Begrüßung des Meeres
Unermeßlich und unendlich,
Glänzend, ruhig, ahnungschwer,
Liegst du vor mir ausgebreitet,
Altes, heil'ges, ew'ges Meer!
Soll ich dich mit Tränen grüßen,
Wie die Wehmut sie vergießt,
Wenn sie trauernd auf dem Friedhof
Manch ein teures Grab begrüßt?
Denn ein großer, stiller Friedhof,
Eine weite Gruft bist du,
Manches Leben, manche Hoffnung
Deckst du kalt und fühllos zu;
Keinen Grabstein wahrst du ihnen,
Nicht ein Kreuzlein, schlicht und schmal,
Nur am Strande wandelt weinend
Manch ein lebend Trauermal. —
Soll ich dich mit Jubel grüßen,
Jubel, wie ihn Freude zollt,
Wenn ein weiter, reicher Garten
Ihrem Blick sich aufgerollt?
Denn ein unermeßner Garten,
Eine reiche Flur bist du,
Edle Keime deckt und Schätze
Dein kristallner Busen zu.
Wie des Gartens üpp'ge Wiesen
Ist dein Plan auch glatt und grün,
Perlen und Korallenhaine
Sind die Blumen, die dir blühn.
Wie im Garten stille Wandler
Ziehn die Schiffe durch das Meer,
Schätze fordernd, Schätze bringend,
Grüßend, hoffend, hin und her. —
Sollen Tränen, soll mein Jubel
Dich begrüßen, Ozean?
Nicht'ger Zweifel, eitle Frage,
Da ich doch nicht wählen kann!
Da doch auch der höchste Jubel
Mir vom Aug' als Träne rollt,
So wie Abendschein und Frührot
Stets nur Tau den Bäumen zollt.
Zu dem Herrn empor mit Tränen
War mein Aug' im Dom gewandt;
Und mit Tränen grüßt' ich wieder
Jüngst mein schönes Vaterland;
Weinend öffnet' ich die Arme,
Als ich der Geliebten nah;
Weinend kniet' ich auf den Höhen,
Wo ich dich zuerst ersah.
Am Strande
Auf hochgestapelte Ballen blickt
Der Kaufherr mit Ergötzen;
Ein armer Fischer daneben flickt
Betrübt an zerriss'nen Netzen.
Manch rüstig stolzbewimpelt Schiff!
Manch morsches Wrack im Sande!
Der Hafen hier, und dort das Riff,
Jetzt Flut, jetzt Ebb' am Strande.
Hier Sonnenblick, Sturmwolken dort;
Hier Schweigen, dorten Lieder,
Und Heimkehr hier, dort Abschiedswort;
Die Segel auf und nieder!
Zwei Jungfraun sitzen am Meeresstrand;
Die Eine weint in die Fluten,
Die Andre mit dem Kranz in der Hand
Wirft Rosen in die Fluten.
Die Eine, trüber Wehmut Bild,
Stöhnt mit geheimem Beben:
"O Meer, o Meer, so trüb und wild,
Wie gleichst du so ganz dem Leben!"
Die Andre, lichter Freude Bild,
Kost selig lächelnd daneben:
"O Meer, o Meer, so licht und mild,
Wie gleichst du so ganz dem Leben!"
Fortbraust das Meer und überklingt
Das Stöhnen wie das Kosen;
Fortwogt das Meer und ach, verschlingt
Die Tränen wie die Rosen.
Sonntagsmorgen
Zu dem Dome wallt die fromme Menge,
Sonntag ist's! Horch Glocken, Orgelklänge!
Über's Meer hin zittern auf und nieder
Glockentöne, Orgelkläng' und Lieder.
Und ein neues Glanzmeer scheint zu liegen
Auf der Flut und tönend sich zu wiegen:
Rauschen Sonnenstrahlen klingend nieder,
Oder glänzen Orgeltön' und Lieder?
Wie so ruhig ist die ew'ge Weite!
Wie so feierlich die Ufer heute!
Von dem grünen Strand zum Meere schwingen
Blütenflocken sich mit Schmetterlingen.
Sonne ward zur Ampel heut im Dome,
Und das Goldgewölk zum Weihrauchstrome;
Wehnde Flaggen, Rosenfinger, deuten
Meiner Sehnsucht in die fernen Weiten!
Tauben dort, die überm Meere kreisen,
Sonst nur Bettler, die nach Nahrung reisen,
Heute doch im silbernen Gewande
Flügelpilger zum gelobten Lande!
