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Frühe Gedichte 2
1819-1824

 

Campo vaccino
Am Morgen nach einem Sturm
Zwischen Gaeta und Kapua
Die tragische Muse
Vorzeichen
Der Genesene
Am Hügel
Allgegenwart
Albumblatt 1
Albumblatt 2
Als sie, zuhörend, am Klavier saß
Das Spiegelbild
Incubus
Napoleon
Gedanken am Fenster
Huldigungen
Entzauberung
 

Campo vaccino
(Begonnen in Rom am 20. April 1819)

Seid gegrüßt, ihr heil'gen Trümmer,
Auch als Trümmer mir gegrüßt,
Obgleich nur noch Mondenschimmer
Einer Sonn, die nicht mehr ist.
Nennt euch mir, ich will euch kennen,
Ich will wissen, was ihr wart,
Was ihr seid, brauchts nicht zu nennen,
Da die Schmach euch gleich gepaart.

Eintrachtstempel, du der erste,
Der sich meinem Blick enthüllt;
Deine letzte Säule berste!
Schlecht hast du dein Amt erfüllt!
Solltest deine Brüder hüten,
Wardst als Wächter hingesetzt,
Und du ließest Zwietracht wüten,
Die sie fällt und dich zuletzt.

Jupiter aus deinem Tempel,
Stator, der zu stehn gebeut,
Brich des Schweigens Sklaven-Stempel,
Heiß sie stehn die neue Zeit!
Doch umsonst ist hier dein Walten,
Du stehst selber nur mit Müh,
Unaufhaltsam gehn die Alten
Und das Neue über sie.

Warum in dies Feld der Leichen
Ist, Septimius Sever,
Eingang dies dein Siegeszeichen?
Ausgang dünkt es mich vielmehr.
Als dem letzten, der's zu fassen,
Wenn auch nicht zu tun verstand,
Sei ein Plätzchen dir gelassen,
Doch nicht hier, am äußern Rand.

Titus, nicht dem Ruhm, dem Frieden
Bautest du dein Heiligtum:
Doch dir ward, was du vermieden,
Jeder Stein spricht deinen Ruhm.
Auch den Frieden in dem Munde
Ging ein andrer drauf ins Haus,
Doch der Frieden zog zur Stunde
Aus dem Friedenstempel aus.

Curia, die aus ihren Toren
Krieg der Welt und Frieden ließ,
Harrst du deiner Senatoren?
Einer doch ist dir gewiß.
Sieh ihn stehn dort an den Stufen,
Bei dem Mann im Priesterkleid,
Sieh, er kommt, wird er gerufen,
Und er geht, wenn man gebeut;

Sieh des Purpurs reiche Falten!
Majestätisch steht er da!
Ja, du suchst nach deinen Alten?
Schließ die Pforten, Curia!
Unten such, die unten wohnen,
Wir sind oben leicht und froh;
Rom hat nur noch Ciceronen,
Aber keinen Cicero.

Hat der Bruder dich erstochen
Remus, mit dem weichen Sinn?
Sieh vom Schicksal dich gerochen,
Er, sein Reich, gleich dir, dahin.
Sieh! in seines Tempels Hallen,
Wie in deinem, Mönche-Zug;
Horch! des Küsters Glöcklein schallen!
Dünkt die Rache dir genug?

Roma, Venus — Schönheit, Stärke,
Pulse ihr der alten Welt,
Hier inmitten eurer Werke,
Euer Tempel aufgestellt.
In Ruinen Schönheit prangen?
Kraft in Trümmern wank und schwach?
Was ihr zeugtet, ist vergangen,
Folget euren Kindern nach.

Dort der Bogen, klein und enge,
Schwach gestützt und schwer verletzt;
Wem von all der Heldenmenge
Ward so ärmlich Mal gesetzt?
Titus. O so laßt es fallen!
Denn ob's auch zusammenbricht,
So lang Menschenherzen wallen,
Brauchst du, Titus, Steine nicht.

Hoch vor allen sei verkläret,
Constantin, dein Siegesdom!
Mancher hat manch Reich zerstöret,
Aber du das größte — Rom.
Über Romas Heldentrümmern
Hobst du deiner Kirche Thron,
In der Kirche magst du schimmern,
Die Geschichte spricht dir Hohn.

