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Quelle:
Blätter der Liebe
Anastasius Grün
Stuttgart 1830
Druck und Verlag Gebrüder Franckh
Widmung
An meine Mutter
Rasch springt der Seemann aus des Schiffes Mitte,
Das ihn zur Heimat trug vom Inderlande,
Kniet freudetränend erst am Heimatstrande,
Dann eilt er schnell zu seiner Mutter Hütte.
Ein Blumenstrauß allein, im Ost gezogen,
Aus fernem glüh'ndem Boden aufgekeimet,
Vom fernen, blauern Himmel mild umsäumet,
Getränket von des Ganges lichter'n Wogen,
Blieb als Erinn'rung ihm an schön're Auen;
Doch den selbst legt er ihr zu Fußen nieder. —
Bald scheidet er, bald auf dem Meere wieder
Treibt er durch Sturm und Nacht und Wettergrauen.
Doch oft vor'm Strauß sieht man die Mutter stehen,
Ihn sorgsam pflegend, wähnt sie jene Auen
Mit selt'nen Blüten vollgeschmückt zu schauen,
Und sieht den Sohn fern durch die Blumen gehen. —
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Nach einem Eiland trieb's mich immer wieder,
Wo ich einst Blumen pflückt' im Jugendtriebe,
Und jenes Land heißt sonst das Land der Liebe,
Und meine Blumen nennt bei uns man Lieder.
Zwar jenes Eiland seh' ich nimmer wieder,
Wo ich so sanft auf üppig Grün gebettet;
Doch jenen Strauß hab' ich im Sturm gerettet,
Vor Dir, o Mutter, leg' ich jetzt ihn nieder.
Die Blumen sind entblühet schön'rem Boden:
Der Teuren Angesicht als Morgenröte,
Umglühte einstens ihre stillen Beete,
Sanft als Zephyr umhauchte sie ihr Odem;
Und auf die Blumen glänzten ihre Augen,
Und jene blickten sehnend stets zu ihnen,
Des Tag's: weil sie ein blauer Himmel schienen,
Des Nachts: weil Sterne, d'raus sie Glanz entsaugen.
Wie Sonnenfäden in des Äthers Auen,
So hielt ihr Haar die Blumen goldumschlungen,
Rings hüpft' der Küsse Schar als Gärtnerjungen,
Auch fehlten Tränen nicht, sie zu betauen.
Was Wunder, daß bei solcher Pfleg' und Erden
So schnell gesproßt, geknosp't, geblüht die Keime? —
Du füllst mit Blumen gern der Fenster Räume,
So mög' auch meinem Strauß ein Ruh'platz werden;
Dann, wenn sich Winterstürme draußen ballen,
Wird er im Haus ein Stückchen Lenz Dir zeigen,
Empor wird Dir das schöne Eiland steigen,
Deß Haine ich einst liebte zu durchwallen.
Doch auch im Meeressturm wirst Du mich sehen
Mein Aug' vertrauend, dankend aufwärts wenden,
Das deutungsvolle Sträußchen fest in Händen,
Auf meines Schiff's zerschellten Trümmern stehen.