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Quelle:

Franz Grillparzer

Grillparzers Werke
Hrsg. und Verfasser
Prof. Dr. Friedrich Schreyvogel

1957 Band 1
©"Das Berglandbuch"

Frühe Gedichte 1
1804-1819

 

An die Sonne
An den Mond
Das Rechte und Schlechte
Der Kampf der Leidenschaften
Kuß

Elegie auf den Tod einer Grille
Cherubin
Die Musik
Bertha's Lied

Willkommen
Werbung
An Aphrodite
Licht und Schatten
Bescheidenes Los
Das Urbild und die Abbilder
Abschied von Gastein
Der Bann
Hab ich mich nicht losgerissen
An der Wiege eines Kindes
An die vorausgegangenen Lieben

 

An die Sonne

Den 16ten Juni 1804

Sonne, göttliches Licht! Schaffende, nährende
    Himmelstochter! Du spendest uns
Wonne, Segen und Lust, Früchte den lockenden
    Fluren, zeugest den Traubensaft.

Kaum entfaltet der Tag jugendlich heiter sich,
    Sieh! Da singet ein Vögelchor
Hymnen, Schöpferin dir, alles belebendes,
    Alles stärkendes Götterkind.

Sieh! Da glänzt das Gebüsch, Felder und duftende
    Haine blitzend von kühlem Tau,
Der die Gewächse erfrischt, nähret, und stärkere
    Wohlgerüche zum Himmel schickt.

Du verscheuchest den Schlaf, der mit allmächtigen
    Schwingen jeglichen Menschen deckt,
Der im quälenden Traum foltert den Erdensohn,
    Den du gütig der Qual entreißt.

Dankbar gegen die Huld deiner erquickenden
    Güte, zollet der Afrer dir
Weihrauch, dankbar ertönt starrender Lippen Lied
    Auf den eisigten Ebenen.

O dein strahlendes Haupt gibt mir ein Wonnegefühl!
    Macht den Schöpfer mich ahnden. Da
Stürz ich nieder vor dir, bete die gütige
    Allmacht hocherfreut, innig an.

An den Mond
Den 14ten August 1804

Wandle, wandle, holder Schimmer!
Wandle über Flur und Au,
Gleitend, wie ein kühner Schwimmer,
In des stillen Meeres Blau.

Sanft im Silberglanze schwebest
Du so still durchs Wolkenmeer,
Und durch deinen Blick belebest
Du die Gegend rings umher.

Manchen drücket schwerer Kummer,
Manchen lastet Qual und Pein;
Doch du wiegst in sanften Schlummer
Tröstend ihn, voll Mitleid, ein.

Sanfter, als die heiße Sonne,
Winkt dein Schimmer Ruh und Freud,
Und erfüllt mit süßer Wonne,
Tröstung und Vergessenheit.

Hüllst in dichtbewachsnen Lauben
Mit der sanften Fantasie
Ganz den Dichter; machst ihn glauben,
Seine Muse weiche nie.

Und auch mich hast du begeistert,
Der ich dir dies Liedchen sang,
Meiner Seele dich bemeistert,
Da mein Lied sich aufwärts schwang!

Das Rechte und Schlechte
Den 2ten Januar 1806

Mit frechen Feinden kriegen,
Und sie nur stets besiegen,
Das wär schon recht!
Doch ohn ein Schwert zu ziehen,
Nur immer, immer fliehen,
Ei, das ist schlecht!

Mit immer tapfern Kämpfen,
Des Feindes Rachgier dämpfen,
Das wär schon recht!
Mit Planen, die nichts taugen,
Das Land nur auszusaugen,
Ei, das ist schlecht!

Wenn Schurken sich beraten,
Und Leut und Land verraten,
Das ist nicht recht!
Doch sie zu pensionieren,
Statt zu arkebusieren,
Ei, das ist schlecht!

Im Siebenjähr'gen Kriege
Hatt' man sehr wenig Siege,
Das war nicht recht!
Doch jetzt so schrecklich kriegen,
Und auch nicht e i n m a l siegen,
Ei, das ist schlecht!

Dem Lande Frieden schenken
Und Leut und Land bedenken,
Das wär schon recht!
Doch jetzo Friede schließen,
Draus kann nichts Guts entsprießen,
Nein, das ist schlecht!

