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II.
Ein Friedhofkranz

1827

 

Kränze
Widerspruch
Tageszeiten
Die Grabrose
Im Winter
Erinnerung
Kränze

Mancher Brautkranz sproßt' und blühte
Aus des Kirchhofs Mutterschoß:
Drum im Haar der Braut noch lispelt
Er vom Grab, dem er entsproß.

Mancher Totenkranz entkeimte
Lustig blüh'nder Gartenflur:
Drum am Haupt der Leiche säuselt
Er von Lenz und Garten nur.

Widerspruch

Als an ihrem Mund ich hangend
Sog noch ihren Odem ein,
Träumt' ich viel von Tod und Trennung
Und von Sarg und Leichenstein.

Nun ich steh' an ihrem Grabe,
Träum' ich nur von Liebesgruß,
Und wie ihre Wangen glühten,
Und von ihrem ersten Kuß.

Tageszeiten

Wann ich immer kommen mag,
So bei Nacht und so bei Tag,
Stets auf ihrem Leichenstein
Glänzet Tau wie Silber rein.

Zieht der Morgen erdenab,
Wallt er auch zu ihrem Grab,
Schüttelt auf des Grabes Rain
Opfernd Perl' und Edelstein.

Zieht vorbei an ihrer Gruft
Abend mit Gesang und Duft,
Sprengt er sanften Regen hin,
Daß die Blumen fürder blühn.

Wenn in Kummer und Gebet
Nacht am frischen Hügel steht,
Ringt sich eine Träne los
Ihrem Auge hell und groß.

Mehr als Morgen, Abend, Nacht,
Hat des Tau's Mittag gebracht;
Doch am Grab im Sonnenschein
Steh nur ich, nur ich allein.

Die Grabrose

Du Grabesrose wurzelst wohl
In ihres Herzens Schoß,
Und ihres ew'gen Schlafes Hauch
Zog deine Keime groß.

Du saugest Glut und Lebenskraft
Aus ihres Herzens Blut,
Sie gab ja Freude stets und Lust
Und gibt's noch, wenn sie ruht.

Dein Lächeln und dein Duften stahlst
Und schlürftest du aus ihr,
Den roten Kelch den formtest du
Aus ihren Wangen dir;

Die Purpurblätter sogest du
Aus ihrem süßen Mund,
Drum sind sie auch so rot und lind,
So duftig und so rund.

Sie gab dir Blätter, Farb' und Duft,
Gab Glut und Leben dir,
Woher doch nahmst die Dornen du?
Die kommen nicht von ihr! —

Willkommen denn und bleibe mein!
Wenn Haß und Nacht mir droht,
Erinnre mich dein Flammenkelch
An Lieb' und Morgenrot.

Im Winter

Der Winter steigt, ein Riesenschwan, hernieder,
Die weite Welt bedeckt sein Schneegefieder.
Er singt kein Lied, so sterbensmatt er liegt,
Und brütend auf die tote Saat sich schmiegt;
Der junge Lenz doch schläft in seinem Schoß,
Und saugt an seiner kalten Brust sich groß,
Und blüht wohl einst in tausend Blumen auf,
Und jubelt einst in tausend Liedern auf.

So steigt, ein bleicher Schwan, der Tod hernieder,
Senkt auf die Saat der Gräber sein Gefieder,
Und breitet weithin über stilles Land,
Selbst still und stumm, das starre Eisgewand;
Manch frischen Hügel, manch verweht Gebein,
Wohl teure Saaten, hüllt sein Busen ein: —
Wir aber stehn dabei und harren still,
Ob nicht der Frühling bald erblühen will? — —

Erinnerung
1837

O Mädchen, das sie hier begraben,
Halb Jungfrau schon und noch halb Kind,
Einst konnte mich dein Anblick laben
Wie eine Frühlingslandschaft lind.

Vorsprudelnd, wie der Bergquell, flogen
Einst in die Welt die Worte dein,
Demanten stäubend, Regenbogen!
Und doch so hell, gesund und rein!

Wie Rehlein wagten deine Blicke
Heran neugierig, arglos sich;
Scheu flohn, wie jene, sie zurücke,
Wenn nur von fern ein Laurer schlich.

Dir spielten, wogten die Gefühle,
Wie junge Saat, so leichtbewegt,
Die in sich schon der Keime viele
Zu Blüt' und edlem Kerne trägt.

Umflog ein jungfräulich Erröten
Dir leis dein lieblich Angesicht,
Wie Frührot war's auf Blumenbeeten,
Das einen sonn'gen Tag verspricht.

Und jauchztest du des Frohsinns Klänge,
War mir's, als hört' ich über mir
Heimzieh'nder Wandervögel Sänge
Von Südens schönem Lenzrevier.

Und ließest Liebeswort du gleiten
Zu deinem greisen Vater, lag
Im Ohre mir's, wie Glockenläuten
An einem schönen Gottestag.

Gedenk' ich dein, seh' ich noch immer
In eine Frühlingslandschaft mild,
Darauf der der Abendröte Schimmer
Im Scheidegruße sanft verquillt.

Darüber Abendglockentöne,
Daß mir's von Sternennächten ahnt;
Darüber segelnd goldne Schwäne
Nach einem fernen Südenland.