Pinie und Tanne
Nah des Grenzpfahls kaltem Banne
Zwischen deutsch' und welschen Landen,
Eine Pinie, eine Tanne,
Hart beisammen grünend standen.
Wie Vorposten kühner Jäger,
Ihren Heeren vor sich wagend,
Zweier Reiche Bannerträger,
Nord und Südens Fahne tragend;
Oder gleich zween Abgesandten,
Die mit Friedensgruß und Kränzen
Hier sich froh begegnend fanden
An der beiden Reiche Grenzen.
Pinie sprach: "Durch mich begrüßen
Reb' und Nachtigall die Schwestern,
Die auf Deutschlands Hügeln sprießen,
Singen in den nord'schen Nestern.
Apennin, in dessen Locken
Ich nur bin ein Blatt des Kranzes,
Er entbeut dem alten Brocken
Einen Gruß voll Sonnenglanzes!
Mögen nach verborgnen Erzen,
Ird'schen Haß und Stolz zu kühlen,
Nie in seinem edlen Herzen
Menschenhände frevelnd wühlen!
Mög' ums Haupt ihm eines hellen,
Ew'gen Lenzes Krone glimmen,
Und zu Füßen ihm die Quellen
Tausend Silberharfen stimmen!
Lind um seine Schläfen schmiege
Sich ein Traum von alten Tagen,
Als sie in des Chaos Wiege
Schlummernd noch beisammen lagen!" —
Tanne drauf: "Von Deutschlands Hainen
Grüß' ich Ölbaum, Lorbeerwälder;
Mögen sich die Zwei stets einen
So um Stirnen, wie um Felder!
Rhein entbeut an Po und Tiber
Gruß und Segen den Geschwistern!
Also hört' ich mir vorüber
In den Silberbart ihn flüstern:
O daß ihre schönen, bleichen
Wellen Menschenblut nie färbe,
Nie die schnöde Fracht der Leichen
Ihren stolzen Nacken kerbe!
Mag nur Rosenglut sie röten
Und Orangenduft berauschen,
Daß sie dann, die palmumwehten,
Schlummernd schönern Träumen lauschen:
Wie wir einst ins Weltmeer steigen,
Jubelnd dort zusammenklingen,
Hand in Hand den ew'gen Reigen
Um die blühnde Welt zu schlingen!" —
So bemühn sich Beid' aufs Beste
Ihre Sendung zu vollführen,
Während sanft sich ihre Äste,
Wie zum Händedruck, berühren.
Schöne Pinie, deine Losung?
"Lenz und Friede, Licht und Liebe!"
Starke Tanne, deine Losung?
"Lenz und Friede, Licht und Liebe!"
Reben, die in wilden Keimen
Üppig Stämm' und Äst' umstricken,
Schlagen zwischen beiden Bäumen
Kühn des Friedens grüne Brücken.
Eine Nachtigall schwebt singend
Diese Brücken auf und nieder,
Tann' und Pinie ganz umschlingend
Mit dem Netze süßer Lieder.
Horch, da hör' ich Trommeln hallen,
Schrecken zittert durch die Bäume!
Seh' die Wolke Staubes wallen,
Sie verschneit die Frühlingsträume!
Meiner Heimat Kriegesmannen
Ziehn vorüber und sie pflücken
Zweige sich von Pinien, Tannen,
Tschako und Standart' zu schmücken.
Brüder, zieht mit Gott die Bahnen!
Doch aus euch, ihr Zweig', umkeime
Ihre Schläfen leis ein Mahnen
Eurer Botschaft, eurer Träume.
Das Kreuz des
Erschlagenen
1.
Wieder seh' ein Kreuz ich ragen,
— Ach ich sah schon ihrer viel! —
Wo ein Wandersmann, erschlagen,
Unterm Dolch des Meuchlers fiel!
Nacktes Kreuz, er sah dich sprossen
Noch als grünen, schlanken Baum,
Und von deinem Duft umflossen
Schritt er hin im Frühlingstraum.
