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Lieder der Liebe 2
 

Gewitterabend
Eins möcht' ich sein
Flamme der Liebe
Bei dir sind meine Gedanken
In trüben Stunden
Ja, du bist treu!
Dank
Im Herbst
Frag nicht: Warum?
Zum Abschied
Sonnenfinsternis
An die Ferne
Nach Jahren
Ewig Dein
Nach dem Tanze

Gewitterabend


Ich weiß den Tag, ich weiß die Stunde noch,
Da meine Seele sich zuerst gestanden,
     Sie trage deines Zaubers Joch,
Sie liege willenlos in deinen Banden.

Du ruhtest still im Moose, weißt du noch?
Am Waldsaum war's, schwül sank der Abend nieder,
     Du schliefest, oder schloßest doch
Im wachen Traum die müden Augenlider!

Ich aber, zitternd über Dich gebückt,
Ich sah Dich an in selig scheuem Zagen,
     Von Schmerz zugleich und Lust durchzuckt,
Bis plötzlich Du die Augen aufgeschlagen!

Dein Blick berührt mich, so berührt ein Blitz;
Und klar war Alles! Was in dunklem Triebe
     Mein Herz ersehnt, war Dein Besitz,
Und was zu mir Dich zog, war Deine Liebe!

Ich weiß den Abend, weiß die Stunde noch!
Heiß war der Tag, Gewitter in den Lüften,
     Und nachtendes Gewölke kroch
Empor schon feindlich aus der Berge Klüften!

Wir kehrten heim, denn finstrer stets ringsum
Begann der Himmel drohend sich zu schwärzen,
     Wir aber trugen selig stumm
Des Glückes vollen Sonnenschein im Herzen!

Eins möcht' ich sein!

      Eins möcht' ich sein!
Auf Deines Lebens dunkler Flut
Der Strahl, der zitternd auf ihr ruht,
      Vom Mondenschein!

      Eins möcht' ich sein!
In Deines Lebens Wüstensand
Der Born, an dessen Schattenrand
      Du schlummerst ein!

      Eins möcht' ich sein!
Wenn Alles Dir entflieht wie Traum,
Das Blatt, das Dir am Lebensbaum
      Noch grünt allein!

      Eins möcht' ich sein!
Wenn tote Stille Dich umringt,
Das Vöglein, das Dir Hoffnung singt,
      In's Herz hinein!

      O laß mich's sein!
Im Jugendflor und grauem Haar
Laß Eins mich bleiben immerdar:
      Dein, ewig Dein.

Flamme der Liebe

Wohl zehrt an mir der Krankheit Qual,
Dünn wird mein Haar, mein Antlitz fahl,
Du aber loderst noch wie vor
In tiefster Brust mir hell empor,
Flamme der Liebe!

Ob welkend auch, der Jahre Raub,
Der Leib dahin sinkt, Staub zum Staub:
Dich nähren, stockt das träge Blut,
Der Seele Mark, des Geistes Glut,
Flamme der Liebe!

Du stirbst nicht, zieht der Geist auch aus
Aus seinem morschen Erdenhaus;
Du hüllst noch in Verklärungsschein
Den Heimberufnen leuchtend ein,
Flamme der Liebe!

Du stürzest mit ihm licht und hehr,
Dich in das ew'ge Strahlenmeer,
Wo jede Welle, die da schwillt,
Wo jeder Tropfen, der da quillt,
Flamme der Liebe!

Bei dir sind meine Gedanken

Dei Dir sind meine Gedanken
Und flattern um Dich her;
Sie sagen, sie hätten Heimweh,
Hier litt' es sie nicht mehr!

Bei Dir sind meine Gedanken,
Und wollen von Dir nicht fort;
Sie sagen, das wär auf Erden
Der allerschönste Ort!

Sie sagen, unlösbar hielte
Dein Zauber sie festgebannt,
Sie hätten an Deinen Blicken
Die Flügel sich verbrannt.

In trüben Stunden

O komm in trüben Stunden,
Komm' an mein treues Herz,
Und zeig' mir Deine Wunden
Und klag' mir Deinen Schmerz!

Wer kann Dich am Busen hegen
So weich, Du krankes Kind;
Wer kann so treu Dich pflege
Als meine Hände lind?

Wer blickt so mild dir nieder
Als meiner Augen Schein;
Wer weiß so schöne Lieder
Und singt in Schlaf Dich ein?

Die Freuden, die Dir sprießen,
Teil' froh mit aller Welt;
Dein Glück mag mitgenießen,
Wen Glück Dir nahgestellt!

Mich laß die Träne teilen,
Die Deine Wange netzt;
Mitbluten von den Pfeilen,
Die Deine Brust verletzt.

Ja, du bist treu!

