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Epigramme
 

Votiv-Tafeln
Zwei Leben
Verschiedene Gottesgaben
Der Irrtum
Guter Rat
Gerechtfertigtes Unrecht
Gefährliche Schmeichelei
Den Gemeinen
Den Halben
Zwei Werbeoffiziere
Gleich und Gleich
Lebensregel
Wollen und Können
Quis contra Deum?
Notgedrungener Müßiggang
Der Unbußfertige
Selbstbekenntnis
Des Dichters Schweigen
Der Dichter in Verzweiflung
Entschuldigung
Beim Empfang des Leopoldordens
Hofratstitel
Meinem Biographen
Den Epigonen
Des Dichters Heimat
Andere Zeiten
Biographisch

Votiv-Tafeln


1.
Dein ist die Saat und der Fleiß, drum dein der Lohn des Bewußtseins;
Aber, wie Regen und Tau, träuft von den Höhn der Erfolg.
2.
Frei, in unendlicher Kraft, umfasse der Wille das Höchste;
Aber zum Nächsten zunächst greife bedächtig die Tat.
3.
Willst die Bescheidenheit du des Bescheidenen prüfen, so forsche,
Nicht ob der Beifall verschmäht, ob er den Tadel erträgt.
4.
Kummer, nimm erst Gestalt! Nur das Formlose ängstet und martert;
Hat sich der Feind nur gestellt, halb ist gewonnen der Sieg.

Zwei Leben

Zwei Leben lebt der Mensch; weh', wenn es anders wäre:
Das eine stirbt mit ihm, das andere bleibt, die Ehre.

Verschiedene Gottesgaben

Verlieren und Haben
Sind zwei, obgleich verschiedene Gaben.
Denn, was der Mensch besitzt und hält,
Teilt er doch immer mit der Welt;
Erst mit dem Tag, wo er's verloren,
Wird ihm zu eigen es geboren.

Der Irrtum

Jeder Irrtum hat drei Stufen:
Auf der ersten wird er ins Leben gerufen,
Auf der zweiten will man ihn nicht eingestehn,
Auf der dritten macht nichts ihn ungeschehn.

Guter Rat

Gesteh dir's selbst, hast du gefehlt,
Füg' nicht, wenn Einsicht kam,
Zum falschen Weg, den du gewählt,
Auch noch die falsche Scham.

Gerechtfertigtes Unrecht

Wer jemals Unrecht dir getan,
Wird nimmer dir gerecht;
Sein Unrecht widert selbst ihn an,
Er setzt sich drum ins Recht,
Stellt dich so tief er irgend kann,
Denkt unwert dich und schlecht
Und ist nun ein gerechter Mann:
Sein Haß — enthält sein Recht.

Gefährliche Schmeichelei

Dem klugen Manne schmeicheln, hat Vorteil oft gebracht,
Und schmeichelst du dem Toren, ist er in deiner Macht;
Allein dem Schmeichler schmeicheln, ist höchlich unbedacht:
Wer selber Netze stellt, nimmt sich vorm Netz in Acht.

Den Gemeinen

1.
Was hängt ihr euch an mich und meinen Lauf
Und strebt den Höhern plumpen Dranges wider?
Ich zieh' euch, merk' ich, nicht zu mir herauf,
Doch ihr, weiß Gott, mich auch zu euch nicht nieder!

2.
Nicht, als wär' gar so hoch mein Sinn,
Ist's, was uns trennt unendlich;
Vielmehr nur, daß ich ehrlich bin,
Macht mich euch unverständlich.

Den Halben

Glaubst du, man könne kosten vom Gemeinen?
Du mußt es hassen, oder dich ihm einen.

Und tränkst du heute Götterwein,
— Jüngst noch Genosse schmutz'ger Zecher —
Du schenkst ihn auf die Hefen ein,
Die dir dein Gestern ließ im Becher.

Zwei Werbeoffiziere

Gewinnsucht und Eitelkeit
Sind die Werbeoffiziere der Schlechtigkeit.
Ist das Handgeld aufgezählt,
Nimmt Gewissen das Fersengeld.

