Sehnsuchtsland
Ich hebe mit taumliger Hand
Den Kelch und bete:
Gib mir das Sehnsuchtsland
Oder erlöschende Lethe,
Du reiner, du goldener Wein!
Nur zwischen beiden
Laß mich nicht müde sein
Und mich bescheiden!
Laß uns tief im
Herzen tragen...
Laß uns tief im Herzen tragen,
Wie wir um das rote Glück
Mit erhobnen Schwertern stritten,
Wie wir rangen, wie wir litten
Zwischen Sehnsucht und Entsagen.
Sonne aus den frohen Tagen
Mag getrost verdunkelt sein,
Aber was wir Leid gefunden,
Langer Nacht durchweinte Stunden
Laß uns tief im Herzen tragen!
Schwerer Abend
So neigt sich wiederum ein Tag zu Ende,
Zum Sterben müd von all dem Sichverschenken. —
Ich bette meinen Kopf in beide Hände
Und muß mit allen Sinnen deiner denken,
Die du durch Feindesland und fremde Mächte
Mit immer ungebeugtem Haupte schreitest
Und aus dem Tor der schlummerlosen Nächte
Die bleichen Arme nach dem meinen breitest.
Traurige Liebe
Unser Haupt umschließt ein Kranz von Leide:
Wissen nicht, wo wir am Abend schlafen,
Ob in eines warmen Glückes Hafen
Oder einsam auf der Sehnsucht Heide.
Eine Stunde, die wir mühevoll retten,
Darf ich furchtsam deine Hände halten
Und in deines lichten Kleides Falten
Meine blasse Knabenstirne betten.
Oh, wie kurz ist diese linde Ruh!
Denn die Seele wird uns schwer von Klagen,
Wenn wir ohne Hoffnung "morgen" sagen
Und die Tränen fließen immerzu.
Herbsttag
Inmitten dunkler Wolken gleitet
Ein selig Streifchen Himmelblau —
Ich weiß nicht, ob es Glück bedeutet
In meiner Wege Alltagsgrau.
Der Herbstwind rüttelt an die Bäume,
Und Wehmut füllt die Erde ganz –
So häng ich meine letzten Träume
An dieses Teilchen Himmelsglanz.
Sehnsucht
Ich schicke dir Blumen vom Heimatwald,
Betaut mit heimlichen Tränen,
Die sagen dir: Liebste, ach, komme bald,
Ich warte deiner in Sehnen. . . .
Ich warte deiner Nacht und Tag,
Bis alle Wünsche verblassen
Und noch im letzten Herzensschlag
Dein liebes Bild umfassen.
Klage
Und heute ist der Tag vergangen,
Hat keinen Gruß von dir gebracht,
Nun wart ich mit geheimem Bangen
Der kalten, schlummerlosen Nacht.
Und morgen wird der Tag erstehen,
Da flutet meine Hoffnung neu. —
Laß, Gott, die Nacht vorübergehen,
Wie einen Traum vor Hahnenschrei.
Ich habe einen
bunten Tag gesehn
Ich habe einen bunten Tag gesehn:
Mit Fahnenwimpeln, frohen Blumenkränzen,
Mit schlanken Frauen, stolz und maienschön,
Mit Lichterglanz und leichtbeschwingten Tänzen. —
Doch ach! In all dem rauschendem Getriebe
Vermißte ich dein süßes Angesicht,
Und in das Lärmen, tausendfach verworren,
Klang deine holde Kinderstimme nicht. —
Ich habe einen bunten Tag verloren.
Wege, die wir gekommen
Wege, die wir gekommen,
Gehst du glückselig herauf,
Sterne, die uns verglommen,
Blühen dir wieder auf.
Wir stehen und sehen vergebens
Nach dem entschwindenden Land,
Die heilige Schale des Lebens
Ruht nun in deiner Hand.
Halte sie hoch vor allen
Anderen Menschen, und
Laß schimmernde Blüten fallen
In ihren goldenen Grund.
Trinke und trinke ihn wieder,
Den selig duftenden Wein:
Jugend und Frühlingslieder,
Lachen und töricht sein.
Einmal siehst du vergebens
Nach dem entschwindenden Land:
Die heilige Schale des Lebens
Gleitet aus deiner Hand.