Mit dem Raub von Trajans Ehren
Hast du plump dein Werk behängt;
Trajan kann des Schmucks entbehren,
Er lebt ewig, unverdrängt:
Aber eine Zeit wird kommen,
Da zerstäubt geraubte Zier,
Da erborgter Schein verglommen,
Was spricht Heuchler dann von dir?

Kolosseum, Riesenschatten
Von der Vorwelt Machtkoloß,
Liegst du da in Todsermatten,
Selber noch im Sterben groß?
Und damit, verhöhnt, zerschlagen,
Du den Martertod erwarbst,
Mußtest du das Kreuz noch tragen,
An dem, Herrliche, du starbst!

Nehmt es weg, dies heilge Zeichen!
Alle Welt gehört ja dir;
Überall, nur bei diesen Leichen,
Übrall stehe, nur nicht hier!
Wenn ein Stamm sich losgerissen
Und den Vater mir erschlug,
Soll ich wohl das Werkzeug küssen,
Wenns auch Gottes Zeichen trug?

Kolosseum, die dich bauten,
Die sich freuten um dich her,
Sprachen in bekannten Lauten,
Dich verstanden, sind nicht mehr.
Deine Größe ist zerfallen
Und die Großen sind's mit ihr,
Eingestürzt sind deine Hallen,
Eingebrochen deine Zier;

O so stürze ganz zusammen
Und ihr andern stürzet nach,
Decket, Erde, Fluten, Flammen,
Ihre Größe, ihre Schmach.
Hauch ihn aus, den letzten Oden,
Riesige Vergangenheit!
Flach dahin auf flachem Boden
Geh die neue, flache Zeit!

Am Morgen nach einem Sturm
Im Molo Di Gaeta
(27. April 1819)

Hast einmal wieder gestürmt?
Wildes, tobendes Element,
Wider Erd und Himmel
Feindlich kämpfend angerennt?
Töricht! Fruchtlos!
Sieh! Die Erde steht unbewegt
Und der Himmel wölbt sich heiter glänzend,
Lächelnd über sie und dich.
Du aber bist trüb und düster
Und warst doch schön wie sie.

Feinde nicht die Erde an,
Weil sie fest und grünend,
Beneide nicht den Himmel,
Weil er blau und hell:
Bist du minder fest als jene,
Bist du heller doch, als sie;
Bist du minder hell als dieser,
Bist du fester doch, als er,
Und beide — willst du ruhig quellen —
Spiegeln sich vereint in deinen Wellen.
Drum gib auf nur die Beschwerde,
Sei erst ruhig und dann schau,
Ob du grün nicht wie die Erde,
Wie der Himmel blau.

Zwischen Gaeta und Kapua
(Capua am 27. April 1819)

Schöner und schöner
Schmückt sich der Plan,
Schmeichelnde Winde
Wehen mich an;

Fort aus der Prosa
Lasten und Müh,
Flieg ich zum Lande
Der Poesie;

Goldner die Sonne,
Blauer die Luft,
Grüner die Grüne,
Würz'ger der Duft.

Dort an dem Maishalm,
Schwellend von Saft,
Sträubt sich der Aloe
Störrische Kraft.

Ölbaum, Zypresse,
Blond du, du braun,
Nickt ihr wie zierliche,
Grüßende Fraun?

Was glänzt im Laube,
Funkelnd wie Gold?
Ha, Pomeranze,
Birgst du dich hold!

Apfel der Schönheit,
Paris Natur
Gab dich Neapolis
Reizender Flur.

Ehrlicher Weinstock,
Nützest nicht bloß?
Schlingst hier zum Kranze den
Grünenden Schoß.

Überall Schönheit,
Überall Glanz,
Was bei uns schreitet
Schwebt hier im Tanz.

Trotz'ger Poseidon,
Wärest du dies,
Der drunten scherzt und
Murmelt so süß?

Und dies halb Wiese, halb
Äther zu schaun,
Es wär des Meeres
Furchtbares Graun?

Hier will ich wohnen,
Göttliche du,
Bringst du, Parthenope,
Wellen zur Ruh?

Nun, so versuch es,
Eden der Lust,
Ebne die Wogen
Auch dieser Brust!