Du allein sahst ihn verbluten,
Einsam, fremd und unbekannt,
Und auf deinen Blüten ruhten
Seine Blick' im Tod gebannt.
Und du selbst, gefällt, erschlagen,
Hütest jetzt den Schreckensort;
Als ein Denkmal mußt du ragen
Für so grausen Doppelmord.
Nur der Vogel, der im Wipfel
Deines Laubs dich preisend sang,
Auf des Kreuzes nacktem Gipfel
Klagt dein Totenlied er bang.
Und ein Rosenstrauch, als solle
Schmücken er dies kahle Holz,
Klimmt hinan und pflanzt die volle
Ros' am Kreuzesgiebel stolz.
Ein Orangenbaum, als wolle
Bergen er dies Kreuz der Schmach,
Hüllt es in das goldfruchtvolle,
Silberblütenreiche, grüne Dach.
Doch es denken fern die Lieben
Noch des Manns, der sie verließ,
Als es ihn nach Süd getrieben
In dies Blütenparadies.
Und den Längstverschollnen sehen
Sie in blühender Gestalt
Fern noch durch die Rosen gehen,
Schlummernd ruhn im Lorbeerwald.
2.
Liegst, Italia, du schöne,
Nicht auch tot schon manch ein Jahr,
Von dem Dolch der eignen Söhne,
Von dem Schwert der Fremdenschar?
Drum, Erschlage, möcht' ich pflanzen
Dir ein riesig Kreuz von Stein;
Schlicht gehaun müßt's aus dem ganzen
Block carrar'schen Marmors sein.
Und es dien' zum Sarkophage
Apennins Gesteinkoloß,
Drauf das Kreuz der Trauer rage
Weithin, einsam, weiß und groß!
Auf dem höchsten Grat der Hügel,
Wo Ein Blick zugleich erschaut
Mit des Mittelmeeres Spiegel
Adria, die Dogenbraut!
Heult dein Leichenlied das eine
Der zwei Meere sturmeswild,
Mag das zweit' im Widerscheine
Wiegen sanft des Kreuzes Bild!
Nur der Adler, der in Spalten
Einst des Marmorbruchs gehaust,
Fliegt empor dann, Rast zu halten
Hoch am Kreuze, sturmumbraust.
Und die Sonne, die im Osten
Blüht als Rosenstrauch hinauf,
Klimmt hinan des Kreuzes Pfosten,
Schwebt als volle Ros' am Knauf.
Und verhüllt die Schmach zu hüten,
Neigt sich drauf der Baum der Nacht;
Aus der Sterne Silberblüten
Mond, die Goldorange, lacht.
Doch wir, die dich lieben, sehen
Deine blühende Gestalt
Noch in deinen Rosen stehen,
Schlummernd ruhn im Lorbeerwald.
Im Batisterio zu Florenz
Die ihr nach des Meisters Worten
Himmelspforten wert zu sein,
Kunstgeformte, ehrne Pforten,
Laßt den deutschen Wandrer ein!
Düstre dunkle Taufkapelle,
Deiner heil'gen Nacht entfleußt
Manch ein Strahl der Himmelshelle,
Senkend sich in meinen Geist.
Vor mir steht ein greiser Priester,
Segen betend für ein Kind,
Und des heil'gen Bornes gießt er
Auf des Täuflings Stirne lind.
Meine Hände möcht' ich legen
Auf das Kind, ich fremder Mann,
Während längst mein voller Segen
Lind und leis sein Haupt umrann;
Segen, der wie Frühtau's Fallen
Dieses Menschenpflänzchen tränkt
Süß und überreich mit Allem,
Was ein Leben Schönes denkt! —
Schließt euch wieder Himmelspforten,
Denn sein Erdenlauf beginnt!
Wandernd fort zu fernen Orten,
Seh' ich nie dich wieder, Kind!
Knab' und Mann wirst du in Jahren,
Ungestalt vielleicht und wild;
Doch ich werd' es nie erfahren,
Ach, ich seh' dich schön und mild!
Hunger wird dein Aug' verwildern,
Armut bringt vielleicht dir Qual!
