Lenz, Lied und Liebe sind Geschwister
An selt'ner Treue reich:
Zugleich sind sie geboren worden
Und sterben auch zugleich.
I.
Erste Liebe
Dir allein
Glück oder Unglück?
Bestimmung
Ihr Name
Unterschied
Der Besuch
Fern und nahe
Die WunderDas Morgenrot
Eins und zwei
Welt und Geliebte
Mein Frühlingslied
Ein Gleiches, in Prosa
Der Liebesgarten
Die Brücke
Im BadeBöser Streich
Das frohe Lied
Die Mode
Der Verlobten
Die Haarlocke
Das Vermächtnis
Trennung
Dir allein
Möchte Jedem gern die Stelle zeigen,
Wo mein Herz so schwer verwundet worden;
Aber Dir möcht' ich mein Leid verschweigen,
Doch nur Dir! denn Du allein
Hast den Dolch, der mich vermag zu morden.
Möchte Keinem meine Leiden klagen,
Aber Dir enthüllen alle Wunden,
Die gar tief mein Herz sich hat geschlagen;
Doch nur Dir! denn Du allein
Hast den Balsam, der mich macht gesunden.
Glück oder Unglück?
Sinnend saß ich einst im Stübchen,
Kam zu mir ein lieber Freund,
Freude glänzt auf seinen Wangen,
Doch das Auge hat geweint.
"Sprich, o Freund, kennst Du die Liebe,
Kennst Du ihre Gluten nicht?
Ist ihr Strahl des Unglücks Fackel,
Oder segnend Friedenslicht? —"
Doch ich wußt' ihm's nicht zu sagen,
Ob sie Unglück oder Glück?
Glück! rief seiner Wangen Lächeln,
Unglück! rief sein Tränenblick.
Und als Tag' und Monde schwanden,
Glomm auch mein Herz hell und loh;
"Liebe ist's!" rief's mir im Busen,
"Nur die Liebe zündet so!"
Und ihr meint, käm' er jetzt wieder,
Könnt' ich ihm's enträtseln auch:
Ob die Liebe Segensodem,
Oder ob Vernichtungshauch?
Traun! noch könnt' ich's ihm nicht künden,
Ob sie Unglück oder Glück?
Glück! sagt meiner Wangen Lächeln,
Unglück sagt mein Tränenblick.
Bestimmung
Als der Herr die Ros' erschaffen,
Sprach er: du sollst blühn und duften!
Als er hieß die Sonne werden,
Sprach er: du sollst glühn und wärmen!
Als der Herr die Lerch' erschaffen,
Sprach er: flieg' empor und singe!
Als geformt des Mondes Scheibe,
Sprach er: rolle hin und leuchte!
Als der Herr das Weib erschaffen,
Sprach er: sei geliebt und liebe!
Aber als er dich erschaffen,
Hat er wohl dies Wort vergessen.
Denn wie könntest du sonst sehen:
Mond und Sonne glühn und leuchten,
Rosen duften, Lerchen steigen,
Ohne selber auch — zu lieben?
Ihr Name
Ich grub in Gold, ich schnitt in manchen Stein.
In manche Rinde Deinen Namen ein.
Und daß er sei geborgen für und für,
Schnitt ich wohl tief, gar tief in's Herz ihn mir.
Die rauhe Rinde tät nicht widersteh'n,
Und Gold und Stein die ließen's gern geschehn;
Jedoch als ich ihn einschnitt in das Herz,
Da gab es — Wunden, — Blut und — Schmerz.
Unterschied
Horch, Liebchen! wo die Zweige wallen
Des Tränenbaum's auf jenes Grab,
Dort ruft ein Chor von Nachtigallen
Sein schönstes Liedchen uns herab.
Sieh, Liebchen! wie aus Felsentrümmern
Des Bächleins Fluten tönend schimmern,
Und Blumen, erst emporgeblüht,
Die Welle kosend übersprüht.
Horch! froh auf Sangesflügeln irren
Die Weste durch den blauen Raum,
Horch, Liebchen! Liebesseufzer girren
Aus jenem blitzgespaltnen Baum,
In seinen Schoß zwei weiße Täubchen!
