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Quelle:
Anastasius Grün
Spaziergänge eines Wiener Poeten
Hamburg 1831
Verlag von Hoffmann und Campe
Auf! gewalt'ges Österreich!
Vorwärts! tut's den andern gleich!
Vorwärts!
Uhland
Spaziergänge
Aus der dumpfen Siechenstube nach den frischen, grünen Hainen
Läßt der Kranke gern sich leiten von den liebevollen Seinen,
Daß er dort ins Gras sich lagre, Kraft und neuer Glanz sein Auge,
Seine Seele Mut und Hoffnung aus dem Grün der Wiesen sauge.
Aus dem Finstern an die Sonne wird geführt der arme Blinde,
Ach, daß nur ein Funke Lichtes Zugang in sein Dunkel finde!
Die versiegten Augenhöhlen glühen dann gleich Flammenbronnen,
Wie zwei runde Purpurrosen, wie zwei große rote Sonnen.
Wenn der Wächter dem Gefangnen einen Festtag will bereiten,
Aus dem Kerker auf ein Stündchen läßt er an die Luft ihn schreiten,
Daß er seh', wie sie der Freiheit auf der Welt viel Raum noch gönnen,
Da die Wolken frei noch segeln, frei die Vögel singen können!
Also bin auch ich gestiegen auf der Hügel sonn'ge Rücken,
Wenn's wie Nacht der Blindheit unten dunkelte vor meinen Blicken,
Also sucht' ich freie Bergluft, wenn ich Kerkerluft gewittert,
Und das Grün, der Hoffnung Farbe, wenn mein Herz krank und zersplittert.
In der Stadt, darin ich wohne, gibts viel Klöster und Kasernen,
Ries'ge Aktenarsenale, Dome ragend zu den Sternen,
Und dazwischen kleine Männlein, rufend im Triumphestone:
Seht, wir sind die Weltregierer, wir mit Canon und Kanone!
So geschieht's denn, daß die Glocken brüllen allzugrell bisweilen,
Daß zu stark die Einen trommeln, und zu laut die Andern heulen,
Daß der Dampf der Weihrauchfässer allzudick die Luft verhülle;
O dann such' ich auf den Bergen Licht und frische Luft und Stille.
So läßt Vieles leicht sich tragen, was zu Boden könnte pressen,
Wenn man nur für gute Sohlen nicht zu sorgen hat vergessen,
Wenn der Lenker der Gestirne nur des Herzens Wunsch erhörte,
Und das Wen'ge, d'rum ich flehe, wie bisher fortan gewahrte:
Daß er fest und aufrecht wandeln, nicht am Krückenstab mich humpeln,
Daß er nicht die schönen Berge über'n Haufen lasse rumpeln,
Daß er seines Schöpferodems einen Hauch fortan mir borge,
Und ein bißchen frische Bergluft, Sonnenschein und Grün besorge.
Frühlingsgedanken
Geschrieben auf dem Cobenzlberge
Fern der Stadt, auf einem Hügel, saß ich unterm grünen Baum,
Der mir säuselnd um die Schläfen spielte, wie ein Frühlingstraum,
Frei die Blicke ließ ich schweifen über Felder, Höhn und Wald,
Bis die fernen, blauen Berge ihnen höhnend riefen: Halt!
Sieh, da nahmen die Gedanken ihren leichten Wanderstab,
Schritten über jene Berge, jenseits in das Tal hinab,
Schritten fort unaufgehalten, über neue Bergeswand,
Und sie sahn, so weit sie wallten, ringsum schönes, reiches Land!
Herrscher dieses schönen Landes, säßest du statt meiner hier!
Säuselten, wie Frühlingsträume, um das Haupt die Zweige dir!
Riefst du in das Tal hernieder, wie ich's gerne rufen mag:
Österreich, du Land des Ostens, auch in dir nun werd' es Tag! —
Vaterland, von Gott gesegnet also reich mit jeder Lust,
Daß für dich der Überreiche andre fast enterben mußt'!
O entrolle mir die Bücher deiner Taten, inhaltschwer!
Solche Saat muß stehn voll Garben, voll von Perlen solch ein Meer!?
Wohl hast du dir große Taten, — deiner Söhne Stolz und Mut! —
Wie gediegnes Gold gesammelt, schreitend durch der Zeiten Flut?
Sicherlich baust du am Dome hoher Kunst und Wissenschaft,
Daß er deiner würdig rage, rüstig fort mit Jugendkraft?
Wo das Blut floß deines Volkes, standen in der Schlachtenreih'
Recht und Licht und Freiheit immer dir als Waffenbrüder bei?
Stets war deiner Kämpfe Losung edel und gerecht gewiß? —
Mir im Aug' steht eine Träne! — ach, die Antwort ist nicht süß! — —
Ebnes Land liegt mir zu Füßen, wie ein stilles, grünes Meer,
Weithinaus, wie Möwen, kreisen meine Blicke drüber her;
Gleichwie schmale lichte Furchen, die durchs Meer die Schiffe ziehn,
Schlängeln Donaustrom und Straßen sich als Silberstreifen hin.
Rings empor als inselreicher, stolzer Archipelagus
Ragen Dörfer, Schlösser, Städte, blinkend wie aus Silberguß,
Doch vor allen groß und mächtig ragt ein Eiland aus dem Meer,
Dem als Tannenwald die Stirne krönt gewalt'ger Türme Heer.
Du bist's, Wien, Stadt der Cäsaren! — Doch wie dünkst du jetzt mir klein!
Selbst ein Meer sonst meinem Auge, schrumpfst du nun zur Insel ein!
Riesenwerk, dran müd' sich bauend, rastlos ein Jahrtausend stand,
Sieh nun deine ganze Größe leicht bedeckt von meiner Hand!
Dreimal hunderttausend Brüder träumen dort des Lebens Traum!
Dreimal hunderttausend Herzen schlagen in dem engen Raum!
Draus Entwürfe, weltbewegend, erderschütternd, sind gewallt!
Draus gewandelt manche Botschaft, deren Klang die Welt durchhallt!
Aber waren's stets Entwürfe, die das Recht, das Licht gebar?
Schwangen das Panier der Wahrheit jene Boten immerdar? —
Dir, mein Herz, so heimatglühend, fällt die Antwort wohl nicht schwer?
Wahrlich, ich versteh' dein Schweigen, ach, und frage nimmermehr!
Prangend über jedem Stadttor stehn die Wappen unsres Land's,
Flinke Lerchen, stolze Adler, in Metall und Marmorglanz;
O ihr mächt'gen, weisen Männer, fiel' es euch doch endlich ein,
Lerch' und Adler auch zu pflanzen in die Herzen tief hinein!
Schickt hinaus dann eure Boten; da wird rings es leicht erkannt,
Daß sie aus der Lerchenheimat, aus dem Adlerhorst entsandt!
Ihre Botschaft wird wie Lerchen sich der Morgenröte freun,
Und wie freie Königsadler nicht das Licht der Sonne scheun!
Salonszene
Abend ist's; die Girandolen flammen im geschmückten Saal,
Im Kristall der hohen Spiegel quillt vertausendfacht ihr Strahl,
In dem Glanzmeer rings bewegen, schwebend fast, und feierlich,
Altehrwürdige Matronen, junge, schöne Damen sich.
Und dazwischen ziehn gemessen, schmuck im Glanze des Ornats,
Hier des Krieges rauhe Söhne, Friedensdiener dort des Staats;
Aber Einen seh ich wandeln, jeder Blick folgt seiner Bahn,
Doch nur wenig der Erkor'nen sind's, die's wagen, ihm zu nahn.
Er ist's, der das rüst'ge Prachtschiff Austria am Steuer lenkt,
Er, der im Kongreß der Fürsten für sie handelt, für sie denkt;
Doch seht jetzt ihn! wie bescheiden, wie so artig, wie so fein!
Wie manierlich gegen Alle, höflich gegen Groß und Klein!
Seines Kleides Sterne funkeln karg und lässig fast im Licht,
Aber freundlich mildes Lächeln schwebt stets um sein Angesicht,
Wenn von einem schönen Busen Rosenblätter jetzt er pflückt,
Oder wenn, wie welke Blumen, Königreiche er zerstückt.
Gleich bezaubernd klingt's, wenn zierlich goldne Locken jetzt er preist,
Oder wenn er Königskronen von gesalbten Häuptern reißt;
Ja fast dünkt's mich Himmelswonne, die den sel'gen Mann beglückt,
Den sein Wort auf Elba's Felsen, den's in Munkats' Kerker schickt!
Könnt' Europa jetzt ihn sehen, so verbindlich, so galant,
Wie der Kirche frommer Priester, wie der Mann im Kriegsgewand,
Wie des Staats besternter Diener ganz von seiner Huld beglückt,
Und die Damen, alt' und junge, erst bezaubert und entzückt!
Mann des Staates, Mann des Rates! da du just bei Laune bist,
Da du gegen Alle gnädig überaus zu dieser Frist;
Sieh vor deiner Türe draußen harrt ein dürftiger Client,
Der durch Winke deiner Gnade hochbeglückt zu werden brennt.
Brauchst dich nicht vor ihm zu fürchten; er ist artig und gescheit,
Trägt auch keinen Dolch verborgen unter seinem schlichten Kleid;
Östreich's Volk ist's, ehrlich, offen, wohlerzogen auch und fein,
Sieh, es fleht ganz artig: dürft' ich wohl so frei sein, frei zu sein?
Priester und Pfaffen
Stoß in's Horn, Herold des Krieges: Zu den Waffen, zu den Waffen!
Kampf und Krieg der argen Horde heuchlerischer dummer Pfaffen!
Aber Friede, Gottesfriede, mit der frommen Priesterschar,
Frieden ihrem Segensamte, Ehrfurcht ihrem Weihaltar!
Priester sind's, die's bittre Sterben uns mit Wundertrost versüßen,
Pfaffen sind's, die's süße Leben bitter uns zu machen wissen;
Priesterherz, o See voll Klarheit, der den Himmel spiegelnd hält,
Pfaffenseele, ekle Pfütze, füllend dich vom Kot der Welt!
Priester gleicht der treuen Dogge, die uns Haus und Hof beschützte,
Pfaff ist Fuchs, der Nachts die Hühner aus dem Stall uns wegstibitzte;
Priester ist ein Markuslöwe, der das Evangelium wahrt,
Pfaff ist eine Tigerkatze, jener Gattung schlecht're Art.
