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Quelle:

Volkslieder aus Krain
Anastasius Grün

Leipzig 1850
Weidmann'sche Buchhandlung

Anmerkung:

Der Autor dieser Lieder selbst hat uns die Sitten und Gebräuche der damaligen Zeit
(1849) aufgeschrieben. Ich fand sie dermaßen interessant, dass ich zum
Nachschlagen ein Glossar erstellt habe.
Die Nummern innerhalb der Gedichte führen zu der jeweiligen Beschreibung.
Auf jeden Fall nachschlagenswert!

 

Volkslieder aus Krain
 

Neujahrslied
Flursegen
Hochzeit der Vögel
Käuzchen und Eule
König Amsel
Drei Liebchen

Winter
Freiheit
Zuruf
Täubchen
Liebesbangen
Ständchen
Weltjammer
Fragen
Minka
Die Läuferin
Mara
Wohin damit
Drei Töchter
Des Helden Bitte
Trost der Verlassenen
Der Scheintote
Ein Johannisfest

Ein friedfertiger Herr
Terdoglav
Im Tode Wahrheit
Lamberg und Pegam
König Marko
Drei Brüder
Des Woiwoden Janko Hochzeit
Sankt Ulrich
 

Neujahrslied 1

Guten Abend, Herr von Hause,
Schenk' uns Gott manch gute Gäste,
Vor dem Haus die grüne Föhre,
Dran gebunden einen Rappen,
Auf dem Rappen einen Sattel,
Auf dem Sattel eine Wiege,
In der Wieg' ein junges Söhnlein!
In des Söhnleins Hand ein Becher,
In dem Becher eine Rose,
Auf der Rose dann ein Vöglein;
Und das Vöglein lustig singe,
Und sich in's Getreide schwinge,
Daß das Weizenkörnlein springe!

Flursegen
2

Steht ein Baum auf unsrem Felde,
Wohl ein Apfelbaum von Golde,
Unterm Baum ein Tisch von Golde,
Sitzen dran Gott und Maria,
Gott, Maria und Sankt Peter;
Dieser hält ein golden Stäblein,
Wirft es nach dem Apfelbaume,
Daß herab drei Äpfel fallen.
Fällt der erst' in unser Dörflein,
Und er macht es fröhlich werden;
Fällt der zweit' in Ackerfelder,
Und er macht sie kornreich werden,
Jede Ähre trägt zwei Scheffel,
Kolbenhirse füllt den Kasten;
Fällt der dritt' in's Weingebirge,
Und er macht es weinreich werden,
Altes Holz trägt ein Saumlast,
Grubenrebe eine halbe,
Bogenreis wohl einen Eimer!

Hochzeit der Vögel
3

Vögel Hochzeit feiern
Auf dem Feld im Freien.

Fink' ist der Neuvermählte,
Finkin ist die Erwählte.

Festmeister
4  ist der Geier,
Nickt bei der Tafel statt Zweier;

Brautmutter ist die Eule,
Kürzt sich am Tisch die Weile;

Wolf ist heute Metzger,
Drüben das Messer wetzt er;

Hase ist heute Kellner,
Bringt den Wein und die Teller;

Hausmagd ist die Katze,
Fegt den Tisch mit der Tatze.

Spielleute sind die Hunde
Mit dem breiten Munde;

Fliege tanzt mit der Mücke,
Geht die Welt fast in Stücke!

Fliege aber beim Holpern
Bricht sich ein Bein im Stolpern.

Schickt um den Bader in Eile,
Daß er den Beinbruch heile!

Ehe der Bader sich sputet,
Längst die Fliege verblutet.

Käuzchen und Eule

Käuzlein sitzt auf dem Zweige,
Eule sitzt auf dem Steine,
Winkt die Eule dem Käuzlein:
"Kämpfen wir ein Sträußlein,
Raufen wir um eine
Kürbisflasche mit Weine!"

Haben den Wein im Magen
Und den Kürbis zerschlagen.
"Wenn du mich willst knacken,
Wer wird Brot dir backen?
Brichst du mir die Knochen,
Wer wird dein Süpplein kochen?"

König Amsel

Schwarzamsel hat Provinzen neun,
Das erste Land heißt Föhrenhain,
Das zweite Land heißt Ulmenreich,
Das dritte Land heißt Weidenzweig,
Das vierte Land heißt Erlenstatt,
Das fünfte Land heißt Haselblatt,
Das sechste Land heißt Eichenwald,
Das siebente Land heißt Buchenhald',
Das achte Land heißt Ahornast,
Das neunte Land heißt Lindenrast,
In jedem Land der Schlösser drei,
In jedem Schloß der Liebsten drei,
Von jeder Liebsten Söhnlein drei,
Ein jedes Söhnlein Röcke drei,
In jedem Rocke Taschen drei,
In jeder Tasche Dukaten drei.

Drei Liebchen

Schwarze Amsel singt gar schön
Auf des grünen Buchbaums Höhn:
Späht empor ein Jägerknab
Schösse sie so gern herab.

"Jägerknab', o schone mein,
Will noch froh des Lebens sein!
Sieh, mein sind der Länder drei,
Und darin der Liebchen drei.

Erste ist die Schreiberin
Zweite ist die Schaffnerin,
Dritte ist Marjetka fein,
Die mein echtes Lieb allein.

Aß mit der ersten Backwerk süß,
Mit der zweiten Braten vom Spieß,
Mit der dritten trocknes Brot, —
Beste Kost ist trocknes Brot!

Schlief mit der ersten auf Polstern nett,
Mit der zweiten im Federbett,
Mit der dritten im Farrenkraut, —
Bestes Bett ist Farrenkraut!

Winter

Es hat bei uns viel Schnee geweht,
Der über's Knie den Männern geht.

Er fiel wohl über Dörfer neun
Und sieben Kirchen obendrein:

Man sieht ringsum auf weiter Flur
Des neuen Kirchturms Spitze nur.

Schwarzamsel sitzt auf Kirchturms Höhn,
Da zwitschert sie und singt gar schön:

"O daß der Lenz bald wiederkäm',
Den Schnee bald von den Bergen nähm',

Daß er in Wuchs Erdbeeren trieb,
Erdbeeren klein und Veilchen lieb,

Und Mädchen pflückten in der Näh,
Schwarzamsel dann sie wiedersäh!''

Freiheit

Vöglein singet
Auf dem grünen Baume.
Das erschaute
Weißen Schlosses Herrin:
Komm, mein Vöglein,
Her ins weiße Schlößlein!
Bei mir wirst du
Köstlich Naschwerk naschen,
Köstlich naschen,
Malvasier auch trinken.
Wirst beim Prinzlein,
Jungen Prinzlein sitzen,
Bei ihm sitzen,
Lieder schön ihm singen.

"Will nicht, will nicht
Zu dir, junge Herrin,
Möchtest sperren
Mich ins weiße Schlößlein.
Lieber flieg' ich
In dem grünen Walde:
Esse vollauf
Gelbe Weizenkörner;
Trinke vollauf
Schönes frisches Wasser,
Singe vollauf
Frei nach guter Laune."