Der Tauber herzt das zarte Weibchen,
Es scheint als ob sie wechselweis
Sich stritten um der Liebe Preis.
Sieh! uns're Lust weckt Lust in Allen;
Doch wenn du scheidend von mir gehst,
Verstummen bang die Nachtigallen,
Es schweigen Tauben, Quell und West.
Die Weide nur mit ihren Zweigen,
Die seh' ich über's Grab sich neigen,
Rings Felsentrümmer, Wogenschaum,
Und dort den blitzgespalt'nen Baum.
Der Besuch
Oft des Tag's und oft des Abends
Wall' ich an das Ziel der Sehnsucht,
Aus der Stadt durchtobten Straßen
In der Vorstadt still're Welt.
Über uns'res Stromes Brücke
Zieh' ich hin mit raschem Schritte,
Wie ein Geist, so still und schweigsam
Durch den lärmend lauten Schwarm.
Und dann rechts? — ach nein, zur Linken!
Seht, kaum weiß ich mehr es selber;
Dann g'rad fort? — ach nein, zur Rechten,
Um die Ecke rasch gewandt!
Seltsam! ging ich nie doch irre
Auf der schönen heil'gen Wallfahrt,
Dennoch, Freunde, kann ich nimmer
Künden euch den Weg dahin.
Kann kein Häuschen an der Straße
Zeichnen euch mit sichern Händen. —
Also kennt man wohl die Sterne,
Aber nicht den Weg dahin.
Fern und nahe
Weste säuseln Deinen Namen,
Rosen zeigen mir Dein Bild.
Und die Quelle, süß und mild,
Spiegelt es im Blütenrahmen.
Und in Deinen Namen schlingen
Perlen sich im Wiesengrün;
In den Sternen les' ich ihn,
Hör' ihn, wenn die Wellen klingen.
Also bin ich Dir auch ferne,
Bleibst Du doch mir ewig nah; —
Doch warum, wenn ich Dir nah,
Bleibst du mir, ach! ewig ferne?
Die Wunder
Willst Du es seh'n, wie lohe Flammenglut
Beisammen friedlich wohnt mit Wasserflut,
Wie beide ineinander frei besteh'n,
So mußt Du ihr in's klare Auge sehn;
Drin wohnt ein Feuer wie die Glut der Sonne,
D'raus siehst Du wie aus glühem Flammenbronne
Oft klar den Perlenquell der Tränen tau'n,
Kannst Glut in Flut und Flut in Gluten schau'n.
Willst du auch sehn den Becher wunderbar,
D'raus tötend Gift und Honig süß und klar
Mit einem einz'gen Zug man saugen kann:
O blicke ihren Rosenmund nur an!
Der Wunderbecher sind die Purpurlippen,
D'raus Süß und Herb mit Einem Zug zu nippen,
Ein Honigseim, der's Herz belebt und nährt,
Ein Gift, das wild am Lebensmarke zehrt.
Und kennst das gold'ne Wundernetz du nicht,
Wo sich kein Faden in den andern flicht,
Das fest zugleich, wenn locker auch und los,
Manch bebend Herz verstrickt in seinen Schoß?
Siehst Du der Lockenhaare goldig Prangen?
Das ist das Wundernetz, das mich gefangen,
Das fest zugleich, wenn locker auch und los,
Gar manches Herz verstrickt in seinen Schoß.
Willst du es sehn, wie Ätna's Flammenbrand
Mit Thule's eis'gen Stollen sich verband,
Der eine Gottes flammender Altar,
Die andern frostig, kalt und ewig starr!
Das sind wir Zwei und uns're beiden Herzen,
Vereint durch Freud' und Schmerz zu Freud und Schmerzen,
Das meine wie des Ätna Brand so heiß,
Das ihre kalt und starr wie Nordpols Eis.
Das Morgenrot
Jüngst stand ich früh am Fenster
Vorüber trugen schwarze Männer ernst
Im Morgenzwielicht einen offnen Sarg.
Da flammt' empor das Frührot.
Der Leiche Antlitz glomm nun rosigrot,
Als sei nach kurzer Wand'rung rückgekehrt
Das Leben in's vorschnell verlaßne Haus.
