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Quelle:

Friedrich Halm
Gedichte

Stuttgart und Tübingen 1850
J.G. Cotta'scher Verlag

Vermischte Gedichte 1
 

Die Elfen
Ermutigung
Das taube Mütterlein
Schwermut
Sehnsucht
Müdigkeit
Fünf Treppen hoch
Schmerz und Freude
Entschluß
Erinnerungen
Der treue Kastellan

 
Stern und Lampe
Mailied
Glück
Auf der Wanderung
Frucht und Blüte

 

Die Elfen


Es ging im Abenddunkel
Das Kind im Erlental,
Da sah es die Elfen tanzen
Beim lichten Mondenstrahl,

Es locken's die schmucken Kinder,
Des Mondes heller Glanz,
Und näher schleicht's und näher,
Und mischt sich in den Tanz,

Da fassen es die Elfen,
Und führen es durch die Nacht,
Und zeigen ihm ihre Paläste
Tief unten im Erdenschacht;

Sie tauchen mit ihm in den Weiher
Tief unter die spiegelnde Flut,
Wo im kristall'nen Hause
Die Nixe singend ruht;


Sie hebens zu Eichenwipfeln
In heitrem Flug hinan,
Und tragen es wieder schäkernd
Herab auf den Wiesenplan;

Sie holen ihm flimmernde Steine
Tief aus der Erde Schoß,
Sie brechen vom Himmel Sterne
Zum Spielgerät ihm los. —

Nach einer Stunde aber
Begehrt das Kind nach Haus.
Es fürchtet, wenn es säume,
Die Mutter schelt' es aus.

Es scheidet von seinen Gespielen
Und schreitet durch den Wald,
Und in der Ferne sterbend
Der Elfengesang verhallt.

Da wird dem Kind so bange,
Es weiß sich nicht mehr Rat,
Die Bäume ragen höher,
Und dunkler scheint der Pfad.


Es kennt, zum Dorf gekommen.
Das Vaterhaus nicht mehr.
Und fremde Gesichter drängen
Sich um den Fremdling her.

Die Stunde, daß du spieltest,
Schlang Jahr auf Jahr hinab,
Arm Kind, wer soll dich schelten?
Die Mutter schläft im Grab;

Der Vater ist verdorben,
Der Bruder ging über's Meer,
Und suchst du deine Lieben,
Was säumtest du so sehr?

Herz, laß dies Bild dich warnen;
Trau' nicht dem Mondenlicht,
Das funkelnd in deines Lebens
Walddunkle Schatten bricht;

Und spiel' nicht mit der Elfen
Hinwirbelnd fiücht'gem Heer!
Wer mit den Elfen spielte,
Hat keine Heimat mehr!


Ermutigung

Sei stark, mein Herz! — Ertrage still,
Der Seele tiefes Leid.
Denk, daß der Herr es also will,
Der fesselt und befreit!

Und traf dich seine Hand auch schwer,
In Demut nimm es an;
Er legt auf keine Schulter mehr,
Als sie ertragen kann.

Er weiß es, was das Beste ist,
Er weiß es, er allein!
Er weiß, daß du bekümmert bist,
Drum gib dich mutig drein.


Was nützt dein Jammern! Fasse Mut!
Still' deiner Tränen Lauf,
Sie stacheln nur des Schmerzes Glut
Zu hellern Flammen auf.

Und wenn du Trän' auf Träne häufst,
Und weinest Jahr um Jahr,
Es kommt die Zeit, wo du begreifst.
Daß Alles Segnung war.

Das taube Mütterlein

Wer öffnet leise Schloß und Tür?
Wer schleicht in's Haus herein?
Es ist der Sohn, der wiederkehrt
Zum tauben Mütterlein,

Er tritt herein! Sie hört ihn nicht,
Sie saß am Herd und spann;
Da tritt er grüßend vor sie hin,
Und spricht sie: Mutter, an.


Und wie er spricht, so blickt sie auf,
Und — wundervoll Geschick —
Sie ist nicht taub dem milden Wort,
Sie hört ihn mit dem Blick!

Sie tut die Arme weit ihm auf,
Und er drückt sich hinein,
Da hörte seines Herzens Schlag
Das taube Mütterlein.

Und wie sie nun beim Sohne sitzt
So selig, so verklärt, —
Ich wette, daß taub Mütterlein
Die Englein singen hört.

Schwermut

1.
Ich kann es euch nicht sagen,
Was dieses Herz bewegt,
Ihr könnt' es nicht verstehen,
Warum's so heftig schlägt.

Denn könnte ich es sagen,
So wär' ich so wie ihr,
Und könntet ihr's verstehen,
So wär' euch, so wie mir.