Ach, in meines Segens Bildern
Sitzest du am Freudenmahl!
Deiner Mutter Pulse stocken,
Dich verrät des Freundes Wort!
Ach, nicht hör' ich jene Glocken,
Und nicht hör' ich jenes Wort!
Und es höhnte dich, dir fluchte,
Die du einzig liebst, o Graus!
Ach, mit welcher Müh' doch suchte
Ich die schönste Braut dir aus!
Botst dein Herz, gequält vom Leben,
Jung dem eignen Schwerte dar!
Ach, ich hab' dir doch gegeben
Gar so schönes weißes Haar!
So vielleicht dem Fluch erlegen,
Der dein Erdenlos gebannt,
Ahnst du's nie, wie einst der Segen
Fromm an deiner Wiege stand;
Wie der Mann aus fremder Ferne,
Betend über dich gebeugt,
Mit des Segens Born dich gerne,
Junges Pflänzchen, großgesäugt.
Bist der schöne Baum mitnichten,
Den er freudig ragen hieß!
Darbst an Blüten, kargst mit Früchten,
die er reich dich tragen ließ!
Doch, verarmt an Blütenschimmer,
Und in Stamm und Mark verdorrt,
Blühst im Herzen mir noch immer
Du dein blühend Leben fort.
Fort Belvedere
An der Veste Wall und Warten,
Die dich zügeln soll, Florenz,
Lehnt sich deines Fürsten Garten,
Blütenvoll im sonn'gen Lenz.
Doch des Schlummers süße Schlinge
Hält die Wacht am Wall umfahn,
Rost zerfraß des Kriegers Klinge,
Seiner Flinte fehlt der Hahn!
Tief wohl schläft er; ihn umdüstert
Keine Ahnung der Gefahr!
Hört er's nicht, wie's unten flüstert
Droh'nd aus der Belagrer Schar?
Sieht er nicht im Tale blinken
Federbüsche aller Art,
Hundertfarb'ge Fähnlein winken,
Denen, Lenz, dein Heer sich schart?
Und doch blasen aus den Beeten,
Wie ein Janitscharenchor
Tausend blühende Trompeten
Schon zum Sturm, zum Sturm empor!
Und doch schwebt schon ob der Veste
Eine Lerch' als Luftballon,
Die vom Feindesheer die beste
Kundschaft bringt als dein Spion!
Schwert- und Feuerlilie schwingen
Waffen hoch im Zornesmut,
Jene scharfe breite Klingen,
Diese rote Luntenglut.
Mit den breiten grünen Tatzen
Haut der Feigenbaum die Wand;
Tausend Blumenknospen platzen,
Wie im Peloton entbrannt!
Bravo! Wie ein Hagelschauer
Schwarzer Flintenkugeln hängt
Rings entlang der Veste Mauer
Traub' an Traube dicht gedrängt!
Goldorangenbomben stecken
Allerwärts im Mauernritz;
Lenz, du führst gar tapfre Recken,
Lenz, du führst gar gut Geschütz!
Legst Spaliere und Staketen
Als Sturmleitern an den Wall,
In die luft'gen Sprossen treten
Deine blühnden Stürmer all!
Ha, Verrat selbst in der Veste!
Helfend reicht am Wallesrand
Eine Rose, froh der Gäste,
Rasch den Klimmern ihre Hand!
Blütenrank' und Epheu standen
Schon am Walle bei der Wacht,
Die sie knebelten und banden
Als sie noch zu träumen dacht'.
Solchem Sieg zum Ehrenbogen
Wölbt aus Silbersäulen hell,
Von Demantenstaub umflogen,
Sich des Gartens Springequell.
Deiner Truppen Banner ragen,
Lenz, nun auf den Wällen dort;
Ha, wer wagt's, die zu verjagen?
O wie stark ist solch ein Fort! — —
Still doch, still! da, dessen Leier
Nie von Schmeichelliedern klang,
Eben eines Fürsten Feier
Unbewußt, begeistert sang!