Kalt strich des Frührots Odem.
Da hüllten sich, vor Kälte leichenblaß,
Die Männer in die schwarzen Mäntel tief,
Als wickle sie der Tod in's Leichentuch.
O wundervolles Frührot!
Dem Tode hauchst du Glut in's welke Antlitz,
Dem Leben hauchst du Eis in glüh'nde Pulse!
O wundervolle Liebe!
Eis hauchst du um die wunde Stirn des Lebens,
Daß es vor Frost zur Leiche möcht' erstarren! —
Dein schönstes Diadem schmückt oft erst Leichen,
Dein wärmster Kuß schwelgt auf des Todes Lippen!
Eins und zwei
Warum, o Mutter, o Natur,
Gabst Deinem Sohn, dem Menschen nur
Ein Herz Du, um in süßen Trieben
Geliebt zu werden und zu lieben,
Und einen Mund nur, um zu küssen.
Und Wonn' und Seligkeit zu saugen;
Jedoch zum Weinen, ach! — zwei Augen? —
Welt und Geliebte
O Welt, Du triebst hinweg von grünen Borden
Und trugst mein Lebensschiff in Sturm und Riffe;
Doch klagst voll Reu' ob dem zerschellten Schiffe:
"O wär' ein besser Schicksal ihm geworden!"
Und so hast, o Geliebte, statt zu lieben,
Den Todeskeim Du in mein Herz getragen;
An meinem Sarge doch wirst Du einst sagen:
"O würd' ein milderes Geschick ihm drüben!"
Dem welschen Räuber gleicht ihr, der in Schlüften
Des Wandrers harrt mit raubbegier'gen Blicken
Rasch ihm den Meucheldolch bohrt in den Rücken,
Und dann ihn einscharrt fern in Bergesklüften;
Doch gläubig ihm des Kreuzes heilig Zeichen
Auf's Grab zu pflanzen, mag er nicht vergessen;
Da kniet er, betend für die Seele dessen,
Den er gefällt mit seines Dolches Streichen.
Mein Frühlingslied
Ich ging hinaus zur blum'gen Au.
Da ruhte Braut Natur im grünen Samtkleid,
Im Haar den frischen Kranz, das Haupt entschleiert;
Den weißen Schleier hatte sie gelegt
Auf ihren Putztisch: jenen alten Gletscher.
Man sieht ihr's an, sie harrt des Bräutigams. —
Doch ziemt's wohl Bräuten, so mit Fremden buhlen?
Es wogt entblößt ihr voller Lilienbusen
Mit seinem üpp'gen Rosenknospenpaar;
Mit ihren großen lichten Blumenaugen
Liebäugelt sie ringsum und wirft mutwillig
Mir Dutzende von ihren Liebesbriefchen,
Den weißen Blüten, scherzend in den Schoß.
Mir war ganz wohl, klar stand's in meinem Sinn,
Daß man wohl glücklich kann auf Erden sein.
Ich wallte in der blum'gen Au.
Da saß der junge Lenz an einer Quelle,
Ich sah, er rüstet sich zur Braut zu gehn;
In's sonnenstrahlige Gelocke hat
Ein blitzend Diadem er aufgedrückt,
Er wusch das reine, klare Antlitz sich
Und überspritzte schäkernd dann auch mich
Mit Quellenschaum vom Wirbel bis zur Zeh'.
Doch, zur Entschäd'gung gleichsam, brach er drauf
Rasch eine Hand voll Perlen aus der Kron'
Und warf sie mir zu Füßen in das Gras.
Ich war so heiter, fast schien mir's ein Traum,
Daß man auf Erden elend könne sein.
Ich wallte heim aus blum'ger Au.
Das Brautpaar war sich an die Brust gesunken. —
Ich zog, das Herz voll Lust, den Mund voll Lieder,
Frohlockend heimwärts in die dumpfe Stadt;
Da hüpft an mir vorbei ein liebend Paar,
Zwei und doch Eins! wie sich zwei Nachbarstämme
In Kron' und Wurzeln ineinander ranken.