Zuruf

Trinket, fresset,
Meines Bruders Rößlein!
Dann heißt's laufen
Bis zum neunten Lande:
Dort zu finden
Meines Bruders Liebste,
Wie ihr Kopfputz?
Bunte Bänder flattern.
Was am Mieder?
Blanke Nadeln schimmern.
Was am Händchen?
Helle Ringe glänzen.
Was am Füßchen?
Schmucke Schuhe flimmern.
Was am Leibe?
Reiches feines Röcklein.
Goldne Sichel
Schwingt sie,
Klee zu mähen:
Was beginnt sie?
Gibt den Rößlein alles.

Täubchen

Daß voll Tau die Schuhe dein,
Wo magst du gegangen sein
                         Bei der Nacht?

War im grünen Walde drin,
Wo die schönen Täubchen sind
                        Bei der Nacht.

Haben rote Wängelein,
Schöne rote Schnäbelein,
                        Bei der Nacht.

Nur die Täubchen liebt' ich fein,
Doch ein einzigs fing ich ein,
                        Bei der Nacht.

Hat das schönste Schnäbelein,
Hat die rötsten Wängelein,
                        Bei der Nacht;

Liebt dies Täubchen mich allein,
Wollen leben schön zu Zwein,
                        Bei der Nacht.

Liebesbangen

"Was ist dir, mein Vöglein,
Weißes Turteltäubchen,
Daß so bleich geworden
Dir das rote Wänglein?"

Wie soll nicht erbleichen
Mir das rote Wänglein,
Da vom Liebsten trennen
Mich die Leute wollen!

Wenn die Leute trennen
Mich vom Liebsten werden,
Wird zu Tode traurig
Auf der Welt mein Leben.

Und wenn meine Tränen
Auf die Steine fallen,
Wird der Stein sich spalten
In zwei morsche Teile.

Wermut, Wermutstaude,
Mit der scharfen Blüte,
Werde dich dann pflücken
Und um's Herz mir legen.

Wo mein Liebster gehe,
Rosmarin erstehe,
Daß von Rosmarine
Rings um ihn es grüne!

Ständchen

Gar so schön kuckuckt der Kuckuck
Dort im grünen Buchenhain,
Und es schlägt gar schön die Wachtel
Dort am grünen Wiesenrain;
Seine Sense wetzt mein Liebster
Dort am grünen Wiesenrain.
Kühler Tau und scharfe Sense,
Und das Gras sinkt lustig ein!
Trockner Ostwind, warme Sonne,
Und das Heu wohl trocknet fein!
Weiches Bettlein, schönes Liebchen,
Kurze Nächte werden's sein!

Weltjammer

O scheine, Sonne, scheine
Du gelbe Sonne du!

"Ich kann dir nimmer scheinen
Vor großer Traurigkeit.

Wenn Morgens ich erstehe,
Das Weibervolk schon greint:

Wenn Abends fort ich gehe,
Das Hirtenvolk noch weint:

Wenn ich zu Berge scheine,
Nur arme Teufel gibts!

Wenn ich zu Tale scheine,
Nur Bettelweiber gibts!

Fragen

Wozu ist mein langes Haar mir dann,
Wenn ich kein Band drein flechten kann?

Wozu ist mein Füßchen mir flink und fein,
Darf tanzen ich nicht mit dem Liebsten mein?

Wozu ist mir nur die weiße Hand,
Darf sie nicht halten den Liebsten umspannt?

Wozu ist mein Aug' mir so schwarz und scharf,
Wenns nicht mehr den Liebsten erspähen darf?

Wozu sind mir die Gedanken mein?
Zu denken, mein Liebster, allimmer dein!

Minka

"Geh doch Minka, jetzt nach Haus!"
""Will nicht, will nicht, darf nicht gehn!""

"Wer nur Minka, verwehrt es dir?"
""Tut es der Liebste, der Liebste mein.""

"Was gibt, Minka, der Liebste dir?"
""Taler, Taler, Talerlein zwei.""

"Was denn, Minka, tust du damit?"
""Kauf ein Wieglein, ein Wieglein mir.""

"Wozu, Minka, das Wiegelein?"
""Söhnlein, mein Söhnlein wiegen drein.""

"Was wirst, Minka, singen dabei?"
""Eja popei, Gott geb' bald zwei!""

Die Läuferin

Die Läuferin läuft
Am Bergesrain,
Die Nadel am Busen
Wirft glänzenden Schein,
Kaum streift den Boden
Das Füßchen klein;
Es laufen drei Bürschlein
Wohl hinterdrein,
Da spricht ihr Vater
Zu diesen drein:
Wer kann sie erlaufen
Des soll sie sein!

Mara

Auf und nieder wallt Schön Mara
An des Donaustrands Gestade,
In den Donauspiegel schaut sie,
Und sich selber drin erschaut sie,
"Gottes Wunder, Gottes Gnade,
Wie bin ich doch gar so schöne!
Meine schönen, schwarzen Augen
Alle Bursche mir bezaubern,
Sie bezaubern alle Bursche,
Sie vernichten alle Bursche
Nebst dem türkschen Harambassen,
Der dort trabt durch Kriegesmassen,
Der durch Kriegesmassen wallet,
Blanken Säbel umgeschnallet!"

Wohin damit?

Kommt zu Roß geritten
Aus dem Schloß mein Liebster,
Auf dem Pferde trägt er
Einen weißen Falken.

Auf dem Hute trägt er
Rosmarins ein Sträußlein,
Und das Rößlein wiehert,
Rosmarin erblühet.

"Meine süße Liebste,
Sprich, wohin das Rößlein?"
""O mein süßer Liebster,
Nach dem weißen Stalle!""

"Meine süße Liebste,
Sprich, wohin den Falken?"
""O mein süßer Liebster,
In mein lichtes Zimmer!""

"Meine süße Liebste,
Sprich, wohin das Sträußlein?"
""O mein süßer Liebster,
An mein blankes Mieder!""

Drei Töchter

Hatt' ein Weib drei Töchter,
Hat vermählt all dreie;
Hat vermählt die eine
Fern zum grauen Meere.

Hat vermählt die andre
Fern zum ebnen Felde,
Hat vermählt die dritte
Fern in steile Berge.

Auf Besuch die Mutter
Geht zur ersten Tochter,
Fern zum grauen Meere,
Grauen, tiefen Meere.

"Töchterchen, mein liebes,
Ist dir gut zu Mute
Hier am grauen Meere,
Grauen, tiefen Meere?"

""Gut ist mir zu Mute,
Drob sei Gott gepriesen!
Bade mich in Weine,
Trockne mich in Seide.""

Auf Besuch die Mutter
Geht zur zweiten Tochter,
Fern zum ebnen Felde,
Ebnen breiten Felde.

"Töchterchen, mein liebes,
Ist dir gut zu Mute
Hier im ebnen Felde,
Ebnen breiten Felde?"

""Gut ist mir zu Mute,
Drob sei Gott gepriesen!
Bade mich in Molken,
Trockne in Musslin mich.""