2.
Was wollt ihr? — Sprach ich jemals,
Kommt, teilt mit mir mein Glück!
Was trübt nun eure Augen
Mein tränenfeuchter Blick?

Ich bitt' euch, laßt mich weinen,
Was kümmert euch mein Schmerz?
Und laßt mein Herz zerbrechen,
'S ist ja mein eignes Herz!
 
Sehnsucht

Gedicht, du Seelenblütenflaum,
Gedicht, du Lebensflutenschaum,
Gedicht, du Aeolsharfenklingen,
Du Flügelschlag von Engelsschwingen,
Du Lethetrank, du Ahnungsblitz,
Du künft'ger Wonnen Traumbesitz,
Du Sommernacht mit milder Vollmondshelle,
Du Rosenduft, du Himmelblau der Seele,
Gedicht, Gedicht, mein Morgenstern,
Ich rufe dir, und du bleibst fern!

Müdigkeit

Ich hab' geruht an allen Quellen,
Ich fuhr dahin auf allen Wellen,
    Und keine Straße ist, kein Pfad,
    Den irrend nicht mein Fuß betrat.

Ich hab' verjubelt manche Tage,
Und manche hingebracht in Klage,
    Bei Büchern manche lange Nacht,
    Und andere beim Wein durchwacht.

Viel mißt' ich, viel hab' ich errungen;
Auch Lieder hab' ich viel gesungen,
    Und ausgeschöpft hat dieses Herz
    Des Lebens Lust, des Lebens Schmerz.

Nun ist der Becher leer getrunken,
Das Haupt mir auf die Brust gesunken,
    Nun legt' ich gern mich hin und schlief'
    Unweckbar, traumlos, still und tief!

Mir ist, mir ist, als hört' ich locken
Von fernher schon die Abendglocken
    Und süße weiche Traurigkeit
    Umweht mich: Komm, 's ist Schlafenszeit!

Fünf Treppen hoch

Student, Student, du junges Blut,
Du wohnst hoch unterm Dache,
Fünf Treppen hoch, fünf Treppen doch
Im winklichten Gemache.

Die Dielen holprig, kahl die Wand,
Die Decke drückend nieder,
Ein Bett, ein Tisch, sonst kein Gerät
Als Bücher hin und wieder,

Empfängst du gleich aus erster Hand
Wind, Sonnenbrand und Regen,
Du lebst hoch oben unterm Dach
Doch herrlich allerwegen.

Früh Morgens auf, zum Tische hin,
Da nehmen dich die Musen
Und drücken dich, und herzen dich
An ihren weißen Busen.

Hell draußen tönt der Vöglein Lied,
Du dichtest drinnen Lieder,
So hallt es auf und unterm Dach
Von Liedern lustig wieder.

Da pocht es! Horch, kommt einer wohl
Und mahnt an alte Schulden,
Ach lieber Gott, der poche nur.
Und lerne sich gedulden.

Doch draußen tönt es: "Tu nur auf!
Ich bin's, der Gott der Becher,
Ich bin es, Dionysios,
Und bring' dir Sorgenbrecher!"

Da fliegt der Riegel rasch zurück
Der Gott tritt in die Stube,
Doch ohne Thyrsus, ohne Kranz,
Er kommt als Kellnerbube.

Das grüne Mützlein auf dem Haupt,
Die Schürze vorgebunden.
Kredenzt er dir, ob's Krätzer sei,
Dir scheint es doch zu munden.

Der Gott entschwand! Da pocht es. horch,
Von Neuem leise, leise,
Und diesmal bebst du nicht zurück.
Du kennst' des Pochens Weise.

Du öffnest und es schwebt verschämt
Cythere dir entgegen.
Doch nicht als Göttin, nein ganz schlicht
Wie Nähermädchen pflegen.

Dicht wallend unterm Strohhut fließt
Der Locken Fülle nieder,
Ein Kleidchen von Kattun verhüllt
Die jungen frischen Glieder.

"Ach wie die Sonne drückt und sticht!"
Spricht sie mit zücht'gen Mienen,
Und blickt umher, und sucht und sucht
Vergebens nach Gardinen.

Da hat vor's Fenster sie alsbald
Ihr rotes Tuch gehangen,
Da sitzt ihr nun und herzt und kost
Von Purpurschein umfangen.