Wenn man nun reformierte
Und alles weiser führte,
Dann wär's schon recht!
Doch bleibt es noch beim alten,
Und läßt man Schurken schalten,
Ei, dann ist's schlecht!

Der Kampf der Leidenschaften
Den 2ten April 1806

Ha! welch unnennbare Gefühle
Durchströmen meine Brust!
Es paart im schrecklichen Gewühle
Verzweiflung sich mit Lust.

Ha! welch ein Chaos nun in meinem Herzen
Mein Innerstes durchbebt!
Wie unter nie gefühlten Schmerzen
Die Brust sich stöhnend hebt!

Wie wenn in Lybiens grausen Wüsten,
Im glühend heißen Sand,
Sich gattend ein Paar Schlangen nisten,
Verderbend Flur und Land.

Wenn dann in fröhlichem Getümmel
Sich Schlang an Schlange schmiegt,
Und nun in scheußlichem Gewimmel
Die Brut im Neste liegt.

So windet glimmend sich zusammen
Der Leidenschaften Wut,
Doch endlich sprüht der Funke Flammen
Und übrall tobt die Glut.

Nur du kannst diese Flamme dämpfen,
O Hoffnung, nur dein Strahl
Kann die Verzweifelung bekämpfen
Und lindern meine Qual.

Kuß
1819

Auf die Hände küßt die Achtung,
Freundschaft auf die offne Stirne,
Auf die Wange Wohlgefallen,
Sel'ge Liebe auf den Mund;
Aufs geschloßne Aug die Sehnsucht,
In die hohle Hand Verlangen,
Arm und Nacken die Begierde,
Überall sonst hin Raserei.

Elegie auf den Tod einer Grille
Den 14ten Mai 1806

Musen, hüllet mir die Leier,
Die sonst nur der Freud erklang,
In der Trauer dunkeln Schleier,
Klagend halle mein Gesang!
Schwermutsvoll, in dumpfen Tönen
Weine, holde Elegie,
Fleuch, o fleuch, mit leisem Stöhnen,
Hin ins Land der Phantasie!
Hebe dich auf leichten Schwingen
Zu der Göttin hehrem Thron,
Hilf ein Totenlied mir singen
In Tibulls gerührtem Ton!
Zwar nur eine kleine Grille
Ist es, was mein Lied beweint,
Aber diese niedre Hülle
Barg mir einen teuern Freund.
Einen Freund, der mir die Sorgen
Aus dem wunden Herzen sang,
Der an jedem frühen Morgen
Freudig mir entgegensprang.
Er, der oft mit seinen Scherzen
Lust und Heiterkeit mir gab,
Stürzt, ein Raub von herben Schmerzen,
In sein allzufrühes Grab!
Tot liegt er vor meinen Füßen,
Tot vor meinem feuchtem Blick,
Unerweckbar meinen Küssen,
Nimmer kehret er zurück!
Schlafe denn, da dich mein Kummer
Nimmermehr zum Leben ruft,
Schlafe denn den Todesschlummer,
Ruhe sanft in düstrer Gruft!


Cherubin
1812
(Zweite Fassung 1816)


Wer bist du, die in meines Herzens Tiefen,
Die nie der Liebe Sonnenblick durchstrahlt,
Mit unerklärter Zaubermacht gegriffen?
Wer bist du, holde, himmlische Gestalt?
Gefühle, die im Grund des Herzens schliefen,
Hast du geweckt mit himmlischer Gewalt,
Gefesselt ist mein ganzes, tiefstes Wesen,
Und Kraft und Wille fehlt, das Band zu lösen!

Seh ich der Glieder zarte Fülle prangen,
Gehüllt ins schöngeschmückte Knabenkleid,
Die runden, lieb- und schamgefärbten Wangen,
Die blöde, knabenhafte Schüchternheit,
Das dunkle, erst erwachende Verlangen,
Das brennend wünscht und zu begehren scheut,
Den Flammenblick, tief in den Grund gegraben,
So nenn ich dich den reizendste der Knaben!