Und es schaukelt sanft im Lilienkahne
Meine Seele auf dem Ozeane,
Liebespsalme, Friedenshymnen singend,
Myrtenzweig' und weiße Fahnen schwingend.
Wie die Gläub'gen in den Kirchengängen,
Fromm mit heil'gem Weihbronn sich besprengen,
Netz' ich meine Hand im Flutenspiegel:
Stirn' und Herz empfangt der Weihe Siegel!
Der Granatbaum
Fern vom Granatenhaine
Steht ein Granatenbaum,
Er grünt und blüht ganz einsam
Hart an des Meeres Saum.
Und ob ihm aus der Erde
Auch Keim und Nahrung quoll,
Doch neigt er Stamm und Äste
Zum Meere sehnsuchtvoll.
Er spiegelt sich so gerne
Im klaren Wellenschein,
All' seine Blüten und Blätter
Streut er ins Meer hinein.
Ach, was am meisten schade,
Die saft'gen Äpfel von Gold,
Er streut ins Meer sie alle,
Auf's Land nicht Einer rollt!
Dies Tun nimmt mich nicht Wunder,
Doch wundert Eins mich, traun:
Daß man den Nutzenlosen
Nicht längst schon umgehaun. —
Seejungfraun haben die Blüten
Froh ihren Locken gesellt,
Und spielen mit goldnen Äpfeln
Der lichten Oberwelt.
Hellas
Lustig kommt das Schiff geschwommen,
Hat manch fernen Strand geküßt;
Neuer Gast, sei uns willkommen!
Schöner Fremdling, sei gegrüßt!
Trägst ein Röcklein schmuck von Eichen,
Das manch blanke Spang' umfaßt,
Trägst ein gutes Wanderzeichen,
Deinen Strauß: die Flagg' am Mast!
Sei gegrüßt in diesen Wogen
Hellas Flagge, blau und weiß!
Blau gleich wie des Himmels Bogen,
Und wie seine Wolken weiß!
Sieht man deinen Himmelsfarben
Doch den teuren Kauf nicht an,
Wie viel Helden für dich starben,
Wie viel Blutes für dich rann!
Ahnt im Blau der Himmelskläre
Ihr das Frührot, dem's entstammt?
Und im stillen blauen Meere,
Wie es jüngst im Sturm geflammt?
Sieh das Schiff geschaukelt linde,
Mit den Wimpeln fächelnd mild,
Gleich der Wiege heitrem Kinde,
Das mit bunten Bändern spielt!
Horch, was brausen jetzt für Lieder!
Ist es eines Menschen Sang?
Oder naht ein Sturm uns wieder,
Dem der schwarze Fittig klang?
Ha, das sind der Helden Lieder,
Ja das ist hellen'scher Sang!
Und wohl naht der Sturm auch wieder,
Aufbeschworen von dem Klang!
Denn er donnert, wie's von tausend
Klephtenbüchsen einst erscholl,
Wie von allen Bergen brausend
Einst der Ruf der Freiheit schwoll!
Und er klingt wie Schwerterklirren,
Hallt wie ehrner Männer Gang,
Rauscht wie wenn die Brander schwirren
Durch die Nacht erwartungbang.
Jetzt des Todesengels Fächeln
Über jener heil'gen Schar!
Jetzt des Türken letztes Röcheln,
Schon belauscht vom Leichenaar!
Jetzt Gedröhn, wie wenn die Feste
Auffliegt mit gesprengtem Wall!
Wie der heil'gen Tempelreste
Grauser, tränenwerter Fall!
Hellas, hast gut angeklungen
Mit den Zungen, mit dem Schwert!
Wahrlich, wer solch Lied gesungen,
Ist wohl auch der Freiheit wert!
Stolz und herrlich schwebt dir wieder
Des Gesanges Schiff heran,
Wehte nur vom Borde nieder
Nicht die schwarze Trauerfahn'!
War's mit Leichen nicht beladen!
Zog' durch jeglich Tau nur nicht
Jener rote blut'ge Faden,
Wie ihn Britenbrauch sonst flicht! —
Sänger, laß dein Antlitz schauen!
Du bist's, Knabe, lockenreich!
Ei wie kommt dies Lied voll Grauen
Aus den Lippen zart und weich?
Gleich als ob ein Aar sich schwänge
Aus dem Lilienkelch empor!