Jenes Fürsten Preis und Ehre,
Des Palast dort, duftumweht,
Mitten in der Stürmer Heere,
Wie die Burg des Lenzes, steht!
Der Ritt zur Schule
Am Kloster San Lorenzo
Ein Bauer leise schellt,
Der am verbrämten Zaume
Fest seinen Esel hält.
Das Tier wiegt auf dem Kopfe
Stolz seinen Federschwall,
Als wär's in seinem Volke
Schier Hof- und Feldmarschall.
Es trägt auf seinem Rücken
Den Korb von ries'gem Maß,
Dazu des Bauers Söhnlein
Und Hühnerstall und Faß.
Das Kind steckt in der Kutte
Just nach des Paters Schnitt,
Der aus der Klosterpforte
Gar feierlich jetzt tritt.
So stehn die Zwei beisammen
Wie Löwenkätzlein und Leu,
Wie Eidechslein und Kaiman,
Wie Goldfischlein und Hai.
"Nehmt, Vater, nehmt mein Söhnlein
Mild auf in Lehr' und Zucht!" —
"Mein Sohn, sei uns willkommen!
Es findet, wer da sucht!"
"Mein Vater, und wer klopfet,
Dem wird ja aufgetan;
Gern legte sich zu Füßen
Euch dieser Puterhahn." —
"Mein Sohn, es ist die wahre,
Die fromme Furcht des Herrn,
Die in der Nacht des Lebens
Erglänzt als heller Stern." —
"Mein Vater, laßt euch munden
Den Trank aus diesem Faß;
Orvieto's Fluren quollen
Noch nie von süßrem Naß!" —
"Mein Sohn, 's ist Nächstenliebe
Die schön das Dasein krönt,
Gleichwie die Rebgirlande
Dein Schollenfeld verschönt." —
"Mein Vater, und Artischocken
Und Broccoli, wie die
In diesem Korb zu Schocken,
So schöne saht ihr nie!" —
"Mein Sohn, es ist die Tugend
Der Samen, den wir sä'n;
O mag das Herz der Jugend
Voll ihrer Saaten stehn!"
Auf led'gem Esel trabte
Der Bauersmann davon,
Der Weisheit Lehre labte
Alsbald den zarten Sohn.
Fast hört' er den schon klagen:
"O arge, böse Zeit!
Die Tugend wird gesotten
In Kesseln, groß und weit!
Und ach, die Nächstenliebe
Verblutet im Kellerverlies!
Die Furcht des Herrn, erdrosselt,
Brät an dem langen Spieß!"
China in Italien
Hingekauert an der Straßen
Eine Aloe sich dehnt,
Wie ein Knäul von Gliedesmaßen,
Breit, gemächlich hingelehnt.
So im fernen China sitzen
Mag ein feister Mandarin,
Streckend blanke Nägelspitzen
Selbstbehaglich vor sich hin.
Eine Pinie sprießt daneben,
Neigt auf sie ihr buschig Zelt,
Wie sein Sklav' ob Jenem eben
Baldachin und Schirmdach hält.
Hundert Jahre ziehn die Straße!
Und von Sonnenschein welch Meer!
Lenzesblüten, welche Masse!
Staub und Wandrer, welch ein Heer!
Endlich spürt so seltsam mächtig
Aloe ihr Herz bedrängt,
Bis ein Schaft, gar schlank und prächtig,
Blütenvoll die Hülle sprengt.
Erste Blüte, helle, blanke,
Die den kahlen Schaft umlaubt!
Erster blühender Gedanke
Um des Mandarinen Haupt!
Weh, daß einmal nur in Tagen
Des Jahrhunderts blüht dein Gruß!
Wehe, daß, wer dich getragen,
Auch an dir verscheiden muß!
Der gefangene Räuber
Von Sabinerbergen nieder
Wallt das braune Räuberweib,
Schmiegend ihres Knäbleins Glieder
Sorglich fest an ihren Leib.
Wie sie tritt durch Roma's Pforte,
Glocken, Trommeln und Gebet!
Ist's ein Fest, ist Markt am Orte?
Beides hier gar nahe steht!