Doch seh ich dieses Busens Wallen wieder,
Verräterisch durchs neid'sche Kleid gebläht,
Des Nacken, glänzend, wie des Schwans Gefieder,
Von reichem, seidnem Lockenhaar umweht,
Hör ich den Himmelsklang der Zauberlieder,
Und was ein jeder Sinn noch leis erspäht,
Horch ich des Herzens ahnungsvollen Tönen,
So nenn ich dich die Krone aller Schönen.

Schlicht' diesen Sturm von kämpfenden Gefühlen,
Gebiete diesem wildempörten Blut,
Laß meinen Blick in diesen Reizen wühlen,
Laß mich der heißen Lippen Fieberglut
In dieses Busens regen Wellen kühlen;
Und meiner Küsse räuberische Flut
Soll das Geheimnis dir im Sturm entreißen,
Welches Geschlecht sich rühmt, dich sein zu heißen.

Die Musik
1812
(Nach dem ersten Druck 1816)


Sei mir gegrüßt, o Königin!
Mit der strahlenden Herrscherstirn,
Mit dem lieblich tönenden Munde
Und dem Wahnsinn sprühenden Blick,
Schwingend das zarte Plektron,
Ein mächtiger Szepter in deiner Hand.

Sei mir gegrüßet, Herrlichste
Unter den herrlichen Schwestern!

Lieblich sind sie, die Huldinnen alle,
Die am Throne des Lichts gezeugt,
Von unsterblichen Müttern geboren,
Gerne nieder zur Erde steigen;
Boten einer vergangenen,
Verkünder einer künftigen Welt.

Lieblich sind sie, die Huldinnen alle,
Wenn sie, der Sterblichkeit Nebelkleid
Um die leuchtenden Schultern geworfen,
Wie Apollon unter den Hirten
In dem Kreise der Menschen weilen;
Und in der Fremde rauhen Boden
Palmenreiser der Heimat pflanzen;
Menschenähnlich und dennoch Götter,
Beide Welten liebend verbinden,
Hernieder zur Erde den Himmel ziehn
Und den Menschen zu Göttern erhöhn.

Lieblich sind sie, die Huldinnen alle,
Doch wie die Rose unter den Blumen
Strahlst du hervor aus dem Chore der Schwestern.

Als das Recht von der Erde verschwunden
Und die Unschuld gen Himmel geflohn,
Dienen lernte die freie Gebärde,
Lügen das Aug, des Himmels Bild,
Und das Wort, das heilige, wahre,
Sich in schändende Fesseln schlug:
Da wardst du von den Göttern gesendet,
Als Vertraute für bessere Seelen,
Deine Sprach' ihrem Munde zu leihn.
Freudig eilten sie dir entgegen,
Sanken vertrauend in deinen Arm,
Und Lieb und Hoffnung, und Scham und Reue
Flüsterten leis in deinen Busen,
Was sie erreicht und was sie verloren,
Was sie geträumt und wie sie gefühlt.

Seitdem stehst du dem Menschen zur Seite,
Eine helfende Trösterin!
Wo er weilt und wo er wandelt,
An des Unglücks gähnendem Absturz,
Auf der Freude Blumenhöhn,
Überall tönt deine Stimm ihm entgegen,
Wie ein Ruf aus besseren Welten,
Klagend, tröstend, freundlich erhebend,
Von der Wiege bis ins Grab.

Sanft stehst du an der Wiege des Knaben,
Der kaum dem Schoß sich der Mutter entwand,
Dem noch in einer trüben Welle
Taumelnd sein Ich und die Außenwelt schwimmt,
Dem kaum der Schmerz noch ahndend gelehret,
Daß er zum Leben – voll Schmerzen! – erwacht.
Wie er so daliegt und jammert und klaget,
Da tönt ein Laut in seine Ohren —
Der erste Strahl in der irdischen Nacht —
Aus der Wärterin einfachem Liede
Spricht dein Mund dem Klagenden zu:
"Dulde! Lerne beizeiten dulden,
Ist doch Leiden des Lebens Name,
Wenige Stunden, und es ist vollbracht!"
Und du legst in des Kleinen Wiege
Einen treuen, liebenden Bruder,
Der durch das Leben ihn begleitet,
Hilfreich und treu ihm zur Seite steht.
Jeden Kummer halb ihm abnimmt,
Jede Freude vertausendfacht,
Und am Ziele der Lebensbahn
Ihn in die offenen Arme nimmt,
Legst den Schlummer ihm an die Seite,
Und der Knabe lächelt und — schläft.