Gleich als ob ein Leue spränge
Aus der Rosenlaube vor!
Lerne statt des Blutlieds, Junge,
Lieder dir an Anmut gleich,
Noch geschmeidig ist die Zunge,
Und die Lippen sind noch weich.
Sing', o Hellas, andre Weisen,
Lehr' dein Kind ein ander Lied,
Von dem Kampf, in den das Eisen
Gen die spröde Scholle zieht!
Laß es klingen, wie im Tale
Deiner Schnitter Sichelklang,
Wie der Becher Ton beim Male,
Wie von Bergen Winzersang!
Laß es rauschen, wie am Strome
Und in Häusern rauscht dein Fleiß,
Daß es halle, wie im Dome
Der Gemeinde Dank und Preis!
Säuselnd wie das Blattgewebe
Jenes Kranzes dichtbelaubt,
Welchen Ölbaum, Lorbeer, Rebe,
Schlingen, Hellas, um dein Haupt.
Knabe, dann einst steuerst wieder
Du als Greis wohl gen dies Land,
Singst die neuen schönern Lieder
Unsern Enkeln vor am Strand.
Manch ein Sang voll Segensbornes
Deinem Munde dann entglüht,
Wie die junge Ähre Kornes
Zwischen zweien Lippen blüht!
Dich umklingt gleich altem Baume
Goldner Bienlein Liederschar,
Du auch weißt's, in deinem Raume
Quillt's von Honig süß und klar.
Und die Lieblichkeit der Lieder
Überglänzt dein Antlitz, Greis,
Wie auf Taygetos hernieder
Morgenrot um schimmernd Eis.
Meerfahrt
Wie so rein des Himmels Bläue
Über meinem Haupte glänzt,
Fest und licht wie ew'ge Treue,
Wandellos und unbegrenzt!
Gleich dem ew'gen Frieden schimmert
Ruhig, klar und grün das Meer;
Wie die heil'ge Liebe flimmert
Hell die Sonne drüberher.
Frei und leicht, auf freien Wogen
Zog das Schiff die ebne Bahn,
Stolz die weißen Segel flogen
Wie der Freiheit Siegesfahn'.
Sonne, Meer und Himmelsbläue,
Nichts um's Schiff sonst ringsumher!
Liebe, Freiheit, Fried' und Treue!
Ei, was willst du denn noch mehr? —
Ach, wenn nur der Wind vom Lande
Mir ein grünes Blatt allein,
Eine Blüte nur vom Strande
Wehte in das Schiff herein!
Die Einsamen
Einsam stand ein grauer Felsen
Mitten in das Meer gesät;
Fast schon wollt' ich ihn beneiden,
Daß er einsam, fest doch steht.
Einsam auf dem grauen Felsen
Grünt' ein Baum, gar stolz und kühn;
Fast schien mir der Baum zu loben,
Daß er einsam, doch so grün.
Einsam kreist' um Baum und Felsen
Eine Lerche leichtbeschwingt;
Fast wollt' ich sie glücklich preisen,
Daß sie noch so fröhlich singt.
Aber Felsen, Baum und Lerche,
Jetzt beneid' ich euch nicht sehr!
Denn es warf ein Stoß des Windes
Schnell den einzlen Baum in's Meer.
Müd' ins Wasser sank die Lerche,
Eh' die Schwestern sie erreicht;
Und die Fluten unterwühlten
Selbst den Fels, den einzlen, leicht!
Ach, da mußt' ich euer denken,
Dichter meines Vaterlands,
Die ihr einzeln, fern den Brüdern,
Wähnt zu pflücken euren Kranz.
Gegen Nord und Süd und Osten
Steht ihr sehnend hingewandt,
Ach, doch alle mit dem Rücken
Gen das eigne Vaterland!
Einzle Felsen nur im Meere,
Einzle Bäume seid ihr nur,
Einzle Lerchen, einsam singend
In dem öden Luftazur.
Trotz'ge Felsen, rückt zusammen!
Irre Lerchen, sammelt euch!
Stolze Bäum', umrankt, umschlinget
Euch in Zweig' und Wurzeln reich!
Laßt uns sein ein Wall von Felsen,
Der als Damm, gar stolz und fest,
Von dem Meere der Gemeinheit
Sich nicht unterwühlen läßt!
Laßt uns sein ein Wald von Bäumen,
Im Vereine doppelt grün;
Über den verschlungnen Wipfeln
Rauscht der Sturm ohnmächtig hin!