Auf Besuch die Mutter
Geht zur dritten Tochter
In die steilen Berge,
Steilen hohen Berge.

"Töchterchen, mein liebes,
Ist dir gut zu Mute
Hier in steilen Bergen,
Steilen, hohen Bergen?"

""Gut ist mir zu Mute,
Drob sich Gott erbarme!
Bade mich in Tränen,
Trockne mich in Wermut.

Jede Nacht fort eilt er,
Jede Nacht heim kehrt er,
Jede Nacht heim bringt er
Eines Toten Haupt mir.""

Weinend zieht die Mutter
Schleunig aus dem Hause,
In der Nacht nach Hause
Kommt der Mann der Tochter.

"Hörst du Weib, mein teures,
Kennst Du dieses Haupt nicht?"
""Wie sollt' ich erkennen
Meines Vaters Haupt nicht!""

"Hörst Du Weib, mein teures,
Kennst Du dieses Haupt nicht?"
""Wehe, dreimal wehe,
Meiner Mutter Haupt ist's!""

"Wenn Du aber weinest
Bring ich dich zum Schweigen,
Bring ich dich zum Schweigen,
So wie Deine Mutter."

Mit dem Munde lächelt,
Doch im Herzen weint sie,
In dem Herzen weint sie,
Atmet aus die Seele.

Des Helden Bitte
5

Auf dem schwarzen Berge
Brennt ein helles Feuer,
Dran vorüber reiten
Dreimal zehn der Helden.

Dreimal zehn der Helden,
Auserlesne Krieger;
Einer unter ihnen
Ist gar schwer verwundet.

"Bitt' um Gott euch Brüder,
Laßt mich hier nicht liegen,
Doch hinaus mich führet
Nach dem ebnen Felde;

Dort bei Sankt Johannes
Grabt mir eine Grube,
Tief für meine Büchse,
Breit für meinen Säbel.

Aber laßt mir draußen
Meine Hand, die rechte,
Aber breitet drinnen
Meinen Reitermantel.

In das Grab mir leget
Rosmarins ein Sträußlein,
An den Arm dann bindet
Mir mein Pferd, den Rappen.

Rößlein, um mich traure,
Da's nicht will die Liebste,
Trauern würd' auch Liebchen,
Wenn's die Arme wüßte!

Brüderlein, dich bitt' ich,
Wenn du gehst vorüber
An dem weißen Hofe,
Bleibe stehn und sag' ihr:

Daß ich mich vermählte
Mit der schwarzen Erde,
Daß ich mich vermählte
Mit der grünen Wiese."


Brüderlein, vielliebes,
Ist zu viel zu geben.


Liegt ein armer Krieger
In dem Turm gefangen.

Schwesterlein, mein teures,
Lös mich aus dem Kerker!

"Brüderlein, vielliebes,
Was für dich zu geben?"

Ist nicht viel zu geben:
Die drei schönen Zöpflein.

"Brüderlein, vielliebes,
Ist zu viel zu geben."


Liegt ein armer Krieger
In dem Turm gefangen.

Liebchen, teures Liebchen,
Lös' mich aus dem Kerker!

"Mein geliebter Liebster,
Was für Dich zu geben?"

Ist gar viel zu geben:
Traun, dein weißes Händchen.

"Mein geliebter Liebster,
Ist nicht viel zu geben;

Ist nicht viel zu geben,
Nur mein weißes Händchen.

Leicht für dich zu geben
Hand und auch das Leben."

Trost der Verlassenen

Wer wird, Mädchen, dann dich trösten,
Wenn ich dich verlassen hab'?

"Werden's tun die kleinen Vöglein,
Die in Lüften fliegen hin,
Und erheitern meinen Sinn."

Neue Flinte werd' ich kaufen
All die Vöglein schießen ab. —
Wer wird, Mädchen, dann dich trösten,
Wenn ich dich verlassen hab'?

"Werden's tun, die kleinen Fischlein,
Die im Meere schwimmen hin,
Und erheitern meinen Sinn."

Neue Netze werd' ich kaufen
All die Fischlein fangen ab. —
Wer wird, Mädchen, dann dich trösten,
Wenn ich dich verlassen hab'?

"Werden's tun die kleinen Röslein,
Die am Felde blühen hin,
Und erheitern meinen Sinn."

Neue Sense werd' ich kaufen,
All die Röslein mähen ab. —
Wer wird, Mädchen, dann dich trösten,
Wenn ich dich verlassen hab'?

"Werdend tun die jungen Bürschlein,
Die am Felde pfeifen hin
Und erheitern meinen Sinn."

Großen Krieg werd' ich beginnen,
All die Bürschlein fangen ab. —
Wer wird, Mädchen, dann dich trösten,
Wenn ich dich verlassen hab'?

Der Scheintote

"O baut ein Kiirchlein, Mütterchen,
Daß Messe höre, wer da sei,
Vielleicht mein Liebchen auch dabei."

Das Kirchlein baute Mütterchen,
Da kam zur Messe, wer da war,
Doch Liebchen war nicht in der Schar.

"O grabt ein Brünnlein, Mütterchen,
Daß Wasser hole, wer da sei,
Vielleicht mein Liebchen auch dabei."

Es grub das Brünnlein Mütterchen,
Da kam um Wasser, wer da war,
Doch Liebchen war nicht von der Schar.

"Sagt daß ich tot sei, Mütterchen,
Daß beten komme, wer da sei,
Vielleicht mein Liebchen auch dabei."

Daß tot ihr Sohn sagt Mütterchen
Da kam zu beten, wer da war,
Sein Liebchen eilt voran der Schar:

""Was ist das für ein Toter mir,
Der durch die Fensterladen guckt
Und mit dem Fuß zum Tanze zuckt!

Was ist das für ein Toter mir
Der Hände zum Umarmen regt
Und seinen Mund zum Kuße trägt!""

Ein Johannisfest

Johannis feiern Jungfraun drei,
Erhöhn im Dorf den Maibaum frei:
"O Königssohn, Gott mit dir sei!"

Ihr Lied so wundersam erklingt,
Daß in die Ferne weit sich's schwingt
Und bis zum neunten
6 Lande dringt.

Was spricht der junge Königssohn?
"Ist das geweihter Glocken Ton?

Ist das der Ton von Vöglein klein?
Ist das der Ton von Jungfraun rein?

Führt mir herbei ein Rößlein risch!
Daß an den Ort ich sprenge frisch!

Daß selbst ich hör' in schnellster Frist
Was für ein seltner Ton das ist!"

Da sprengt der Königssohn herbei,
Da findet er die Jungfraun drei.

Ihr Lied so wundersam erklingt,
Daß es sein ganzes Herz bezwingt.

Zur ältsten Jungfrau kehrt er sich:
"Wie sangst du deine Lieder, sprich."

Antwortet ihm die Maid: "Ich sang
Als halle der großen Glocke Klang."

Zur zweiten Jungfrau kehrt er sich:
"Wie sangst du deine Lieder, sprich."