Ja Purpur gießt ganz königlich
Um dich her seine Lichter,
Und König wahrlich bist du auch,
Mein junger blonder Dichter.

Du ahnst es nicht, du weißt es nicht,
Doch kannst du's heut nicht finden.
Fiel erst die Krone dir vom Haupt,
Dann wirst du es empfinden!

Du wirst vielleicht, du junges Blut,
Dereinst Minister werden,
Und herrschest über Stadt und Land,
Regierst Beamtenherden.

Dann schlummerst du im Himmelbett,
Dinierst mit Exzellenzen,
Und lässest dir zu Wild und Fisch
Chateau Lafitte kredenzen.

Doch, ob die Götter noch wie heut
Dir nahen zum Besuche,
Ob's unterm Himmel dir behagt,
Wie unterm roten Tuche,

Wer weiß das! Ja, wer weiß, ob nicht
Im vornehm stolzem Kreise
Der sterngeschmückten Brust entschwebt
Der Seufzer leise, leise:

"Wenn ich Student, Student noch wär'
Und wohnte unterm Dache,
Fünf Treppen hoch, fünf Treppen hoch,
Im winklichten Gemache!"

Schmerz und Freude

Es trifft die Freude trifft der Sehmerz
Mit Pfeilen beide unser Herz.

Doch Freude trifft nur wie zum Spiel,
Der Bolzen haftet nicht am Ziel.

Des Schmerzes Pfeil, wen der durchdrang,
Der schleppt ihn nach sein Leben lang.

Entschluß

Ich will! — Das Wort ist mächtig.
Spricht's Einer ernst und still;
Die Sterne reißt's vom Himmel,
Das eine Wort: Ich will! —

Erinnerungen

Im dunklen Wald hebt eine alte Eiche
Zum Himmel stolz ihr Haupt, das blätterreiche,
Und weiches Moos sprießt unter ihrem Schatten,
Und ringsum schweift der Blick auf grünen Matten.

Dort lag ich jüngst von Traumesduft umfangen,
Von Abendhauch umweht die heißen Wangen —
Der Sommer ging zu End', der Tag zur Neige —
Da flüstert ich empor in ihre Zweige:

"Dich acht' ich hoch vor allen Waldesbäumen,
Dich, die gerauschet meinen Jugendträumen,
Dich, deren Wurzeln meine Tränen näßten,
Mein ganzes Leben hängt an deinen Ästen!

Dein Dunkel war's, das grünend oft umsponnen
Den Knaben, dumpfer Schule Zwang entronnen,
Und bessre Lehre goß dein heilig Rauschen
In meine Brust, der mocht' ich gerne lauschen.

Du lehrtest mich Plutarchs Gestalten kennen,
Vom Mund des Lehrers hört' ich sie bloß nennen,
Mir gab's kein Rom und keine Perserreiche,
Kein Hellas, als im Schatten meiner Eiche;

Da fing ihr großes Bild sich zu entrollen,
Zu leben an und tausend Stimmen schollen
Von Ruhm und Macht und Größe zu mir nieder,
Und alle hallten mir im Herzen wieder.

Und mir entsank das Buch, nicht was geschehen,
Genügte mir; ich wollt, ich mußt' es sehen;
Ich sah's! Mein Haar versengten Trojas Brände,
In Cäsars Wunden legt' ich meine Hände! —

Erwacht beweint' ich meiner Träume Schimmer,
Doch oft auch, denn Begeistrung nahm nicht immer
Mich liebend aus in ihrem Heiligtume,
Oft weint' ich hier um eine welke Blume.

Um Spielzeug klagt' ich dir, dir durft ichs sagen,
Den Spielgenossen barg ich meine Klagen;
Ich scheute Spott, ich haßte kühl Bedauern,
Bei dir allein vergönnt ich mir zu trauern.

Erlitt ich Unrecht, preßte fruchtlos Sehnen
Mein schwellend Herz, dir stoßen meine Tränen,
Als flößen sie aufs Grab der Mutter nieder;
Da strahlte ihr verdämmernd Bild mir wieder.

Ihr Aug' schien freundlich mir herabzublicken,
Brach Sonnenschein durch deiner Blätter Lücken;
Ihr Hauch schien deinen Wipfel zu erschüttern,
Und Lust und Grauen fühlt' ich mich durchzittern.

So schwand die Zeit; so oft das Jahr verblühte,
Im Herbstrot deines Scheitels Grün verglühte,
Bereichert stets von deiner Stille Gaben
Empfing das Vaterhaus den wilden Knaben.