Mein Liebling
Mein Liebling, die ersten Veilchen
Erwachen am Wiesenrain,
Und über Wäldern und Gärten
Liegt goldener Sonnenschein.
Mein Liebling, das Schicksal hat es
So gut mit uns beiden gemeint,
Da es in Frieden wieder
Unsere Hände vereint.
Mein Liebling, du siehst so stille,
So müd und ernst darein,
Ach, ich kann selber nimmer
Von Herzen fröhlich sein.
Mein Liebling, wir haben beide
Zu viele Nächte geweint,
Nun lernen wir nimmer verstehen,
Daß wieder die Sonne scheint.
Die Eine
Manch Mädel hab ich lieb gehabt
In meinen Brausetagen,
Wie viele, kann ich wahrlich nicht
Auch nur beiläufig sagen.
Die meisten waren schwarz und braun
Und zum Verwechseln ähnlich,
Wie man sie alle Tage sieht,
Mit einem Wort: gewöhnlich. —
Nur ein Gesicht von allen war
Aus anderm Stoff bereitet,
Darauf lag die Barmherzigkeit
Der ganzen Welt bereitet.
Das war so lieb, das war so schön
Mit seinen blonden Haaren,
Die wie ein lichter Glorienschein
Darum geflochten waren.
Von allen, die ich lieb gehabt
In meinen Brausetagen,
Hab ich am meisten die geliebt,
Die dies Gesicht getragen.
Mein' Ruhe gab ich für sie hin,
Mein Glück und meinen Frieden,
Sie war ja auch so wunderbar
Von andern unterschieden:
Die andern kränzten — schwarz und braun —
Mit Blumen meine Pfade . . .
Nur die mit dem Madonnenhaar
War kalt und ohne Gnade.
Abschied
Der Herbstwind bläht
Die Segel schwer,
Mein Schifflein fliegt
Ins wilde Meer.
Noch einmal sieht
Mein Blick zurück
Nach all dem süßen
Verrauschtem Glück.
Die Nebel wallen,
Die Welle flieht,
Und leise weint
Mein Abschiedslied:
Ade, du Häuschen
Am Waldessaum,
Ade, goldener
Maientraum.
Ihr Blumen im Walde,
Ihr Vöglein im Wind —
Ade auch du blondes,
Liebliches Kind.
Ich hätte so gerne
Bei dir geweilt . . .
Vorüber, vorüber!
Mein Schifflein eilt. . . .
Schon hüllt ein Nebel
Die Heimatnäh.
Ade, meine Jugend,
Ade, ade. . . .
Leuchtkäferchen
Ich hab Leuchtkäferchen gefragt,
Warum es Licht verschwende. —
Da hat es mir ins Ohr gesagt:
"Daß mich die Liebste fände!"
Seitdem will mir so trüb und kalt
Die Frühlingsnacht erscheinen. —
Am liebsten säß ich tief im Wald
Und möchte bitter weinen.
Weingartenlied
Reben, die lange entblättert sind,
Frieren und liegen danieder,
Über die Hänge im Abendwind
Weinen Klapotezalieder.
Weinen um all die vergangene Lust,
Ernte und Winzergelage,
Wecken in meiner ruhigen Brust
Sehnsucht verklungener Tage.
Gib mir noch einmal, braunäugiges Kind,
Deine verdurstenden Glieder! —
Nutzlose Klage! Im Abendwind
Weinen Klapotezalieder.
Märchen
Fern im Abendsonnenglanze
Liegt ein wunderbares Land,
Erdenleid und Sorgen reichen
Nicht an seinen heil'gen Strand.
Blaue Anemonen sprießen
Um ein marmorkühles Haus,
An der glückgeweihten Schwelle
Breitest du die Arme aus.
Noch einmal im Abendwinde
Gleitet meiner Sehnsucht Kahn,
Glückverlangend, glückerbangend,
Jene sonnenstille Bahn.
Wanderwolken seh ich ziehen
Ruhelos am Himmelsraum. —
Schneller eilen meine Träume
Nach dem fernen Ufersaum.
Wandervögel seh ich ziehen
Flügelschlagend über mir.
Jauchzender drängt meiner Liebe
Möwenflug zu dir, zu dir.