In der Trompete mutigen Tönen
Rufst du den Jüngling ins Schlachtgewühl,
Leitest die Stärke, ermutigst das Zagen,
Jubelst ob dem geschlagenen Feind,
Verkündest die Siegesbotschaft dem Lande,
Weinst dem Gefallenen nach ins Grab.
Aus der Zither melodischen Saiten
Klagst du dem Mädchen des Liebenden Glut,
Wo die Sprache das Wort verweigert,
Borgest du hilfreich den lieblichen Klang.
Und das Mädchen höret die Klage,
Von Ahndung und Scham den Busen bestürmt,
Zögernd folgt sie dem süßen Zuge,
Gleich den Saiten bebet ihr Herz,
Und auf der Töne goldenen Schwingen
Ziehet die Liebe als Sieger ein.

An des Altars geschmückten Stufen
Empfängst du jauchzend die schamhafte Braut,
Scheuchst von der Stirn ihr das zagende Bangen,
Zeigst ihr die nahende Seligkeit.
So durch alle Gewinde des Lebens
Geleitest du liebreich den Erdensohn,
Hilfst ihm erklimmen die steilen Stufen,
Und streuest auf jede mit mildem Sinn
Deine Rosen oder Zypressen,
Freuden- oder Mitleidstränen,
Und wenn endlich das Leben verklungen,
Der letzte Seufzer der Brust entflohn,
Zum Staub gekehrt der Staubgeborne,
Wankst du stöhnend hinter der Bahre,
Hinüberzeigend in lichte Fernen,
Glaub und Hoffnung an leitender Hand. —

Wo ist eine Macht, die deiner gleichet,
Eine Gewalt, die deiner sich naht,
Wenn du auf Sturmesflügeln einherbraust,
Wenn du mit Zephyrslispeln säuselst;
Wenn du des Mutes glimmenden Funken
In die zagende Seele schleuderst
Und den Funken zur Tat entflammst,
Wenn du im duftenden Myrtenhain
Mit süßer Ahnung das Herz beschleichst.
Wo ist eine Macht, die deiner gleicht!
Bewehrt mit deinem flammenden Schwert,
Schlug Tirtäus der Feinde Gewalt,
Felsen gehorchten deinem Worte,
Als du aus Amphions Leier gebotst,
Aus der Unterwelt heulenden Klüften
Zog die Geliebte des Orpheus Gesang.

Wie bildsamer Ton, wie weiches Wachs
Ist des Menschen Herz in deiner Hand,
Timotheus' Leier tönt,
Und Persepolis flammt,
Händel greift in die Saiten
Und Persepolis flammt noch einmal
Vor den Sinnen der trunknen Hörer!

Wer vermag deinen Zauber zu schildern,
Liebliche, milde, freundlich holde,
Fühlende Freundin fühlender Seelen:
Herrlichste unter den herrlichen Schwestern!
Was der Mime nur schwankend stammelt,
Was der Dichter zu laut verrät,
Lispelt vernehmlich dein Saitenspiel.
Sei die Dichtkunst noch so gepriesen,
Sie spricht doch nur der Menschen Sprache,
Du sprichst, wie man im Himmel spricht!

Darum sei mir dreimal gesegnet,
Hohe, strahlende Königin!
Ewig soll meine Lippe dich preisen,
Und in den Klang meiner Weihgesänge
Mische sich jauchzend der Jubel der Welt!

Bertha's Lied
War ursprünglich für die "Ahnfrau" bestimmt.

Nacht umhüllt
Mit wehendem Flügel
Täler und Hügel,
Ladend zur Ruh.

Und dem Schlummer,
Dem lieblichen Kinde,
Leise und linde
Flüstert sie zu:

"Weißt du ein Auge,
Wachend in Kummer,
Lieblicher Schlummer,
Drücke mir's zu!"

Fühlst du sein Nahen?
Ahnest du Ruh?
Alles deckt Schlummer,
Schlummre auch du!