Und eines Tages in des Lenzes Prangen
Grüßt' statt des Kindes, das von dir gegangen,
Der Jüngling dich und stand in ernstem Schweigen
Und sah empor nach deinen heil'gen Zweigen.

Durch deine Äste brach des Himmels Bläue,
Da schwoll sein Herz, da dacht' er deutscher Treue;
Er sah dein Haupt sich in die Wolken heben,
Da nahm er dich zum Vorbild seinem Streben.

Er sah der mächt'gen Wurzel Zweig' und Äste
Dich senken in des Felsengrundes Veste;
Da schwor er sich, im Wechsel der Gestalten
Fest, treu wie du am Vaterland zu halten.

Er schwor sich zu, in jenen heil'gen Stunden,
Den stolzen Kranz aus deinem Laub gewunden
Sollt' nie er auch den Scheitel ihm umgrünen,
Um ihn zu ringen doch, ihn zu verdienen!

Ja hier, hier war's! Hier träumt' ich Weltenplane,
Hier pflanzt' ich auf der Wahrheit Sternenfahne;
Da schien kein Feind dem Mutigen unbezwinglich,
Kein Preis zu hoch, kein Opfer unerschwinglich.

Und hier auch war's! Hier brach der Lippen Siegel,
Des Herzens Rinden und das Wort fand Flügel;
Hier schwebten lächelnd dem Beglückten nieder
Der ersten Liebe Traum, die ersten Lieder.

Und hier — hier stand ich als in dunkle Ferne
Vom Vaterhaus mich drängten meine Sterne;
Hier unter deines Wipfels leisem Regen
Empfing der Sohn des greisen Vaters Segen.

Zieh hin, so tönt es ernst aus seinem Munde,
Sei treu, sei stark und geize mit der Stunde;
Grad aus, mein Sohn, der grade Weg der beste! —
Und wie ein Seufzer zogs durch deine Äste;

Und deine Blätter rauschten auf mich nieder,
Wie grüne Zungen; jedes sprach: Komm wieder!
Leb' wohl! Leb' wohl! haucht' scheidend ich zurücke,
Und grauer Nebel schwamm vor meinem Blicke! —

Baum meiner Jugend! Wüster Meere Wogen,
Des Sturmes Beute, hat mein Geist durchflogen,
Mast brach und Steuer und die Flut will steigen;
Schiffbrüchig halt' ich fest an deinen Zweigen.

An deinen Stamm laß mich mein Fahrzeug ketten,
In deiner Schatten Dunkel laß mich retten
Die karge Ladung vor des Sturmes Wüten,
Ein oftgetäuschtes Herz und welke Blüten.

O hätt' ich deinen Klagelaut verstanden
Als Schattenbilder hier den Träumer fanden,
Als hier mein Geist verkehrt mit Lustgestalten,
Und seinen Wunsch für Wirklichkeit gehalten!

Hätt' ichs gefaßt, was sprach aus deinen Zweigen,
Ich hätt' mein Herz verhüllt statt es zu zeigen;
Ich hätt' im Busen tief mein Leid verschlossen,
Ich hätt' geknirscht, wo Tränen ich vergossen!

Ich suchte Wahrheit und auf meinen Wegen
Lag Nacht, und Zweifel qualmte mir entgegen;
Ich suchte Recht und sah Gesetze prunken,
Im Formenmeer den frischen Geist ertrunken.

Parteisucht sah ich richten und belohnen,
Und Unwert schmücken mit des Ruhmes Kronen;
Tot war die Scham und Treue war verblichen,
Hell klang das Wort, die Tatkraft war entwichen!

In wilder Unruh gärte rings das Leben,
Doch faul und hohl im Mark war jedes Streben,
Ich aber, wie vom jähen Blitz geblendet,
An Träume sah ich meine Kraft verschwendet.

So kehr' ich heim! Mit schamerglühten Wangen
Wie einst als Kind zu dir komm' ich gegangen,
Ich fürchte Spott, ich hasse kühl Bedauern,
Dir berg' ich nicht der Seele tiefes Trauern.

Baum meiner Jugend! Wie dein leises Flüstern
Das Kind belehrt, wie meine Seele lüstern
Begeistrung sog aus deinem heil'gen Schweigen,
Weh' jetzt auch Tröstung mir aus deinen Zweigen!

Du, deren Stamm so oft der Herbstwind rüttelt,
Und Blatt für Blatt von deinen Zweigen schüttelt,
Lehr' trotzend mich in rauher Stürme Wehen,
Entlaubt wie du, doch unerschüttert stehen!