Schifflein schaukelt auf und nieder,
Wellenberg und Wellental,
Abendglocken singen ferne,
Und mein Herz frägt tausendmal:
Werd ich je das Land erreichen,
Eh die Nacht hernieder sinkt?
Oder wartet schon die Klippe,
Die mich in die Tiefe zwingt? —
Falte deine lieben Hände,
Betend, daß aus Not und Qual
Noch mein Kahn zu dir gelange
In das glückbereite Tal.
Glück
So ist dein Haupt an meine Brust gesunken,
Ich streichle deine braunen Mädchenlocken —
Es neigt der Tag, von Licht und Farbe trunken,
Sein stilles Angesicht den Abendglocken.
Wir stehn bewegt und sagen uns verstohlen
Von Glück auf fernen, fernen Lebenswegen,
Das wir dereinst mit heißem Herzen holen,
Um es als Kranz um unser Haupt zu legen.
Indessen steht im Dämmerlicht der Eichen
Das Glück so nah mit den Erfüllerhänden
Und segnet uns, die vor nach fernen Reichen
Die weißen Kähne unsrer Sehnsucht senden.
Wir haben uns vom
Wald verirrt
Ich weiß, wir haben uns vom Wald verirrt
Zur lauten bunten Stadt. Und nun verwirrt
Uns wohl der Lärm und macht uns taub und blind. —
Noch einmal seh ich dich, gesenkt das Haupt,
Die Straße ziehn, mühselig und bestaubt.
Du gehst so müd, und eine Kette klirrt:
Ich weiß, wir haben uns vom Wald verirrt . . .
Ahasver
Ruhten wir auf Bergeshöhen
Schweigend in der Sonne Strahl —
Ruhevolle Wolken stehen
Über unserm Heimattal. —
Nahm ich deine kühlen Hände:
"Friedeleer ist mir die Welt
Daß ich wieder Frieden fände,
Hab ich mich zu dir gesellt."
Neigtest du das Haupt und legtest
Es auf meine Schulter schwer:
"Seit du meine Seele wecktest,
Fand ich keinen Frieden mehr."
Ruhten wir auf Bergeshöhen
Schweigend in der Sonne Strahl —
Ruhelose Wolken gehen
Über unser Heimattal. —
Geburtstagslied im Winter
Alle Vögel sind nun fort,
Alle Blumen verdorrt,
Was wird das werden?
Trauer, ach, Trauer in Feld und Wald,
Liegt auch die weiße Decke bald
Auf der bitteren Erden.
Fällt keine Blüte vom Lindenbaum,
Füllt die Seele kein holder Traum
Uns von besseren Tagen,
Aber ich seh noch ein armes Licht,
Aber ich weiß noch ein kleines Gedicht,
Das will ich zu dir sagen.
Das schöne Bild
In der blauen Dämmerstunde sind
Dir die Hände in den Schoß gesunken,
Beugst das Haupt zurück und lächelst lind,
Wie von einer innern Freude trunken.
Meine Augen nehmen still das Bild,
Legen tief es in den Grund der Seele,
Daß es noch in späten Tagen mild
Von der schönen alten Zeit erzähle.
Tiefes Glück
Menschenwege gehen kreuz und quer,
Dornen ranken sich darüber her.
Wer ein stilles Lächeln erbt, bezahlt
Es mit hundert heißen Tränen bald.
Wer ein hohes Ziel erkämpfte, weiß:
Angst und Müdewerden sind der Preis —
Aber auf den bittren Wegen gehn
Wir im blassen Lindenblütenwehn,
Fühlen jene Dornenranken nicht,
Suchen eins im andern Aug das Licht,
Das aus heiliger Erkenntnis quillt:
Alle Sehnsucht hab ich dir gestillt, —
Ahnen gläubig, daß uns Raum und Zeit
Liebe wandelt zur Unendlichkeit,
Grüßen alle, die uns stumm begegnen,
Segnen alle, die uns wieder segnen . . .
Selig, selig, wer im Menschenland
Wunschlos gehen kann und Hand in Hand.
Im Weingarten
Laß noch einmal, eh ich gehe,
Meine Brust an deine drängen,
In den stillen Weingarthängen
Ruhen wir in Glück und Wehe.