Laßt uns sein ein Chor von Lerchen,
O dann klingt er doppelt schön
Der Gesang von hundert Kehlen,
Wirbelnd in die Sonnenhöhn!
Das Vaterland
Wir schwebten mit vollen Segeln
Durch grüne Meeresflut,
Ein buntes Wandervölklein,
Mit leichtem, frohem Mut!
Ein Völklein, wie es heute
Der Wind zusammensät,
Und wie er's morgen wieder
Flink auseinander weht.
Da war ein Mann aus Frankreich,
Vom grünen Rhonestrand;
Goldsaaten, Rebenhügel
Nannt' er sein Vaterland.
Ein Andrer pries als Heimat
Des Nordens Felsenwall,
Die Gletscher Skandinaviens,
Die Seen von Kristall.
Dort wo als ew'ger Leuchtturm
Vesuv, der hohe, glüht,
Stand eines Dritten Wiege,
Von Lorbeern überblüht.
In deutsche Eichenforste,
Auf grünen Alpenhang,
Zu frischen Au'n der Donau
Zog mich des Heimwehs Drang.
"Laßt hoch die Heimat leben,
Nehmt All' ein Glas zur Hand!
Nicht Jeder hat ein Liebchen,
Doch Jeder ein Vaterland!"
Und Jeder trank den Becher
Mit flammendem Antlitz aus;
Nur Einer starrte schweigend
Weit in die See hinaus.
Ein Mann war's aus Venedig,
Der sprach in sich hinein:
"Mein Vaterland, o Heimat,
Du bist nur Wasser und Stein!
Einst glomm der Freiheit Sonne,
Da lebt' und sprach der Stein,
Und tönte, wie Memnons Säule,
Ins Morgenrot hinein!
Da wogte glühend das Wasser,
Mit Purpur gürtend die Welt,
Und Regenbogen schleudernd
Hinauf ins Himmelszelt!
Warum bist du erloschen.
Du schöner Sonnenschein?
Warum bist du, o Heimat,
Jetzt Wasser nur und Stein?" —
Er schwieg und starrte lange
Aufs Meer hin unverwandt,
Und, unberührt noch, glänzte
Das Glas in seiner Hand.
Jetzt, wie zum Totenopfer,
Goß er's hinab ins Meer!
Wie funkelnde Tränen stoben
Die goldenen Tropfen umher.
Venedig
Wäre dies die freudenreiche,
Stolze Meereskönigin,
Mit der ernsten Heldengröße,
Mit dem leichten, heitren Sinn?
Schwarze Gondeln im Kanale
Schwankend, ohne Liederklang!
Schifferruf nur stöhnt bisweilen
Dumpf wie träger Unkensang.
Marmorbilder nur bewohnen
Die Paläste, hoch gebaut,
Und ihr Sinken und Zerfallen
Ist darin der einz'ge Laut.
Leer vom Volke steht San Marco
Der Gebete Stoff gebricht;
Klagen will es nicht, das Völklein,
Und zu danken hat es nicht.
Am Altar fungiert der Priester,
Ohne Ernst und ohne Sinn;
Nur damit er's nicht vergesse,
Murmelt er sein Sprüchlein hin.
Längst zerschellt im Arsenale
Fault das stolze Dogenschiff,
Ach der eigne alte Hafen
Ward ihm Klipp' und Todesriff!
Venetianer, sagt, was deuten
Dort die hohen Maste drei?
Pflanztet ihr als Vogelscheuchen
Vor den Dom die Stangen frei?
Ei, ihr habt doch keine Saaten!
Die ihr hattet, sind verdorrt!
Und die allerschlimmsten Vögel
Scheuchten sie euch doch nicht fort;
Jene Vögel, die die Augen
Eurer Freiheit ausgepickt,
Ihr das Schlummerlied gesungen,
Bis sie sterbend eingenickt.
In dem ehrnen Markuslöwen
War einst Leben, Kraft und Herz:
Doch der königliche Wächter
Liegt nun tot, ein Aas von Erz!
Längst begann ja Adlerherrschaft,
Seit der alte Leu erlag
Unter jenes Frankenadlers
Jugendlichem Flügelschlag.
Stumm und öde Platz und Straßen,
Und die Fluchen rings umher,
Selbst die Steine reden nimmer
Und die Menschen längst nicht mehr!