Lehr' hoffen mich wie du, in Frostes Nöten,
In Winternacht, auf lichte Morgenröten,
Auf neuen Blätterschmuck im jungen Lenze,
Und deckten auch mein Grab nur seine Kränze!" —

Ich sprach es, — Hell war Mondlicht aufgestiegen.
Und träumend schien der Baum sein Haupt zu wiegen,
Und Tau troff, wie erwiedernd meine Lieder,
Aus seinem Laub wie Tränen lau mir nieder!

Der treue Kastellan

Die Erd' ist Gottes Sommerhaus,
Es freut der Herr sich seines Bau's,
Denn, daß sein Wesen sichtbar werde,
D'rum schuf er ja die schöne Erde.
Da steht sie nun, wie er's verlangt,
                                   Und prangt.

Wenn nun der Frühling kommt heran,
Da sendet er auf Wolkenbahn
Die Lerche aus auf leichten Schwingen,
Den Menschen rings die Kund' zu bringen:
"Der Herr tut auf sein Sommerhaus,
                                   Kommt nun heraus."

Da füllet bald sich Gottes Bau,
Der tausend Wunder trägt zur Schau,
Mit Menschen an, mit Gottes Gästen,
Und Jeder nimmt sich von dem Besten,
Was in sein Haus der Herr gestellt,
                                   Wie's ihm gefällt.

Der sucht der Quelle Blumenrand,
Der lugt vom Berg hinab ins Land,
Der wandelt in des Waldes Schatten,
Und Jener ruht auf grünen Matten;
Denn Jeder wählet, was es sei,
                                   Sich frei.

Die Traube schwillt, es reift das Korn,
Und lustig tönt des Jägers Horn;
Doch rauher Sturm und böse Fröste
Verscheuchen Gottes Frühlingsgäste,
Und seine Villa mehr und mehr
                                   Wird leer.

Und selbst der Herr verläßt die Welt,
Und kehrt zurück in's Sternenzelt;
Und wer bewacht indes die Erde,
Daß sie der Winter nicht gefährde? —
Der Herr weiß Rat, — denn von der Höh'
                                   Schickt er den Schnee.

Und wie ein treuer Kastellan
Nimmt er der Erd' sich sorgsam an;
Erst läßt er Stürme fegend wehen,
Dann kommt er selbst um nachzusehen,
Stets rüstig noch, obwohl ein Greis,
                                   Schon silberweiß.

Des Bodens grünen Teppich gleich
Hüllt er in Tücher, weiß und weich.
Verhüllt der See'n, der Flüsse Spiegel,
Und Gottes Thron, die Berg' und Hügel,
Daß Alles strahlend wieder glänz'
                                   Im nächsten Lenz.

Und selbst der Kuppel herrlich Blau
Hüllt er in tiefes düstres Grau,
Verhüllt mit seiner Flocken Schwarme
Der Bäume Kandelaberarme,
Daß Alles glänze, so wie neu,
                                   Im Mai.

Nun, hat's der Herr nicht klug gemacht?
Wie treu der Schnee die Erd' bewacht!
Wie sehr beglückt ihn sein Bestreben!
Denn wird der Abschied ihm gegeben,
In Tränen schmilzt vor herbem Weh
                                   Der arme Schnee.

Stern und Lampe

Ich saß bei meiner Ampel
Und las begeistert fort,
Denn Gold war jede Zeile
Und Demant jedes Wort.

Es war ein echter Dichter,
Voll Feuer, Geist und Kraft,
Ein Werk, wie Kokosnüsse,
Voll Duft und Kern und Saft,

Da starb der Ampel Flamme! —
Öl hatt' ich nicht im Hans,
Da schritt ich mit meinem Unmut
Ins Freie trüb hinaus.

Ich warf mich auf den Rasen,
Und blickte zum Himmel auf,
Da gehen im hellen Reigen
Die Sterne ihren Lauf.

Im grünen Busche schmettert
Die Nachtigall ihr Lied;
Indes im klaren Weiher
Der Schwan die Kreise zieht.

Und ringsum Duft und Blumen,
Und ringsum stille Luft,
Da wogten diese Gedanken
In meiner tiefsten Brust:

"Du dachtest, mit dem Lesen
Wär's aus für diese Nacht;
Wie hat es sich ganz anders
Nun wunderbar gemacht!

Sieh, goldne Sterne leuchten
Dir statt der Ampel Schein,
In's off'ne Buch des Himmels
Blickst ahnend du hinein!