Priester! — hui, du kräftge Zeder, frei das Haupt zum Himmel kehrend!
Pfaffe! — pfuy, du üppig Schlingkraut, frech von fremdem Marke zehrend!
Religion! — der Priester huldigt weihevoll dem Götterweib!
Doch der Pfaff' umschlingt im Taumel einer Gassendirne Leib!
Einst von Gott erbaten Priester wohl die Sonne für die Erde,
Daß der Tag, der schöne, helle, schöner noch und heller werde;
Doch des Mond's, der Stern' Erlöschen flehten Pfaffen stets herbei,
Daß die Nacht, die schwarze, finstre, schwärzer noch und finstrer sei!
Disteln wuchern auch in Östreich, wie ein jedes Land sie brütet,
Reben blühn und glühn in Östreich, wie nicht jedes Land sie bietet;
Bombardiert mit Distelköpfen frisch die Pfaffen aus dem Land!
Nehmt ein Glas des besten Weines auf der Priester Wohl zur Hand!
Die Dicken und die Dünnen
Fünfzig Jahre sind's, da riefen unsre Ältern zu den Waffen:
Krieg und Kampf den dicken, plumpen, kugelrunden, feisten Pfaffen!
Auch in Waffen stehn wir Enkel; jetzt doch muß die Losung sein:
Krieg und Kampf den dünnen, magern, spindelhagern Pfäffelein!
Aber wo gab's größre Arbeit, welcher Kampf bot mehr Gefahren?
Wo galt's fester auszudauern, wo galt's klüger sich zu wahren?
Lauthin schnaubt die plumpe Wildsau, wenn sie durch das Dickicht keucht,
Aber leise kriecht die Viper, die nach deinen Fersen schleicht!
Einst verschnarchten dicke Pfaffen ganze Tag' in süßem Schläflein,
Jetzt doch liegen auf der Lauer immer wach die dünnen Pfäfflein;
Jene brüllten ihre Inbrunst heulend in die Welt hinein,
Diese winseln ihren Jammer, Katern gleich im März, so fein.
Mächt'gen, schweren Folianten glichen einstens jene Dicken,
"Allgemeines, großes Kochbuch" stand als Inschrift auf dem Rücken;
Einem schmalen, kleinen Büchlein sind die Dünnen gleich, fürwahr,
"Kurzgefaßte Gaunerstücklein" beut das Titelblatt euch dar.
Mit der Grobheit und der Dummheit hattet einst den Kampf, ihr Alten,
Doch der Artigkeit und Schlauheit müssen wir die Stange halten!
Einstens rannten euch die Dicken mit dem Wanst die Türen ein,
Doch es kriechen jetzt die Dünnen uns durch's Schlüsselloch herein.
Längst schon hat ein tapfrer Ritter kühn der Dicken Heer gebändigt,
Und als goldner Stern des Tages jene finstre Nacht geendigt!
Joseph hieß der Stern und Ritter! Wien, du kannst sein Denkmal sehn!
Ach und will denn gen die Dünnen nimmer solch ein Held erstehn?
O so steigt ihr Dicken wieder lebend aus der Todesurne!
Doch mit altem, gutem Magen! Werdet christliche Saturne!
Und verschlingt den magern Nachwuchs, o dann sind wir beider los,
Denn nicht lange mehr kann leben, wer solch' gift'ge Kost genoß!
Mautkordon
Unser Land, wohl ist's ein Garten; doch der Gärtner, bang und scheu,
Zog ein starres Eisengitter, daß er rings verschlossen sei!
Doch auch draußen wohnen Leute, die sich gern der Gärten freun;
Wer sich freut an schönen Fluren, kann ein schlimmer Gast nicht sein!
Schwarz und gelbe Schranken halten unsre Grenzen rings umspannt,
Schergenwacht und Mautner hüten so bei Tag als Nacht das Land,
Sitzen unter Tag's vor'm Zollhaus, liegen Nachts im feuchten Gras,
Still und lauschend auf dem Bauche, spähend rings ohn' Unterlaß.
Daß sich ja kein fremder Krämer, fremder Knaster, fremder Wein,
Fremde Seide, fremde Linnen, schleichen in das Land herein!
Daß ein arger Gast vor allen unsern Grund betrete nicht:
Der Gedanke, der entsprossen fremdem Boden, fremdem Licht!
Endlich wird's den Wächtern bange, wenn die Geisterstunde kreist,
Denn in unserm guten Lande graut es manchem vor dem Geist;
Kalt und schneidend weht die Nachtluft, Mattheit rieselt durch's Gebein,
In die Schenke ziehn die Wächter, Herz und Leib erquickt der Wein!
Sieh, da tauchen aus den Büschen, aus den Nebeln rings der Nacht,
Männer, schwere Last am Rücken, Karren, schwer von reicher Fracht,
Leise, wie die Nebel, schleichen sie die fahlen Steg' entlang,
Sieh, da wallt auch der Gedanke seiner Sendung heil'gen Gang.
Mit den Schmugglern muß er reisen, — er versteckt und hehlt doch nichts!
Mit den dunkeln Nebeln schleichen, — er, der Sohn des Tags und Lichts! —
O heraus, ihr durst'gen Zecher! Müde Wächter, flink herbei!
Stellt euch auf in blanken Waffen, schnurgerad in Glied und Reih'!
Präsentieret die Gewehre, senkt die Fahne feierlich!
Laßt die Trommeln fröhlich wirbeln, und die Schranke öffne sich!
Daß mit grüner Palme siegreich, stolz und frei im Lichtgewand,
Leuchtend der Gedanke wandle in das gastlich schöne Land!
Der Zensor
Manchen Priesterhelden nennen alte Kunden uns, der kühn
Durch die Welt das Wort der Wahrheit unaufhaltsam trug dahin!
Der im Königssaal gerufen: Pfuy, ich wittre Kerkerluft!
Und es manch' besterntem Heuchler laut gesagt: Du bist ein Schuft!
Wär' ich solch ein Held der Wahrheit, mit dem Mönchkleid angetan,
Alsbald an des Zensors Wohnung, trieb es mich zu pochen an;
Und ich spräche zu dem Manne: "Erzschelm, sink' auf's Knie zur Stell'!
Denn du bist ein großer Sünder, beichte und bekenne schnell!"
Und ich hör' es schon im Geiste, wie er drauf in Unschuld spricht:
Ihr' Ehrwürden sind im Irrtum! der Gesuchte bin ich nicht!
Ich versäume keine Messe, Amt und Pflicht verseh' ich gut!
Bin kein Hurer, Gotteslästrer, Mörder, Dieb, ungläub'ger Jud'!
Doch aus mir dann bräche flammend der Begeist'rung Glut hervor,
Wie durch Berg und Kluft der Donner, dröhnt' ihm meine Stimm' ans Ohr;
Jeder Blick entflöge tötend, ihm als Pfeil ins Herz hinein,
Jedes Wort, es müßt' ein Hammer, der ihn ganz zermalme, sein:
"Ja, du bist ein blinder Jude! denn du hast's noch nicht erkannt,
Daß des Geistes Freiheit glorreich als Messias uns erstand!
Ja, du bist ein blut'ger Mörder! doppelt arg und doppelt dreist!
Nur die Leiber tötet jener, doch du mordest auch den Geist!
Ja, du bist ein Dieb, ein arger, oder noch viel schlimmer, traun!
Obst vom Baum bei Nacht zu stehlen, schwingt sich jener über'n Zaun;
In des Menschengeistes Garten, schadenfroh mit einem Streich,
Willst den ganzen Baum du fällen, Blüte, Laub und Frucht zugleich!
Ja, du bist ein Ehebrecher! doch an Schande doppelt reich!
Jener glüht und flammt für's Schöne, blüht's in fremdem Gärten gleich;
Für die schöne, stolze Sünde ist dein Herz zu klein, zu schmal!
Und der Nacht und Nebel Dirne, die nur ist dein Ideal!
Ja, du bist ein Gottesläst'rer, oder ärger noch, bei Gott!
Tote Holz- und Marmorbilder schlägt in Trümmer frech sein Spott!
Deine Hand doch ist's, die ruchlos das lebend'ge Bild zerschlägt,
Das nach Gottes heil'gem Stempel Menschengeist hat ausgeprägt!
Ja, du bist ein großer Sünder! — Frei läßt irdisch Recht dich gehn,
Doch in deinem Busen drinnen Rad und Galgen mußt du sehn!
An die Brust drum schlage reuig, und dein Knie, es beuge sich!
Tue Buß'! Auf's Haupt streu' Asche! Zieh dahin, und beßre dich!"
"Naderer da!"
In des Wirtes Gartenlaube saß ich sinnend ganz allein,
Rings um mich des Dörfleins Giebel blinkten hell im Sonnenschein,
Frühlingswind zog über's Saatfeld, daß es grüne Wogen rollt',
Und die nahen Rebenhügel standen glänzend ganz in Gold.
Wie das Auge jener Holden, die ich einst so heiß geliebt,
Blaute drüberhin der Himmel, wolkenlos und ungetrübt,
Und er sah auch mir ins Auge, drang mir bis ins Herz hinein,
Daß auch drin es Himmel wurde, heiter, wolkenlos und rein!
Übers Haupt mir spannten kühlend dichte Zweig' ihr grünes Zelt,
Sorgsam hat mit edler Labung mir den Tisch der Wirt bestellt;
Weißes Brot, das jene Saaten dargebracht als reichen Zoll,
Süßer goldner Wein, der saftig einst von jenen Hügeln quoll!
Und des Waldes duft'ge Beeren, runde Kirschen, purpurrot,
Die mich fast wie Küsse mahnten, die das schöne Land mir bot,
Wenn nicht eine süßre Botin eben dort trät' aus dem Haus;
Doch die schöne Schelmin richtet ihre Botschaft mir nicht aus!
Selig wie des Frühlings Rosen warst du da, mein Herz, erblüht,
Heiter, wie des Frühlings Sonne, warst du, Auge, aufgeglüht!
Sieh, da tritt ein Mann, ein fremder, durch die offne Gartentür,
Wallt heran zu meiner Laube, setzt sich an den Tisch zu mir.
O ihr fernen, sel'gen Brüder, die ihr wohnt in freierm Land,
Rasch und froh dem neuen Gaste hättet ihr gedrückt die Hand,
Und willkommen ihn geheißen, mitzutrinken euren Wein,
Sich des Glanzes und des Reichtums ringsumher mit euch zu freun!