Ja, Du bist treu! In Schmerz und Lust,
In Worten, Taten und Gedanken
Schlägt rein Dir in der reinen Brust
Ein Herz, das ohne Falsch und ohne Wanken!

Ja, Du bist treu! Du läßt nicht los
Was Deine Neigung festgehalten,
Und ruhig stehst Du, wandellos
Im wirren Wechsel der Gestalten!

Du treues Herz, sei Du mein Halt,
Will Groll und Unmut mich erfassen;
Die Welt, in der Dein Atem wallt,
Die schöne Welt ist nicht zu hassen!

Dank

Wenn Viele Dank von mir erworben
Für Gaben, deren flücht'ger Wert
Oft im Berühren mir erstorben,
Ja sich in Galle mir verkehrt,

Wie dank' ich Dir, die mir gegeben,
Was immer reicher ausgeblüht,
Vorhaltend für ein halbes Leben
Noch heut mir hell im Herzen glüht?

Wie dank' ich Dir, daß Du Dich lieben
So gründlich mein Gemüt gelehrt,
Daß grün und frisch in allen Trieben
Im Herbst noch Frühling es verklärt?

Doch was zum Dank kann Liebe geben
Für das, was Liebe gab und gibt,
Als daß sie unerschöpflich eben,
Unsterblich liebt und wieder liebt!

Im Herbst

Wie sich die Tage neigen,
Wie welk und lebenssatt
Allmählig von den Zweigen
Hintaumelt Blatt für Blatt!

Wie trüb der Sonne Schimmer,
Als wär's ihr letzter Strahl,
Mit wäßrig blassem Flimmer
Aufleuchtet über's Tal!

Rings alles Grün verglommen,
Die Blumen all' verglüht;
Wo bist du hingekommen,
Lenz, der so frisch erblüht?

O laß nicht so uns sterben,
Du, die mein Herz erlas;
Nicht langsam uns verderben,
Wie Blume, Laub und Gras!

Laß nicht der Tage Drängen,
Was uns im Herzen schwillt,
Entblättern und versengen
Wie Herbstreis das Gefild!

Laß nicht im Schnee der Jahre
Uns peinlich qualenvoll
Die Herzen wie die Jahre
Verbleichen Zoll für Zoll!

Laß nicht uns still verbluten,
Laß, frisch den Geist und warm,
Das Herz voll Liebesgluten
Uns scheiden Arm in Arm!

Im vollsten Lebenstriebe
Laß gehen uns von hier;
Stirb' jung, Du, die ich liebe
Und nimm mich jung mit Dir!

Frag nicht: Warum?

"Verdüstert", sagst Du, "ist mein Sinn,
Verblüht und welk sind meine Wangen;
Verwandelt traurig, wie ich bin,
Wie kann Dein Herz an mir noch hangen?"

Ich liebe Dich! Frag' nicht: Warum?
Kein Weiser wird es je Dir sagen!
Ich liebe Dich, und Du mußt stumm
Als Dein Geschick es eben tragen!

Ich lieb' Dich nicht, weil mir's gefällt,
Ich fühl' mein Herz zu Dir getrieben,
Und wär' die Wahl mir frei gestellt
Und wollt' ich nicht, ich muß Dich lieben!

Ob Deine Wange blaß, ob rot,
Ob Dein Gemüt trüb oder heiter,
Ich lieb Dich hier bis in den Tod,
Und nach dem Tod im Himmel weiter!

Zum Abschied

Du gehst von mir doch nur zum Schein,
Wie könnt' ich ohne Seele sein?
Und könnt'st Du leben ohne mich,
So wären wir ja Du und Ich,
So wären wir nicht Eins, nein Zwei,
Und liebten uns nur nebenbei;
Doch weil wir Eins von ewig her,
Drum bist du nie, wo ich nicht wär',
Und wenn ich bleib', bleibst Du bei mir,
Und wenn du gehst, geh' ich mit Dir;
Hand läßt von Hand, wenn's Scheiden heißt,
Doch Eins untrennbar bleibt der Geist!

Sonnenfinsternis

Ich sah einmal den Mondesschatten
Verfinstern uns der Sonne Strahl,
Und Dämmerung umwob die Matten
Und Dunkel brütete im Tal.

Was forschend rings der Blick erspähte,
Hielt grauer Nebelduft umwallt;
Die Farben schwanden; es verwehte
Zum bleichen Umriß die Gestalt!

Kein Laut rings; ab und zu ertönte
Das Angstgekreisch der Vögel nur,
Und Sturmgeheul, als seufzt' und stöhnte
Die bang erwartende Natur.

O Dunkel, das mein Herz umnachtet,
Wie mahnst du jener Stunde mich!
Wie dort nach Licht die Welt geschmachtet,
Nach Dir jetzt, