Fahn'
Und will nicht länger warten.

Die Schützenfahne

Weiß und grüne Schützenfahne
Mit dem Adler purpurrot,
Der den stärksten seiner Brüder
Trotzig seine Stimme bot,
Flattre mit der weißen Seide
Schützen lockend durch das Tal,
Und mit deiner goldnen Lanze
Fang' den ersten Sonnenstrahl.

Wie das glänzt und blinkt und leuchtet,
Wie das lockt so wunderbar!
Von dem Felde läuft der Bauer
Und der Priester vom Altar,
Schützen alle! Auf der Scheibe
Steht der Ratstisch bei dem Pflug,
Jeder Schütz' ist ein Tiroler,
Und ich glaub', das ist genug.

Schwing' die Fahne, Fahnenträger,
Mit der sehnenstarken Hand;
Wer nicht folgt dem heil'gen Banner,
Hat kein Herz für dieses Land.
Schwing' die Fahne, Fahnenträger,
Zieh' die Täler aus und ein
Und von all den fremden Schatten
Feg' die Berge wieder rein.

Pflanz' sie auf in unsern Wäldern
Mit der Lanze hellem Blitz;
Während sie darüber streiten,
Ist die Fahne im Besitz.
Sind nicht ihres Ruhmes Kränze
All die Wälder um und um?
Ist das Schlachtfeld und das Lager
Nicht des Siegers Eigentum?

Zieh' voran bei unsern Festen,
Froh ist der Tiroler Sinn,
Knüpf' die Herzen fest zusammen,
Jeden Streits Vermittlerin!
Ruft der Kaiser, zeig' dem Feinde
Deine Farben hell und rein —
Denn du kannst zerrissen werden,
Doch beschmutzt kannst du nicht sein.

Das Kaiser-Fest

Siehst du, mein Lieb so hold,
Das helle Kaisergold
Am seidnen Fahnenbande!
Das helle Gold ist dein,
Die Fahne nur ist mein,
Wer ist so reich im Lande?

Das Gold ist dein, da nimm's!
Ich steig nun aufs Gesims
Nicht mehr, wie nachts die Diebe;
In heller Mittagsstund'
Küß' ich dich auf den Mund
Und freu' mich deiner Liebe.

Du kaufst des Nachbars Haus,
Schenkst alten Branntwein aus,
Und stehn soll auf dem Schilde:
"Zum Kaiser Ferdinand."
Das lockt im ganzen Land
Herbei die Schützengilde.

Wenn Gott will, übers Jahr
Sind mehr wir, als ein Paar;
Dann Stutzen halt dich wacker,
Ich brauch' noch eine Kuh,
Ein Wiesenfeld dazu
Und Jauch guten Acker.

Siehst du, mein Lieb so hold,
Das helle Kaisergold
Am seidnen Fahnenbande?
Das helle Gold ist dein,
Die Fahne nur sei mein,
Wer ist so reich im Lande?

Tiroler-Schütze

Erst nannt' ich mich jungen Tiroler,
Da war viel Lärm im Land;
Bald hieß ich Schüler von Ronge
Und bald ein Protestant.

Nun nannt' ich mich junger Schütze,
Und plötzlich wechselt' das Glück: —
Ich bin nun ein Patriote
Und eifriger Katholik.

Sagt zwischen Tiroler und Schütze
Mir gütigst den Unterschied!
Ich meint', es sei eins und dasselbe
Und ewig jung sei das Lied.

Fahnenwidmung

Von Ost und West, von Nord und Süd,
Von einem Tal zum andern
Mit Bruderkuß und Kaiserlied
Tirolerschützen wandern.
So zog auch ich in Morgensstill'
Vom schönen Drauflußtale
Zu einem Städtchen an der Ill
In rebumrankter Schale.

Da gab's viel Schützen frohgeschart
Aus allen sieben Kreisen
Und Zier und Fahnen jeder Art,
Echt Landsblut zu beweisen.
Den Schützen lockt der Fahnen Zier
Sowie des Hahnes Knattern:
Von diesen da soll eine mir
Im Pustertale flattern!

Und wie ich so voll Hoffnungslust
Die schönste suchend wähle,
Da tritt ein Wunsch in meine Brust,
Ein Bild vor meiner Seele, —
Ein Bild vom grünen Passerstrand,
An Ruhm und Sieg zu mahnen,
An Prinz Johann — Schloß Schönna stand
Auf einer dieser Fahnen.

Die Fahne gleicht dem Edelweiß,
Der Blüt' im Schlehdornhage,
Doch denkt sie schon an Eichenreis
Und einen, der sie trage.
Sie möcht' voran für Österreich
Und wehen ob den Schützen
Und mit der Lanze sternenbleich
Durch Pulvernebel blitzen.

Sie stellt sich auf die Felsenwand
Und lauscht auf fernes Tosen . . .
Die Passer, Hofers Wiegenband,
Spricht mit den blut'gen Rosen,
Die Traube klimmt von Stein zu Stein,
Sie möchte auch verbluten,
Im Tal verschifft beim Sternenschein
Die Etsch des Himmels Gluten.

Und in der Burg von Mann und Roß
Lärmt's lauter stets und ärger,
Es sind die Herrn von Schönnas Schloß
Voran die Starkenberger;
Sie ziehn vorbei in Glanz und Pracht,
Die Fahne schläft im Winde
Und träumt die ganze Sommernacht
Von einem schönen Kinde.

So denk' ich mir — Nun schwegelt brav!
Hab' Achtung, Trommelschläger!
Der nächste Schuß und Schönnas Graf,
Bei Gott! ist Fahnenträger.
Was gilt's, mir bleibt der tiefste Schuß,
Landsleute auf dem Söller?
Seht, wie der Zieler tanzen muß,
Und dreimal kracht der Böller.

Wie ich's gedacht im schlichten Sinn,
Wollt' es der Himmel haben —
Nimm Prinz Johann die Fahne hin
Und gib sie deinen Knaben.
Nimm sie als Zeichen deiner Huld,
Bewährt zu tausendmalen,
Und laß des Landes große Schuld
Uns Schützen kleinweis zahlen.