Wollt ihr das Glück sehn: seht in ihre Augen,
Wollt ihr die Freude schaun: schaut ihre Wangen,
Sucht ihr die Liebe: horchet ihren Lippen! —
Doch seltsam, jetzt erst fühlt' ich's, daß auf Erden
Man elend auch, recht elend könne sein!
Ein Gleiches, in Prosa
Ein König wollte den Lenz genießen. Er ging im Frührot an's Meeresufer.
Eben stieg die Sonne aus der Flut.
"Wie herrlich!" rief er, "ein Purpurmantel schwimmt auf dem Meer,
Und die Sonne liegt als Krone darauf."
Ein Goldschmied wollte den Lenz genießen; er kam etwas später.
Fern stand ein hoher Berg, den die Sonne strahlend beschien.
"Mein Seel!" rief der Goldschmied,
"Der alte Recke dort trägt eine Rüstung aus lauterem Golde!"
Ein Mäkler wollte den Lenz genießen. Er lagerte sich an einer munter hüpfenden Quelle.
Da murmelte er so vor sich hin: "Wie das Ding gleißt! Fast so weiß und rein,
Wie Silber. Auch klingt's so wunderlieblich,
Wie wenn man mit der Hand in einem Sack voll Taler herumwühlt."
Ein Musikus wollte den Lenz genießen. Er ging des Abends in den feiernden Hain.
"Wie's da klingt und singt!" sprach er.
"Die Nachtigall bläst Flöte, die Grille spielt Klarinett —
Aber das Instrument ist etwas verstimmt — und die Eule gibt den Baß dazu."
Jesuiten wollten auch den Lenz genießen.
Die Herrn lieben, wie bekannt, die Finsternis; drum kamen sie bei Nacht.
"Die Nacht trägt einen schwarzen Talar," rief der eine.
"Sieht der Mond nicht aus wie eine frischgeschorne Tonsur?" fragte der andere.
Es wollten auch noch viel andere Leute den Lenz genießen.
Sie kamen und gingen zu verschiedenen Tagszeiten.
Ein Juwelier stieß da auf Diamanten; eine verliebte Dichterin auf ein
Tränengeschmeide; ein Schneider fand ein gut Stück grünen Samt
Und ein Pächter Heu für seine Kühe.
Der Liebesgarten
Wenn Nachts der freundliche Schlummer
Die silbernen Fäden webt,
Da trägt es mich flugs in ein Gärtchen,
Wo Liebe nur schafft und lebt.
Drin grünet manch seliges Plätzchen,
Drin blühet manch lieblicher Strauß;
Da pfleg' ich mein friedliches Gärtchen
Und schmück' es gar sorglich aus:
Mit Freuden und Leiden der Liebe,
Bis der purpurne Morgen kam,
Doch nicht mit a l l meinen Freuden
Und nicht mit a l l meinem Gram!
Denn würde zur farbigen Blume
Jedweder selige Traum,
Für alle die Blüten und Blumen
Wär' in dem Gärtchen nicht Raum.
Und fiele gar jegliche Träne
Als Tau auf die Fluren schwer,
Bald sähe man statt des Gärtchens
Ein blitzendes Perlenmeer nur.
Und lächelten Blicke der Liebe
Als Sonnen von Himmelshöhn,
Bald glänzten auf's Gärtchen mehr Sonnen
Als Halme auf Wiesen stehn.
Und flatterte jegliches Küßchen
Als farbiger Schmetterling,
Bald blühten zu wenig der Blumen
Den Faltern im Gartenring'.
Doch trübte ein jeglicher Zwiespalt
Als Wolke der Sonnen Schein;
Traun, oben am Himmel blieb' es
Wohl ewig heiter und rein.
Und wüchse jegliche Untreu'
Des Liebchens als Schierlingskraut,
Ich hätte die Schierlingsstaude
Im Gärtchen noch nie erschaut.
So träum' ich mir Nachts mein Gärtchen
Aus der Liebe Freuden und Gram;
Wie anders doch ist es zu schauen,
Wenn wieder der Morgen kam!
Die Falter sind all' entflogen,
Die Sonnen sind alle verglüht,
Die seligen Plätzchen verschwunden,
Die Blumen versengt und verblüht.