Von den Zweigen müder Reben
Wollen wir die letzten Trauben
Pflücken und im Herzen glauben,
Daß sie uns Vergessen geben.
Fragen
Kam ich zu dir? Kamst du zu mir?
Gingen wir uns entgegen?
Gabst du dich mir? Gab ich mich dir?
Ward uns himmlischer Segen?
Birgt es noch Freude oder schon Leid?
Ist es noch Tag und Stunde
Oder traumtiefe Ewigkeit:
Hangen an deinem Munde?
Ist es seliges Morgenrot
Oder abendlich Weben?
Ist es ein Ahnen vom frühen Tod
Oder doppeltes Leben?
Später Sommer
Das ist des Sommers letztes Dankgebet:
Noch ist die Luft erfüllt von schwülen Träumen;
Doch wo der Wald im Mittagsbrande steht,
Will schon ein leises Rot die Wipfel säumen.
Ein Silberwölkchen gleitet über Land
Und taucht beseligt in die Sonnensphäre —
Wir aber geben uns die müde Hand
Und sind bedrückt von Not und Erdenschwere.
Sommerklage
Wie eine schöne Frau die Hände gibt und geht,
Entschwand der Sommer. Seine Huld war Segen
Und Weh zugleich. Von dunklen Kronen weht
Verblaßtes Laub und stirbt auf müden Wegen.
Im Sonnenbrande neigen sich die Garben
Und bangen vor der Hand, die sie darniedermäht.
Wir fühlen's tief: Die Sommertage starben,
Wie eine schöne Frau die Hände gibt und geht . . .
Erfüllung
In des Mondlichts dunkelblauen
Mantel sank der Frühlingstag . . .
Weißt du nicht, daß in den Auen
Strahlenwarme Sonne lag?
Soll die Glut vergeudet sterben?
Oder wird ein andres Paar
Trunken die Erfüllung erben,
Die in uns noch Sehnsucht war?
Einem Mädchen in's
Stammbuch
Und einen Sommer, der voll Schönheit ist,
Seh ich dich jeden Tag. In engen Gassen,
Auf stillen Wegen hab ich dich gegrüßt. —
In deinem lieben Mädchenzimmer saßen
Wir bald vertraut und redeten und lachten.
In mondverklärten Sommernächten brachten
Wir's "Rehlein" heim. — Ich durfte noch mit dir
Bis zu dem "Gute Nacht!" vor deiner Tür.
Dreimal auch hört ich deine Stimme singen,
Sie ist so schön. Sie nimmt das eigne Leid,
Hebt es empor auf ihre dunklen Schwingen
Und trägt es lächelnd über Raum und Zeit.
Gold liegt auf diesen blauen Sommertagen.
Und auf den Nächten, die wir sehnend lagen
Liegt eines Traumes Traum — oh, viel zu schön,
Erfüllt zu sein.
Nun färbt der Herbst die Zweige
Mit Gold und hellem Rot. Und ich muß gehn,
Wie dieser reiche Sommer ging zur Neige.
— Vielleicht seh ich dich wieder auf der Bahn,
Die "Leben" heißt, da wir uns lang verloren.
Wir sehen uns mit wehen Augen an
Und stehen wieder vor den goldnen Toren,
Die alten Lieder, die uns längst verklangen,
Die alten Leider werden wieder neu.
Die Wege leuchten, die wir einst gegangen,
Und wieder geht das Glück — an uns vorbei.
Herbstabend
Langsam verblaßt der Abendsonnenbrand,
Indes die dunklen Schleier tiefer sinken —
Ich seh mit leeren Augen in das Land
Und möchte Frieden in die Seele trinken.
Wohl ist mir einen sel'gen Herzschlag lang,
Als wäre all' das tiefe Leid verwunden — — —
Dann schüttle ich das Haupt und warte bang
Der Nacht mit hoffnungslos durchweinten Stunden.
Sternennacht
Aus Himmelsfernen leuchten
Die Sterne groß und rein —
Aus deinen Augen, den feuchten,
Strahlt wieder ihr linder Schein.
Dich faßt unendliches Sehnen
Nach jenem seligen Land —
Ich neige das Haupt, und Tränen
Rinnen auf meine Hand.
|