Die tragische Muse
Vor Vollendung des Trauerspiels "Medea" gedichtet
(Ende September/Anfang Oktober 1819)


Halt ein, Unselige, halt ein!
Wohin verlockst du mich?
Über Berge bin ich gekommen,
Durch Schlünde dir gefolgt,
Kein Pfad ist, wo ich trete, keine Spur —
Fern herauf tönt der Menschen Stimme,
Tönt der Herden fröhliches Geläut
Und des Waldbachs Rauschen;
Ringsum Klippen, wolkennahe Klippen,
Über mir Duft und Nebel,
Lügend Gestalten!

Was willst du? — Steh und rede!
An deiner Seite ein Weib
Gräulichen Anblicks.
Schwarz flattern die Haare,
Schwarz funkeln die Augen,
Schwarz das Gewand — Blut!
Blut an ihrem Gewande,
An dem Dolch, den sie zückt!
Zwei Kinder tot zu ihren Füßen
Und ein Greis und ein Jüngling,
Im Todeskampf verzerrend,
Verwandte, ähnliche Züge;
Um die Schultern aber glänzt es —
Ein Vlies — ein goldstrahlendes Vlies —
Medea! —

Hebe dich weg, Entsetzliche!
Kinder-, Bruder-, Vatermörderin!
Was ist mir gemein mit dir?
Den Vater hab ich kindlich geehrt,
Und als die Mutter starb,
Flossen fromme Tränen
Ihr nach ins unerwünschte Grab.
Was hab ich gemein mit dir?
Mir schaudert. Geh! —

Und auch du, die mich hergelockt,
Durch die Leier in deinem Arm
Und den Kranz, den du trägst,
Vom immergrünen Laub, das mich lockt,
Hebe dich weg und laß mich!
Daß ich, den Rückweg suchend,
Heimkehre zu den Meinen.

Aber du schaust mich an?
Mit dem Auge, streng zugleich und innig,
Mit dem seelenbindenden Blick,
Der schon dem keimenden Knaben
Das Spielzeug wand aus den Händen
Und, ablockend vom Kreis der Gefährten,
In einsiedlerische Still ihn bannend,
Das Geschick der Könige
Und der Welt ungelöste, ewige Rätsel
Ihm gab zum ahnungsvollen, ernsten Spiel.
Du schaust mich an und willst nicht gehn?
Winkst mir, zu folgen dir und der Gefährtin,
Medeen, mit dem gräßlichen Blick?

Du nimmst den Kranz vom duftenden Haar
Und setzest ihn aufs Haupt der Entsetzlichen?
Mir den Schmuck, den lohnenden Schmuck!
Du lächelst und winkst?
Folgen soll ich, dann sei gewährt?
Mein Wesen hat kein Schild gen solche Waffen,
Sie haften, deine Pfeile, in der Brust!
Vollendet sei, was begonnen!
Winke nicht mehr, du hast mich gewonnen!
Geh voran! ich folge dir.


Vorzeichen
1820
(Umarbeitung von 1841)


Augen, meiner Hoffnung Sterne,
Dioskuren meiner Fahrt,
Schimmert nicht so hell und feurig,
Denn das kündet, sagt man, Sturm
Und so ist es auch, ich fühl es,
Schon erheben sich die Wellen,
Überzieht sich noch der Himmel,
Jener Himmel, wo Ihr leuchtet,
O, dann rettet mich kein Gott.


Der Genesene
(Februar 1820)

Jetzt, da ich's bestanden habe,
Leuchtet mir's erst deutlich ein:
Krankheit, du bist Gottes Gabe!
Er soll drum gepriesen sein!

Wie der Mensch dich schwer bekämpfe,
Doch im Ringen allzumal
Lösen sich der Seele Krämpfe,
Innrer Schmerz in äußrer Qual.

Besserst an der Menschheit Bilde,
Scharfe Züge mäßigst du:
War sonst rauh, jetzt bin ich milde,
Unstet sonst und jetzt in Ruh.

Auch die andern, die da kamen,
Waren alle gut und weich,
Weil sie mich als Gleichen nahmen:
Gleiches Leiden macht ja gleich.

Ob man sonst nach Fernem jage,
Setzest du ein näher Ziel,
Machst den Tag zum Ziel dem Tage,
Eine ruh'ge Nacht scheint viel;

Und der Wunsch übt in Beschwerden
Ans Gebiß den stolzen Mund:
Frage nicht: was soll ich werden?
Bin ich jetzo doch gesund.