Und doch wüßt' ich einen Zauber,
Ja ein Wörtlein nur, gar klein!
Spräch's zur rechten Stund' der Rechte,
Spräng' von diesem Sarg der Stein!
Ha, da wirft der Markuslöwe
Seine Mähne stolz empor,
Schüttelt wieder kühn die Flügel
Frei und kräftig, wie zuvor.
Dreier Königreiche Flaggen
Wehn von jenen Masten her,
Und das Lied der Gondoliere
Tönt im Chore über's Meer.
Horch, es läuten alle Glocken!
Weihrauch duftet durch den Dom,
Zwischen Orgelklang und Psalmen
Jauchzt empor des Volkes Strom.
Fenster, Straßen und Balkone
Füllen bunt mit Volk sich an,
Feierlich im Purpur wallen
Doge und Senat zum Strand.
Golden schwimmt der Bucentoro
Stolz hinaus ins heilge Meer,
Tausend lust'ge schmucke Gondeln
Tummeln flink sich hinterher.
Nieder sinkt der Ring des Bundes
Zwischen Erd' und Meeresflut,
Menschenkraft und Elementen,
Götterlaun' und Menschenmut.
Gondelfahrt
Horch, Mitternacht vorüber!
Die Straßen menschenleer!
Vom Mondlicht übergossen
Paläste, Kirchen, Meer!
Willst du Venedig schauen,
Nur jetzt versäum' es nicht!
Das ist die wahre Stunde,
Das ist das wahre Licht!
Die Marmorbilder leben,
Paläste ragen licht,
Wie riesige Silbertafeln
Mit großer Taten Bericht.
Willst du dich freun der Liebe,
Versäume nicht ihr Gebot!
Die Gondel sei ihre Wiege,
Der Mond ihr Morgenrot!
Umrauscht von der Vorzeit Schauern
Die blühende Gegenwart
Mit liebendem Arm umschlingen,
Welch schöne Gondelfahrt!
Weinst du auch manche Träne
Auf der Vergangenheit Grab,
Schnell trocknet mit weißen Händchen
Die Gegenwart dir sie ab.
Venetianer-Trias
Ich wollt', wenn nur das Wünschen hülf',
Drei Dinge wären mein:
Ein Mägdlein weiß, ein Pfäfflein schwarz
Und eine Gondel fein!
Ei sprich, wozu das Mägdlein weiß?" —
Ich wäre gern zu Zwein!
Zum Seufzen nicht, zum Beten nicht,
Das träf' ich fast allein.
Ei sprich, wozu das Pfäfflein schwarz?
Daß ich von Sünden rein!
Man weiß nicht was geschehen kann,
Wenn man zu oft zu Zwein.
Ei sprich, wozu die Gondel flink? —
Zu rudern lustig drein,
Vom Mägdlein zu dem Pfäfflein gleich,
Und wieder zum Mägdelein!
Die Sünderin
Einsam liegt ein Häuschen, abgelegen,
Hart am Meer, das an die Wände braust,
Daß sie ewig zitternd sich bewegen,
Wie so manches Herz, das drinnen haust.
Dieses niedre Pförtlein, will's nicht deuten,
Daß nur Niedres ungehemmt hier zieht,
Doch der Reinheit Kranz, beim Drüberschreiten,
Leicht vom Haupt sich abstreift und verblüht?
Denn ein Tempel ist's, der Sünd' erschlossen! —
Und doch seht, wie glänzt das Frührot drauf,
Daß er, wie aus reinem Gold gegossen,
Ragt als heil'ger Sonnentempel auf!
Horch, des schmalen Fensters Flügel klingen!
Und es blickt mit welkem Busenstrauß,
Fahlem Kranz und schlaffen Lockenringen
Eine Priesterin dieses Doms heraus.
Blaß sind ihrer Wangen kalte Flächen,
Wie des Richters weißes Pergament,
Das des Schuldigen geheimst Verbrechen
Und zugleich sein strenges Urteil nennt.
Wie so matt die trüben Augen schimmern
Fast wie Kerzen, über Nacht gebrannt,
Die nun kärglich fahl und müde flimmern,
Seit der goldgelockte Tag erstand.
Blumen prangen dort in bunten Farben,
Die begießt sie jetzt, daß fort sie blühn;
Wenn im Herzen schon die Blumen starben,
Läßt man gern sie vor den Fenstern gluhn.