Willkommen
bei der Ankunft der vierten Gemahlin Kaiser Franz I.
1816


Ich hab sie gesehen,
Apart und genau,
Ich hab sie gesehen,
Die herrliche Frau:

Ja, staunet nur, staunet!
Ich stand dort am Rain
Und trieb meine Gänse
Ins Wasser hinein,

Und wie wir so stehen,
Ein jedes für sich,
Und schauen, der Entrich,
Mein Pudel und ich,

Da hebt sich's von ferne,
Da wirbelt der Staub,
Da kommt es gerasselt
Durchs fallende Laub.

Ein Zug kommt geflogen
In goldener Pracht,
Wie Wolken, wenn morgens
Die Sonne erwacht.

Und mitten ein Wagen,
Ganz schlicht, ohne Glanz,
Doch glänzt er vor allen,
Er führt unsern Franz,

Und an seiner Seite
Saß, lieblich und mild,
In züchtigem Schweigen
Ein Frauenbild.

Ha, dacht ich mir selber,
Wer mag das wohl sein?
Dem Herren zur Seite
Muß Herrliches sein.

Ich schau ihr ins Auge,
Da trifft mich ihr Blick,
Noch denk ich mit Zittern
Und Wonne zurück.

Daheim in der Kirche,
Am hohen Altar,
Da stehet ein Bildnis,
So herrlich und klar:

Die Mutter des Heilands
Am Sternenthron,
In liebenden Armen
Den göttlichen Sohn.

Mit freundlicher Wehmut,
So trostreich und lind,
Verweilet ihr Auge
Am schlafenden Kind;

Sie scheint's zu geleiten
Auf künftiger Bahn —
So sah mich die Hohe,
Die Liebliche an.

O Blick ohnegleichen,
Voll himmlischem Sinn,
Er stammet vom Himmel
Und führet dahin.

Da stand ich und staunte,
Mein selbst nicht bewußt,
Mit tränenden Augen,
Mit schwellender Brust.

Jetzt lächelt die Hohe,
Da fuhr's durch mich hin:
Es ist unsre Mutter,
Die Kaiserin!

Nun will ich sie grüßen,
Ich suche das Wort,
Da rauscht es vorüber,
Die Holde war fort.

Ich Alberner rückte
Nicht einmal den Hut,
Nun wird sie wohl glauben,
Ich sei ihr nicht gut,

Glaubt wohl, daß in Östreich
Ein einziger sei,
Der sich ihrer Ankunft,
Sich ihrer nicht freu!

Noch heut soll sie kommen,
Ich weiß es, zur Stadt,
Da sehet ihr glücklichen
Städter euch satt.

Wenn ihr nun ihr zuruft
In Freudenerguß,
So bringt ihr auch meinen
Verspäteten Gruß,

Und sagt ihr: Der Junge
Da draußen am Bach,
Er stehe an Liebe
Den Besten nicht nach.

Für sie unser Leben,
Für sie unser Blut!
Kein einz'ger in Östreich,
Der weniger tut.

Werbung
(Frühjahr 1817)

Mädchen, willst du mir gehören,
So sprich Ja und schlag nur ein!
Kann nicht seufzen, kann nicht schwören,
Willst du — Gut! Wenn nicht — mag's sein!

Gold hab' ich nicht aufzuweisen,
Aber Lieder zahlen auch;
Will dich loben, will dich preisen,
Wie's bei Dichtern heitrer Brauch.

Doch gefällt's dir einst zu brechen,
Tu's mit Maß und hüte dich!
Lied, das schmeichelt, kann auch stechen,
Dich verletzest du, nicht mich.

Dichters Gram ist bald verschlafen,
Seine Kunst ist trostesreich,
Und die Lieder, die dich strafen,
Trösten heilend ihn zugleich.

An Aphrodite
Aus dem Trauerspiel "Sappho"
(30. Juni 1817)


Golden thronende Aphrodite,
Listenersinnende Tochter des Zeus,
Nicht mit Angst und Sorgen belaste,
Hocherhabne, dies pochende Herz!

Sondern komm, wenn jemals dir lieblich
Meiner Leier Saiten getönt,
Deren Klängen du öfters lauschtest,
Verlassend des Vaters goldenes Haus.

Du bespanntest den schimmernden Wagen,
Und deiner Sperlinge fröhliches Paar,
Munter schwingend die schwärzlichen Flügel,
Trug dich vom Himmel zur Erde herab.