Das Gemüt, verstockt, verquollen,
Von so manchem, das es trug,
Öffnet sich, wie Ackers Schollen,
Aufgelockert durch den Pflug,

Und, als ob der Lenz erwache
All mit seiner Freuden Chor,
Treibt es nach der langen Brache
Grüne Spitzen neu hervor.

Wie ist all mein Innres offen!
Wie verdoppelt jeder Sinn!
Nachbild hat das Bild getroffen,
Jeder Augenblick Gewinn!

Was ich lese, seh ich stehen,
Was ich höre, wird ein Bild,
Was ich spreche, wird geschehen,
Was ich wünsche, wird erfüllt.

Mit der Welt in tiefem Frieden,
Und in Frieden auch mit mir,
Dank ich dem, der mir's beschieden,
Sich geoffenbaret hier,

Und, erquickt von all der Labe,
Ruf ich froh in Sonnenschein:
Krankheit auch ist Gottes Gabe!
Er soll drum gepriesen sein!


Am Hügel
(Gastein, am 2. August 1820)

O Hügel, sanft von Steinen aufgeschichtet,
Die saftig Gras und Alpenmoos umzieht,
Von deinem Haupt ein Baum emporgerichtet,
An dem die Vogelbeere rötlich glüht,
Indes am Fuß in buntgemischter Reihe
Der Schwarzbeer dunkle Frucht und helles Kraut,
Hoch überragt von Weidrichs Veilchenbläue,
Dir einen Thron, sich eine Freistatt baut;
Wie schön blickst du herab von deiner Höhe!
Wie würdig stellst du dich dem Auge dar!
Der Wandrer steht entzückt in deiner Nähe
Und sucht beinah nach Weihort und Altar.
Gewiß auch, rollten noch die alten Zeiten,
Da unentzweit der Gott und die Natur,
Ein Schutzgeist würde hier sich Sitz bereiten,
Wo Gräser jetzt, hilflose Blumen nur.
Doch da ich solches kaum begann zu denken,
Straft Lügen mich ein schauerndes Gefühl,
Ich fühle Geister sich herniedersenken
Und mich umlispeln in der Winde Spiel.
Erinnrung kommt, der stillvertraute Zeuge
Von dem, was einst das Glück mir hier verlieh,
Und, wie geschloßnen Augs ich mich hinüberbeuge,
An ihrer Hand die Poesie.


Allgegenwart
Anfang März 1821

Wo ich bin, fern und nah,
Stehen zwei Augen da,
Dunkelhell
Blitzesschnell,
Schimmernd wie Felsenquell
Schattenumkränzt.

Wer in die Sonne sieht,
Weiß es, wie mir geschieht;
Schließt er das Auge sein,
Schwarz und klein
Sieht er zwei Pünktelein
Überall vor sich.

So auch mir immerdar
Zeigt sich dies Augenpaar,
Wachend in Busch und Feld,
Nachts, wenn mich Schlaf bestellt;
Nichts in der ganzen Welt
Hüllt mir es ein.

Gerne beschrieb' ich sie,
Doch ihr verstündet's nie;
Tag und Nacht,
Ernst, der lacht,
Wassers und Feuers Macht
Sind hier in Eins gebracht,
Lächeln mich an.

Abends, wenn's dämmert noch,
Steig' ich vier Treppen hoch,
Poch' ans Tor:
Streckt sich ein Hälslein vor,
Wangen rund,
Purpurmund,
Nächtig Haar,
Stirne klar,
Darunter mein Augenpaar!


Albumblatt 1
(Am 6. März 1821)

Ist zwar, seit ich dich kenne,
Fast nur ein Augenblick,
Doch, wenn ich wert dich nenne,
Nehm ich es nicht zurück;
Denn flüchtig in Sekunden
Trifft das Geschick,
Was Jahre nicht gefunden,
Gibt im Moment das Glück;
Zwar ird'scher Werke Meister
Webt lebenlang am Stück,
Für Herzen und für Geister
Regiert der Augenblick.