Gleich und Gleich

Gleich und Gleich gesellt sich gern,
Wer du bist, zeigt dein Begleiter;
Aus dem Knecht kennt man den Herrn,
Aus der Fahne ihre Streiter.
Was du billigst, noch so fern,
Ist nach Tagen oder Wochen
Dein, als ob du's selbst gesprochen.

Lebensregel

Halt dich entfernt, teil dich nicht Jedem mit
Und flieh die Schwätzer, Lungrer, Schmecker;
Sieh nur, es ist ein kleiner Schritt
Vom Teller- bis zum Speichel-Lecker.

Wollen und Können

"Ich will" ist ein gewichtig Wort,
Spricht mit sich selbst der Mann;
Doch steht genüber er der Welt,
So gilt doch nur: "Ich kann."

Quis contra Deum?

1.
Gott sagte: nein,
Ich aber sagte: ja;
Doch als ich es ins Werk gesetzt,
Stand nur ein Nein mir da.

2.
Das Unmögliche wollen,
Das Undenkbare denken
Und das Unsägliche sagen,
Hat stets gleiche Früchte getragen:
Du mußt, wenn die Träume sich scheiden,
Zuletzt das Unleidliche leiden.

Notgedrungener Müßiggang

Arbeiten soll ich, daß Gott erbarme!
Da schob Natur schon vor den Riegel;
Denn wo die Andern ihre Arme,
Da hab' ich eben meine Flügel.

Der Unbußfertige

Ich fühle wohl meine Sünden,
Die alten — wohl gar auch neue;
Doch, wenn ich die Wahrheit gestehen soll,
So fehlt mir die wahre Reue.

Selbstbekenntnis

Du nennst mich Dichter? Ich bin es nicht,
Ein Andrer sitzt, ich fühl's, und schreibt mein Leben;
Und soll die Poesie den Namen geben,
Statt Dichter, fühl' ich höchstens mich Gedicht.

Des Dichters Schweigen

Die ew'ge Macht gibt nicht so viel,
Auf daß sie's wieder nimmt;
Ich bin noch dasselbe Saitenspiel,
Allein zur Zeit — verstimmt.

Der Dichter in Verzweiflung

War's nicht genug an Journalisten,
War's nicht genug an Rezensenten,
Den Kindern Kains mit Mörderhänden?
So mußte Gott, den Dichtern zürnend,
Die doch entsproßt aus Abels Lenden,
Die Sündflut noch — der Albums senden!

Entschuldigung

Weil mich Geselligkeit mit Vielen nicht vereint,
Hält man mich hie und da für einen Menschenfeind;
Euch flieht nur mein Verstand, mein Herz ist euch geblieben,
Und ich entferne mich, um fürder euch zu lieben.

Beim Empfang des Leopoldordens
15. März 1849

Gern mißte den Orden der Barde;
    Ich trag' ihn in eigenem Sinn:
Mich mahnt er als eine Kokarde,
    Daß ich des Kaisers bin.

Hofratstitel
15. April 1856

Die T i t e l meiner Stücke
    Hat man mir redlich bezahlt:
Man gibt mir Titel für Titel,
    Als hätten sie keinen G e h a l t.

Meinem Biographen
1853

Der Zeit vorzugreifen ist jetzt Mode;
Sonst sezierte man die Leute erst nach dem Tode.

Den Epigonen

Ich führe den Pflug in dem leeren Feld,
Da wird denn nach mir die Scholle bestellt
Von Manchem, der besser und klüger.
Doch wie reich auch die Ernte sei, die sie bringt,
Denkt, wenn schon wartend die Sichel klingt,
An den heimgegangenen Pflüger.

Des Dichters Heimat

Hast du vom Kahlenberg das Land dir rings besehn,
So wirst du, was ich schrieb und was ich bin, verstehn.

Andere Zeiten

Will unsere Zeit mich bestreiten,
    Ich lass' es ruhig geschehn,
Ich komme aus andern Zeiten
    Und hoffe in andre zu gehen.

Biographisch
März 1855

Am fünfzehnten Jänner geboren,
    Gestorben? — Ich weiß noch nicht, wann!
Kommt einst dir das Datum zu Ohren,
    So füg's zur Ergänzung hier an.

Und hast du es niedergeschrieben,
    So hast du mich ganz auf ein Haar;
Was etwa noch übrig geblieben,
    Wird wohl nach dem Tode erst klar.