Sophie
Durch alle deutschen Gaue
Ziehn Lieder auf und ab,
Nur im Tirolerlande
Ist's stille wie im Grabe.
Da tritt aus einem Tale
Ein wundervolles Kind
Und streut aus ihren Locken
Die Blumen in den Wind.
Willkommen, Tiroler Frühling,
Tiroler Poesie —
Schlag' auf die Götteraugen,
Wir taufen dich Sophie!
Trost
Die Welt mag Böses sinnen —
Was kümmert das uns beide?
Die Blumen draußen spinnen
Schon lang an deinem Kleide.
Von steiler Berges-Firne
Kommt Gold herabgeflossen,
Es wird für deine Stirne
Die Krone dort gegossen.
Und wenn von tausend Zungen
Die Wälder schallen wieder,
So singen mit den Jungen
Die Alten unsre Lieder.
Geduld
Geduld! sagst du und zeigst mit weißem Finger
Auf meiner Zukunft festverschlossne Tür;
Ist die Minute, die da lebt geringer
Als jene ungebor'ne, sage mir!
Kannst mit der Liebe du den Lenz verschieben,
Dann borg' ich dir für eine Ewigkeit —
Doch mit dem Frühling endet auch das Lieben,
Und keine Herzensschulden zahlt die Zeit.
Geduld! sagst du und senkst die schwarze Locke —
Und stündlich fordert eine Totenglocke
Der Tränen letztes Fährgeld für ein Grab.
Sieh nur die Tage schnell vorüberrinnen,
Horch wie sie ängstlich pochen an die Brust:
Mach auf! Mach auf! Wenn wir nicht heut gewinnen,
Ist unser Scheiden ewiger Verlust.
Geduld! sagst du und senkst das Auge nieder
Und alle meine Fragen sind verneint;
Geduld! Geduld! Verlassen bin ich wieder,
Die letzte Träne ist noch nicht geweint,
Du hast geglaubt, weil andre warten müssen
Und warten können, kann und muß ich's auch,
Ich aber hab' zum Lieben und zum Küssen
Nur einen Frühling, wie der Rosenstrauch.
Die Messe
Jeder kann nicht in den Himmel,
Jedem sind nicht Flügel eigen,
Drum hat sich Gott entschlossen,
Auf die Welt herabzusteigen.
Dichtern ist der Himmel offen,
Merkt dies, daß mich keiner schmähe
Und mich nenne einen Ketzer,
Wenn ich nicht zur Messe gehe.
Wenn wir unser Gott nur finden,
Wie und wo, das ist das gleiche —
Ihr bequem hier auf der Erde,
Aber ich im Himmelreiche.
Die Bleiche
Ist auf deines Herzens Herd
Alles Feuer ausgegangen,
Daß auf deinen blassen Wangen
Noch der Schnee liegt unversehrt?
Komm, mir ist so frühlingswarm,
Komm zu mir, du Halberfrorne!
Zünd' das Feuer, das verlorne,
Wieder an in meinem Arm.
Horch, schon fängt dein Herz ganz still
Aber schneller an zu klopfen,
Und die süßen Augen tropfen
Wie die Tannen im April.
Und neugierig schauen zwei
Junge Röslein von den Wangen
Ob der Schnee schon weggegangen
Und der Lenz gekommen sei.
Die Träne
Laß an der Wimper nicht die Träne hangen,
Der Silberquelle laß den freien Lauf;
Sie weiß wohin, sie weiß, es fangen
Sie meiner Lieder Blüten dürstend auf.
Die Wolke dort im rosenroten Kleide
Ist aufgestellt als Blumengärtnerin,
Und in der Liebe selig reiner Freude
Weint sie die süßen Tränen drüber hin.
Laß an der Wimper nicht die Träne hangen,
Du Gärtnerin in stiller Sternennacht!
Und meine längst verwelkten Blüten fangen
Zu funkeln an in neuer Farbenpracht.
Der Talisman
Schenk' etwas mir, ich fleh' dich an,
Ein Löcklein allenfalls,
Damit ich mit dem Talisman
Behänge meinen Hals;
Damit ein treuer Wächter sei
Vor meiner offnen Brust
Und ferne halte allerlei
Verbot'ne süße Lust.
Von hier und dort, von fern und nah
Will vieles Volk hinein
Und doch gehört, du weißt es ja,
Mein Herz nur dir allein.
Sonnabend
Schönes Kind, bist du noch wach?
Nun so richt' dich traulich
Auf im Bett und sprich mir nach,
Aber recht erbaulich:
Lieber Himmel, hör' mir zu,
Sonntag ist es morgen,
Daß für schöne Kleider du
Nicht vergißt zu sorgen!