Antwortet ihm die Maid: "Ich sang
Als klingle des kleinen Glöckleins Klang."

Zur jüngsten Jungfrau kehrt er sich:
"Wie sangst du deine Lieder, sprich."

Antwortet ihm die Maid: "Ich sang
So gut ich's kann und mir's gelang."

Die ältste Jungfrau fragt er nun:
"Sprich, was ist deines Vaters Tun?"

Antwortet ihm die Maid darauf:
"Ei, meines Vaters Tun, das ist,
Daß stets er gelben Weizen mißt."

Die zweite Jungfrau fragt er nun:
"Sprich, was ist deines Vaters Tun?"

Antwortet ihm die Maid darauf:
"Kein andres Tun mein Vater wählt,
Als daß er weiße Taler zählt."

Die jüngste Jungfrau fragt er nun:
"Sprich, was ist deines Vaters Tun?"

Antwortet ihm die Maid darauf:
"Gestorben Vater, Mutter sind,
Ich bin ein arm, verwaistes Kind."

Der Königssohn faßt ihre Hand,
Führt sie mit sich in's neunte Land;

Und also spricht er zu der Maid:
"Das ist das Stimmlein, dessen Klang
Wohl bis zum neunten Lande drang!''

Ein friedfertiger Herr

Es ragt ein blankes Schloß empor
Drei Lindenbäume stehn davor,
Jm Schatten sitzen edle Herrn,
Der Schloßherr ist des Kreises Kern.
Er nimmt ein Blumenblatt zur Hand
Und pfeift, daß bebt der Berge Wand.

Er pfeift zum erstenmal und winkt,
Herbei der erste Diener springt.
"Wie geht wohl in der Welt es zu?
Bericht' uns das, mein Diener du."

""Ich komme her vom ersten Land,
Ein fröhlich gutes Volk ich fand,
Mit aller Welt es friedlich stand.""

Er pfeift zum zweitenmal und winkt,
Herbei der zweite Diener springt.
"Wie geht wohl in der Welt es zu?
Bericht' uns das, mein Diener du."

""Ich komme her vom zweiten Land,
Ein Volk, halb Mensch, halb Pferd
7 ich fand,
Gerüstet stets in Kriegesgrimm
Und wie der Blitz so schnell und schlimm;
Die Hundeköpfe
8 drängt es schwer,
Die kennen nichts, das menschlich wär'.""

Er pfeift zum drittenmal und winkt,
Herbei der dritte Diener springt.
"Wie geht wohl in der Welt es zu?
Bericht' uns das, mein Diener du."

""Ich komme her vom dritten Land,
Wo ich ein Volk von Riesen fand;
Die Berg' auf Berge türmen sie,
Den Himmel wollen stürmen sie,
Je höh'r sie klimmend sich gerafft.
So tiefer stürzt sie Blitzeskraft.""

Er pfeift zum viertenmal und winkt,
Herbei der vierte Diener springt.
"Wie geht wohl in der Welt es zu?
Bericht' uns das, mein Diener du."

""Ich komme her vom vierten Land,
Ein Reich der Vögel dort ich fand,
Die Klaun und Schnäbel eisern sind,
Ihr Blick allein behext geschwind;
Sie wüten unter sich im Streit,
Wie Hagel fallen Tote weit.""

Er pfeift zum fünftenmal und winkt
Herbei der fünfte Diener springt.
"Wie geht wohl in der Welt es zu?
Bericht' uns das, mein Diener du."

""Ich komme her vom fünften Land,
Den König hat das Wild ernannt,
Ein jedes will nur mehr und mehr,
Doch zittert's für sich selber sehr,
Ein Heulen, Brüllen Nacht und Tag:
Glück Jedem, der's nicht wissen mag!"" —

Er pfeift zum sechstenmal und winkt,
Herbei der sechste Diener springt,
"Wie geht wohl in der Welt es zu?
Bericht' uns das, mein Diener du."

""Ich komme her vom sechsten Land,
Wo kluge Köpf' ich herrschend fand,
Geheimnisse durchdenken sie,
Mit Blicken Alle lenken sie,
Weißbärte sprechen dort so fein
Als ob sie pflanzten Blümelein;
Leicht ohne Speisen, ohne Trank
Lauscht' ihnen ich mein Lebelang.""

Er pfeift zum siebenten Mal und winkt,
Herbei der siebente Diener springt,
"Wie geht wohl in der Welt es zu?
Bericht' uns das, mein Diener du."

""Ich komme her vom siebenten Land
Wo Helden ich als Herrscher fand,
Von aller Welt mit Ruhm genannt.
Sie stimmen, wo sie gehn im Frei'n
Nur Heldenlieder, Heldenreih'n,
Für sie ist in der Welt nichts schwer,
Wenn's gilt ersiegen Ruhm und Ehr;
So weit des Meeres Woge wallt
Herrscht ihres Feldpanier's Gewalt,
Geleitet sie manch Talisman,
Der gegen Unheil schützen kann,""

Er pfeift zum achten Mal und winkt,
Ein Vögelein herbei sich schwingt.
"Wie geht wohl in der Welt es zu?
Bericht' uns das, mein Vöglein du."

""Ich komme her vom achten Land,
Wohin kein Pfad von hier bekannt;
Es herrschen Fraun und Jungfräulein
Dort ohne Männer ganz allein,
Und ihre Schönheit sänftigt mild
All' was da lebt, selbst grimmes Wild;
Von Straßen ist durchfurcht das Land,
Vorn gold'ner Hügel Zaun umspannt,
Auf Goldsand rinnt das Wasser auch,
Die Blumen duften Gottes Hauch;
Doch wer da lüstern nach dem Reich
Fällt schonungslos dem Todesstreich,
Uns schützen Himmels Mächt'ge gleich.
Der Frieden ist verbrieft gar gut,
Die Unterschrift, die reines Blut,
Zu löschen hat kein Kaiser Mut.""

Er pfeift zum neunten Mal und winkt,
Ein weißes Entchen her sich schwingt,
Drei Federn flink es fallen ließ,
Ein Maidlein wie vom Himmel ist's!
"Wie geht wohl in der Welt es zu?
Berich't uns das, lieb Mädchen du."

""Ich komme her vom neunten Land,
Wohin den Weg noch Keiner fand.
Da herrschen Weiber über's Reich
Die weiser sind als wer von euch.
Gar manches Mannweib find'st du da,
Das schwarze Kunst dich lehren kann,
Sich und das Reich entrückt im Bann.""
Sie öffnet einen kleinen Schrein
Und streut daraus Gewürzstaub fein,
Verschwunden wie ein Blitz ist sie
Und Keiner weiß wohin und wie?

Der edle Schloßherr aber spricht:
"Wir kämpfen mit den Weibern nicht,
Die Ruh'gen lassen wir in Ruh,
Die Hundeköpfe noch dazu.
So bleiben selber wir in Ruh."