Und du kamst; mit lieblichem Lächeln,
Göttliche, auf der unsterblichen Stirn,
Fragtest du, was die Klagende quäle,
Warum erschalle der Flehenden Ruf?

Was das schwärmende Herz begehre?
Wen sich sehne die klopfende Brust
Sanft zu bestricken im Netz der Liebe?
Wer ist's, Sappho, der dich verletzt?

Flieht er dich jetzt, bald wird er dir folgen,
Verschmäht er Geschenke, er gibt sie noch selbst,
Liebt er dich nicht, gar bald wird er lieben,
Folgsam gehorchend jeglichem Wink.

Komm auch jetzt und löse den Kummer,
Der mir lastend den Busen beengt,
Hilf mir erringen, nach was ich ringe,
Sei mir Gefährtin im lieblichen Streit.


Licht und Schatten
(Herbst 1817)

Schwarz ihre Brauen,
Weiß ihre Brust,
Klein mein Vertrauen,
Groß doch die Lust.

Schwatzhaft mit Blicken,
Schweigend den Zung',
Alt das Mißglücken,
Wunsch immer jung.

Arm, was ich brachte,
Reich meine Lieb',
Warm, was ich dachte,
Kalt, was ich schrieb.

Bescheidenes Los
(1817/1818)

Bei dem Klang des Saitenspieles
Geh' ich einsam und allein,
Habe wenig, brauchte Vieles,
Doch das Wenige ist m e i n.

Amor lauscht in Rosenhecken,
Winkt, halb Spott, zu sich hinein;
Spiel' mit Kindern, Kind, Verstecken!
Mich laß ruhig und allein.


Und das Glück, voll goldner Spangen,

Zeigt den reichgefüllten Schrein;
Kommst geflogen, ich gegangen,
Flieg du hin, ich geh' allein.

Schau, der Ruhm am Rand der Fernen
Glänzt in heller Zeichen Schein;
Wen gelüstet's nach den Sternen?
Man betrachtet sie allein.

Misse gern ein Buntes, Vieles,
Hab' ich mich doch und was m e i n!
Bei dem Klang des Saitenspieles
Geh' ich einsam und allein.

Das Urbild und die Abbilder
An eine Nicht-Dichterin
1818


Kunstbeflissen und unverzagt,
Feder und Farben und Stift in den Taschen,
Ziehen sie aus in wilder Jagd,
Unschuld und Reiz und Natur zu erhaschen.

Was er erschaut und was er erringt,
Jeder fein fleißig zu Buche bringt,
Um in des Winters Frieren und Härmen
Sich an dem köstlichen Labsal zu wärmen.

Wie? und nur du mehrst nicht ihre Zahl?
Schätzest du nicht, wonach jene geizen?
Kann dich Natur und Unschuld nicht reizen? —
Oder wärs hier wie im Bildersaal?
Alles rennt dort und hascht nach Kopien;
Einer nur will sich nicht viel bemühen —
"Trägt er im Busen ein Herz von Stahl?"
Nein, — er besitzt das Original.


Abschied von Gastein
August 1818

Die Trennungsstunde schlägt, und ich muß scheiden,
So leb' denn wohl, mein freundliches Gastein!
Du Trösterin so mancher bittern Leiden,
Auch meine Leiden lulltest du mir ein.
Was Gott mir gab, worum sie mich beneiden,
Und was der Quell doch ist von meiner Pein,
Der Qualen Grund, von Wenigen ermessen,
Du ließest mich's auf kurze Zeit vergessen.

Denn wie der Baum, auf den der Blitz gefallen,
Mit einem Male strahlend sich verklärt,
Rings hörst du der Verwundrung Ruf erschallen,
Und jedes Aug' ist staunend hingekehrt;
Indes in dieser Flamme glühndem Wallen
Des Stammes Mark und Leben sich verzehrt,
Der, wie die Lohe steigt vom glühnden Herde,
Um desto tiefer niedersinkt zur Erde;

Und wie die Perlen, die die Schönheit schmücken,
Des Wasserreiches wasserhelle Zier,
Den Finder, nicht die Geberin beglücken,
Das freudenlose, stille Muscheltier;
Denn Krankheit nur und langer Schmerz entdrücken
Das heißgesuchte, traur'ge Kleinod ihr,
Und was euch so entzückt mit seinen Strahlen,
Es ward erzeugt in Todesnot und Qualen;