Aber ach, ich dachte bange, als der fremde Mann genaht:
Ist es nicht vielleicht ein Diener unsrer finstern Hermandad,
Der da lauert auf Gedanken, wie im Forst der Wilddieb lauscht,
Ob kein Hirsch, kein allzufreier, arglos aus dem Busch nicht rauscht?
Der da spähet, was für Blätter meines Geistes Rebe treibt?
Ob des Sprößlings luft'ge Ranke fein am alten Stocke bleibt?
Der da die geheimsten Perlen meines Herzens wühlt empor,
Daß er dann die hellsten werfe den gefräß'gen Schweinen vor?
Also dacht' ich und verwandelt war mein Wein in Galle schier,
Und des Frühlings Purpurküsse mundeten nun nimmer mir,
Meines Herzens heitre Rosen dorrten ab, verwelkt alsbald,
Und ich sprang empor und stürzte in den öden finstern Wald!
Meine Stirne lehnt' am Baumstamm, und des Auges Träne rann:
Ach, vielleicht mit bittrem Unrecht kränkt' ich jenen fremden Mann!
Und vielleicht wohl ist er würdig, daß Vertraun ins Aug' ihm blickt,
Und des besten Mannes Liebe treu und warm die Hand ihm drückt!
O ihr Mächt'gen, die mit Arglist Brüder ihr auf Brüder hetzt,
Und dem edelsten der Völker Mißtraun in die Herzen setzt,
Könnt ihr diesem blauen Himmel frei in's freie Auge sehn?
Könnt ihr jenen lichten Fluren, jenen Bergen Rede stehn?
Rings ist Glanz und Tageshelle, aber Nacht ist eure Tat!
Rings ist Offenheit und Freiheit, aber Mißtraun eure Saat!
Wollt ihr unsre Herzen wandeln, o verwandelt erst das Land!
Nimmermehr dann will ich murren, Wunsch und Träne sei verbannt.
Laßt die frischen, grünen Felder, öde fahle Heiden sein,
Drauf statt reicher, goldner Saaten, Dorn und Unkraut nur gedeihn!
Setzt ein Volk auf diese Fluren, zwergig, träg' und ungestalt,
Statt des starken, schönen, heitren, das sie blühend jetzt durchwallt!
Starr zu kahlen Krüppelholze, sei der Hochwald eingeschrumpft,
Und der Strom, der blaue, schnelle, sei zur Pfütze träg versumpft!
Jene Kette stolzer Berge sei ein Haufe Schutt und Sand,
Und die graue Distel krieche, wo die Rebe glorreich stand!
Es verhüll' ein ew'ger Nebel unsern Himmel, blau und licht!
Solchem Land paßt eure Satzung, doch dem unsern paßt sie nicht!
Dann trompete euer Herold sie in Nebelnacht hinaus!
Dann entsendet eure Späher hündisch auf die Lauer aus!
Ob kein Hirsch, kein allzudreister über euren Kirchhof springt?
Ob nicht allzufreie Ranken in dem Schutt' ein Sprößling schlingt?
Ob nicht allzuhelle Perlen jene trübe Pfütze hegt?
Allzuschwer wird er nicht schleppen an dem Funde, den er trägt!
Doch, so lang das Land noch blühend, saatenreich und frühlingsgrün,
Und das Volk gesund und fröhlich, kräftig noch und jugendkühn,
Mögt ihr nicht sein Brot vergiften, seine grüne Flur entweihn,
Seinen blauen Himmel trüben, und vergällen seinen Wein!
Auf dem Schlachtfeld von Aspern
Herbstlich über Asperns Fluren schien die Sonne müd' und lau,
Störche schifften schon nach Süden durch der Lüfte ruhig Blau,
Über stille, weite Felder schritt ich einsam, unbelauscht,
Und mit mir ein kalter Herbstwind, der durch fahle Stoppeln rauscht.
Dachte dessen jüngst der Landmann, als er hier die Garben wand,
Daß in einem Menschenherzen manche ihrer Wurzeln stand?
Denkt der Städter, wenn beim Mahle er sein weißes Brot genießt,
Daß gedüngt es mit dem Blute eines Heldenbruders ist?
Aus der Lava, die einst glühend vom Vesuv herniederquoll,
Blühn, wie Leben aus dem Tode, saft'ge Reben, grün und voll;
Doch die ihren Wein einst trinken unter kühlem Laubendach,
Dem Vesuv und seinen Schrecken sinnen sie wohl schwerlich nach!
Hier auch hat all' seine Schrecken ausgetobt einst ein Vulkan,
Blut'ge, glüh'nde Lavafluten überströmten rings den Plan,
Schwarzer Rauch und Nachtgewölke hüllte tief den Himmel ein,
Wetterschläge krachten donnernd, Blitze zuckten flammend drein!
Wie dort am Vesuv die Lava einst manch heitre Stadt verschlang,
So begrub sie viel der Edlen hier die weite Flur entlang;
Hundert Städte zu beleben, gnügte, wahrlich, ihre Zahl,
Und nicht minder schön glomm ihnen noch des Lebens sonn'ger Strahl!
Gleich an frommer Kraft und Weisheit jenem edlen Plinius,
Der dort rettend seine Mutter trug durch Nacht und Lavaguß,
Also Karl, du hoher Sieger, trugst du kühn und glorreich da
Aus den Flammen und den Schrecken deine Mutter Austria!
Manch gewaltiges Jahrhundert schritt schon am Vesuv vorbei;
Sieh, der fernsten Enkel Spaten schlägt der Lava Krust' entzwei,
Und es steigt aus Schutt und Asche eine heitre Stadt an's Licht,
Manch ein Götterbild und Tempel, manch unsterbliches Gedicht!
Östreich's Herkulanum nenn' ich, ihr Gefilde Aspern's, euch!
Wär' an edlen, heil'gen Schätzen euer Schoß wohl minder reich?
Wahrlich, stieg' in eure Tiefen rechten Sinn's der rechte Mann,
Bald das Götterbild der Freiheit brächt' er uns ans Licht hinan! —
Wallt dann wieder einst durchs weite, reiche Saatgefild mein Fuß,
O dann nickt wohl jede Ähre mit dem Haupt mir heitren Gruß;
Und wie Geisterharfen säuselt's aus den goldnen Halmen leis:
"Nicht umsonst floß unser Herzblut, denn es trug euch schönen Preis!"
Nachtgedanken
Wenn in stillen Sternennächten Stadt und Land in Schlummer tief,
Und schon längst von Markt und Plätzen sich das laute Volk verlief,
O wie dann mein Fuß so gerne durch die leeren Gassen wallt,
Wo durch ferne, weite Straßen dumpfen Klang's sein Tritt verhallt!
Wie ein großes, ödes Schlachtfeld, schweigend liegt die Stadt vor mir,
Kleine Leidenschaften fochten ihre kleinen Schlachten hier;
Jetzt doch liegt gebreitet drüber große, stille Totenruh,
Und nur Geister, und nur Träume wallen leise ab und zu.
Droben leuchten die Gestirne! Jeder Stern im blauen Raum
Hat sein Menschenherz hier unten, dem er bringe lichten Traum;
Drum wohl tun sie so geschäftig, wenn wir Nachts im Schlummer ruhn!
Doch es hat mein Sternlein droben, heute wohl nicht viel zu tun! —
Schüttle, Himmel, deine Sterne nieder auf den Erdenball,
Dicht als goldne Saatenkörner in der Schläfer Herzen all!
Daß die blanke Silberblüte lichten Traum's, am nächsten Tag
Frei als reiche Frucht erwachsen, hell und golden schwellen mag! —
Lieblich plätschern dort die Brunnen, silbern steigt des Springquells Pracht,
Rosen und Violen duften von den Fenstern durch die Nacht,
O wie süß dort vom Ballone Nachtigallenlied erschallt!
Fast bedünkt' es mich, als wallte fern ich durch den grünen Wald.
Über Quell und Rosen aber, und Viol' und Nachtigall,
Über Domen und Palästen stand des Mondes Strahlenball,
Wie ein leuchtender Gedanke heil'ger Freiheit, licht und klar!
O wie schade, jammerschade, daß es rings der einz'ge war!
Wohin!
Eine Schwalbe in den Lüften, die sich nach dem Süden schwingt,
Eine Kugel, die mit Knalle aus dem Rohr des Schützen springt,
Wollt' um's Ziel, wohin sie reisen, diese Zwei mein Fürwitz fragen,
Eine schöne, lust'ge Antwort wüßten beide wohl zu sagen.
Männer, die mit finstrem Mißtraun heitre Herzen ihr erfüllt,
Schuldlos Volk in Fesseln schmiedet, lichten Tag in Nacht verhüllt;
Wollt' an euch dieselbe Frage neubegierig dreist ich wagen,
Wüßtet ihr solch helle Antwort mir wohl auch darauf zu sagen?
Wärt ihr nicht so fromm und sittsam, würd' ich fast zum Wahn gebracht,
Daß verbotner Liebe pflegen, in der selbsterschaffnen Nacht,
Oder daß ihr wollt im Dunkeln schleichen, Dieben gleich, nach Beute!
Doch ihr seid ja viel zu heil'ge, viel zu ehrenfeste Leute!
Wärt ihr nicht so klug und weise, schient ihr mir beinah zu sein
Narren, die Berührung scheuen, gläsern wähnend Steiß und Bein,
Toren, die den ganzen Frühling auf dem Lande wollen jagen,
Fürchtend, eine Blütenknospe könn' im Fallen sie erschlagen!
Wärt ihr nicht so reich und mächtig, sternbesetzt und samtbedeckt,
Müßt' ich euch für Bettler halten, die das Tageslicht erschreckt,
Weil's durch schlechtgeflickte Fetzen ihre Blößen läßt erblicken,
Oder gar vielleicht als Brandmal einen Pranger auf dem Rücken!
Sagt's heraus, wohin soll's führen? welches mag das Ziel euch sein?
Könnt ihr Red' und Antwort stehen? — o beim Himmel, nein, o nein!
Doch fürwahr, ich kann's statt eurer! Will der Zukunft Bild entrollen,
Wie ihr's formet, wenn's nicht früher gute Götter wenden wollen!