Feierklänge von Sankt Peter!
Dudelsack hier schnarrend grell!
Possen reißen heil'ge Väter,
Salbung predigt Pulcinell.
Affen, Charlatane, Springer,
Auf dem Seile Gauklertritt!
Jetzt an fremder Bestien Zwinger
Lenkt das Räuberweib den Schritt,
Ab und auf in wildem Satze
Tobt ein Königstiger hier,
An den Käficht schlägt die Tatze,
Glühend flammt das Aug' dem Tier.
"Mutter, warum sperrt das gute,
Schöne Tier so fest man ein?" —
"Kind, weil's durstig lechzt nach Blute,
Weil's unbändig, wild im Frei'n."
Ruhig nebendran im Bauer
Sitzt ein fremdes Täublein zart,
Senkt das Haupt in milder Trauer
Ins Gefieder weißbehaart.
"Mutter, warum schließt dies gute
Fromme Vöglein auch man ein?
Dieses lechzt doch nicht nach Blute!" —
"Kind, weil's trägt zwei Flügelein."
Kapitols Steintreppen stiegen
Sie empor im Menschenstrom,
Wo gesehn nach Kränzen fliegen
Seine alte Kraft einst, Rom!
Wo es jetzt auch seine echte,
Ungeschwächte, rauhe Kraft,
Doch gefahn, in Kerkernächte,
Seine Räuber, hingeschafft!
Seht dort der Gefangnen Einen
Rasch am Fenster, pfeilgeschwind!
Zu ihm hebt das Weib den Kleinen:
"Siehe deinen Vater, Kind!"
Auf das Kind durch Eisenstangen
Blickt der Mann so blaß und mild,
Küßt es lachend, ob die Wangen
Auch ein Tränenstrom durchquillt;
Überdeckt ihn ganz mit Küssen
Zärtlich Wang' und Äugelein;
Und das Kind hat denken müssen
Jener Taube, fromm und rein.
Nun sie Lebewohl ihm sagen,
Sträubt sein Haar sich auf in Wut,
Seine Fäust' ans Gitter schlagen,
Und sein Auge rollt in Glut!
Doch die Mutter fest umfangend,
Flieht das Kind dies grause Bild;
Und gedenken muß es bangend
Jenes Königstigers wild.
Tasso's Zypressen
Wo bei Zypressen hingesunken
Ich raste, schauend in den Schoß
Der ew'gen Roma, wehmuttrunken
Vom Glöcklein San Onofrio's;
Hier saß einst Tasso. Der Zypressen
Stand Eine nur, sonst war's wie jetzt;
Ob mancher Stein hinsank indessen,
Nur Tau war's, der dies Meer genetzt!
Wohl rauschte die Zypress' am Hügel
Ihm die Zypress' im Herzen wach,
Daß, brechend seines Schweigens Siegel,
Der kranke Dichter zu sich sprach:
"O Menschenleben, Hauch im Winde,
Dich überdauert Stein und Tier!
Fortlebt der Vater doch im Kinde,
Mein Lied, mein Kind, lebt' ich in dir!
Komm, Rab' am Baum dort, dem zu Liebe
Enterbt ich um manch Jährlein war,
Daß ich mein Lied dich plappern übe,
So tönt's wohl noch ein hundert Jahr!
Dir, weißer Zauberhirsch, durchsausend
Den Apennin, grub' ichs' mit Gold
Ins Halsband gern, daß ein Jahrtausend
Mit dir es noch die Welt durchrollt!
Dir, Stein am Wege, wollt' ich's schlagen
In deine kalte Menschenbrust,
Daß du es tausend Jahre tragen,
Und aber tausend Jahre mußt!
Was ficht mich an? Wo sind die Taten,
Daß ich zu ragen bin gewillt,
Dem Baume gleich, hoch über Saaten,
Dem Turm, hoch überm Stadtgefild'?
Dem Baum, wie mir, gibt Recht zu ragen
Frucht, Vogelsang und Blütenscherz!
Dem Turm, wie mir, gibt Recht zu ragen
Sein tönend heilig Glockenherz!