Spricht nicht mit Klang und Düften
Zu dir die Mondennacht?
O welches Buch der Bücher
Ward dir nicht aufgemacht!

Und steht nicht auf jedem Blatte:
""O lernt bescheiden sein!
Gott schafft beim Sternenschimmer,
Die Kunst beim Ampelschein.""

Mailied

Im Mai erwacht der Lerche Sang,
Im Mai erwacht der Blüten Drang,
Und heiter strahlt des Himmels Bogen,
Vom kleinsten Wölkchen nicht umzogen,
Und Alles schmückt sich, was es sei,
                                              Im Mai!

Es grünt der Keim, die Knospe schwillt,
Im Quelle strahlt der Sonne Bild,
Und rings erfüllt die reinen Lüfte
Nur Glanz und Licht und Balsamdüfte
Und Alles freut sich, was es sei,
                                              Im Mai!

Und aus der Städte engem Wall
Ergießt sich rings der Menschen Schwall,
Wo Frühlingslüfte labend wehen,
Im Freien froh sich zu ergeben,
Und Alles atmet frisch und frei
                                              Im Mai!

Und Alle zogen mit hinaus,
Ich hüt' allein das leere Haus.
Wie prangend auch in Blütenkränzen
Und jungem Grün die Höhen glänzen,
Mich locket nicht, wie hell er sei,
                                              Im Mai!

Grün noch so heiter Flur und Au,
Und strahl der Himmel noch so blau,
Mir macht es nicht die Flügel regen;
Mir pocht ja in des Herzens Schlägen,
Mir blüht im Busen, ob's Winter sei,
                                              Stets Mai!

Stets streut mein Haupt, der Blütenbaum,
Um mich her seinen Bilderflaum,
Und Quellenklang und Wipfelbrausen
Umrauschen mich, und stürm' es draußen,
Hell klingt mein Lied, wie Lerchenschrei,
                                              Im Mai!

Zwei blaue Augen, mild und hell,
Vertreten mir des Himmels Stell';
Mein Dichterherz, das ist die Sonne,
Die um mich hergießt Maienwonne;
O blüh' mir immer, bleib' mir treu,
                                              Mein Mai!

Glück

Was jeder sucht, und was so wen'ge kennen,
Wonach wir Alle jagen stets und rennen,
Wofür selbst Greise glühen noch und brennen,
Glück, was ist Glück? Wer weiß es mir zu nennen?

Befriedigung? — Das Herz kennt keinen Frieden!
Und Ruhe? — Wem war jemals sie beschieden?
Freiheit vielleicht? — Doch wer ist frei hienieden?
Glück, was ist Glück? Wer hat es je entschieden?

Dem ist es Reichtum, jener nennt es Macht
Dort grünt es Einem in des Lorbeers Pracht,
Der findet es in wüst durchschwelgter Nacht,
Und dieser, wenn er sie beim Buch durchwacht!
Glück ist, was jeder sich als Glück gedacht!

Und träte Einer nun zu mir heran,
Und spräche stehend: Zeige mir die Bahn
Zum Glück, zum Glück, nach dem wir Alle jagen
Die Worte müßt' ich ihm zur Antwort sagen:

E r s t  l i e b e, was auch deine Neigung wähle,
Ein Weib, ein Kind, Kunst, Wissenschaft, Natur,
Doch lieb' es ganz aus voller trunkner Seele,
Und leb' und webe in dem Einen nur!
Laß ganz aus dir des Ich's Bewußtsein schwinden,
Tauch' unter wie ins Meer in dein Empfinden,
Beglückend nur fühl' selber dich beglückt,
Gib ganz dich auf, und lerne froh entzückt
Je mehr du gabst, nur reicher stets dich finden.

D a n n  s c h a f f e, was es sei, nach deinen Gaben,
Ein Lied, ein Bild, treib' Handel, führ' den Pflug,
Doch mußt du hoch das Ziel gesteckt dir haben,
Und was du leistest sei' dir nie genug!
Laß nie die Kraft, den Willen dir erschlaffen,
Vom Bessern dich zum Besten aufzuraffen;
Nur wenn dein Geist nach Fortschritt ewig geizt,
Wenn ewig ihn Vollendung lockt und reizt,
Dann lebst du erst, es leben nur, die schaffen!

Und dann — d a n n  s t i r b, denn besser nie erfahren
Der Liebe Glück, des Schaffens Drang und Lust,
Als sie verglimmen fühlen in der Brust,
Und traurig überleben, was wir waren.