Wir sind alle längst gestorben, schlummernd in den Särgen tief,
Während über unsre Gräber längst ein neu Geschlecht schon lief,
Offnen Ohr's für Lug der Heuchler, Tagesscheue in den Blicken,
Für die Lasten seiner Herren gut gebogen seinen Rücken.
Seiner Fürsten Zepter formte sich zum Weihbrunnsprengel um,
Und ihr Purpur, der verschwärzte sich zum mönch'schen Pallium;
Aus den alten Tagen mochten nur die Weihrauchfässer bleiben,
Die noch immer, lustig qualmend, obligate Wolken treiben.
Pressen kennt man nicht im Lande, wenn auch Bengel wohlbekannt,
Und vom Drucke gar weiß Niemand, höchstens nur das Volk und Land;
Gänse haben gute Tage, man berupft nicht ihre Leiber,
Denn an's Schreiben denkt hier Niemand, nur im Steueramt die Schreiber.
Am Katheder trägt's der Lehrer schaudernd seinen Schülern vor:
Wie zwei fürchterliche Inseln ragen nah am Pol empor,
Eine voll von Kannibalen, menschenfressend gleich den Raben,
Eine andre, wo da wohnen Menschen, die Gedanken haben!
Hie und da nur brennt ein Lämpchen aus der alten bösen Zeit,
Durch die Nacht hin walzt sich träge heis'rer Glocken dumpf Geläut';
Aar und Lerchen, unser Wappen, ist von Tor und Turm geschlagen,
Eul' und Fledermaus statt dessen im Triumph hinaufgetragen.
Horch, was läuten alle Glocken? "Man begräbt den größten Mann!"
Nennt mir eures Helden Großtat! "Dort sein Leichenstein sagt's an:"
""Traure Welt um diesen Toten! Wandrer, weinend magst du's lesen,
Selbst die Scheelsucht rühmt's, daß Niemand ihm an Dummheit gleich gewesen!""
Durch die Straßen tönt die Trommel: ein Edikt wird kund gemacht!
"Abgeschafft sind die Laternen; gänzlich sei's in Zukunft Nacht!
So will's allerhöchste Gnade, überzeugt aus tiefen Gründen,
Daß das Volk wohl auch in Finstern kann den Weg zum Munde finden."
Ew'ge Nacht ist eingebrochen über's ganze, arme Land,
Ew'gen Nebels dichte Schleier ruhn darüberhin gespannt;
Mond und Sterne sind erblichen, ein Gestirn doch blieb noch immer:
Nur das Sternenbild des Krebses, deutungsvoll in fahlem Schimmer.
Doch vor Sankt Liguori's Kirche, auf der Bank sich streckend breit,
Ruft ein heil'ger Mann behaglich: Welch' ein schöner Tag ist's heut!
Aber wir verruchten Toten, packend Sarg und Grabgewande,
Tragen sie zu beßrer Ruhstatt fort aus unsrem Vaterlande!
Warum?
Seht, sie haben an das Rathaus aufgeklebt ein neu Edikt,
Drauf aus den geschlungnen Lettern noch manch andre Schlinge blickt;
Ein possierlich kleines Männlein liest's und hält sich still und stumm,
Unterfängt sich nicht zu murren, leise fragt es nur: Warum?
Auf der Kanzel stöhnt, wie Eulen, wimmernd gegen's Sonnenlicht,
Hier ein Mönch, an dem die Kutte wohl das einz'ge Dunkle nicht,
Dort ein Abt, an dem Krummstab wohl nicht Alles ist, was krumm;
Stets gelassen hört's der Kleine, lispelnd leise nur: Warum?
Wenn mit Hellebard' und Spießen sie auf Spatzen rücken aus,
Wenn sie lichtscheu ohne Fenster aufgebaut ihr neues Haus
Wenn das Schwert, das sie befreite, sie zu Fesseln schmieden um,
Sieht er's ruhig und gelassen, fragt nur still vor sich: Warum?
Wenn sie mit Kanonen schießen auf die Lerche, leichtbeschwingt,
Die, wie ein Gebet der Freiheit, singend durch die Wolken dringt;
Wenn den Dichtergaul am Markte sie beim Schwanze zäumen um,
Will er drob sogar nicht lachen, sondern seufzet nur: Warum?
Auf der Sprache garbenreichem, unermeßnem Erntefeld
Hat ein einz'ges goldnes Körnlein er sich liebend auserwählt;
Und aus ihrem reichen Meere, rauschend laut um ihn herum,
Fischt' er eine einz'ge Perle, nur das Männerwort: Warum?
Doch der weise Rat bescheidet streng vor sich den Mann und spricht:
"Eurer frevelhaften Frage ziemt, fürwahr, die Antwort nicht!
Unser Tun, es sei dem Volke ein verschloßnes Heiligtum!"
Ruhig hört den Spruch das Männlein, nur bescheiden fragt's: Warum?
Wütend springen all' vom Sessel, daß der Ratstisch taumelt drein!
In Arrest bei Brot und Wasser ziehn sie den Rebellen ein,
Lassen in den Bock ihn spannen, und in Eisen schließen krumm:
Doch er duldet's still gelassen, spricht kein Wörtlein, als: Warum?
Morgens muß er gehn zur Beichte, dann aufs Feld im Karren fort!
Schützen stehn in Reih' und Glieds, laden stumm die Flinten dort;
Feuer! ruft's, die Rohre krachen! Blutig sinkt der Frevler um,
Doch von bleichen Lippen schaurig stöhnt es röchelnd noch: Warum?
Über seine Leichengrube wälzen sie noch einen Stein,
Dann zum feierlichen Hochamt eilen sie zum Dom hinein,
Brünstig danken sie dem Himmel, daß der Schreier endlich stumm,
Doch zur Nachtzeit auf den Grabstein schrieb ein Schalk das Wort: Warum?
Es verfolgt wie Fluch des Vaters, trifft wie Wetterschlag's Gewicht,
Dröhnt wie Weltgerichtsposaunen, brennt in's Aug' wie Blitzeslicht,
Wenn das Herz nicht freud'ge Antwort bringt als schützend Heiligtum,
Jenes kurze kleine Wörtlein, jener flücht'ge Laut: Warum!
Sieg der Freiheit
Freiheit ist die große Losung, deren Klang durchjauchzt die Welt;
Traun, es wird euch wenig frommen, daß fortan ihr taub euch stellt!
Mild und bittend sprach sie einstens; eure Taubheit zwang sie jetzt,
Daß sie in Kanonendonner nun ihr Wort euch übersetzt.
Freiheit, die erkor'ne Jungfrau, schwingt das Banner unsrer Zeit;
Daß fortan ihr blind euch stellet, o fürwahr, es hilft nicht weit!
Da ihr nicht gesehn das Banner, als es weiß und rein und hell,
Ei was Wunder, wenn mit Blute sie's gefärbt nun rot und grell!
Ihr nur habt die schöne Jungfrau mit dem Kriegesgott gepaart!
Waffenspiel und Blutgewänder sind wohl sonst nicht ihre Art;
Aber siegen muß sie immer! dies bleibt ihre Art und Macht,
Über Herzen in dem Hause, über Speere in der Schlacht!
Wenn mit Rocken nicht und Spindel, und mit Wort' und Blicken süß,
So als erzgeschuppte Pallas mit dem Schwert und Schild gewiß!
Und bei uns auch wird sie siegen, ja ich künd' es laut und frei:
Wunsch und Hoffnung meines Herzens riefen gern den Sieg herbei!
Dort auf dem vulkan'schen Boden muß wohl ein Vesuv es sein,
Der die Luft mit Flammenruten wieder fege hell und rein!
Dort auf stürmereichem Meere tobt sich erst das Wetter aus,
Eh' erhellt, gereint, geläutert prangt des Äthers blaues Haus!
Doch in unsrem Rebenlande, Saatenfeld und Blütenau
Gnügt ein lauer Frühlingsregen, frische Luft und Morgentau!
Fürchtet nicht die edle Währung; gärt ja doch auch unser Wein,
Daß er zwiefach dann erquicke, doppelt golden, süß und rein!
Nicht das Schwert sei unsre Waffe, nein, das Wort, Licht und Gesetz!
Denn der fröhlich heitre Sieger ist der schönste Sieger stets!
Seht den Lenz, den Freiheitshelden, lernt von ihm es, wie man siegt,
Wenn mit dem Tyrannen Winter er im harten Kampfe liegt!
Ein Despote ist der Winter, gar ein arger Obscurant,
Denn in seine langen Nächte hüllt' er ewig gern das Land;
Winter ist ein arger Zwingherr; in den eis'gen Fesseln fest
Hält des Lebens freiheitlust'ge, frische Quellen er gepreßt.
Sieh, im Lager überrumpelt hat den trägen Alten schnell
Jetzt mit seinem ganzen Heere Lenz, der fröhliche Rebell!
Sonnenstrahlen seine Schwerter, grüne Halme seine Speer'!
O wie ragen und wie blitzen Speer' und Schwerter ringsumher!
Seine Trommler und Trompeter das sind Fink' und Nachtigall,
Seine Marseillaise pfeifen Lerchen hoch mit lautem Schall,
Bomben sind die Blumenknospen, Kugel ist der Morgentau!
Wie die Bomben und die Kugeln fliegen über Feld und Au!
Und den Farbelosen, denen die drei Farben schon zu viel,
Zeigt er keck des Regenbogens ganzes, buntes Farbenspiel!
Als Cocarden junger Freiheit hat er Blüten ausgesät,
Ha, wie rings das Land voll bunter, farbiger Cocarden steht!
Rundum hat die Städt' und Dörfer der Rebell in Brand gesetzt:
Ja, im goldnen Sonnenbrande glänzen hell und blank sie jetzt!
Drüber flatternd hoch sein Banner ätherblau und leuchtend weht,
Drin als Schild ein Rosenwölkchen mit der Inschrift: Freiheit! steht.
Hei, der Winter ist geschlagen! und mit seinem Fesselband,
Seinem Froste, seinen Nächten, flieht er fort nun aus dem Land!
Frei und fröhlich zieht statt seiner rasch der junge Sieger ein
Mit Gesang und grünen Kränzen, Blütenscherz und Sonnenschein!
Und in grüne Farbe kleidet er Gebirge, Tal und Hain:
Freiheit geb' ich euch, und Gleichheit! Gleich beglückt sollt all' ihr sein! —
Solch' ein heitrer Sieg des Lichtes kröne dich, mein Österreich,
Und dem schönsten Frühlingstage werde deine Freiheit gleich!