Albumblatt 2

Freund! auf, genieße das Leben,
Jetzt, da der Lenz dir noch blüht!
Da noch mit feurigem Streben
Blut dir die Adern durchglüht.
Fort mit den grämlichen Sorgen!
Sorge sich doch, wer da mag!
Was soll das Quälen um morgen;
Ist denn nicht heut auch ein Tag?
Nie vor der Zukunft gezittert!
Niemals in Leiden gebebt!
Nie von der Freude erschüttert!
Das, Freund, nur das heißt gelebt!

Als sie, zuhörend, am Klavier saß
(Anfang März 1821)

Still saß sie da, die Lieblichste von allen,
Aufhorchend, ohne Tadel, ohne Lob;
Das dunkle Tuch war von der Brust gefallen,
Die, nur vom Kleid bedeckt, sich atmend hob;
Das Haupt gesenkt, den Leib nach vorn gebogen,
Wie von den fliehnden Tönen nachgezogen.

Nenn ich sie schön? Ist Schönheit doch ein Bild,
Das selbst sich malt und nur sich selbst bedeutet,
Doch Höheres aus diesen Zügen quillt,
Die wie die Züge einer Schrift verbreitet,
An sich oft bildlos, unscheinbare Zeichen,
Doch himmlisch durch den Sinn, den sie erreichen.

So saß sie da, das Regen nur der Wangen
Mit ihren zarten Muskeln rund und weich,
Der Wimpern Zucken, die das Aug umhangen,
Der Lippen Spiel, die, Purpurlädchen gleich,
Den Schatz von Perlen hüllen jetzt, nun zeigen,
Verriet Gefühl, von dem die Worte schweigen.

Und wie die Töne brausend sich verwirren,
In stetem Kampfe stets nur halb versöhnt,
Jetzt klagen, wie verflogne Tauben girren,
Jetzt stürmen, wie der Gang der Wetter dröhnt,
Sah ich ihr Lust und Qual im Antlitz kriegen
Und jeder Ton ward Bild in ihren Zügen.

Mitleidend wollt ich schon zum Künstler rufen:
"Halt ein! Warum zermalmst du ihre Brust?"
Da war erreicht die schneidendste der Stufen,
Der Ton des Schmerzes ward zum Ton der Lust,
Und wie Neptun, vor dem die Stürme flogen,
Hob sich der Dreiklang ebnend aus den Wogen;

Und wie die Sonne steigt; die Strahlen dringen
Durch der zersprengten Wetter dunkle Nacht,
So ging ihr Aug, an dem noch Tropfen hingen,
Hellglänzend auf in sonnengleicher Pracht;
Ein leises Ach aus ihrem süßen Munde,
Sah, wie nach Mitgefühl, sie in die Runde.

Da trieb's mich auf; nun soll sie's hören!
Was mich schon längst bewegt, nun werd ihr's kund!
Doch blickt sie her; den Künstler nicht zu stören
Befiehlt ihr Finger schwicht'gend an dem Mund,
Und wieder seh ich horchend sie sich neigen
Und wieder muß ich sitzen, wieder schweigen.


Das Spiegelbild
Sommer 1821

Ich lag im grünen Laubgezelt,
Die Stirn in heißer Hand,
Verbaut von Zweigen Flur und Feld,
An eines Brunnens Rand.

Und als ich, so am Rand gelegt,
Mein Bild im Quell gewahrt',
Fühlt' ich mich wunderbar bewegt,
Vergaß des Wassers Art

Und rief: "So hegest du mein Bild,
Du Wesen, still und rein;
Des Herzens Sehnen, ungestillt,
Soll drum dein eigen sein.

An deinem Ufer will ich ruhn,
Will mir ein Laubdach baun,
Matt von des Lebens Mühn und Tun,
In deine Wellen schaun."

Da, neben meinem, in dem Quell
Gewahr' ich noch ein Haupt;
Es ist mein Freund, erkenn' ich schnell,
Den ich entfernt geglaubt.


Incubus
1821

Fragst du mich, wie er heißt,
Jener finstere Geist,
Der meine Brust hat zum Reich,
Davon ich so düster und bleich?

Unfried ist er genennt,
Weil er den Frieden nicht kennt,
Weil er den Frieden nicht gönnt
Jemals der Brust, wo er brennt.

Der hat im Busen sein Reich,
Der macht mich düster und bleich,
Der läßt mir nimmermehr Rast,
Seit er mich einmal gefaßt.