Der einzige Tau sind die Tränen,
Der Schierling das einzige Grün,
Und über erstorbenen Keimen
Ziehn düstere Wolken dahin.
Die Brücke
Eine Brücke kenn' ich, Liebchen,
Drauf so wonnig sich's ergeht,
Drauf mit süßem Balsamhauche
Ew'ger Frühlingsodem weht.
Aus dem Herzen, zu dem Herzen,
Führt der Brücke Wunderbahn;
Doch allein der Liebe offen,
Ihr alleinig untertan.
Liebe hat gebaut die Brücke,
Hat aus Rosen sie gebaut;
Seele wandert drauf zur Seele,
Wie der Bräutigam zur Braut.
Liebe wölbte ihren Bogen,
Schmückt' ihn lieblich wundervoll;
Liebe steht als Zöllner droben,
Küsse sind der Brückenzoll.
Süßes Mädchen, möchtest gerne
Meine Wunderbrücke schaun?
Nun es sei! doch mußt Du treulich
Helfen mir, sie aufzubaun.
Fort die Wölkchen von der Stirne!
Freundlich mir in's Aug geschaut!
Deine Lippen leg' an meine:
Und die Brücke ist erbaut.
Im Bade
Ach könnt' ich die Welle sein,
Wie freut' ich mich so!
Doch könnt' ich die Quelle sein,
Wär' doppelt ich froh!
Denn könnt' ich die Welle sein,
Hüpft' ich mit frohem Sinn
Wo sie im Bade weilt,
Rasch zur Geliebten hin;
Hätte sie schnell ereilt,
Wogte mit stillem Gruß
Rasch um den lieben Fuß,
Blähte mich stolzer dann,
Schwölle und stieg hinan
Bis an des Busens Rund,
Bis an den Purpurmund,
Grüßte und küßte sie,
Koste und neckte sie,
Und sie erlitt' es gern,
Glaubt' ja, ich seh' es nicht,
Glaubt' mich ja fern.
Doch könnt' ich die Quelle sein,
Ganz nach Verlangen
Wäre sie mein;
Liebend umfangen
Wollt' ich die Holde,
Aber so bald nicht
Ließ ich sie los.
Dann zu dem Herzchen
Rauscht' ich empor,
Pochte und schlüge
Rege daran,
Pochte und früge
Liebend mich an. —
Dann zu den Händen
Wogt' ich dahin;
Aber das Ringlein,
Das sie als fremder
Seligkeit Pfand
Trägt an der kleinen
Blendenden Hand,
Wollt' ich ihr raubend,
Tief in der Wogen
Nächtliche Brandung
Heimlich verbergen;
Rauschte zur Hand dann
Wieder hinan
Und nur mein Ringlein
Ließ ich daran.
Böser Streich
Beim Teeverein' jüngst sang man ohne Ende,
Wie jeden Mund, sah offen man auch meinen;
Fernsteh'nden mußt's, als säng ich mit, erscheinen,
Doch wer mir nahe stand, sah, daß ich — gähnte.
Mein Liebchen sah ich still inmitten stehen,
Da stimmte mein Gefühl mich ganz poetisch,
Und ließ ein blühend Gartenbeet — im Teetisch,
Gießkannen mich in den — Teekannen sehen.
Geschmückte Frau'n sah ich als — Rosen sprießen,
Herrn mit Perücken als — Kohlköpfe grünen,
Doch sorgsam sah als Gärtner ich nach ihnen,
Und hob die Kannen, um sie zu begießen.
Da brüllten laut die Herrn: o Narr, o Tollkopf! —
O, grober Schmeichler! riefen bös die Frauen. —
Doch, in die Hände klatschend, war zu schauen
Gott Amor, schwebend über Ros' und Kohlkopf.
Das frohe Lied
Ein Mann liegt auf des Schlachtfelds rotem Bette,
Vom Haupt strömt Blut und löscht der Augen Licht,
Nichts beut die Welt mehr, das den Armen rette,
Sieh! und doch — lacht sein bleiches Angesicht!
Er lacht vor Qual! O herbster aller Schmerzen!