Zwischen Rosen, Ampeln, Engelchören
Steht ein Bild der Himmelskönigin;
Dort der ew'gen Lampe Glut zu nähren
Bringt sie Öl, wie Vesta's Priesterin!
Neue Blumen geht sie jetzt zu pflücken,
Zwei Gewinde fügt sie tändelnd draus,
Einen Kranz, Mariens Haupt zu schmücken.
Für sich selbst dann einen Blumenstrauß.
Scheint's nicht reinstes Hochgefühl des Weibes,
Das so arglos hier mit Kränzen spielt,
Weil es selbst den Schoß des eignen Leibes
Einen Heiland wert zu tragen fühlt!
Künstlich schminkt sie nun die blassen Wangen,
Und doch nenn' ich Schamrot dieses Rot,
Denn sie läßt es auf dem Antlitz prangen
Ach aus Scham, daß es so blaß und tot!
Nun das ros'ge Haupt sie laß und lose
In die weißen Hände niederbeugt,
Scheint's nicht eine müde Purpurrose,
Auf zwei Nachbarlilien hingeneigt!
Und so starrt sie schweigend in die Welle,
Unter ihr schlägt wild die Brandung an,
Aber fern ist Frieden, Tageshelle,
Heitre Ruhe, ebne Spiegelbahn.
Und so späht sie starr durch Luft und Wogen
Nach dem längst erloschnen Morgenstern,
Fernhin, wo die weißen Segel zogen,
Ihrer Unschuld Bild, so weiß, — so fern!
Weint sie nicht? — Kind wein' ins Meer nur nieder!
Dieser Perlen Schrein wird doch nie leer,
Deine Augen füllen bald sich wieder,
Und an Perlen reicher wird das Meer.
Schimmre fort, du ros'ge Morgenröte,
O verklär' ihr fort das Angesicht! —
Ha, inmitten ihrer Blumenbeete
Wie verklärt sie steht, wie rein, wie licht!
Und sie ist nur eine welke Blume
Von der Paradiesesrose: Weib,
Trümmer nur vom schönsten Heiligtume,
Ach, ein tiefgefallen, sündig Weib!
Und doch könnt' ich knien hier und beten,
Beten, weinen, wie vor Heilgen kaum!
Eine Rose liegt am Weg zertreten,
Und ein ganzer Himmel wohl mit ihr.
Seemärchen
Schon glänzt der Mond im Meeresplan,
Noch fern ist das Schiff vom Hafen!
Die Mitternacht bricht mählich an,
Die Passagiere schlafen.
Die Wacht am Maste schielt hinein
In Mond und Sternenkreise,
Bis überblendet vom Strahlenschein
Das Aug' sich geschlossen leise.
Der Steuermann belauscht zuviel
Des Meeres Plätschern und Klingen,
Bis ihn die Wellen mit listigem Spiel
In Schlummer hinübersingen.
Der Kapitän guckt auch zu tief
Ins Glas nach Ankergründen,
Bis er ganz sanft im Herrn entschlief,
Bevor er sie konnte finden.
Weh dir, verlassnes armes Schiff!
Weh allen Passagieren!
Wer wird durch Sandbank, Sturm und Riff
Euch nun zum Hafen führen?
Da nahm eine lose Welle das Wort:
Ihr Schwestern, was kann's verschlagen!
Wir schieben zum Spaß am Schifflein fort,
Laßt sehn, wie weit wir's tragen?
Da dachte Boreas: Fast ist's Zeit
Zu ruhn von dem vielen Bewegen!
Will mich einmal gemächlich breit
Zur Rast in die Segel legen.
Hei wie das Schiff durch die Fluten schoß,
Getrieben von Wind und Wellen!
Doch weh, nun geht's auf den Felsen los,
Hilf Gott, nun muß es zerschellen!
Den Blinden und Lahmen im Wege pflegt
Zu weichen ein Mann von Sitte!
So denkt der Felsen und bewegt
Zurück sich um sechs Schritte.
Vorbei das Schiff durch die Fluten schoß,
Getrieben von Wind und Wellen;
Doch nun geht's grad auf den Hafen los,
Nun wird's an der Küste zerschellen!
Den Ankern ward es zeitlang fast,
Die müßig am Borde hingen;
Da sagte einer: Ihr Brüder laßt
Zum Bad' ins Meer uns springen!
Gesagt, getan! Er hüpft vom Bord!
Das Volk im Schiff erwachte;
Sie liegen vor Anker mitten im Port!