Doch soll mein Lied hier stehn in Steinen,
Wo Lieder nicht, nein. Ruhm und Tat
Und der Jahrtausend' Jauchzen, Weinen
In Trümmern ruht, versteinte Saat?
Wo der Campagna Wüst' ich sehe
Und mich's kein Wunder mehr bedünkt,
Daß beim Anschaun von solchem Wehe
Dem Pflügerarm der Pflug entsinkt!
Wo du selbst brachst, in Staub zerfallen,
Marmorgewordner Gott, entzwei!
Wo aus des Forums Trümmern allen
Noch ragen Tempelsäulen drei;
Furchtbar, drei Fingern gleich, erhoben
Zum Schwur einst der Beständigkeit,
Doch die verdorrt noch ragen oben,
Weil sie beschworen falschen Eid!
Wo, zwar vom Siegesglanz umflossen,
Hoch von der Burg San Angelo's
Der Engel zückt, in Erz gegossen,
Das Flammenschwert noch, blank und bloß;
Indes das Blitzesschwert am Berge
Dem größern Seraph: Sturm aufloht,
Der fern schon diesem Engelzwerge
Aus schwarzer Wolkentoga droht!
Wo noch am Weltdom in verklärter
Triumphesglut das Kreuzbild ragt:
Der Regen küßt es, — doch verzehrt er!
Die Sonne güldet's, — doch sie nagt!
Ha, lästert nicht dies Kreuz mein Sprechen?
Nicht lästert, der es peitscht, der Wind,
Nicht lästert Blitz, der's einst wird brechen,
Da doch allbeide Gottes sind!
Ich aber glaub', ein Fels im Fallen
Er fühlt so süß, wie als er ward!
Es träumt der Baum im Niederwallen
So süß, wie da er sproßte zart!
Fahr' hin mein Lied, erstirb in Tönen
Und flattre fröhlich trümmerwärts!
Preis dir, Natur, der ew'gen, schönen!
Dir schreib' ich liebend mich ins Herz!" — —
Und dort von dem Zypressenbaume
Pflückt er der zarten Zweiglein acht,
Pflanzt sie in Reih' am Hügelsaume,
Ist sie zu warten sorgbedacht.
Da stehn als luft'ge, grüne Stanze
Achtzeilig sie, wie ihm sie klang,
Und säuselten im Windestanze
Ins Herz mir diesen Wehmutsang.
Die erste Palme
Dort ein Palmbaum auf der Höhe
Aus dem Klostergarten ragt;
Erste Palme, die ich sehe,
Bringst du mir den Ost, der tagt?
Luftig schwankt wie Pfaugefieder
Ihre Kron' am schlanken Schaft
Überm Rauschen laub'ger Brüder,
Stumm, durchsichtig, geisterhaft.
In dem Grase schläft am Baume
Ein Novize, jung und schön!
Ob gelispelt seinem Träume
Ostens Wonne aus den Höhn?
Denn er sieht in üpp'gem Kleide
Sich in Samt und Golde nun
Auf den Kissen weicher Seide
Fern in einem Garten ruhn.
Blumen, ries'ge, wunderbare,
Gaukeln, duften, sprühn um ihn;
Liebliche Gazellenpaare
Durch die fernen Büsche ziehn.
Wundersame Vögel singen
Rings so schön, doch unsichtbar;
Plätschernde Fontänen springen
Aus den Marmorbecken klar.
In dem Wellenglanz sich spiegelt
Sein Palast in goldner Zier;
Rosenbüsche sind geflügelt
Paradiesesvögel hier.
Durch der Palmen Säulenhallen,
Schlank sich streckend kuppelan,
Stumm in weh'nden Schleiern wallen
Schöne Frauen stolz heran.
Und die weißen Schleier sinken!
Ach, der Augen Flammenschein!
Sultanlaunisch will er winken,
Denn sie sind ja alle sein!
Horch, Geschrei von allen Seiten,
Heulen, Jammern ihn erschreckt!
Ach, es ist das Vesperläuten
Schrillen Tons hat ihn geweckt!