Zieh' den blauen Mantel an
Mit den roten Kanten
Und den großen Orden dran
Voller Brillanten.
Die Schweigsame
Sei karg mit deinem Worte,
Verschließe nur den Mund,
Doch öffne mir die Pforte
Des Aug's zu jeder Stund'.
Und wenn die Welt dich immer
Verwundert fragen will,
Warum dein Aug' voll Schimmer
Und doch dein Mund so still:
So sage unverdrossen
Der Törin ins Gesicht:
Die Rose sei geschlossen,
Der Himmel aber nicht.
Allerseelen
Stell auf den Tisch die duftenden Reseden,
Die letzten roten Astern trag' herbei,
Und laß uns wieder von der Liebe reden,
Wie einst im Mai.
Gib mir die Hand, daß ich sie heimlich drücke
Und wenn man's sieht, mir ist es einerlei,
Gib mir nur einen deiner süßen Blicke,
Wie einst im Mai.
Es blüht und duftet heut auf jedem Grabe,
Ein Tag im Jahr ist ja den Toten frei,
Komm an mein Herz, daß ich dich wieder habe,
Wie einst im Mai.
Vor einer Bude
Vor einer Bude steht ein Kind
Und greift nach allen Waren
Und läßt das Nächste dann geschwind
Ums Fernste wieder fahren.
Du holdes Mädchen, wärst du mein
Und all' die hübschen Sachen:
Der Augen milder Sternenschein,
Der Wange schelmisch Lachen;
Der Mund so süß, das Haar so lind,
Der Leib so voll gegossen,
Ich ständ' vor dir wie jenes Kind
Und auch so unentschlossen.
Frühling
Wenn es wieder blüht auf Erden,
Frühlingslüfte wieder wehen,
Ach wie viele Berge werden
Zwischen uns, Geliebte stehen!
Noch vermag ich's nicht zu fassen,
Was es heißt, von dir zu scheiden,
Was es heißt, allein, verlassen,
Dich zu missen und zu meiden.
Schweigen werden meine Lieder,
Kein Gesang wird mehr ertönen
Und die Fremden werden wieder
Uns're stummen Berge höhnen.
Dein Kranz
Wenn dir lag der Freude Strahl,
Rosen lockend, auf den Wangen,
Ist ein Lied noch jedesmal
Mir im Herzen aufgegangen.
Und ist eine Träne dir
Demanthell im Aug' zerflossen,
Ist sogleich im Herzen mir
Wiederum ein Lied entsprossen.
D'rum, Geliebte warte zu,
Denn ich kann dir eines sagen:
Keine and're wird wie du
Blumen um die Stirne tragen.
Alles im Geheim'
Wie still ist's doch im Lande hier,
Viel Volk und kein Getöse,
Denn im Geheim' verrichten wir
Das Gute und das Böse.
Geheim beratschlagt der Kongreß,
Geheim urteilt der Richter;
Aus Furcht vor dem Zensurprozeß
Singt im Geheim' der Dichter.
Mit meiner Liebe Liederschlag
Will ich das Schweigen brechen,
Und ist das Wort erstarkt, so mag
Ein andrer nach mir sprechen.
Kinderglaube
Schlingt dein Arm sich um den meinen,
Drück' ich deine Hand so lind,
Dann, Geliebte, will mir's scheinen
Ich sei wiederum ein Kind.
Und ich könne wieder beten,
Meiner stolzen Freiheit satt,
Könne keine Blume treten
Weil sie eine Seele hat.
Und die Kette sei zerrissen,
Die an Raum und Zeit mich band,
Und dein Auge sei mein Wissen
Und dein Herz mein Vaterland.
Die Georgine
Warum so spät erst, Georgine?
Das Rosenmärchen ist erzählt,
Und honigsatt hat sich die Biene
Das Bett zum Schlummer schon gewählt.
Sind nicht zu lang dir diese Nächte,
Die Tage nicht zu schnell dahin?
Wenn ich dir jetzt den Frühling brächte,
Du feuergelbe Träumerin!
Wenn ich mit Maitau dich benetzte,
Begösse dich mit Juni-Licht!
Doch ach, dann wärst du nicht die Letzte,
Die stolze Einzige auch nicht.
760m
Du spät gebornes Kind der Sonne,
Ich reich' dir brüderlich die Hand,
Ich hab' des Lebens Frühlings-Wonne
Wie du den Maitag nie gekannt.
Und spät wie dir, du feuergelbe,
Stahl sich die Liebe mir ins Herz,
Ob spät, ob früh, es ist dasselbe
Entzücken und derselbe Schmerz.
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