Auf der Wanderung

1.
Abschied

Ich hab' mein Lieb gesehen
In eines Andern Arm:
Den Mund, den ich geküsset,
Von fremden Lippen warm,

Die Hand, die ich gedrücket,
Gedrückt von fremder Hand,
Den Blick, der mir gestrahlet,
Dem Fremden zugewandt! —

Mein Lieb' ich muß dir sagen,
Geliebt hab' ich dich sehr! —
Mein Lieb, geh deiner Wege,
Wir sehen uns nimmermehr

2.
Winternacht

Um mich ist Nacht und Dunkel,
In meiner Brust noch mehr;
Um mich ist Eiseskälte,
In meiner Brust noch mehr!

Das bißchen Dichterfeuer,
Das bißchen Sternenlicht,
Es macht die Nacht nur heller,
Doch wärmer, wärmer nicht!

3.
Beim Vollmond

Wir saßen an einem Abend
In Abschiedsschmerz versenkt,
Da hat mir zum Angedenken
Mein Lieb den Mond geschenkt;

Und sprach: Denk an mein Auge,
Wenn dir sein Schimmer strahlt!
Und sprach: Denk meiner Tränen,
Wenn ihn Gewölk umwallt!

Da schaut' ich zum bleichen Monde
Empor manch' lange Nacht,
Und hab' an ihr liebes Auge
Und ihren Schmerz gedacht!

Und während ich saß und seufzte,
Was hat mein Lieb getan? —
Sie ließ mich im Mondschein sitzen.
Und nahm sich einen Mann!

4.
Am Bach

Bach, mein Bach, wo kommst du her?
"Weiß nicht, woher ich komme!"
Und Bach, mein Bach, wo gehst du hin?
"Weiß nicht zu welchem Strome!"

Und Herz, mein Herz, was quälet dich?
"Weiß nicht, was ich entbehre!"
Und Herz, mein Herz, was sehnst du dich?
"Weiß nicht, was ich begehre!"

5
Im Münster

Im hochgewölbten Münster
Bei mattem Ampelschein,
Da sah ein Weib ich knieen
Vor einem Heil'genschrein!

Des Auges blauer Himmel
War aufwärts zum Bild gewandt
Und Tränen der Andacht hingen
Wie Perlen an seinem Rand,

Die Wangen leis gerötet,
Die Lippen leis' bewegt,
Die Hände fromm gefaltet
Aufs pochende Herz gelegt.

So lag sie hingegossen,
Begeistert und entzückt,
Ein Engel im Pilgerkleide,
Der nach der Heimat blickt.

Mich aber, wie Duft aus Eden,
Weht diese Ahnung an:
"Wie muß sie lieben können,
Sie, die so beten kann!"

6.
Im Wald

Vöglein auf dem grünen Zweige,
Sänger aus dem grünen Moos,
Aber Lieder singen beide,
     Vöglein auf dem grünen Zweige,
     Sänger auf dem grünen Moos!

Liebe klingen ihre Lieder,
Klingen sanft und klingen süß;
Durch die Lüfte hin und wieder,
     Liebe klingen ihre wieder,
     Klingen sanft und klingen süß!

Vöglein traut und trauter Sänger,
Ach ihr singet nur im Mai!
Wäre doch der Mai nur länger!
     Vöglein traut und trauter Sänger,
     Ach ihr singet nur im Mai!

7.
Auf dem See

Der Abend ist gekommen,
Die Nixe geht zur Ruh'
Ins Bett der grünen Wogen,
Und Nebel deckt sie zu.

Es spielt auf den grauen Dünen
Als Nachtlicht Mondenschein,
Und Abendglocken singen
Die müde Schläfrin ein.

Und horch, wie leises Flüstern
Ringsum im See erwacht;
Es sagen sich Schilf und Wellen
Schlaftrunken! Gute Nacht!

8
Im Garten

Ich poch' an deiner Türe,
Feinliebchen tritt heraus.
Und was da blüht und duftet,
Komm, bind es mir zum Strauß.

Narzissen und Reseden,
Und Flieder sei darin,
Und Veilchen blau und Tulpen,
Und duftender Jasmin.

Nimm Alles, nur nicht Rosen,
Und das aus gutem Grund,
Die pfiück' ich von deinen Wangen,
Die pflück' ich von deinem Mund!

9.
Serenade

Ihr blauen Augen, gute Nacht!
Schließt euch zu holden Träumen,
Auf daß ihr hell und frisch erwacht,
Wenn golden sich die Wolken säumen;
     Ihr blauen Augen, gute Nacht!