Antworten
"Dichter, bleib' bei deinen Blumen! Nicht an Thronen frech gemeistert! —
Wenn dich mehr als Blumenkronen eines Fürsten Kron' begeistert,
Feure, wie's so manch' bescheidner, vaterländscher Sanger tut,
Hohe Fest-und Namenstage, huldigend mit Sangesglut!"
Hohn bedünkt es mich, den Fürsten sonst zum Ruhme nichts zu singen,
Als daß sie geboren wurden, und auch Namen gar empfingen!
Buben mögen solches rühmen! Aber schweigen laßt mein Lied,
Bis es große Taten ragen, Licht und Freiheit strahlen sieht!
"Wie du doch so unerträglich! Freiheit stets, und Freiheit wieder!
Stets dasselbe Liedlein leiernd! Kennst du sonst denn keine Lieder?
Willst du winseln nur und klagen, nimm dir doch ein andres Ziel!
Suche andren Stoff' und Weisen, in der Welt ist Jammers viel!"
Soll ich unser Land wohl schmähen? O kein schön'res find' ich wieder!
Soll ich unser Volk verlästern? Das ist treu und gut und bieder!
Einen Fehl nur haben beide: daß die Freiheit ihnen fehlt,
Drob das Herz nur eine Klage, nur ein Lied den Mund beseelt!
"Ei, dein Schmerz sei dir gelassen! Doch was störest du die Andern,
Die zu euren schönen Bergen, duft'gen Wäldern fröhlich wandern,
An der reifen Saat sich freuend, labend sich am goldnen Wein?
Was in ihren Jubel rasselst du mit unsern Ketten drein?"
Eben weil in solchem Jubel, zwischen solchem Blütenleben,
Zwischen goldner Saaten Säuseln, zwischen Kränzen duft'ger Reben,
Unter Bäumen, grün und laubig, unter Lerchen leichtbeschwingt,
Das Gerassel arger Ketten gar so wunderschaurig klingt!
Hymne an Österreich
Riesin Austria, wie herrlich glänzest du vor meinen Blicken!
Eine blanke Mauerkrone seh' ich stolz das Haupt dir schmücken,
Weicher Locken üpp'ge Fülle reich auf deine Schultern fallen
Blonden Gold's, wie deine Saaten, die im Winde fröhlich wallen.
Festlich prangt dein Leib, der wonn'ge, in dem grünen Samtgewande,
Dran als Silbergurt die Donau, und die Rebe als Girlande;
Leuchtend flammt sein Schild, der blanke, welchem Lerch' und Aar entsteigen,
Aller Welt von deinem Bündnis mit dem Tag und Licht zu zeigen!
Farbig ist ein Blumenestrich dir zu Füßen aufgegangen,
Eine Garde stolzer Eichen seh' ich im Gefolg dir prangen,
Kön'gen gleich in Purpurmanteln deine hohen Berge ragen,
Die als Kronen schmucke Burgen hell im Morgenrote tragen.
Hier bist du die Braut, die heitre, unter Blüten an der Quelle,
Kränzend sich mit Perl' und Rose, spiegelnd sich in klarer Welle;
Dort gleich mut'ger Amazone nach ersiegter Schlacht zu schauen,
Erzumpanzert und gewaltig, doch voll Schönheit selbst das Grauen!
Wie im hohen Göttertempel glorreich einst Pallas Athene,
Stehst du da in stiller Weisheit, heil'ger Kraft und milder Schöne!
Aus den lieben süßen Augen muß ein hoher Geist auch sprühen,
Unter'm üpp'gen, schönen Busen dir ein edles Herz auch glühen.
In der Hand des Wissens Bücher hältst du siegreich aufgeschlagen,
Wissend, daß wie deine Saaten, sie manch goldnes Körnlein tragen,
Daß, wer hat gesunde Augen Tageslicht vertragen lerne,
Und noch keine Hütt' in Flammen ward gesteckt durch's Licht der Sterne.
Erz berührt und Stein und Leinwand deine Zauberhand nur sachte,
Sieh, da als ein Gott lebendig springt der Marmor aus dem Schachte,
Sieh, da lebt und spricht die Leinwand, fröhlich klingen die Metalle,
Und der Kunst geweihte Dome ragen hoch zur Sternenhalle!
Freiheit prangt als heil'ge Losung über deinen Friedenshütten,
Freiheit glänzt auf allen Bannern, drunter je dein Volk gestritten;
Besser als die Hand' in Fesseln taugen dir die fessellosen,
Sei's das Schwert der Schlacht zu schwingen, sei's zu pflücken Friedensrosen.
Doch: Vertrauen! heißt die Fessel, die dir gilt, dein Volk zu binden,
Und um Brüder sie und Brüder und um Fürst und Volk zu winden;
Wenn der heil'ge Regenbogen stolz sich wölbt durch Wettergrauen,
Strahlt aus ihm herab das große, schöne, ew'ge Wort: Vertrauen!
Drum wohl darfst du stolz und freudig, Austria, dein Haupt erheben,
Durch der fernsten Zeiten Nebel wird dein Schild noch glänzend schweben!
Viel hat dich der Herr gesegnet, doch du darfst auch rühmend sagen,
Daß bei dir die edlen Keime reich und herrlich Frucht getragen!
Also klang jüngst meine Hymne. Sonst, wenn Dichter Hymnen singen,
Glänzt ihr Aug' wie Sonnenjubel, jauchzt ihr Herz wie Harfenklingen;
Doch wie mocht' es denn geschehen, daß ich mußte bei der meinen
So aus tiefstem, vollstem Herzen viel der bittren Tränen weinen?
Sankt Stephans Eid
Wie die Glocken hell des Morgens heut zu Weissenburg getönt!
Jetzt ist's wieder still geworden, und der König ist gekrönt! —
Sieh, nun tritt er aus dem Dome, purpurstrahlend, glanzverklärt,
Auf dem Haupt die neue Krone, in der Hand das blanke Schwert.
Englein schmiedeten die Krone, wie die fromme Sage spricht,
Aus Demanten sonnenhelle, aus Rubinen morgenlicht!
Doch ein derber Schmied zu Dobschan ließ erglühn am Flammenherd,
Schlug mit Hämmern auf dem Amboß das gewalt'ge, scharfe Schwert.
Vor dem Stadttor ragt ein Hügel, dessen Pfade Teppich schmückt,
Drein des Landes helle Farben, rot und weiß und grün gestickt;
Unten harrt der greise Kanzler, hält empor mit stolzem Mut
Hoch das samtne Purpurkissen, drauf des Landes Satzung ruht.
Rings geschart in weitem Kreise Ungarns edle Völkerkraft!
Hohe, bärtige Magnaten mit dem Kern der Ritterschaft,
Äbt' und Bischof' in den Infuln mit dem Krummstab und Brevier,
Und des Reiches Bannerträger mit dem flatternden Panier!
Auf den Hügel sprengt der König, jung und blühend, hoch zu Pferd,
Nord - und südwärts, west - und ostwärts, schwingt er flink sein blankes Schwert;
Dann gleichwie ein goldnes Standbild, steht er ruhig festgebannt,
Und empor zum blauen Himmel hebt er feierlich die Hand:
"Sei gegrüßt mein Volk, und höre! Nimm aus meines Kanzlers Hand
Die Geschenke deines Königs, meiner Liebe erstes Pfand!
Freien Willens, freien Herzens geb' ich Freiheit dir und Recht,
Dem ich mich der erste beuge huldigend als treuer Knecht!
Ich beschwör's beim ew'gen Himmel, der da fest und wahr und frei,
Ich beschwör's beim eignen Herzen, liebend, wandellos und treu,
Nicht zu herrschen blind nach Willkür, nein, nach Recht und Satzung stets!
Fürsten sind nicht immer weise, nie ein Tor ist das Gesetz.
Und, beim Himmel, aufrecht halten will ich's heilig fest und treu,
Nie nach eignem Hirn es deuteln, nach Gelüst es modeln neu!
Will auch nicht in seinen Fugen halten mehr ein einzler Stein,
Falle drob doch nicht das ganze, herrliche Gebäude ein!
Wend' es Gott, daß je ich führe in den Kampf für's Unrecht euch,
Daß dem Schild des Brudermörders meines Volk's Geschichte gleich,
Drauf, so blank er sonst und helle, grausenhaft ein Blutfleck spricht!
Keine Quelle, keine Träne wäscht ihn wieder rein und licht!
Ich beschwör' es, zu bewahren glänzend meines Landes Ruhm,
Blank wie Krieger ihren Panzer, sorgsam, wie ein Heiligtum!
Einem goldnen reichen Saatfeld ist des Volkes Glück wohl gleich,
Doch sein Ruhm dem Ätherdome, glanzerfüllt und sternenreich!
Ich beschwör's, zu treuem Rate gern mein Ohr und Herz zu leihn,
Nie des Freien Wort zu fesseln, sei er noch so schwach und klein!
Nicht in reichen Fürstengärten, wo ihr sie zu finden hofft,
Auf verlaßner, stiller Heide blüht die schönste Rose oft.
Ich beschwör's, mit eurem Gute hauszuhalten karg und weis',
Dran der Witwe Tränen kleben, und des armen Landmanns Schweiß!
Wie doch könnte jenem munden noch sein süßer goldner Wein,
Der die schönste seiner Perlen in den Becher warf hinein?
Ich beschwör's, zu sein ein Vater meinem Volke immerdar!
Haltet nicht dies Herz zu enge für die große Kinderschar!
Vaterherz ist doch an Liebe doppelt groß und reich und warm,
Zu umschlingen und zu schirmen reicht um All' ein Vaterarm!"
Längst verweht sind schon die Lüfte, die der Königseid durchhallt,
Über jene grünen Fluren sind Jahrhunderte gewallt,
Jenes Bollwerk von Vasallen, rings als Riesenwand erhöht,
Ist in Asch' und Staub zerfallen und in alle Wind' gesät!
Doch es wahrt die Burg zu Ofen Stephans Mantel, Kron' und Schwert,
Wächter, blank in Waffen, schirmen jener Schätze teuren Wert;
Wenn sie einen König krönen, wird er damit angetan.
Ach, daß man doch Stephans Geiste keine Wächter stellen kann!
Sieht das Volk dann Stephans Mantel, wünscht es auch sein Herz hinein!
Sieht sein Schwert es wieder schwingen, — möcht' es doch sein Arm auch sein!