Terdoglav 9

Ragt ein schwarzes Schloß empor
Das nicht Fenster hat noch Tor,
Innen hell von Gold es glänzt,
Außen nur von Moos umkränzt.
Nur ein Fenster auswärts geht,
Dran Marjetiza jetzt steht,
Kämmend ihr lang wallend Haar,
Draus entfliegen Perlen klar,
Und Demantensteine klein,
Alles rings wirft goldnen Schein.

Kam ein junger Königssohn,
Einst bestimmt für Spaniens Thron,
Hasen jetzt im Feld er jagt;
Dieser spricht zu ihr und sagt:
"O, von Leib so schön und rein,
Möchtest du getauft nur sein,
Traun, du müßtest werden mein!"
""Ward zur Taufe längst gesandt
Und Marjetiza benannt,
Dir als Schwester blutverwandt!""

"In dies Schloß wie kamst du her?
Künde, Schwester, mir die Mähr'."

""Als vom Taufstein mich gebracht,
Patenvolk, jung, unbedacht,
Legt's am Kreuzweg nieder mich,
Schlug kein Kreuz auch über mich,
Schnell kam Terdoglav heran,
Hoffend, daß er mich gewann.
Neun der Ammen dienten mir,
Tugend war nicht ihre Zier,
Sie betranken fleißig sich,
Schlugen nie das Kreuz für mich,
Bis mich Terdoglav errafft
Und gebracht in diese Haft.""

"Kann ich dir ein Helfer sein?
Dich erlösen, Schwesterlein?"

""Brüderlein, o leicht, gar leicht
Wird mir Hülf' in dir erreicht!
Von heut' Abend noch acht Tag'
Am Quatember-Donnerstag
Mußt vor diesem Schloß du sein,
Terdoglav ist nicht daheim.
Er verreist nach Ungarn fort,
Denn zwei Männer schwören dort,
Eine Seele wird dann sein!
Bringe diese Gaben fein:
Weihewassers Tropfen drei,
Bring' dazu der Körner drei
Von Sankt Stefanssalz herbei:
Nebst Marienkerzen sei,
Noch ein Meßgewand mit dir,
Es zu breiten unter mir.""

Übend treu was sie beschloß,
Kam er als die Woch' entfloß;
Terdoglav ist nicht im Schloß,
Ist verreist nach Ungarn fort,
Denn zwei Männer schwören dort,
Eine Seele wird da sein!
Jetzt besprengt das Brüderlein
Dreimal mit dem Weihbronn sie,
Dreimal mit dem Salze sie,
Brennt Marienkerzen an,
Legt das Meßkleid auf den Plan,
Drauf an goldner Kette fest
Sich das Mädchen niederläßt,
Doch gewalt'ger Klang erklingt,
Daß er in neun Länder dringt.
Terdoglav sich drob entsetzt:
"Schwöret! Eile treibt mich jetzt!
Da die goldne Kette hallt,
Litt Marjetiza Gewalt."

Terdoglav kommt heimgerannt,
Längst Marjetiza entschwand.

Und er sprach zum Königssohn:
"Trugst Marjetiza davon,
Doch sie wird zum Weib dir nie,
Denn du nennest Schwester sie,
Drum, o laß sie bleiben mein,
Was dafür du willst sei dein."

""Bring', daß ich sie lasse dir,
Eine goldne Henne mir,
Goldne Küchlein obendrein,
Dann soll sie dir eigen sein.""

Terdoglav bringt alles flink,
Auf des Königssohnes Wink.

Dieser spricht: ""Glaubst du sie sei
Feil um solche Kinderei?
Bring' ein Schloß von Golde mir,
Dann erst wird das Mädchen dir.""

Terdoglav bringt Alles flink
Auf des Königssohnes Wink.

Dieser spricht: ""Dein sei die Maid,
Wenn zu waten eine Zeit,
Durch's Taufwasser du bereit.""
Terdoglav darauf ihm sagt:
"Kauf mit dir mir nicht behagt."

Zu dem Mädchen ging er dann,
Tat ihr schön und so begann:
"Komm, Marjetiza, sei mein,
Wird dir nicht so übel sein."

""Bring' mir einen Kamm von Gold,
Der das gelbe Haar mir rollt."

Goldnen Kamm bracht' er heran,
Schmeichelnd wieder er begann:
"Komm, Marjetiza, sei mein,
War nicht schlecht bei mir zu sein."
""Bürst' und Wanne bring' aus Gold,
Daß ich mit dir wandle hold.""

Beides bracht' er flink heran,
Schmeichelnd wieder er begann:
"Komm, Marjetiza, sei mein,
War's bei mir so übel sein?"

""Mit dir geh' ich nicht zurück,
Bis du Goldes gabst solch Stück,
Daß ein Schloß ich baue draus.
Eh' ich ziehn mag in dein Haus.""

Terdoglav bringt ihr auch dies,
Drauf ein Schloß sie bauen ließ,
Rief dann Mönche noch hinein,
Die das Schloß mit Segen weihn,
Daß man drin mag sorglos sein.

Terdoglav daraus entwich,
Riß das halbe Schloß mit sich.

Im Tode Wahrheit

Es steht, es steht ein weißes Schloß,
Der junge Burgherr wallt durchs Schloß,
Er ruft zu sich nun seinen Knecht,
Gehorsamen, getreuen Knecht:
"Mein Knecht, mein Knecht, nun ungesäumt
Vernimm was mir heut Nacht geträumt,
Daß mir zu eigen Täubchen zwei;
Entflogen sind mir alle zwei,
Zur Kirch' am Berg das eine zog,
Und nimmermehr zurück mir flog,
Zum Dorf im Tal das andre zog,
Zu meinem Lieb Marjetka flog.
Nun sattle flink der Pferde zwei,
Mir eines, dir das andre sei.

Er schwingt sich auf das Rößelein,
Wie ein gefiedert Vögelein,
Er reitet fort und immer fort
Zum Dorf im Tal zur Liebsten dort.
Es steht am Tore trauersam
Die Supanin
10 und scheint voll Gram,
"O sprecht, was ist euch Supanin,
Daß heut so traurig euer Sinn?
Und ist Marjetika daheim,
Hat sie gefahn das Täubelein?"
""Die läuft wohl keinem Täubchen nach,
Die ringt am Todbett im Gemach!""

Er tritt ins lichte Kämmerlein.
Da liegt sie krank und ächzt gar schwer.
Ein seidnes Säckchen öffnet er
Und zieht hervor ein edles Kraut:
"Dies sei, Marjetka, dir vertraut;
Sollst du genesen, Liebchen mein,
Schnell wird davon dir besser sein,
Doch sollst du sterben, Liebchen mein,
Schnell wird davon dir schlimmer sein."

Er schwingt sich auf das Rößelein,
Wie ein gefiedert Vögelein,
Er reitet fort und immer fort
Bis zu dem weißen Schlosse dort.
Da nahm er weder Speis' noch Trank,
Bis wieder er zu Roß sich schwang.
Die Supanin am Schwellenrain
Wischt sich die schwarzen Äugelein,
"Was wischt ihr, so betrübt von Sinn
Die schwarzen Äuglein, Supanin?"
""Wie soll ich nicht in Tränen sein?
Gestorben ist Marjetka mein.""