Ei getrost! Zum Chor ist's eben
Vom Harem nicht allzuweit!
Mönch und Sultan beide leben
In bequemem Faltenkleid!
Und noch blickt dein Ost ja nieder,
Deine Palm', an schlankem Schaft
Schwankend leis wie Pfaugefieder,
Stumm, durchsichtig, geisterhaft.
In den pontinischen
Sümpfen
Feldgrüne, Meeresblaue, Himmelshelle,
Mir sonst so lieb, wie grinst ihr hier mich an!
Blau ist das Meer, doch trägt die ruh'nde Welle
Kein Segel, keinen Nachen, keinen Schwan.
Hell ist die Luft, doch eine Glanzeswüste,
Durch die kein Vogel singt, kein Wölkchen schwebt;
Grün ist das Feld, doch Moor, bis fern zur Küste,
Draus sich kein Haus, kein Baum, kein Strauch erhebt.
Und nur ein Streif von weißem Nebelrauche
Kriecht durch die Mooresöde, lang und weit,
Als wälzte fraßesmatt, träg auf dem Bauche
Dahin die Schlange sich der Ewigkeit.
Sieh, mählich aus dem schwanken Dunstkolosse
Entringt sich Form und Bild im Sonnenstrahl,
Er wird zum leuchtenden, kristallnen Schlosse
Mit blankem Silberdach und hohem Saal.
Auf diamantnem Thron saß siegestrunken
Der König, — ach, wie hieß er doch? — sein Haupt
War an die Brust der Königin gesunken.
Vom Kranz war's der Unsterblichkeit umlaubt.
Am Throne links rührt' eine goldne Leier
Ein Dichter süß, — wie hieß er doch? — der sang:
"Unsterblich ist dein Lieben! ihm zur Feier,
Fürst, gibt ja mein unsterblich Lied den Klang!"
Am Throne rechts, da saß ein weiser Seher,
— Wie hieß er doch? — der schrieb's in Marmor ein:
"Unsterblich ist dein Sieg! Es müßte eher
Ja mein unsterblich Wort verklungen sein!"
Ein Volk, — wie hieß es doch? — das pries unsterblich
Den Sänger, Seher, und das Fürstenpaar:
Ein Volk, an Glück und Ehren unverderblich,
Hebt auf dem Schild euch zu den Göttern dar!" —
Als so den Trank Unsterblichkeit sie tranken
In vollem Zug, faßt Trunkenheit sie all',
Des Königs Kron', des Dichters Harfe wanken,
Des Weisen Marmor, Volk und Schloß und Wall!
Wo flieh' ich hin, daß nicht kristallne Tore,
Demantne Säulen stürzen auf mich ein?
Ei sieh um dich! Im weiten grünen Moore,
Am Strand des Meers, stehst du ja ganz allein!
Und nur ein Streif von weißem Nebelrauche
Kriecht durch die Mooresöde, lang und weit,
Als wälzte fraßesmatt, träg auf dem Bauche
Dahin die Schlange sich der Ewigkeit.
Mola di Gaeta
Wenn ich zur See ein Schiffer wäre,
Vorbei dies Ufer könnt' ich nie;
Je hellre Luft, je stillre Meere,
So sichrer litt' ich Schiffbruch hie!
Willst du, o Herr, nicht daß ich strande,
Türm' auf im Sturm den Wogenschwall,
Verhüll' in Nebel diese Lande,
Gürt' ums Gestad der Brandung Wall!
Denn dieser Sturm von Sonnenlüften,
Von Blütenglut und Lorbeernacht,
Von Schmeichelwinden, Frühlingsdüften
Ist's, der mich hier noch scheitern macht!
Viel tausend Blumenfesseln schwingt es
Von jenen Bergen her nach mir,
In Lüften rauscht's, aus Büschen singt es:
O bleibe hier, o bleibe hier!
Maid vom Gebirge, deine Augen,
Leitsterne, dran mein Blick gebannt,
Sie mochten diesmal eben taugen,
Mein Schiff zu locken auf den Strand!