Sieht es seine Krone blinken, — wär' nur auch sein Geist dabei!
Hört es Stephans Eidschwur tönen, — hielt' ihn jeder auch so treu!
Kaiser Rudolph der Zweite
"Wohl gestorben ist der Kaiser; denn wie ließ er's sonst geschehn,
Daß im Ratsaal Willkür sitze, führerlos die Völker gehn,
Daß sein Auge blind geworden, taub sein Ohr für unsre Not?
O der Kaiser ist gestorben! Warum hehlt ihr uns den Tod?"
Also vor der Burg des Herrschers rief des Volkes Schar empor,
Sieh, da tritt ein Mann im Purpur, nickend zum Balkon hervor;
Herr Rudolphus ist es selber! Schnell doch zieht er sich zurück! —
Daß der Kaiser noch am Leben, ach, bezweifeln kann's kein Blick!
Voll Quadranten, Himmelsgloben, prangt im Schloß ein Kämmerlein,
Mit dem weisen Sternendeuter schloß sich dort der Kaiser ein,
Daß der Supplikanten Menge ihre Forschung störe nicht,
Und der Kanzler nicht zur Unzeit bringe lästigen Bericht.
Viel und Wicht'ges gibt's zu schlichten, nach den Uhren muß er sehn,
Horoskope muß er stellen, in den Zauberspiegel spähn,
Güldne Kettlein muß er schmieden, — wo bleibt da für's Volk noch Zeit? —
Und, fürwahr, in allen Künsten bracht' es Herr Rudolphus weit!
Er entdeckt' ein neues Sternbild, — jenen hellen Stern zwar nicht,
Der von Thronen über Völker segnend ausstrahlt mildes Licht! —
Nein, ein Stern am Abendhimmel war es, den sein Auge fand,
Der in seines Astrologen Himmelskarte noch nicht stand.
Er durchsann ein künstlich Uhrwerk, — zwar nicht jene Räderwelt,
Deren regelrecht Getriebe Staat und Volk im Gang erhält, —
Nein, ein seltnes Werk von Rädern, von der Kaiserhand gebaut,
Und mit süßem Glockenklange Tag' und Stunden grüßend laut.
Er erzog sich eine Taube, — zwar die Friedenstaube nicht,
Zwischen Volk und Herrscher schwebend, mit dem Ölzweig, grün und licht, —
Nein, ein weißes Turteltäubchen, das im Lenz er sendet aus,
Daß es frische Zweig' und Blumen bringe in sein finstres Haus.
Ja, er zähmte einen Löwen, — nicht der Völkerzwietracht Leun,
Der, die blut'ge Mähne schüttelnd, seinem Lande mochte dräun! —
Nein, den König heißer Wüste zog geschmeidig er und zahm,
Daß nur aus der Hand des Kaisers er sein täglich Futter nahm.
Einst des Abends, noch sein Antlitz zugekehrt dem Sternenreich,
Lag entschlummert in dem Armstuhl Herr Rudolphus, kalt und bleich,
In den Händen, an des Zepters und des goldnen Apfels Stell',
Die kristallne Zauberkugel und ein Fernrohr, blank und hell.
Den Verlust empfinden Alle, die er vatergleich gepflegt,
Sein Begängnis feiern Alle, die er liebereich gehegt:
Aus den Fenstern fliegt die Taube zu dem stillen Kirchhof hin,
Und zurück dann bringt zur Leiche sie ein Zweiglein Rosmarin.
Fremdem Blick entschwand das Sternlein, seit verlöscht des Auges Brand,
Das allein den kleinen, hellen unter Millionen fand;
Trank und Kost verschmähend streckte auf sein Totenlager bald
Sich der Löwe, seit die Hände, die ihn nährten, starr und kalt.
Gleich dem Herzen seines Meisters will das Uhrwerk nimmer gehn,
Und auf seiner Todesstunde blieb der goldne Zeiger stehn.
Dieses Alles ist geschehen, als Rudolphens Geist entschwebt. — —
Nur das Volk alleinig glaubte, daß sein Kaiser fort noch lebt.
Die ledernen Hosen
Hoch auf seiner Burg in Östreich haust ein lust'ger Rittersmann,
Hold des frommen Mann's Lutheri neuen Lehren zugetan,
Die aus dumpfen Klostermauern frei und leuchtend einst entstiegen,
Wie aus schwarzen Felsgeklüften Scharen weißer Tauben fliegen.
Und sie flogen bald auch siegreich über Östreichs Fluren hin,
Die Verwegnen sah mit Zürnen Kaiser Ferdinandus ziehn,
Und Edikte ließ zermalmend über sie vom Thron er fallen,
Wie von hohen Felsenhorsten Geier mit den scharfen Krallen.
Sonntags früh, als die Gemeinde Glockenklang zur Kirche ruft,
Wallt im grünen Forst der Ritter, freuend sich an Laub und Duft:
"Wer den Herrn nicht kann im Walde, kann ihn auch im Dom nicht ehren,
Und wen nicht die frommen Blumen, wird kein Pfäfflein auch bekehren."
Sieh, da rauscht' aus Busch und Dickicht stolz ein Edelhirsch empor,
Doch es streckte schnell zu Boden ihn des Ritters Feuerrohr:
"Wer da zu Mittag des Sonntags seinen Braten will genießen,
Ei, der wird dazu das Wildbret doch wohl auch sich dürfen schießen."
Als der Ritter kehrt zum Schlosse, steht der Pfarrer vor dem Tor,
Stolz, wie im Triumphe, haltend hoch ein Pergament empor:
""Wer des Sonntags, statt der Messe, Feld- und Waidwerks sich befließen,
Soll's mit hundert Golddukaten in den Schatz des Kaisers büßen!
Während ihr in Wäldern Hirsche, oder Böcke schießt vielmehr!
Ward verkündet von der Kanzel dies Edikt so inhaltschwer.
Mögt verzeihen, edler Ritter, wenn ich's euch bedauernd sage,
Daß das Meß- und Predigtschwänzen selten goldne Früchte trage.""
"Diesmal," sprach der Ritter lächelnd, "trug's doch Gold, wenn auch nicht mir!
Doch mir bleibt die Haut des Hirschen: im Edikt steht nichts von ihr!
Heil dem übergnäd'gen Kaiser, der uns doch die Haut will lassen!
Seht, vielleicht zu einem Wamse, oder sonst was kann sie passen!"
Einst nach Jahren, als der Kaiser heim von ernster Fahrt gekehrt,
Lud er vor den Thron zu Hofe seine Edlen, treu und wert:
Jeder mög' in seinem Kleide dann des Landes Farben führen,
Oder sonst mit seinem schönsten, köstlichsten Gewand sich zieren!
In dem Kaisersaale wimmelt's von Gewändern, rot und weiß,
Samt und Perlen, Gold und Demant, glühn und strahlen rings im Kreis,
Drüberhin mit Wohlbehagen läßt sein Aug' der Kaiser wallen,
Aber plötzlich ernst und zürnend läßt auf Einen er es fallen.
Und er ruft dann halb mit Lächeln, halb mit bittrem, argen Grimm:
"Seht, ihr Herrn, doch dort den Bauern, und sein Hosenungetüm!
Traun, die gelben Lederhosen reichen fast ihm bis zum Kragen!
Freund, warum willst du des Landes oder meine Farb' nicht tragen?"
""Herr, weil ihr zu oft sie wechselt!"" spricht der Ritter drauf mit Mut,
""Doch des Landes Farben passen für uns Bauernvolk nicht gut!
Vor dem roten, grellen Kleide würden scheu uns alle Stiere,
Und das zarte Weiß stets fürchtet, daß es Gras und Laub beschmiere.
In den teuersten Gewändern, Herr, beschied man uns heran,
Drum die köstlichste und schönste meiner Hosen zog ich an,
Denn mit hundert goldnen Füchsen mußt' ich sie euch selbst bezahlen.
Wer noch kann mit solcher Hose und mit solchem Schneider prahlen?""
Wackrer Ritter, aus dem Himmel blickst du nun auf ird'schen Kram,
Wo so gänzlich aus der Mode deine Lederhose kam,
Wo in Seid' und Samt wir prunken! — Lächelnd doch siehst du die Gecken
Unbewußt, bis an den Kragen, tief in Lederhosen stecken.
Maria Theresia
Weiße Rosse, ungeduldig, stampfen vor dem Kaiserschloß,
Unten harrt die Staatskarosse und der Diener goldner Troß;
Oben in der Burg Gemächern weilt die junge Kaiserin,
Festlich zu dem Kirchenzuge schmückend sich mit bangem Sinn.
"Madchen, gib mir an den Busen jenes Kreuz rubinenrot,
Daß mein Auge sich gewöhne oft zu schauen Kreuz und Not!
Flecht' in's Haar mir jene Perlen, daß sie meinen Blicken fern,
Denn an meines Volkes Tränen mahnen sie mich allzugern!
Lege mir an Brust und Nacken Diamant und Edelstein,
Daß doch etwas an dem Busen sei, nach Fürstenart, von Stein!
Reiche mir den Ring der Liebe, daß sein goldnes, festes Band
Vor des schweren Zepters Schwielen schütze meine zarte Hand!
Drücke meiner Ahnen Krone gut mir in das weiche Haar!
Ach, nicht fest auf jenem Haupte ruht ihr goldner Reif, fürwahr,
Wo die weiche, seidne Locke um den Rang mit ihr noch kriegt,
Und vielleicht in solchem Kampfe wunderbar der Kron' obsiegt!
Hefte fest den Purpurmantel! Wie erträgt das schwache Weib
Seine Last, die Heldenmännern niederbog den kräft'gen Leib?
Pagen, faßt die goldne Schleppe! Wohl bedarf ich ja der Hand,
Die mir liebreich tragen helfe meines Purpurs schwer Gewand.
Reicht mir einen blanken Spiegel! — Doch im Glase aufgeglüht
Winkt ein Frühling, der voll Lilien, voll von süßen Rosen blüht!
Ach, der Lenz, der waffenlose, mild und lächelnd ist zu sehn,
Wo ein Fels im Morgenrote majestätisch sollte stehn!
Denn ihr finstres, ernstes Antlitz schüttelt meine Zeit voll Schmerz!
Ihren Unmut zu besiegen frommte eine Hand von Erz!
