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Dieser kleine Zyklus bezieht sich auf Sophie Petters, welcher Gleim schon die "Sophienlieder" gewidmet hat.
Anmerkung des Herausgebers Rudolf Heinrich Greinz
 

VIII.
Schartellieder

Schartel eine Sommerfrische bei Bruneck
 

Krummschnabel
Der Wasserkrug
Die Jagd
Begrüßung
Die Herzogin
Der Himmel ist blau
Waldfeuer
 
Hexenplatz
Die Erdbeeren
Abschied

 

Krummschnabel


Es geht gekrümmt die Trägerin
Hinab den Berg, so frisch und grün,
Und ihre schwere Bürde ziert
Ein Käfig, sorgsam angeschnürt.

Krummschnabel sitzt im Gitterhaus
Und schaut so wehmutsvoll heraus
Und pickt und kratzt und beißt am Draht
Und weiß vor Sehnsucht keinen Rat.

Die Bäume sind so frisch und grün,
Die Brüder fliegen her und hin,
Die sind so fröhlich und so frei,
Das bricht ihm fast das Herz entzwei.

Laß mich hinaus, laß mich hinaus,
So klagt er aus dem engen Haus,
Daß ich am Ast den Schnabel wetz',
Und mir am Tau die Flügel netz'!

Daß ich noch einmal mir das Nest
An einer Föhre mache fest,
Noch einmal fühl' der Liebe Glück,
Dann kehr' ich willig dir zurück.

Und bergab geht die Trägerin,
Der Vogel flattert her und hin,
Sie geht und trägt fürs liebe Brot
Und hat kein Ohr für seine Not.

Der Wasserkrug

Zürnend sprach ich einst zum Kruge,
Den ich zweimal alle Tage
Oft im Sturm und oft im Regen
Zu dem fernen Brunnen trage:

Wenn das alte Sprichwort wahr ist,
Werd' ich mich noch an dir rächen,
Wenn du auch so hart wie Stein bist,
Wirst du einmal doch zerbrechen.

Drauf erwidert er voll Hohnes,
Als ob heimlich er sich freute:
Auch du trägst in deinem Auge
Deine Seele vor die Leute.

Und dein Aug', das kranke Veilchen,
Ist noch lange nicht so schwächlich,
Und die Perl' aus blauem Glase
Nicht zur Hälfte so gebrechlich.

Und wenn nun das alte Sprichwort,
Wie du hoffest, wahr gesprochen,
Trägst du's Herz in deinem Auge,
Bis es einmal ist gebrochen.

Drauf sprach freundlich ich zum Kruge:
Will dich fürder sorgsam tragen,
Und vor allen Leuten will ich
Meine Augen niederschlagen.

Die Jagd

Auf ihr Freunde, aus den Betten!
Auf der Berge grünen Ketten
Leuchtet schon das Morgenrot.
Auf dem reichgestickten Rasen
Jagen wir den schnellen Hasen,
Bis der Ruf erschallet: "Tot!"

Und die Flinten sind geladen,
Und der Jäger Füße baden
Sich im Morgentaue kalt.
Von den Bergen fließt Gewässer,
Hier ein Schußplatz, keiner besser,
Und so steh' ich in dem Wald.

Steh' gar lange, sinn' und träume,
Sieh', da strahlt es durch die Bäume
Jede Nadel trägt ein Licht;
"Grüß dich Sonne, mildgesinnte!"
Wie sie sieht auf meine Flinte,
Denk' ich, töten sollst du nicht.

Kommt heran nun, all ihr Hasen,
Friedlich könnt ihr bei mir grasen,
Vöglein singet ohne Scheu;
Ach, wer wird euch töten können,
Wird euch nicht die Sonne gönnen
Und dies Leben schön und frei.

Als ich nun die Ladung sende
In die Luft, zerreißt's die Hände
Beide mir; drum merket euch,
Denn es heißt: Wer auf der Erde
Blut vergießen will, dem werde
Es vergossen, gleich um gleich.

Begrüßung

Vater und Söhne
Jagen im Wald,
Kommt doch das schöne
Eichkätzlein bald.

Neben den Granten
Nahe beim Bach,
Unter gespanntem
Seidenem Dach

Liebliche Wesen,
Vier an der Zahl,
Träumen und lesen,
Schauen ins Tal.

Und die Hausfrau
Finden wir auch,
Doch in der Küche
Mitten im Rauch.

Die Herzogin

Ich kenne Potentaten,
Die haben Leut' und Land,
Tragen von Gottes Gnaden
Das Szepter in der Hand.

Sie haben große Heere
Und haben vieles Geld,
Ihr Ruhm und ihre Ehre
Bringt's Unglück in die Welt.

