weiter
 

IV.
Sommerfrische in Natters 2

Lieder eines Mädchens

 

Die Propagande
Singt ein Knabe solche Lieder
Mein Herr und Gott
Schick' mir den Brief!
Die Grausame
Die Rose flieh'!
Des Pfarrers Köchin
Die gemischten Ehen
Nocker-Alpe
Die Mission
Meinung
Sind wir nicht ein schönes Paar?
Ein Totenbett
Die Versuchung
Der Traum
Fromme Meinung
Schicksal
Gottesdienst
Frage
Warum?
Neid
Das Mütterlein
Die Kuh
Kaffee

Die Propagande


Der Himmel schickt die Lichter aus,
Es geht die Propagande
Als Blumenduft in jedes Haus,
Als Schwalben in die Lande.

Die Berge aber zweifeln noch —
Unselige Betörung!
Denn bis hinauf zum Alpenjoch
Geht heimlich die Verschwörung.

Es bricht der Tag des Frühlings an,
Des einzig freien Mannes,
Ich gehe singend ihm voran,
Ein weiblicher Johannes.

Singt ein Knabe solche Lieder

Singt ein Knabe solche Lieder,
Gibt die Welt ihm Lob,
Doch für ein solides Mädchen
Find't man sie zu grob.

Sing', wie mir's im Herzen flutet,
Und ich tue recht:
Dichterherzen und die Engel
Haben kein Geschlecht.

Mein Herr und Gott

Ich hab' ihn malen wollen,
Der meine Ruhe fort,
Da paßte keine Farbe,
Da taugte mir kein Wort.

So hab' ich denn begriffen
Das biblische Verbot:
"Du sollst kein Bildnis schnitzeln
Von deinem Herrn und Gott.

Schick' mir den Brief!

Schick' mir den Brief, ich warte drauf
Schon lang im Mondenscheine,
Es ist ein ungerechter Kauf:
Der Seelen zwei für eine.

Ich kann in deinem Angesicht
Im Dunklen nicht mehr lesen,
Und les' ich nicht, so bet' ich nicht
Und falle zu den Bösen.

Wenn ich dann laut im Bette wein',
Stör' ich der Mutter Schlummer;
Sie kann mir drob nicht böse sein
Und wacht die Nacht in Kummer.

Schick' mir den Brief, ich warte drauf
Schon lang im Mondenscheine,
Es ist ein ungerechter Kauf:
Der Seelen zwei für eine.

Die Grausame

Es war ein Sommerabend,
Die heiße Sonne schied,
Die Blumen waren durstig
Die Wolken waren müd'.

Da wandelte ich singend
Den Wiesenweg entlang,
Mit abendgold im Haare,
Mit Tau auf meiner Wang'.

Und hundert kleine Blumen,
Die kniend und gebückt
Den Abendsegen sprachen,
Hab' boshaft ich geknickt.

Und manche kleine Grille
Hab' ich, noch eh' die Nacht
Die Sterne angezündet,
Zum Waisenkind gemacht.

Dann hab' ich ihn gekreuzigt,
Mit Dornen ihn gekrönt,
Hab' Seine Lieb' verspottet,
Hab' seinen Schmerz verhöhnt.

Das hat an diesem Abend
Ein frommes Kind getan;
Drauf schlief es fest und ruhig,
Und niemand sah's ihm an.

Die Rose flieh'!

Die Rose flieh', mein Freund, die wilde,
Der Blumen ganzes Prachtrevier,
Sie führen gegen dich im Schilde
Gar böse Dinge, glaube mir!

Ich sage dir, wie es gekommen:
Ich weinte — bluten muß die Wund',
Da ward ich plötzlich festgenommen
Von Blumen auf dem Wiesengrund.

Ich wollt' dich schonen, hab' gezaudert,
Doch endlich siegte das Gericht.
Sie haben viel zusammgeplaudert —
Was sie beschlossen, weiß ich nicht.