Er geht hinauf ins Kämmerlein.
Marjetka liegt im Totenschrein,
Ein Rosenstrauß im Arm ihr liegt,
Ein goldner Kranz ihr Haupt umschmiegt.
Er nimmt vom Arm den Strauß hinweg,
Er nimmt vom Haupt den Kranz hinweg:
"Nicht ziemt, Marjetka, dieser dir,
Zwei Söhnlein ja gebar'st du mir,
Der eine soll einst Priester sein,
Die Mutter vom Fegfeuer befrein."

Lamberg und Pegam 11

Das weiße Wien vor euch dort steht,
Vernehmt nun wie's in Wien ergeht!
Es liegt ein Marktplatz mitten drin,
Drauf sproßet eine Linde grün
Und kühlt mit ihrem Schatten Wien.
Ein gelber Tisch im Schattenplan,
Von Stühlen ist der Tisch umfahn,
Viel große Herren sitzen da
Der Majestät des Kaisers nah.
Da trabt Herr Pegam stolz heran,
Zum mächt'gen Kaiser hebt er an:
"Hast du den Helden unter dir,
Der sich im Kampfe mißt mit mir?"
Antwortet ihm der Kaiser dann:
"Was fragst du? Traun, ich weiß den Mann,
Der dich vom Sattel werfen kann!
Sein Nam' ist Christoph Lamberger,
Nicht groß, wohl aber breit ist er,
Auf grauer Felswand nistet er.
Nur weit von hier ist er daheim
Im Krainerland am weißen Stein."
Und ist er nah, so schickt um ihn,
Und ist er fern, so schreibt um ihn!
Ein Bursche wird zu finden sein,
Dem kund der Weg zum weißen Stein?
Ein Bürschlein jung fand bald sich ein,
Dem kund der Weg zum weißen Stein;
Er nahm wohl unteren Arm den Hut,
Nahm in die Hand das Brieflein gut.

Der Bursche durch die Felder geht,
Herr Lamberg dort am Fenster steht,
Und also spricht und redet er:
"Ein Wienerbürschlein kommt daher,
Und bringt wohl neue Wienermähr!"
Dem Boten er entgegen wallt
Und trifft ihn auf der Treppe bald,
Mit einer Hand er ihn umfangt,
Um's Brieflein mit der andern langt.
Das Schreiben er gar schnell durchliest,
Zum Mütterlein dann sprach er dies:
"Alt Mütterlein, was sag ich dir,
Der böse Pegam schickt nach mir!"
Antwortet drauf alt Mütterlein:
"Du hast ein Roß, wie'n Vögelein,
Das kam noch nie an's Sonnenlicht
Und sah den weißen Tag noch nicht,
Steht an der Krippe sieben Jahr,
Trank nie vom Quelle kalt und klar,
Das trinkt nur süßen welschen Wein
12
Und kaut das goldne Weizkörnlein.
Zwei Teufel stehn dem Pegam bei,
Besiegen wirst du alle zwei!
Du wirst ihn mit drei Häuptern sehn,
Die beiden äußern lasse stehn,
Doch soll dein Schwert das mittre mähn!"
Er schwingt sich auf sein schnelles Roß,
Das flink mit ihm von dannen schoß,
Er saust euch wie ein Donnerkeil,
Und hält euch nirgends Rast und Weil',
Wie in der Luft das Vöglein schnell.
Am nächsten Tag war er zur Stell'.

Er sprengt die Wienerstadt entlang,
Der Scheiben Glas in Splitter sprang,
Der Löffel sank aus Pegams Hand,
Der eben froh beim Mahl sich fand:
"Herbei, herbei, du mein Lakai!
Sprich ob Erdbeben, Donner grollt?
Ob Sturmwinds Wagen kommt gerollt?"
""Nicht Donner, nicht Erdbeben grollt,
Nicht Sturmwinds Wagen kommt gerollt,
Der Herr Lamberger trabt herein.""

Zum Imbiß lädt ihn Pegam ein,
Doch also Herr Lamberger spricht:
"Ich kam zu dir zu Gaste nicht,
Doch kam ich dir zum Kampfe her,
Dein graues Haupt zu treffen schwer,
Und deine Feder weiß und rein,
Ein goldner Rand umsäumt sie fein,
Zu treten in den Kot hinein!"
Drauf Pegam ihm erwidert so:
"Mich macht ein einzig Ding unfroh,
Mich dauert dein spinatfarb Hemd,
Jetzt wird es bald mit Blut verbrämt!""
Und weiter fragt ihn Pegam fort:
""Sprich, wo für unsern Kampf der Ort,
Ob in des Kaisers Hof wir gehn?
Ob in den Straßen Wiens wir stehn?""
Herr Lamberger entgegen spricht:
"In Höfen man die Schweine sticht,
In Gassen Weiberzunge ficht,
Da schlagen sich die Helden nicht!
Laß auf das ebne Feld uns gehn,
Daß uns die Leute alle sehn,
Und alle Herren von ganz Wien!"
Da wallten sie zur Ebne hin.

Jetzt rennen an zum Strauß die Zwei,
Sie sausen Ohr an Ohr vorbei,
Doch bleiben Beid' an Schaden frei,
Die Helme flogen auf den Grund,
Und wieder sprach des Pegams Mund:
"Noch siegte über mich kein Mann!
Ficht, Christoph, dies dein Herz nicht an
Dein Rößlein doch wird trauern dann,
Allein im Feld wird's irren fern,
Und suchen wird es seinen Herrn."
Drauf Christoph ihm erwidernd spricht:
"Was mir jetzt einzig von Gewicht,
Dran denkst du wohl im mind'sten nicht!
Dein schönes Weib im Seidenkleid,
So jung bestimmt zu Witwenleid,
Weiß Gott, sie wird von mir gefreit!"

Pegam sprengt an zum zweiten Stoß,
Nun Christophs Blut vom Finger floß,
Geschah ihm erst nicht Leides groß.
Ansprengen sie zum Dritten dann,
Jetzt greifen sie sich wacker an!
Aufs Mittelhaupt zielt Christoph bloß,
Die äußern zwei hält er nicht groß,
Und haut vom Rumpf das mittre los.
Drauf fängt er's auf dem Speere hoh,
Und trägt es vor den Kaiser froh.

Des Kaisers Majestät begann:
"Was willst zu Lohn du, tapfrer Mann?
Willst hundert weiße Burgen du?"
Herr Lamberger doch sprach dazu:
""O gebt mir nur neunzig und neun,
Das wird noch mehr zu zählen sein!"