Ihr roten Lippen, gute Nacht!
Wenn Sterne sich am Himmel zeigen,
Schließt ja den Kelch der Rose Pracht;
So schließt auch euch zu holdem Schweigen,
     Ihr roten Lippen, gute Nacht!

Du holdes Antlitz, gute Nacht!
Wer würde Tagesglanz vermissen,
Wenn hell noch deine Schönheit wacht;
Drum birg dich tief im weichen Kissen,
     Du holdes Antlitz, gute Nacht!

10.
Wiese und Wald

Sieh, lichtgrün ist die Wiese
Und dunkel ist der Wald,
Und mir gefällt die Wiese
Und mir gefällt der Wald!

Die Blonde oder Braune,
Sprich, welche liebst du mehr?
Und sieh, ich lieb' die Blonde,
Und lieb' die Braune sehr!

11.
Im Kloster

Sie stand im dunklen, Kreuzgang
Im blütenweißen Kleid,
Ein Mönch in brauner Kutte
Ernst sinnend ihr zur Seit';

Es blüht auf ihren Wangen
Wie heller Frühlingsschein,
Der Mönch mit weißem Barte
Sieht wie der Winter drein.

Hell funkeln ihre Augen
Von Jugendlust und Glück.
Es glimmt kein Strahl der Freude
Mehr in des Mönches Blick.

Sie stürmt in heitre Zukunft
Ein lächelnd Kind hinaus,
Er sehnt aus des Lebens Wüste
Sich todesmüd nach Haus!

Jetzt sinkt vor dem Greis sie nieder,
Und küßt sein rauh Gewand,
Und auf dem blonden Scheitel
Ruht segnend seine Hand! —

Es war ein Bild zum Malen,
Mir aber macht' es bang,
Sie stehen doch nah beisammen
Aufgang und Niedergang!

12
Nach dem Gewitter

Zog das Wetter auch vorüber,
Aus der Bergschlucht grau und fahl
Zieht wie qualmend Rauchgewirbel
Nebel dampfend übers Tal.

Und die Landschaft hüllt sein Schleier
Wie ein schlummernd Kindlein ein.
Und ein liebend Mutterauge
Sieht drauf nieder Mondenschein.

Doch nun birgt ihn Nachtgewölke,
Und ein Rauschen kommt vom Fluß,
Ist es doch, als wär's der Mutter
Leiser süßer Abschiedskuß?

13
Vor dem Heiligenbild

Verwittert und geborsten,
Bedeckt mit grünem Moos,
Erhebt sich von Stein ein Pfeiler
Im dunklen Waldesschoß.

Ein Heiligenbild blickt traurig
Herab von seinem Rand;
Verstümmelt sind die Glieder
Der Züge Ausdruck schwand.

Zu oft erfuhr es wechselnd
Der Jahre Frost und Glut;
Der Landmann geht vorüber,
Und rückt nicht mehr den Hut.

Kein Pilger schlingt mehr Blumen
Um den entweihten Stein.
Die Andacht ist versunken,
Es fehlt der Heil'genschein.

Doch was der Mensch versäumte,
Natur hat's mild gesühnt,
Mit Epheu und wilden Rosen
Hält sie das Bild umgrünt.

14
Am Strom

Ich geh' an des Stromes Ufern
Im dürren Sand dahin,
Und seh die klaren Wellen
An mir vorüberflieh'n.

Und seh' gewalt'ge Schiffe
Hinrauschen durch die Flut,
Und seh' wie grüner Frühling
Im Schoß der Auen ruht.

So im bewegten Leben
Steh' sehnend ich am Strand,
Die Andern trägt die Woge,
Mich hält das träge Land.

15
Genesung

Ich bin verliebt gewesen,
Ich weiß nicht mehr in wen,
Und nur zwei dunkle Augen,
Die mein' ich noch zu seh'n.

Und auch zwei rote Lippen,
Die lächeln mich noch an,
Und sprechen! Armer Junge,
Und zeigen den Perlenzahn.

Und dann zwei zierliche Füßchen,
Die trippeln noch vor mir.
Und das — und das ist Alles,
Mehr weiß ich nicht von ihr!

Ich bin verliebt gewesen,
Als wenns für immer wär! —
So ebnen sich die Wellen,
So glättet sich das Meer!

Frucht und Blüte

Früchte hat der Baum getragen.
Und du schaust sie mit Behagen;
     Aber zuckt dir durch den Sinn
Nicht ein schmerzliches Beklagen,
Nicht ein hoffnungsloses Fragen:
     "Ach, wo sind die Blüten hin?