Des Pfarrers Köchin

Des Pfarrers Köchin brach den Fuß
Und konnte  nicht mehr gehen,
Man sagt, es sei in aller Zucht
Und Ehrbarkeit geschehen.

In Mutters ist ein Wundersmann,
Den holen sie herüber,
Der nimmt den Fuß und schaut ihn an,
Legt Kräuterbalsam drüber.

Nicht vierzehn Tage sind vorbei,
So geht die Köchin wieder
Und suchet Pilze wohlgemut
Im Walde auf und nieder.

Die Wunden, die die Kirche schlägt
Sind alle nicht beschwerlich,
Es ist noch jetzt der kleinste Gott
Der Griechen mehr gefährlich.

Die gemischten Ehen

Was, es sollen sich die Kinder
Nach der Eltern Glauben spalten?
Wie kann ihren Gott die Mutter
Ihrem Kinde vorenthalten?

Fräulein, in dergleichen Dingen
Rede ich, wie ich's verstehe:
Vater Licht und Mutter Erde
Leben in gemischter Ehe.

Doch die Kinder folgen alle
Ihres Vaters lichtem Glauben,
Farbenstrahlend sind die Blumen,
Und voll Feuer sind die Trauben.

Nocker-Alpe

Es kommt hinauf zur Nocker-Alp'
Ein überglücklich Völkchen,
Die Sonn' scheint warm, die Luft ist lau,
Am Himmel hängt kein Wölkchen.

Wir lagern uns am Boden hin
Um eine volle Schüssel,
Und um den Rand derselben blühn
Salbei und Himmelschlüssel.

Wie lustig ist das schwarze Brot
Im dicken Rahm geschwommen,
Daß manches liebe Blümchen auch
Ein Tröpflein hat bekommen.

Daneben käut die fromme Kuh
Andächtig die Brunelle,
Ein Böcklein pflückt Vergißmeinnicht
Am Rand der süßen Quelle.

In einem Alpenrosenstrauch
Wälzt sich ein braunes Füllen,
Der stolzen Muskeln Übermut
Im Blumenduft zu stillen.

Hoch wie auf einer Kanzel steht
Joch-Lilie, die hehre,
Und nicket hin und nicket her,
Als hielt' sie Christenlehre.

Es summt und brummt, es singt und klingt,
Gewieher und Gebrülle,
Da bläst der Geißhirt in das Horn,
Und ringsum wird es stille.

Die andern essen lachend fort
Und werfen nach den Schweinen,
Ich berg' mein Haupt in Blumenpfühl,
Um unbemerkt zu weinen.

Die Mission

Es ziehen schwarze Mönche
Herab ins grüne Tal,
Da sitzen sie zu Beichte
Und pred'gen überall.

Drei lange schöne Tage
Dau'rt ihre Mission,
Dann geben sie den Segen
Und ziehen still davon.

Was haben nun die Männer,
Die heiligen, getan?
Die Blumen sehen eitel
Wie vor einander an.

Die Vögel singen immer
Das gleiche frohe Lied,
In des Waldbachs Charakter
Ist auch kein Unterschied.

Ich küss' im Aug' und Stirne,
Wie ehdem ich geküßt,
Obgleich mit einem Psalter
Ich meine Lieb' gebüßt.

Meinung

Ich habe durchsichtige Wangen,
Ein Tränchen im Aug', das nie fällt,
Da ist es denn ein leichtes,
Zu täuschen die gläubige Welt.

Wenn während der Kirch' die Gedanken
Auch weit vom Prediger sind,
So sagen doch immer die Leute:
Das ist ein frommes Kind.

Sind wir nicht ein schönes Paar?

Sonntagsmorgen, Sonntagsfreude:
Schwester kommt im weißen Kleide,
   Sind wir nicht ein schönes Paar?

Wenn wir vor der Kirche stehen,
Und die grünen Schleier wehen,
   Sind wir nicht ein schönes Paar?