Und wie der Wasserfall, des lautes Wogen
Die Gegend füllt mit Nebel und Getos;
Auf seinem Busen ruht der Regenbogen,
Und Diamanten schütteln rings sich los;
Er wäre gern im stillen Tal gezogen,
Gleich seinen Brüdern in der Wiesen Schoß,
Die Klippen, die sich ihm entgegensetzen,
Verschönern ihn, indem sie ihn verletzen:

Der Dichter so; wenn auch vom Glück getragen,
Umjubelt von des Beifalls lautem Schall,
Er ist der welke Baum, vom Blitz geschlagen,
Das arme Muscheltier, der Wasserfall;
Was ihr für Lieder haltet, es sind Klagen,
Gesprochen in ein freudenloses All,
Und Flammen, Perlen, Schmuck, die euch umschweben,
Gelöste Teile sind's von seinem Leben.

Der Bann
Herbst 1818

Leb' wohl, Geliebte, ich muß scheiden,
Es treibt mich fort in Angst und Qual,
Fort von der Wohnstatt meiner Freuden,
Fort von dem Weibe meiner Wahl.

Nicht dieser Blick und diese Zähren!
Verbirg dein holdes Angesicht!
Du kannst das Scheiden mir erschweren,
Doch mir ersparen kannst du's nicht.

Denn wisse, wenn du mich umschlungen,
Umschlangst du keinen f r e i e n Mann,
Der Abgott deiner Huldigungen,
Er ist belegt mit Acht und Bann.

Der Fürstin, der die Welt zu eigen,
Der alles huldigt, was da lebt,
Vor der sich alle Wesen beugen,
Hab' ich im Wahnsinn widerstrebt.

Mit ihrer Schwester, sinnverwirret,
Die ohne Heimat, ohne Haus,
Durch Erd und Luft und Wellen irret,
Zog ich in wilder Jagd hinaus.

Im Mondenglanz, auf flücht'gem Fuße,
Schlang ich mit ihr den Geisterreihn,
Und alles Wirklichen Genusse
Entsagt ich um den holden Schein.

Da sprach die Fürstin zornentglommen,
"Verschmähst du so, was ich dir bot,
So sei's auf immer dir genommen,
Du vogelfrei bis an den Tod.

Von Wunsch zu Wunsch in ew'ger Kette
Und rastlos wie du bist, so bleib!
Dir sei kein Haus und keine Stätte,
Kein Freund, kein Bruder und kein Weib;

Ein Büttel aber beigegeben,
Mit dir, in dir, laß er dich nie,
Der peitsche rastlos dich durchs Leben,
Der wilde Dämon Phantasie.

Er heiße dich nach allem fassen,
Was irdisch schön, mit raschem Geiz;
Doch hältst du's, müssest du es hassen
Und Mängel sieh in jedem Reiz!

Verdammet Schatten nachzujagen,
Buhl' doch um Augenblickes Kuß,
Es fehle Kraft dir zum Entsagen
Und Selbstbegrenzung zum Genuß!

Die Sprache will ich dir verwandeln,
Dein Hörer sei der Mißverstand,
Mißlingen sei mit deinem Handeln,
Entzweit auf immer Kopf und Hand!

Die d i c h liebt, flieh! die du begehret,
Sie schaudere zurück vor dir!
Und sagt sie: ja, hat sie gewähret,
So töt' ihr Ja dir die Begier.

Und daß der letzte Trost versaget,
Verewigt Rache sei und Leid,
So zweifle der, dem du's geklaget,
An deines Leidens Wirklichkeit!

Zieh hin um all dein Glück betrogen,
Und buhl um meiner Schwester Gunst;
Sieh, was das L e b e n dir entzogen,
Ob dir's ersetzen kann die K u n s t!" —

Da fiel's mich an mit Nachtgewalten,
Und Wahrheit war es, was sie sprach,
Das Herz im Busen mir gespalten
Und jener innre Dränger wach.

Seitdem irr ich verbannt, alleine,
Betrüge andre so wie mich;
Du aber, armes Weib, beweine,
Den du verloren ewiglich!