König Marko 13

Ein grauer Fels, ein weißes Schloß,
Drin wuchs der junge Marko groß,
Drin wohnt er und Alenka fein,
Ein schönes Türkenmägdelein.
Sie standen auf des Morgens früh,
Zum hohen Gange wandeln sie,
Die breiten Fenster öffnen sie,
Alenka also zu ihm spricht:
"Wie kommt es wohl, daß heut so dicht,
Der Nebel dort das Feld umflicht?"
Antwortet so Jung Marko drauf:
"Das ist fürwahr kein Nebelrauch,
Das ist nur türk'scher Rosse Hauch;
Die reiten wohl zu Gast mir auch.
Wenn sie am Schlosse reiten vor,
Dann öffne ihnen selbst das Tor;
Und fragen sie um Marko dich,
Gebärden sie echt türkisch sich,
Dies ihnen dann als Antwort sprich:
Es ist Jung Marko nicht zu Haus,
Und kommt auch Abends nicht nach Haus,
Und bleibt wohl auch noch morgen aus.
Mach ihnen Platz am gelben Tisch,
Gib vollauf Trank und Speisen frisch,
Doch ihre Waffen insgeheim
Verberge tief im Kämmerlein.
Indes schleif' ich den Säbel bloß,
Daß zittern soll das weiße Schloß."
Am Schloß die Türken reiten vor,
Alenka öffnet selbst das Tor,
Empfängt sie mit der rechten Hand,
Umfängt sie mit der linken Hand:
14
"Ihr Türken, seid willkommen mir!
Nicht trefft daheim Jung Marko ihr,
Er kommt auch Abends nicht nach Haus
Und bleibt wohl auch noch morgen aus."

Sie setzt sie an den gelben Tisch,
Bringt vollauf Trank und Speisen frisch,
Doch ihre Waffen insgeheim
Verbirgt sie tief im Kämmerlein.
Vom Weine trinkt sie ihnen zu,
Gießt ihn ins Mieder aus im Nu,
Den Säbel schleift Jung Marko bloß,
Daß zittern muß das weiße Schloß.
Da fragt der Türken einer sie:
"Wie kommt denn dies, wie ist dies, wie,
Daß es so lärmt dort oben hoch?
Wohl ist daheim Jung Marko noch,
Der droben seinen Säbel wetzt?"
Alenka aber drauf versetzt:
"Nicht ist daheim Jung Marko jetzt,
Und kommt auch Abends nicht nach Haus,
Und bleibt wohl auch noch morgen aus.
Nur unsre Hühner scharren so,
Und bringen junge Eier froh."

Vom Weine trinkt sie ihnen zu,
Gießt ihn ins Mieder aus im Nu,
Sie macht die Türken Weines voll,
Daß sie am Grund sich wälzen toll.
Da springt Jung Marko rasch herein,
Er schwingt herum sein Säbelein,
Daß alle Türken sinken drein.

Sich bergend unterm Tisch, entfloh
Ein Türk allein, der spricht jetzt so:
"Jung Marko, dieses Bitt' ich dich,
O lasse du am Leben mich,
Am Leben mich und unverletzt,
Daß ich dann Jedem sagen kann,
Was Marko für ein Held und Mann!"
Jung Marko drauf ihm dies versetzt:
"Ich will dich lassen leben jetzt,
Zwar leben, doch nicht unverletzt."
Zog unterm Tisch ihn vor hernach,
Und seine Rippen ihm zerbrach,
Und seine Augen ihm ausstach.
Drauf setzt' er ihn aufs Pferd gewandt,
Gab ihm die eigne Fahn' zur Hand,
Dies Wort hat er zugleich entsandt:
"So! Bring dem Türkenkaiser dies
Und also sag ihm ganz gewiß:
Sollt' ihm um mich zu tun es sein,
Komm' er zu mir als Gast allein,
Daß wir versuchen uns, wir Zwei,
Ein größrer Held wer von uns sei?"

Der Türke reitet still davon
Bis tief im Türkenlande fort;
Der Kaiser steht am Fenster dort,
Er ruft zu sich die Kaiserin:
"Hierher, hierher, o Kaiserin,
Das gibt uns endlich frohen Sinn,
Die Türken reiten schon nach Haus,
Sie tragen Markos Fahn' voraus,
Ihn selbst führt hinten wohl der Troß."
Und wie der Türke ritt ans Schloß,
Der Türkenkaiser zu ihm spricht:
"Warst du zu Gast bei Marko nicht?"
Der Diener drauf dies Wort erfaßt:
"Wohl war bei Marko ich zu Gast,
In Teufelsklaun doch lieber fast!
Die Rippen er mir dort zerbrach
Die Augen er mir dort ausstach;
Drauf setzt er mich zu Pferd gewandt.
Gab seine Fahn' in meine Hand,
Dies Wort auch hat er dir entsandt:
Sollt' um ihn dir zu tun es sein,
Geh selbst zu ihm als Gast allein,
Daß ihr euch dort versucht, ihr Zwei,
Ein größrer Held wer von euch sei?"

Drei Brüder

Das waren edler Helden drei:
Ha, Marko jung und Debelak,
Der dritte dann war Jankotitsch.
Jung Marko so zu ihnen sprach:
"Nun, laßt euch sagen, Brüder mein,
Die Glieder bindet mir recht fest,
In Schellen Arm und Bein mir preßt,
Knüpft Knoten in die Schlingen auch,
Einschmiedet mich nach Türkenbrauch,
Und werft in dunklen Kerker mich.
Dann geht ins tiefe Türkenland
Und bietet dort mich zum Verkauf
Um eine Saumlast gelben Golds,
Um eine weißer Talerstück,
Und zwanzig weiße Gulden drein."

Sie gehn ins tiefe Türkenland,
Sie gaben Marko dort zum Kauf
Um eine Saumlast gelben Golds,
Um eine weißer Talerstück,
Und zwanzig weiße Gulden drein.
Drauf also fragte Jankotitsch:
"Was sag' ich, gibst du, Türkenzar,
Wohl siebenhundert Krieger mit?"
""Noch drauf geb' ich dir siebenzehn
Und will auch selber mit euch gehn!""
Sie brechen auf und wallen fort,
Wohl weit dahin in fernes Land,
Wo Markos dunkler Kerker stand.

So aber sprach der Türkenzar:
"Laß mich den jungen Marko sehn,
Doch nimmer frei und ungeschwächt,
Nach Türkenart geschmiedet recht."
Den dunklen Turm sie öffnen frisch,
Wo Marko sitzt an seinem Tisch
Und mit den Zähnen knirscht ergrimmt,
Daß Feuer rings im Kerker flimmt.
Und also sprach der Türkenzar:
"Kein junger Marko ist's, fürwahr,
Das ist der Höllenteufel gar!"
Jung Marko führen sie mit sich,
Sie ziehn ins tiefe Türkenland,
Wohl weit dahin in fernes Land,
Bis an des Flusses Kulpa Strand.

So aber sprach Jung Marko jetzt:
"O Gnade, Gnade, Türkenzar!
Gefangne hatt' ich selber einst,
Doch jedem tat ich eine Gunst,
So tu auch du mir, Türkenzar!
Mach frei mir rechten Arm und Fuß,
Daß ich das Haupt mir wasch' im Fluß,
Im Haupte fühl' ich argen Schmerz
Und auch nicht wohl ists mir ums Herz,
O gebt mir doch mein Säblein her,
Mein Säblein, das zwei Zentner schwer,
Zwei Zentner und drei Pfunde mehr!"
Sie reichen ihm ein Becken dar,
Und auch sein blankes Säblein dar.
Er hieb die Türken und zerhieb,
Wohl siebenhundert und siebzehn.