Doch ich kann die finstren Locken und des Grames Faltenspur
Ihr mit weicher Hand gelinde streicheln aus dem Antlitz nur!"
Und es sank ihr auf den Busen eine Träne, hell und licht,
Aber unter den Demanten da bemerkte man sie nicht!
Sie doch sah den feuchten Demant auf dem dürftigen Gewand
Jenes armen Mann's, der bettelnd an der Kirchenpforte stand.
Tief bewußt der eignen Ohnmacht wallt das schwache, schöne Weib,
Aber sieh, die Kraft der Männer beugt vor ihr den stolzen Leib!
O wie hoch für solche Schwäche der Begeist'rung Banner braust,
Doppelt scharf die Schwerter blitzen, doppelt kräftig jede Faust!
Sein Bild
Sein Lob ist nicht ein Loblein!
Walther von der Vogelweide
Dicht umwogt von Volkesmenge ragt ein luftig, farbig Zelt;
Ei, was doch die bunte Hülle wohl für einen Schatz enthält?
Birgt sie nicht die schönste Perle, Muscheln gleich, in schlichtem Schrein?
Hüllt sie nicht das schönste Antlitz, wie ein neid'scher Schleier ein?
Glockenklang, Kanonendonner! — Sieh, des Zeltes Hülle sank,
Und enthüllt' ein riesig Standbild, erzgegossen, hell und blank!
Wie zur Huld'gung, trat die Sonne jetzt auch aus dem Nebelflor!
Jauchzend, daß die Sterne bebten, schlug des Volkes Ruf empor!
Ruhig auf granit'nem Sockel schwebt das Kaiserbild voll Glanz,
Um die Schläfen keine Krone, nur den selbsterrungnen Kranz!
Hoch zu Roß, das Antlitz lächelnd, und empor die rechte Hand
Sanft erhoben, wie zum Segen, über sein geliebtes Land.
Ja, du bist es, weiser Joseph! — Voll von Kraft, und Mark, und Klang,
So im Bilde von Metalle, wie dein Leben all' entlang!
Dem getreu und kühn beharrlich, was als edel du erkannt,
Und an deinem großen Werke bauend fest mit eh'rner Hand!
Ein Despot bist du gewesen! Doch ein solcher, wie der Tag,
Dessen Sonne Nacht und Nebel neben sich nicht dulden mag,
Der zu dunklen Diebesschlüften die verhaßte Leuchte trägt,
Und mit goldner Hand an's Fenster langer Schläfer rastlos schlägt.
Ein Despot bist du gewesen! Doch, fürwahr, ein solcher bloß,
Wie der Lenz, der Schnee und Kälte treibt zur Flucht erbarmungslos;
Der den ärgsten Griesgram lustig mit dem hellsten Tau besprengt,
Und mit seinen Festeskränzen selbst den ärmsten Strauch behängt.
Drum mit Recht gab dir der Bildner Brust und Stirn' und Hand von Erz!
Aber küssen, brünstig küssen, möcht' ich diese Hand von Erz! —
Doch ich weiß nicht, ist es Laune, ist es kind'scher Unverstand,
Aber eine Rose gerne säh' ich in der eh'rnen Hand!
All dein Ringen nach dem Lichte, all dein Tun in ernster Zeit,
Glich's nicht einer Hand von Eisen, die uns eine Rose beut?
Ein beharrlich ernstes Kämpfen um ein morgenrotes Land!
Drum, o legt ihm weich die Rose in die harte, eh'rne Hand!
Was er seinem Volk geboten, war's des Frühlings Bote nicht?
Drum im Kampf er ausgedauert, stammt' es nicht aus Morgenlicht?
Drauf einst unverrückt sein Auge, war's nicht ros'ger Freiheit Pfand?
Drum die Rose allzugerne säh' ich in der eh'rnen Hand!
Ach, es will der Freiheit Rose uns im Garten nicht gedeihn!
Ohne Rose doch kannst nimmer, Erzkoloß, sein Bild du sein!
Nur ein Bildnis unsrer Zeiten dünkst du mir zu dieser Frist,
Dem die eh'rne Hand geblieben, doch die Ros entfallen ist.
Gastrecht
Alexander Ypsilanti stürzt vom Schlachtfeld kampferhitzt,
Wo die Freiheit ihres Blutes letzten Tropfen hat verspritzt,
Wo er einen hohen Orden sich gewonnen, unbewußt,
Eine schöne Heldenwunde, klaffend vorn an seiner Brust.
So mit stolzer Purpurrose seinen Busen ausgeschmückt,
In der Hand den Stumpf des Schwertes, kampfzerbrochen und zerstückt,
Tritt der Held auf Östreichs Boden, — o beträt' er ihn doch nicht!
Beut vertrauend uns die Hände, tritt an unsern Herd und spricht:
"Wenig ist's, darum ich flehe! Gebt mir Linnen zum Verband,
Laßt an eurer Luft mich laben, und erfreun an eurem Land!"
Mächt'ger als der Mund des Gastes spricht sein rinnend Heldenblut!
Und sie heißen ihn willkommen, und zu bleiben wohlgemut:
""Munkats ist ein hübsches Schlößlein, Luft und Aussicht schön und rein!
Nur beschränkt euch noch einstweilen auf ein einz'ges Fensterlein;
An Verband soll's auch nicht fehlen, der wohl fest und gut euch paßt,
Scheint er auch zu sein von Eisen, gleicht er auch den Ketten fast."" —
Durch sein Gitterfenster nieder blickt der Griechenheld auf's Land,
Das in schwelgerischer Fülle zaubervollen Lenzes stand:
"O wie können Rosen duften, Saat und Frucht noch schwellen dicht,
Saft'ge Reben lockend winken, wo des Gastes Recht man bricht?" — —
Sieben lange Jahr' in Ketten, trug der freiheitskühne Leu;
Sieh, nun löst man sie, daß wieder zwischen uns er wandle frei!
Aber kaum nach sieben Tagen brach der Tod sein Herz entzwei!
Traun, mich dünkt, daß er gestorben wohl an unsrer Freiheit sei!
Unsere Zeit
Auf dem grünen Tische prangen Kruzifix und Kerzenlicht,
Schöff' und Räte, schwarzgekleidet, sitzen ernst dort zu Gericht;
Denn sie luden vor die Schranken unsre Zeit, die Frevlerin,
Weil sie trüb' und unheildrohend und von sturmbewegtem Sinn!
Doch es kommt nicht die Gerufne, denn die Zeit, sie hat nicht Zeit,
Kann nicht stille stehn im Saale weltlicher Gerechtigkeit,
Während sie zwei Stunden harren, ist sie schon zwei Stunden fern;
Doch sie sendet ihren Anwalt, also sprechend, zu den Herrn:
"Lästert nicht die Zeit, die reine! Schmäht ihr sie, so schmäht ihr euch!
Denn es ist die Zeit dem weißen, unbeschriebnen Blatte gleich;
Das Papier ist ohne Makel, doch die Schrift darauf seid ihr!
Wenn die Schrift nicht just erbaulich, nun, was kann das Blatt dafür?
Ein Pokal durchsicht'gen Glases ist die Zeit: so hell, so rein!
Wollt des süßen Wein's ihr schlürfen, gießt nicht eure Hefen drein!
Und es ist die Zeit ein Wohnhaus, nahm ganz stattlich sonst sich aus,
Freilich seit ihr eingezogen, scheint es oft ein Narrenhaus.
Seht, es ist die Zeit ein Saatfeld; — da ihr Disteln ausgesät,
Ei wie könnt ihr drob euch wundern, daß es nicht voll Rosen steht?
Cäsar ficht auf solchem Felde Schlachten der Unsterblichkeit,
Doch auch Memmen, zum Entlaufen, ist es sattsam groß und weit.
Zeit ist eine stumme Harfe; — prüft ein Stümper ihre Kraft,
Heulen jammernd Hund und Kater in der ganzen Nachbarschaft! —
Nun wohlan, so greift begeistert, wie Amphion, fest darein,
Daß auch Strom und Wald euch lausche, Leben fahre in den Stein!"
Die Ruinen
Wien, tu' Buß'! es naht die Stunde, wo dein Bau in Trümmern fällt,
Deine Zinnen gleich der Erde und kein Stein am andern hält!"
Also rief ein Mann am Marktplatz, und wir lachten laut ihn aus,
Aber den Propheten sperrte eilend man ins Narrenhaus.
Doch bei stiller Nacht umwogte mir das Aug' ein seltner Traum:
Ich bewohnt' auf einem Berge einer Hütte dürft'gen Raum,
Mir zu Füßen weithin dehnte sich die Kaiserstadt umher,
Doch im Schutt und Staub zerfallen, ein gewalt'ges Trümmermeer!
Horch, an meine stille Pforte pocht des Fremdlings Schaulust an,
Daß ich ihr, für dürftge Gabe, Führer durch die Trümmerbahn,
Deuter sei zerfallner Größe, wo ein jeder Stein und Staub
Mahnend spricht von schönen Tagen, wie vom Lenz das dürre Laub. — —
Herr, gebt Acht, daß eine Schlange plötzlich aus dem Schutt nicht blitzt!
Seht euch vor, daß ihr die Glieder nicht am Dorngestrüpp' dort ritzt!
Reicht mir jetzt die Hand! Beschwerlich steigt durch's Schuttgeröll' sich's hier!
Auf dem Trümmerhügel finden doch ein bißchen Aussicht wir!
Seht euch um, ob's einem Buche hoher Psalmen hier nicht gleicht,
Dran die Zeit das Blatt zermorschte und die ganze Schrift gebleicht!
Hier und dort nur blieben Wände, wie manch einzeln lesbar Wort,
Und gleichwie ein einzler Buchstab' eine Säule hier und dort.
Ratet doch, wo jetzt wir stehen? — Ei nun, auf dem Stephansturm!
Von der hohen Himmelspappel, die gefällt der grimme Sturm,
Ist's zwar nur der niedre Strunk noch, der im Boden wurzelnd steht;
Denn der Stamm, die Zweig' und Blatter liegen rings als Schutt gesät!
Schlank und stolz einst, wie die Pappel, stieg in Wolken er hinein,
Leichtes Ast-und Laubwerk formte Menschengeist aus sprödem Stein!
O wie zwischen Zweig' und Blättern, hoch mit lautem, hellem Schall
Oben die gewalt'ge Glocke schlug als Riesennachtigall!