Hab ich mich nicht losgerissen
(Etwa Herbst 1818)

Hab ich mich nicht losgerissen,
Nicht mein Herz von ihr gewandt,
Weil ich sie verachten müssen,
Weil ich wertlos sie erkannt?

Warum steht in holdem Bangen
Sie denn immer noch vor mir,
Woher dieses Glutverlangen,
Das mich jetzt noch zieht zu ihr?

Tausend alte Bilder kommen
Ach, und jedes, jedes spricht:
Ist der Pfeil auch weggenommen,
Ist's darum die Wunde nicht.

An der Wiege eines Kindes
1818

Da liegt sie, eingehüllt,
Die hilflose Kleine,
Eine Blume an Schönheit
Und an Bewußtlosigkeit, daß sie schön;
Ein leeres Blatt die Seele,
Die Sinne Griffel ohne Führer,
Der Verstand ein Schreiber tief im Schlaf.
Kein Geist rief noch: es werde Licht!
Über der dunkeln Urnacht,
Und Mensch- und Tierheit streiten,
Wem sie gehört.

Sie lächelt! — Warum?
Sie weint! — Weswegen?
O laßt sie weinen, lächeln ohne Grund!
Gebt diese Kunst ihr mit ins Leben!
Der beste Grund zum Frohsinn ist der Frohsinn,
Und mög auch künftig, wenn sie weint,
Nie das Bewußtsein sagen ihr, warum.

Wie rein die Stirn sich hebt,
Die Wangen strotzend leuchten,
Die Unterlippe, als zum Kuß geformt,
Ein Rosenblatt, sich schwellend hebt,
Vom Oberlippchen zierlich überrandet
Und Wang und Kinn mit ihren Grübchen
Zur strengen Schönheit fügen süßen Reiz!
Du bist schön, o Kleine!
Und wirst es mehr noch sein, wenn nicht mehr klein.

Sei mir gegrüßt, Gesegnete der Götter!
Denn, wahrlich, Schönheit ist der Götter Segen!
So ausgeschieden sein vom Niedern und Gemeinen,
Am Fuß der Himmelsleiter hingestellt,
Die von der Erde aufsteigt zu den Göttern
Und einen ew'gen Mahner an der Seite,
Der leise ruft: Zerstör mich nicht!
Das Schöne, es ist gut, und schön das Gute.

Und so wirst du auch gut sein, gut wie schön,
Und klug wie beides und verständig.
Des Vaters Aug in deiner klaren Stirn,
Es wird von Recht einst sprechen wie in seiner,
Der Mutter Mund ob deinem weichen Kinn,
Er wird von Geist ertönen wie bei ihr,
Und fester Sinn wird thronen in den Brauen.

Was lächelst du, als hättest du vernommen
Der allzuraschen Lippe weihend Lob?
Ich sage dir, die Güte, die dich schmückt,
Sie wird dir einst der Tränen mehr entpressen,
Als die Vergehung weinet und der Schmerz,
Und des Verstandes Fackel wird dir leuchten,
Da, wo du wünschtest lieber blind zu sein,
Und spotten werden dein die andern Blinden.

Doch immerhin! laß beide strahlen
Erwärmend und erleuchtend für und für,
Tu dir genug, so tust du's auch der Welt!
Und so geh ruhig deinen stillen Pfad.
Und wenn du einst am Rande deiner Bahn,
Gebettet in der Schwachheit Schaukelwiege
Und eingewickelt in des Alters Binden,
Zum zweitenmal ein Kind, stillatmend ruhst,
So gebe gnädig dir ein güt'ger Gott,
Daß auch du lächeln könnest dann, wie jetzt,
Dem Eintritt in ein noch verhülltes Leben.


An die vorausgegangenen Lieben
(Wien, am 9. März 1819)

Seid ihr vorausgegangen,
Liebe Gefährten der Reise,
Wohnung zu bereiten,
Der noch im Staube des Wegs?

Sucht mir ein Kämmerchen, Liebe!
Still und freundlich und klein,
Doch in eurer Nähe:
Ich bin nicht gern allein;

Heimlich sei es und stille,
Schatten mäß'ge den Tag,
Daß ich gern sitzen und sinnen,
Dichten und denken mag.