Doch suchet auf der Karte
Nur immer her und hin,
Ihr nennt, wie auf der "Scharte"
Mir keine Herzogin.

Soll jedes Land auf Erden,
Wie Gott sprach, sein ein Reich
Des Friedens, muß es werden
Dem Herzogtume gleich.

Der Himmel ist blau

Der Himmel ist blau, im jungen Gras
Liebäugeln die Veilchen verstohlen,
Mich treibt's hinaus, ich weiß nicht was,
Als müßt's ich den Himmel mir holen.

Der Himmel ist blau, Die Luft ist klar,
Und frei der Blick in die Weite,
Weiß angetan, stehn Paar um Paar
Die Bäume da, selige Bräute.

Mein Kamerad, wohin, wohin,
Es lachen Himmel und Erde,
So war als ich dein Landsmann bin,
Wir sind auf der nämlichen Fährte.

Der Himmel ist blau, im Tannengrün,
In Waldes duftender Frische
Ein Garten und blühende Bäume drin
Und weißgedeckte Tische.

Und drinnen ein Mädchen hold und zart,
Mit Augen glänzend und sinnend,
Von Lilien-Sitten und Rosen-Art,
Das Herz und die Seele gewinnend.

Der Himmel ist blau, der Wein ist klar
Und rinnt wie Feu'r durch die Kehle,
Doch aus dem sinnenden Augenpaar
Rinnt's flammender noch in die Seele.

Mein Kamerad, du weinst ja schier,
Was schlägst du die Augen so nieder?
Denk', heute dir und morgen mir,
Küss mich — und bleiben wir Brüder.

Waldfeuer

Voran mit der Laterne!
Es brennen keine Sterne
Am weiten Himmelsplan;
Drum macht euch selber Feuer,
Der schöne Baum ist euer,
Den zündet nunmehr an.

Tragt her von dürren Ästen
Und was im Wald am besten
Zum hellen Brand sich zeigt.
Nun zündet mit dem Lichte
Das Reisig an, das dichte —
Hurra, die Flamme steigt!

Und tausend Nadeln glühen,
Und tausend Funken sprühen,
Hinauf, hinan, hinauf —
Du kühne, wilde Flamme,
Hinan am langen Kamme
Bis an des Baumes Knauf!

Und hell wird's in den Bäumen
Ringsum, die Vögel träumen
Vom ersten Sonnenschein,
Es schlagen ihre Augen
Die Blumen auf und saugen
Die Tageshelle ein.

Es sieht der schwarze Himmel
Das wogende Gewimmel
Der Funken an mit Neid
Und reißt mit seiner Blitze
Kornblumenblauer Spitze
Entzwei sein dunkles Kleid.

Die Flamme legt sich nieder,
Es ruht der Himmel wieder,
Der Baum ist abgebrannt —
Es leuchten nur zwei Sterne,
So nah und doch so ferne,
So fremd und so bekannt.

Hexenplatz

Wann reitet ihr, Hexen, auf diesem Platz?
Sagt mir's, damit ich euch finde!
Ich suche keinen goldenen Schatz
Und keine heimliche Sünde.

Mein Herz ist wund, mein Herz ist krank,
Ich liebe die schönste der Frauen,
Ihr sollt mir nur den heilenden Trank
Im kochenden Kessel brauen.

Und könnt ihr das Herz mir heilen nicht,
So sterb' ich auf diesem Steine;
Dann tanzt ihr wohl im Mondeslicht
Allnächtlich um meine Gebeine.

Die Erdbeeren

Erdbeeren sucht' ich oft im Wald,
Da war ich noch ein Knabe,
Der Mutter gab ich's alsobald,
Die schlummert jetzt im Grabe.

Ein Mädchen hatt' ich gar so lieb,
Dem pflückt' ich diese Früchte,
Und was von all dem übrig blieb,
Ist eine alte Geschichte.

Geh' wieder in den Wald hinaus,
Such' wiederum Erdbeeren,
Und einer Mutter soll der Strauß,
Der letzte wohl, gehören.

Abschied

Hinab, hinab nur eilig,
Schaut mir nicht ins Gesicht,
Hier oben ist man heilig,
Da unten ist man's nicht.

Hinab, hinab, es müssen
Ja Schmerz und Freude sein,
Wollt mir die Fichten grüßen
Und auch mein Kämmerlein.

Hinab, hinab nur schnelle,
Den schmalen Weg entlang,
Hier oben ist's so helle,
Und unten ist's so bang

Hinab, die Stunde zähl' ich
Für ewig, die jetzt schlug,
Einmal war ich ja selig,
Und einmal ist's genug.