Wenn wir freundlich unter Lächeln
Kühlung uns mit Blumen fächeln,
   Sind wir nicht ein schönes Paar?

Wenn, geneckt von Liebesgöttern,
Wir in Heines Liedern blättern,
   Sind wir nicht ein schönes Paar?

Wenn wir unter dunklen Bäumen
Von Bettinas Liebe träumen,
   Sind wir nicht ein schönes Paar?

Wenn vom Kusse unsre Seelen,
Lipp' und Locke sich vermählen,
   Sind wir nicht ein schönes Paar?

Doch fast wär' ich eifersüchtig,
Dächt' er sich beim Gruße flüchtig:
   "Ja, es ist ein schönes Paar!"

Ein Totenbett

Aus einer ärmlichen Hütte
Glänzt eines Lichtes Schein
Am hellen goldenen Tage,
Ich trete voll Neugier ein.

Da liegt auf harten Brettern,
Bedeckt mit grobem Lein,
In mageren Händen ein Kreuzchen,
Ein totes Mütterlein.

Kein Mensch ist in der Kammer,
Es betet niemand hier,
Auf halbzerbrochnem Stuhle
Stet's Weihwassergeschirr.

Drin tunk' ich meine Finger,
Üb' fromme Christenpflicht;
Drauf funkeln viel Tropfen wie Tränen
Im toten Angesicht.

Die Versuchung

Wenn ich des Herrn Versuchung les',
Kommt manchmal mir ein Zweifel —
"Er führt ihn auf den höchsten Berg!"
So albern ist kein Teufel!

In süßer Alpenblumenwelt,
Wird nicht so leicht gesündigt,
Wo Sennerlied und Glockenklang
Den lieben Gott verkündigt.

Wenn heutzutag der Teufel wollt'
Prophetenseelen fassen,
Würd' er sie auf dem "Kosenden"*
Beim Sperl** tanzen lassen.

*Faschingsdienstag-Ball
**Sperl-Säle, seiner Zeit eines der populärsten
Vergügungslokale in der Leopoldstadt in Wien.
Anm. des Herausg.


Der Traum

Mir träumt', ich wär' ein Vögelein
Und flöge in die Stadt;
Ich setzte mich vors Fenster hin,
Wo er sein Zimmer hat.

Er sieht mich, macht das Fenster auf,
Und singend flieg' ich ein,
Er läuft mir nach, er haschet mich
Und sperrt mich endlich ein.

Und als ich in dem Käfig saß,
Fühlt' ich den bittern Schmerz,
Wie dem gefangenen Vögelein
So traurig ist ums Herz.

Als ich des Morgens aufgewacht,
Öffn' ich mein Vogelhaus,
Der Zeisig sitzt am Gartenzaun
Und lacht mich tüchtig aus

Fromme Meinung

Es war ein großes Kirchenfest,
Ich glaub' Mariatag,
Als an der Quelle taubesät
    Ein Kranz von Blumen lag.

Der Pfarrer, der im Hüftenweh
Dies Wässerchen verehrt,
Der glaubt, daß ihn sein frommes Volk
    In Andacht hat beschert.

Er dankt den Bauern öffentlich,
Die Bauern sind gerührt,
Ich aber weiß, welch' liebe Hand
    Die Quelle hat geziert.

Schicksal

Es locket und zwitschert von Haus zu Haus,
Die Schwalben, die lustigen, wandern aus.

Sie ziehen nach Süden, wo's Herz erwarmt
Und ewiger Frühling die Erd' erwarmt.

Ich schau' ins verlassene Nest hinein,
Drin liegt ein totes Vögelein.

Es mußte sterben im Neste da,
Vor es die träumenden Palmen sah.

Gottesdienst*

Es singen und beten die Vögel,
Es dampft und raucht der Altar,
Und oben an seidener Decke
Da fliegt der Engel Schar.

Bis jetzt ein Priester, ein hoher,
Empor die Hostie hält,
Umgeben von goldenen Strahlen,
Da leuchtet die Lieb' in die Welt.