Schnell zog Jung Marko heim und trat
Zuerst ins Schloß des Jankotitsch.
Die Brüder sitzen an dem Tisch
Und teilen sich die Gelder froh.
Jung Marko aber sagte so:
"Was teilt ihr unter euch das Gold,
Das ihr doch nicht verzehren sollt?"
Zog aus der Scheid' sein Säblein scharf,
Vom Rumpf die Köpf er beiden warf.

Des Woiwoden Janko Hochzeit 15

Hat verlobt sich der Woiwode Janko
In der Ferne, im Lateinerlande.
Schreibt gar schlau der schelmische Lateiner
Einen Brief dem Woiwoden Janko:
"Lade, Janko, schmucke Hochzeitgäste,
Nur den Helden Sekol mir nicht lade,
Der nicht ißt, nicht trinkt vor Überklugheit,
Der ein Schalk voll List und Schelmereien."

Janko ladet schmucke Hockzeitgäste,
Nur den Helden Sekol er nicht ladet.
Spricht Held Sekol traurig diese Worte:
"Gott mit euch, mein Mütterlein, mein altes!
Wie verwirkten wir des Oheims Gnade,
Daß er uns nicht lud zum Hochzeitmahle?"
Gab sein altes Mütterlein ihm Antwort:
"Steig' aufs Roß, daß es der Ohm nicht wisse,
Nimm dein Schwert, daß es der Ohm nicht merke,
Menge so dich zu den Hochzeitgästen."
Also zog er zum Lateinerlande.

Trat vor sie der schelmische Lateiner,
Gab das erste Probestück zu lösen;
Also sprach der schelmische Lateiner:
"Gott sei gnädig dir Woiwode Janko,
Hast du nicht in deiner Schar den Helden
Der drei gleiche Lanzen überspringe!"
Ward nicht gut zu Mut den Hochzeitgästen,
Alle sahn beschämt zur Erde nieder.
Trat hervor Held Sekol aus der Menge,
Übersprang gewandt drei gleiche Lanzen.

Trat vor sie der schelmische Lateiner,
Gab das zweite Probestück zu lösen,
Spießt' auf eine Lanze einen Apfel,
Und so sprach der schelmische Lateiner:
"Gott sei gnädig dir, Woiwode Janko,
Hast du nicht in deiner Schar den Helden,
Der den Apfel auf dem Speer durchschieße!"
Ward nicht gut zu Mut den Hochzeitgästen,
Alle sahn beschämt zur Erde nieder.
Doch nicht also hat getan Held Sekol,
Hat am Speer den Apfel rasch durchschossen.

Trat vor sie der schelmische Lateiner,
Gab das dritte Probestück zu lösen,
Stellte vor sie hin neun schöne Jungfraun,
Ähnlich ganz an Aug' und Antlitz alle,
Und so sprach der schelmische Lateiner:
"Gott sei gnädig dir, Woiwode Janko,
Wählst du nicht aus diesen Neun die Rechte!"
Ward nicht gut zu Mut den Hochzeitgästen,
Alle sahn beschämt zur Erde nieder.
Trat gar flink Held Sekol aus der Menge,
Breitet' auf den Grund den Seidenmantel,
Legte drauf drei blanke Golddukaten:
"Frisch heran nun, ihr Lateinermädchen!
Nimmt nicht Janko's wahre Braut die Münzen,
Haut mein Säbel allen ab die Köpfe."
Lief heran die wahre Braut des Janko,
Hob empor die blanken Golddukaten,
Nahm vom Boden auch den Seidenmantel,
Warf ihn wieder hin dem Helden Sekol.

Als zu seinem weißen Schloß er kehrte,
Sprach Held Sekol fröhlich diese Worte:
"Gott mit euch, mein Mütterlein, mein altes!
Meinte dort der schelmische Lateiner,
Daß kein Held sich find' in unsrer Mitte,
Der sich messe seinen Schelmenkünsten!"

Sankt Ulrich 16

Sankt Ulrich stand frühmorgens auf,
Er rief zu sich sein Mütterlein:
"Wohlauf, wohlauf, mein Mütterlein,
Und legt mir meinen Traum nun aus:
Durch ein halb Stündchen träumte mir
Hochzeiter sei mein Brüderlein,
Mein Brüderlein, der Papst in Rom."

Die alte Mutter redet so:
"Nur schnell, nur schnell, Ulrich mein Sohn,
Und deinen Diener ruf herbei,
Der sattle dir der Rößlein zwei,
Daß eins für dich, für ihn eins sei,
Daß ihr nach Rom dann hurtig trabt.
Wenn ihr versäumt die Hochzeit habt,
Dann gibt's nicht heil'ge Messen mehr,
Gibt's keinen heil'gen Ablaß mehr,
Gibt's keine heil'gen Feste mehr!"
Aufzäumt der Knecht zwei Rößelein,
Eins ist für Ulrich, eines sein,
Sie steigen auf, sie traben fort,
Sie reiten weithin, fort und fort,
Bis fern nach Rom, dem heil'gen Port.

Der Papst, der dort am Fenster steht,
Dem Bruder schnell entgegen geht:
"Kommst du zu Gaste mir herbei?
Kommst du zur Hochzeit mir herbei?
Willst du mein Hochzeitmeister sein?"
""Nicht komm' ich dir zu Gaste her,
Doch komm' ich wohl zur Hochzeit her,
Soll ich dein Hochzeitmeister sein,
Die Gäste lade schnell mir ein."

Die Braut zu ihnen dieses spricht:
"Ihr kommt mir in die Kirche nicht,
Bis ihr mir löst drei Rätsel auf!"

Das erste Rätsel gibt sie auf:
"Wo ist die Erd' am schwersten wohl?" —
Stumm sind die andern Hochzeitgäst',
Sankt Ulrich nur sich hören läßt:
"Da wird die Erd' am schwersten sein
Wo sie Herrn Jesus gruben ein,
Auf seinem Grabe liegt ein Stein."

Das zweite Rätsel gibt sie auf:
"Wie lang ist und wie breit die Welt?" —
Stumm sind die andern Hochzeitgäst',
Sankt Ulrich nur sich hören läßt:
"Gleich lang als breit, wenn gut ihr meßt!"

Das dritte Rätsel gibt sie auf:
"Wie weit vom Himmel ist's zur Höll'?" —
Stumm sind die andern Hochzeitgäst',
Sankt Ulrich nur sich hören läßt:
"Daß du mich fragst begreif' ich kaum,
Da du durchmessen selbst den Raum,
Als Gott dich warf zum Höllengrund!"

Sankt Ulrich liest die Bibel laut,
Da wächst ein Hörnleinpaar der Braut,
Die Erde vor ihr weitaus springt
Und tief in sich die Braut verschlingt.