Schau ich zum Himmel empor,
Lagert er brütend sich vor,
Zeiget mir Wolken zur Hand,
Wolken — und keinen Bestand.

Alles der Menschen Gewühl
Nennt er Getrieb ohne Ziel;
Ob ich's auch anders gewußt,
Schweigt er das Haupt durch die Brust.

Flücht ich zu ihr, die mein Glück,
Tadellos jeglichem Blick;
Er findet Tadel mir auf,
Wär's aus der Hölle herauf;

Und auf den Punkt, den er meint,
Hält er die Lichter vereint,
Daß es dem Aug nicht entging,
Wenn es auch Blindheit umfing:

Lacht sie — so nennt er sie leicht;
Weint sie — von Schuld wohl erweicht!
Spricht sie — in heuchelndem Mut,
Schweigt sie — voll anderer Glut.

Und wenn's mir einmal gelang,
Durchzubrechen den Drang,
Frei, mit des Geistes Gewalt,
Durch, bis zu Licht und Gestalt:

Unter der Hand es sich bildet und hebt,
Lebendiges Leben das Tote belebt,
Und es nun dasteht, ein atmendes Bild,
Vom Geiste des All und des Bildners erfüllt;

Da stiehlt er hinein sich mit list'gem Bemerk
Und grinset mich an aus dem eigenen Werk:
"Bin's, Meister, nur ich, dem die Wohnung du wölbst,
Sieh, nichtig dein Werklein und nichtig du selbst!"

Und schaudernd seh ich's, entsetzenbetört,
Wie mein eigenes Selbst gen mich sich empört,
Verwünsche mein Werk und mich selber ins Grab;
Dann folgt er auch dahin wohl quälend hinab?

Napoleon
Geschrieben im Jahre 1821

So stehst du still, du unruhvolles Herz,
Und bist gegangen zu der stillen Erde?
Was fünfzig Jahr, voll Hoheit und Beschwerde,
Voll Heldenlust nicht gab und Heldenschmerz,
Ist dir geworden in der stillen Erde,
Ein Sohn des Schicksals stiegest du hinab,
Verhüllt wie deine Mutter, sei dein Grab.

Das Fieber warst du einer kranken Zeit,
Bestimmt vielleicht, des Übels Sitz zu heben,
So flammtest du durchs aufgeregte Leben;
Doch wie des Krankenlagers Ängstlichkeit
Dem Fieber pflegt der Krankheit Schuld zu geben,
Schienst du der Feind allein auch aller Ruh
Und trugst die Schuld, die früher war, als du.

Was sie gesündiget ohn Unterlaß,
Was sie gefrevelt seit den frühsten Tagen,
Ward all zusammen auf dein Haupt getragen,
Du duldetest für alle aller Haß,
Dich ließen sie nach jenem Schimmer jagen,
In dem sich jeder selber gern gesonnt,
Wie du, gewollt, nur nicht, wie du, gekonnt.

Denn, seit du fort, fließt nun nicht mehr das Blut,
In dem vor dir schon alle Felder rannen?
Ward Lohn den wider dich vereinten Mannen?
Ist heilig das von dir bedrohte Gut?
Ward Tyrannei entfernt mit dem Tyrannen?
Ist auf der freien Erde, seit du fort,
Nun wieder frei Gedanke, Meinung, Wort?

Dich lieben kann ich nicht, dein hartes Amt
War, eine Geißel Gottes sein hienieden,
Das Schwert hast du gebracht und nicht den Frieden,
Genug hat dich die Welt darob verdammt;
Doch jetzt sei Urteil vom Gefühl geschieden!
Das Leben liebt und haßt, der Toten Ruhm
Ist der Geschichte heilig Eigentum.

Zum mindsten wardst du strahlend hingestellt,
Zu kleiden unsrer Nacktheit ekle Blöße,
Zu zeigen, daß noch Ganzheit, Hoheit, Größe
Gedenkbar sei in unsrer Stückelwelt,
Die sonst wohl selbst im eignen Nichts zerflösse,
Daß noch die Gattung da, die starker Hand
Bei Cannä schlug, bei Thermopylä stand.