Da schweigen die Vögel im Walde,
Da neigen die Blumen das Haupt,
Da haben ungläubige Tannen
An Jesus Christus geglaubt.

*Variante zu: "Im Tempeldunkel rauchte",
aus Sommerfrische in Natters 1


Frage

Mutter sag', werd' ich im Himmel
All des Frühlings Blumen sehn?
Um die Blumen könnt' ich weinen,
Ach, die Blumen sind so schön!

Gibt's im Himmel keine Wiesen?
Gibt's nicht Wald und Wasserfall?
Um die Berge könnt' ich weinen
Und ums Lied der Nachtigall.

Gibt's im Himmel keinen Morgen,
Keinen Abend, keine Nacht?
Um die Sonne könnt' ich weinen
Und um all' der Sterne Pracht.

Warum?

Dunkle Wolken, schwarze Sklaven,
Müssen keuchend Wasser tragen;
Wenn sie müd sind und ermattet,
Muß der Sturm sie weiter jagen.
Und warum?
Daß den Durst ein Veilchen still',
Das im Wald verschmachten will.

Und die Sonn', die millionen-
Erdengroße, muß sich heben,
Und mit ihren Strahlenfingern
Muß sie goldne Fäden weben.
Und warum?
Weil ein eitler Schmetterling
Gold braucht auf des Flügels Ring.

Und die Nacht, die geisterschwangre
Mutter, muß die Erd' umschreiten,
Und die Elfen müssen tanzen,
Und die Hexen müssen reiten.
Und warum?
Daß die Wölfin Nahrung find'
Für ihr hungeriges Kind.

Und die Liebe muß verblühen
Und der Frühling sich entfärben
Und der Freiheit junger Engel,
Kaum geboren, wieder sterben.
Und warum?
Daß der Mann es auch empfind',
Wie so süß die Tränen sind.

Neid

Des Morgens schauen wohl mit Neid
Im Aug' die schönen Bauernmädchen
Nach meinem weichen Faltenkleid,
Nach Parasol und Zephyrschleier.

Doch abends, wenn allein ich bin,
Schau' ich dafür mit Neidesaugen
Nach all' den schlanken Burschen hin,
Mit denen Stirn an Stirn sie plaudern.

Das Mütterlein

Traurig sitzt ein Mütterlein
Vor der kleinen Feldkapelle,
In des Saatfelds reiche Welle
Schaut es trüben Blicks hinein.

Mütterchen, wohl lange schon
Ist's, daß Ihr die Garben bandet
Und die Erntekränze wandet?
Fragt' ich sie mit sanftem Ton.

Schöne Jungfrau, jene Zeit
Blüht mir wieder, wo vom Mohne,
Purpurbänder gleich, die Krone
Auf die Garben ich gesetzt.

Wir sind gleich alt — wundert's Euch?
Hab' geliebt und hab' geboren,
Hab' dann Mann und Kind verloren,
Und jetzt sind wir wieder gleich.

Die Kuh

Immer, wenn am Hügelabhang
Vers' ich schreib', kommt eine Kuh,
Schaut mit ihren frommen Augen
Mir oft stundenlange zu.

Und ich deklamiere manchmal
Ihr mit lauter Stimme vor,
Und sie lauschet so verständig,
Und sie horchet mit dem Ohr.

Während eitle schöne Damen
Meiner spotten, so ein Vieh
Hat oft mehr als kluge Menschen
In dem Herzen Poesie.

Kaffee

Dort kommt eine ins Dörfchen,
Es ist so heiß —
Und trocknet mit schneeweißem Tuche
     Sich ab den Schweiß.

Ich sag' zu der Bäu'rin:
Lieb' Mütterlein; geh'
Und hol' mir aus dem Wirtshaus
     Brot und Kaffee.

Die bringt Kaffee und Semmel
Im Überfluß
Und von dem fremden Herrn
     Einen Händekuß.