Weh, von den glühenden Granaten
Geschossen wird es in den Grund!
Geentert wird es von Piraten,
Den Blütenranken, kriegrisch bunt.
Sie springen an des Bords Altane
Und klettern rings empor in Hast,
Die Rose, deine Flaggenfahne,
Zu pflanzen auf Kastell und Mast. —
O laß mich ruhn vor deiner Schwelle,
Und schaun aufs weite Meergebiet,
Und in dein Aug', das tiefe, helle,
Und singen laut mein Schifferlied.
Daß deine Berg' empor es brandet,
Als schlüge drüber Wogenklang!
Wohl hat noch Keiner, der gestrandet,
Gestimmt so fröhlichen Gesang!
Zwei Poeten
Was des Volks voll Ohrenweide
Auf Neapels Molo steht,
Um den Mann im Narrenkleide,
Himmelwärts sein Aug' verdreht!
Wie aus der Tritonen Schlunde
Dort am Markusplatz Well' auf Well',
Sprudelt aus verzerrtem Munde
Plätschernd ihm der Verse Quell.
Und wie Brunneneimer fangen
Deine Söhne, Lazarus,
Seiner Ritter, Zaubrer, Schlangen,
Feen und Drachen vollen Guß!
Doch mein Herz, fast will's ihn neiden,
Grüßt ihn Bruder in Apoll!
Ist's Ein Quell nicht, der in Beiden,
Nur verschiedne Bahnen quoll?
Wie die Schönheit seiner Glieder
Durch die Lumpen des Gewands,
So durch Fetzen seiner Lieder
Leuchtet hell des Gottes Glanz.
Während auf dem Polsterthrone
Seines Munds Hanswurst sich dehnt,
Und als echter Lazarone
Maccaronensold ersehnt;
Seh' ich um die Stirn' ihm rinnen
Jovis Wetterleuchten bald,
Seine Blick' als Adler minnen
Mit dem schönsten Lorbeerwald.
Voll von Helden, Wundern, Sagen
Sieht er rings die weiße See
Gleich dem Buche aufgeschlagen
Einer Riesenepopee.
Und des Golfs Gestade dehnen
Blütenvoll sich um die Flut,
Wie ein Kranz, der, es zu krönen,
Auf dem Buch des Meisters ruht.
Der Vesuv dort scheint ein Dichter,
Ganz von Christi Trän' erglüht,
Dem aus trunknem Mund ein lichter
Flammendithyrambus sprüht!
Lieder, Bilder, Reim' umklingen
Um und um dich, mein Poet,
Brauchst vom Blatt nur abzusingen
Was schon rings geschrieben steht.
Jedes spröden Reimes Hallen
Macht des Meeres Rauschen gut;
Doch auch Perlen, dir entfallen,
Schnell verschlingt sie, ach, die Flut!
Lauschend hält dich Volk umfangen,
Elend in dem hohlen Blick,
Hungers Furchen in den Wangen,
Last der Knechtschaft im Genick.
Um jed' Antlitz um die Wette
Breitet Lächeln jetzt sich aus,
Das aus seinem Furchenbette
Selbst den Hunger wirft hinaus!
O wie gut dies heil'ge Lächeln
Dem zerlumpten Bettler steht,
Wie vom Mast der Flagge Fächeln
Das zerschellte Wrack umweht!
Wie von blitzzerspellten Bäumen
Noch ein grünes Zweiglein bebt;
Wie ob schwarzen Brandesräumen
Eine Schwalbe gastlich schwebt!
Wie ein spielend Kind am Rücken
Einer schlummernden Hyän',
Traun, daß fast ich zu erblicken,
Orpheus, deine Wunder wähn'!
Sinnend senkt mein Aug' sich nieder
Mich berührt des Gottes Hauch; —
Feiert je ihr, meine Lieder,
Solchen Sangtriumph wohl auch?
Wenn ich's je bedauern lerne,
Daß kein eigner Kranz mich schmückt,
Ist es dann, wenn ich ihn gerne
Auf ein würd'ger Haupt gedrückt.
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