Und so tritt hin denn zu der Helden Zahl,
Die annoch lebet auf der Nachwelt Zungen,
Zum Alexander, der die Welt bezwungen,
Zum Cäsar, der mit tadelnswertrer Wahl
Am Rubikon der Herrschaft vorgedrungen,
Zum — Stellt kein Held sich mehr zum Gleichnis ein?
Und ist man streng, da wo die Wahl so klein?

Geh hin und sag es an: der Zeiten Schoß,
Er bring uns fürder Mäkler, Schreiber, Pfaffen,
Die Welt hat nichts mit Großem mehr zu schaffen;
Denn ringt sich auch einmal ein Löwe los,
Er wird zum Tiger unter so viel Affen.
Wie soll er schonen, was hält länger Stich,
Wenn niemand sonst er achten kann als sich?

Schlaf wohl! — und Ruhe sei mit deinem Tod,
Ob du die Ruhe gleich der Welt gebrochen;
Hat doch ein Höherer bereits gesprochen:
Von Anderm lebt der Mensch als nur von Brot,
Das Große hast am Kleinen du gerochen,
Und sühnend steh auf deinem Leichenstein:
Er war zu groß, weil seine Zeit zu klein!

Gedanken am Fenster
Grinzing, im Sommer 1822

Herüber durch die Berge
Ertönt es dumpf und schwer,
Wie Leichentuch um Särge,
Verhüllt Gewölk die Berge,
Und drinnen geht der Herr.

Die Erde sieht's mit Bangen,
Die Luft, sie regt sich nicht,
Die Vögel, die erst sangen,
Sind still zu Nest gegangen,
Das Weltall ahnt Gericht.

Es blitzt! Was zuckst du, Auge?
Denkst du der Tränen itzt
In einem andern Auge,
Für die ein Rächer tauge,
Gleich jenem, der dort blitzt?

Ein Wirbelwind von oben
Greift nieder in den Staub;
Nun werden Wetter toben,
Schon ist der Keil gehoben,
Bezeichnet ihm sein Raub.

Doch horch! welch leis Bewegen
Rauscht durch die Blätterwand?
Was Strafe schien, wird Segen,
Vom Himmel rieselt Regen
Und tränkt das durst'ge Land.

Huldigungen
1823

                1.

Wenn man dich Engel nennt,
Will's so der Brauch;
Daß du's an Schönheit bist,
Seh ich wohl auch;
Magst's auch an Güte sein:
Gib und gewähr!
Nur nicht an Heiligkeit,
Bitt ich gar sehr.

               2.

Daß dein Kleid rosenrot,
Find ich recht fein,
Kann's, wo der Gürtel schließt,
Anders wohl sein?
Denn, wo im Lenz ich sah
Knöspchen am Rain,
Gaben sie ähnlichen
Blaßroten Schein.

                 3.

Im Schatten ihrer Wimpern
Blühn zwei Vergißmeinnicht;
Der überflüß'gen Lehre,
Die so ein Blümchen spricht!
Wie könnte dein vergessen,
Der je geschaut dein Licht?
Und doch, laß sie nur sprechen!
Vergiß du selber nicht!

            4.

Gelb ist der Saaten
Wallender Streif?
Blond sind die Ähren
Und sie sind reif.
Blond wie dein Häuptchen,
's ist an der Zeit,
Schon hält der Schnitter
Die Waffe bereit.

                    5.

Wenn du die Liebe schon gekannt,
Gefühlt schon ihren Kuß,
Wer tadelt dich in seinem Wahn
Und darbet, weil er muß?
Jedes treibt wozu es ward,
So will's ein ew'ger Schluß:
Hephästen steht die Arbeit wohl,
Cytheren der Genuß.


Entzauberung
(Jamnitz, im Oktober 1824)
(September 1823)


Pisang mit den breiten Blättern,
Chinarose, blutig rot,
Winden, die um Palmen klettern,
Kaktus, der mit Pfeilen droht;
Könnt ihr euch um mich vereinen,
Dann bin ich in Indiens Hainen!
Hat ein Zauber mich gebannt
In des Morgens Fabelland?
Doch nicht lang soll Täuschung währen,
Regen läßt auf Glas sich hören,
Scharfer Wind fällt schneidend ein:
Ein Gewächshaus war mein Hain,
Und mein Indien liegt in Mähren!