Du ahnst die Pein, Du fühlst sie mit im Herzen;
Du wolltest helfen, Mädchen — kannst es nicht!
Ein Sänger zieht durchs Land; es tönet wieder
In Au'n und Herzen froh sein Lustgedicht!
O, glaube nicht dem heitern Klang der Lieder,
Denn seines Herzens wahrer Klang ist's nicht;
Ein Lachen ist's, das ihm der Schmerz entrungen!
Die Qualen ahnend ist Dein Herz durchdrungen,
Du könntest helfen — doch Du willst es nicht.
Die Mode
Bei den Dichtern sind nun Mode,
Tränen, Seufzer, Todespein;
Und auch wider Willen riß es
In dies Jammern mich hinein.
Aber würd' es einmal Mode,
Recht von Herzen sich zu freun,
Fänd' ich auch, mit bestem Willen,
Leider mich doch nie darein.
Der Verlobten
Wenn Deine Hochzeit nahet,
Leg' ich ins Grab mich hinein;
Dann fließt doch keine Träne
In euren Freudenwein.
Dann lacht Dir Keiner ins Antlitz,
Wenn Treue Du versprichst;
Brauchst Dich nicht zu verstecken,
Wenn Du den Brautkranz flichst.
Und hast Du zu wenig Blumen,
Um sie durch den Kranz zu ziehn;
Geh nur zu meinem Grabe,
Da werden wohl einige blüh'n.
Die Haarlocke
Kleinod, das als goldnes Wölkchen
Einst an meinem Himmel stand,
Einst ein Ring der Kron', mit welcher
Schönheit ihr das Haupt umwand;
Däuchst mir nun ein welkes Blättlein,
Im verflossnen Lenz gepflückt,
Das in bangen Winterstunden
Mir den Lenz vors Auge rückt.
Also wird ein Pilgerleben,
Was uns längst die Zeit entrafft,
Neu im Kleinen uns gegeben,
Fesselnd mit verjüngter Kraft;
So ein Blatt nur von dem Baume,
Der einst Liebende umwallt,
So ein Bild nur aus dem Traume,
Welcher der Geliebten galt!
Das Vermächtnis
Hör' des Sterbenden Vermächtnis,
Höre meinen letzten Laut:
Diese Blume, welk und farblos,
Sei als Gabe Dir vertraut.
Wie sie teuer, wie sie kostbar,
Dir ist es ja ganz bewußt:
An dem Tag', als mein Du wurdest,
Raubt' ich sie von Deiner Brust.
Liebchen, laß an Deinem Busen,
Laß die welke Blume ruhn,
Einst der Liebe traute Gabe,
Doch des Schmerzens Gabe nun.
Dann wirst Du's im Herzen lesen,
Gleich der Schrift im Leichenstein:
Wann und wie sie Dir geraubt ward,
Wann und wie sie wieder Dein.
Trennung
Wie all die Fluten, die zum Meere streben,
Nicht eines Weges durch die Erde ziehn,
Wie Äste Eines Stamm's geteilt sich heben,
Wie lohe Flammen hierher, dorthin sprühn,
So trennt durch wilde Ström' uns oft das Leben,
Kein Nachen führt zum andern Borde hin,
Wehklage kann allein hinüber tönen,
Selbst die verschlinget oft der Wogen Dröhnen.
Des Äthers Troubadours durchziehn die Luft,
In fernem Land erst senkt ihr Flug sich nieder,
Doch wenn des Lenzes milder Hauch sie ruft,
Dann kehren sie zum Heimatlande wieder,
Und wie der Frühling neuen Blütenduft,
So bringen sie uns neue Freudenlieder;
Der Mensch allein ist's, den kein Ruf belehrt,
Ob je zum Heimatland er wiederkehrt? —
Ihn rafft die Zeit in wogenden Geschicken
Mit Riesenmacht in ihre Wirbel hin,
Und sieht er auch mit hoffnungsvollen Blicken
In Sturmesnächten mild're Sterne glühn,
Sie können nie auf ewig ihn beglücken:
Ein schwarz Gewölke wird sie bald umziehn;
Denn unser Leben, wie des Meeres Wallen
Ist nur ein ew'ges Steigen, ew'ges Fallen.