Wie freundlich das Ufer lachte!
Sie stiegen an's Land gar inniglich
Entzückt von des Schiffs Regierern. —
Gott wolle meine Freund' und mich
Bewahren vor solchen Führern!
Doch woll' er meinen Freunden und mir
Solche Wellen und Winde geben,
Und solche Felsen und Anker dafür,
Zur See und auch im Leben!
Archipelagus der Liebe
Es glüht das Meer, endlos vor mir gebreitet,
Wie die Erinnerung an ros'gen Mai,
Und jenes Segel, das darüber gleitet,
Mich dünkt's, als ob mein eignes Herz es sei.
Du unstet Fahrzeug dort, das schwank und irre
Fern durch die Wogen steuert hin und her,
Wer sagt mir wohl, wohin dein Segel schwirre
In diesem weiten, inselreichen Meer?
Welch Eiland einst dein Port aus all den blauen,
Zerstreut im Spiegel abendroter Glut,
Wie Häupter holder Jungfraun anzuschauen
Auftauchend aus dem Bade lauer Flut?
Ob dieses hier, auf dessen Flur von Rosen
Der Abend jetzt auch seine Rosen streut,
Daß Himmelsblüten mit den ird'schen kosen,
Und Erd' und Himmel glühn im Blumenstreit?
Ob jenes dort, so stolz die Stirne tragend,
Wenn Morgenrot drauf seinen Kuß gepreßt,
Doch dessen goldner Felsenwall, hochragend,
Den Kahn der Sehnsucht nimmer landen läßt?
Ob jene Insel, die, daß sanft es lande,
Manch Schifflein lockt, und lieblich anzusehn,
Wenn Mondenglanz sich gießt auf ihre Strande
Und goldne Stern' in Meer und Äther stehn?
Ob es die blondgelockte, deren Felder
In üpp'ger Saat hinfluten helles Gold?
Die schwarzgelockte, der ein Kranz der Wälder
Wie lindes Haar reich um die Schultern rollt?
Wer sagt es mir, wohin dies Segel schwirre,
Und ob's ein Schiff auch, was dort treibt umher?
Ob's nicht vielleicht mein Herz, das schwanke, irre,
Durchschiffend der Erinnrung blaues Meer?
Auf dem Meere
Auf's Meer bin ich gefahren
Im Kahne ganz allein,
Begeisterung im Herzen,
Im Korb die Flasche Wein.
Auf's Meer bin ich gefahren,
Zu leeren die Flasche rein!
Sieht man so vieles Wasser,
Schmeckt doppelt süß der Wein.
Den vollen blinkenden Becher
Empor hebt meine Hand:
Hoch all' ihr fernen Lieben!
Hoch deutsches Vaterland!
Hinaus bin ich gefahren,
Zu sehn was bewegter wallt:
Mein Herz, wenn's denkt der Lieben,
Das Meer, wenn's in Wogen sich ballt?
Ein Zug von holden Gestalten
Der schreitet über den Plan,
Als Heiland mit dem Ölzweig
Wallt jede von ihnen heran.
Es sind viel Bilder der Lieben,
Sie sitzen zu mir herein;
Gottlob, daß es nicht die Leiber,
Sonst sänke der Nachen ein!
Auf's Meer bin ich gefahren,
Zu schwören festen Eid,
Beständiges hier inmitten
Der Unbeständigkeit!
Dem Wahren, Rechten, Schönen
Zum Banner treu zu stehn!
Kann ich zu den Besten nicht klimmen,
Doch nie mit den Schlechten zu gehn!
Wo edel der Kampf, zu kämpfen,
Doch fern, wo Wahnwitz ficht!
Und Herz und Mund und Leben
Für Freiheit, Recht und Licht!
Liegt Einer krank am Lager,
Der hat zum Scherzen nicht Zeit;
Trennt wen ein Brett nur vom Tode,
Der schwört nicht falschen Eid. —
Auf's Meer bin ich gefahren,
Zu singen nebenbei,
Ein Lied in den freien Äther
Gleich ihm so frisch und frei!
Hat guten Klang das Liedlein,
Dann klingt es doppelt gut,
Wenn's auf den Flügeln der Lüfte
Sanft hinschwebt über die Flut.
Hat üblen Klang das Liedlein,
So hat es ja Keiner belauscht,
So wird's ja verweht von den Winden
Und von den Wellen verrauscht.
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