Seht den Stein, bemoost am Boden! Wer wohl nähm' an ihm es wahr,
Daß er Bruderschaft und Zwiesprach hielt in Lüften mit dem Aar!
Doch im Raum noch, wo der Äther tausend Jahr' fast nicht gekreist,
Ragt als leise, licht're Säule, sichtbar kaum, des Turmes Geist! —
Hebt empor euch auf den Zehen! Könnt ihr jene Eichen sehn,
Die wie Reihn von Grenadieren jenseits an der Donau stehn?
Herr, das hießen sie den Prater! Gegen jeden Schmerz und Tort
Wuchs dem guten heitren Völklein als Arznei ein Kräutlein dort.
Gegen bittrer Sorgen Wermut: dort des süßen Wein's genug!
Gegen Kapuzinerpredigt: des Hanswursts viel weis'rer Spruch!
Gegen Finsternis von oben: dort von oben Sonnenschein!
Gegen düstre Gaunereien: fröhlich heitre Gaukelei'n! —
Laßt uns fort nun, aber sachte durch die wilden Rosen gehn,
Daß wir nimmer sie zertreten! Rosen stehn selbst Trümmern schön!
Schutt auf Schutt! — So mag's geschehen, daß wir ließen ungegrüßt
Manch ein Grab, das unsrer Liebe, unsrer Tränen würdig ist!
Schnell vorbei an den zerfallnen Wohnungen der Gleißnerei!
An gewaltiger Paläste stolzem Wracke schnell vorbei!
Dessen Überrest zu stürzen, so wie seine Herren droht,
Deren ganzes langes Leben nur ein Warten auf den Tod!
Dort aus hohem Fenster nieder blickt des Epheu's dicht Gesträuch,
Wie einst draus der Kanzler blickte, dessen Tun dem Epheu gleich:
Schlingkraut nur, das morsche Wände mühsam wohl zusammenhält,
Aber nie voll edler Blüten, eigner freier Früchte schwellt!
Dort die Trümmer eines Klosters! — Aber laßt uns schnell vorbei!
Denn wer weiß ob in die Steine nicht der Geist gefahren sei
Jener Männer, die im Weltall dulden ihre Art allein;
Und wir so in Stein urplötzlich könnten nicht verwandelt sein!
Seht das Grabgewölb' der Kaiser, wo, von Mönchen treu bewacht,
Sie im Bett metallner Särge schlafen durch die ew'ge Nacht!
Seht dort in der Kutte sitzen das Geripp' mit weißem Bart!
In der letzten Wächterstunde schlief's wohl ein nach Wächterart!
Friede diesen dunklen Hallen! Traun kein schmähend, lieblos Wort
Trüb' als böser Hauch der Särge blanke Kupferspiegel dort!
Rosen blühn in's Fürstenleben ja so selten nur hinein,
Höchstens ihre Särge schmückend, und selbst da — aus Erz und Stein!
Jene mächt'gen Fundamente, deren Quadern rings zerstückt,
Als Palast der Landesväter ragten einst sie reich geschmückt;
Ach, es mag so mancher meinen gut sein Vateramt bestellt,
Wenn er nur ein Volk von Männern, Kindern gleich, in Windeln hält!
Schmiegsam, wie Gewürm und Eidechs durch den Schutt gekrümmt jetzt kriecht,
Kroch einst zwischen diesen Steinen feiler Schranzen feig Gezücht!
Krumme Rücken rings und Kratzfuß! Ei, was Wunder, wenn am End'
Selbst die alten Mauern machten tief ihr furchtbar Kompliment!
Seht den Steinblock, dessen Inschrift Josephs Namen halb enthält!
Längst von den granitnen Stufen fiel das eh'rne Reiterbild,
Das gekrönt mit ew'gem Kranze glänzend einst und glorreich stand,
Ein geliebter, heil'ger Lare dieser Stadt und diesem Land!
Die gebaut dies Mal der Ehren dünken mir dem Sünder gleich,
Der am Kirchenaltar opfert ein Votivbild, schmuck und reich,
Wähnend, daß nun desto freier lustig sünd'gen in den Tag
Und, was stets sein Heil'ger haßte, ungestraft er treiben mag!
Ach, sie haben arg gesündigt, diesen Heil'gen schwer verletzt,
Aus den Trümmern seines Domes ihm dies ärmlich Mal gesetzt! —
Herr, verzeiht, wenn ich nur Trübes rings erblickte immerdar!
Wer das Auge hat voll Tränen, ach, der sieht nicht immer klar! — —
Da erwacht' ich aus dem Traume, und von Trümmern sah ich nichts,
Golden schien durch meine Fenster heitrer Gruß des Morgenlichts,
Kirchen und Paläste ragten hoch und fest im jungen Tag; —
Ei, warum nur noch die Träne mir nicht aus dem Auge mag?
An den Kaiser
Vor den Thron des Hochgewalt'gen tritt nun frei und kühn mein Lied,
Vor den Herrscher, dem ein dreifach Kronenband die Stirn umzieht:
Jene alte goldne Krone, deren Glanz, bevor sie sein,
Durchgewallt von Haupt zu Haupte seiner Ahnen weite Reihn;
Jene schöne Silberkrone, deren schützend Zauberband
Um des Greises Haupt das Alter weiß und rein und heilig wand;
Und die dritte, schönste Krone, die ihm milde Güte flicht,
Segensreich wie Frühlingshimmel, hehr wie leuchtend Mondenlicht!
Scheu und fern den Königssälen keimt' und wuchs und blüht mein Lied,
Weil das Kind des freien Äthers bang des Zwanges Wohnung flieht;
Aber Kronen so wie diese, bannen, schrecken es wohl nicht,
Nein, sie winken mild und freundlich, und so tritt's vor ihn und spricht:
"Herr, du warst einst bang und traurig, und gebrochen war dein Herz,
Da erschlossen unsre Herzen reich und warm sich deinem Schmerz!
Lasse jenes Hochgewitters gern dich mahnen immerdar,
Da es hell den Regenbogen unsrer Liebe dir gebar!
Herr, du standst beraubt des Schildes, waffenlos und unbewehrt,
Da erstand die Kraft des Volkes, Mann an Mann, und Schwert an Schwert!
Rings um dich sahst du's im Kreise, wie ein Feld voll Garben stehn,
Das der nächste Lenz erneute, wenn im Herbst du's ließest mähn!
Herr, du warst einst arm und dürftig! Sieh da boten freudig dir
Väter ihrer Kinder Erbe, Jungfraun ihre goldne Zier;
Alles gab das Volk dir gerne, und behielt nur jenes Gold,
Drin sich seine Berge sonnen, das in seinen Herzen rollt.
Jetzt sind wir verarmt und dürftig, wehrlos und gebeugt von Schmerz!
O erschließe warm und freudig du dem Volke jetzt dein Herz!
Gib ihm Waffen, helle, scharfe: Offnes Wort in Schrift und Mund!
Gib ihm Gold, gediegnes, reines: Freiheit und Gesetz im Bund!
Deine Lande stehn voll Segen, reich und schön wohl ringsumher,
Frei und reich in goldnen Wogen rollt der Saaten weites Meer,
Sieh, wie stolz die Wälder rauschen, wie die Reben saftig glühn,
Voll Metall die Berge ragen, segelreich die Ströme ziehn!
Und dein Volk, wie ganz dem Boden, nur an Freiheit, ach, nicht gleich!
Sieh die edlen Keim' und Blüten, so gesund, so schön und reich!
Herr, sei du der Frühlingsodem, welcher frei sie wachsen heißt,
Sei die Sonne, die sie reifet, und darüber segnend kreist!
O dann wird das Volk auch blühen, wie die Fluren ringsumher,
Und sein Geist wird Ähren tragen, inn'ren Mark's und Kernes schwer,
Wie die Rebe wird er sprießen, die sich frei und fröhlich schlingt,
Und wohl auch als Hochwald grünen, der manch Blatt zum Kranz dir bringt!
Herr, gib frei uns die Gefangnen: den Gedanken und das Wort! —
Sieh, es gleicht der Mensch dem Baume, schlicht und schmucklos grünt er fort;
Doch wie schön, wenn der Gedanke dran als bunte Blüte hängt,
Und hervor das Wort, das freie, reif als goldne Frucht sich drängt!
Und es gleicht der Mensch dem Strome, unbelebt und öde nur
Eine tote Wasserheide dehnt er flach sich durch die Flur;
Doch wie herrlich, wenn darüber frei und fröhlich, her und hin,
Die Gedanken gleichwie Schifflein, und wie Silberschwäne ziehn! —
Herr, es strahlt vor deinen Augen eines Dom's gewalt'ger Bau,
Dessen Turm, ein frommer Riese, hoch durchragt des Himmels Blau;
Und dein Volk war's, das ihn baute! Welches mag die Deutung sein?
Ei, wir finden in den Himmel selber wohl den Weg hinein!
Deiner Kaiserstadt nicht ferne liegt ein Schlachtfeld, weit und groß,
Wo für dich, für Land und Freiheit deines Volkes Blut einst floß;
O beim Himmel, wessen Herzen für dich bluten du gesehn,
Dessen Geist wird wahrlich nimmer gegen dich in Waffen stehn!
Freies Blut düngt jene Fluren; Herr, wie mocht' es denn geschehn,
Daß sie nicht schon längst voll Rosen heil'ger Freiheit üppig stehn?
Einem Meer gleicht jene Ebne; welch ein seltner Sternenlauf,
Daß das Morgenrot der Freiheit draus nicht längst schon stieg herauf?
O gib frei uns den Gedanken und auch seinen Freund: das Wort!
Denn es sind ja wackre Gärtner für die Rosenkeime dort;
Zu den Lorbeern und den Palmen, die dein greises Haupt umwehn,
Müßten gut und schön die Rosen jugendlicher Freiheit stehn!
Frei das Wort, frei der Gedanke! Wackre Schiffer sind es schier!
Will nicht aus dem Meer die Sonne, segeln sie entgegen ihr!
Bald dann flammt die Morgenröte, und es klingt in ihrem Schein
Mehr als eine Memnonssäule hell durch's Land, und voll, und rein!" —
Also spricht das Lied, das freie. Vater Franz, du zürnest nicht,
Daß dir's nahte ungemeldet, ungefragt es zu dir spricht;
Sieh, es ist die Frühlingsschwalbe, die an deine Fenster pickt,
Und auch ungefragt dich mahnet, wie die Freiheit hoch beglückt!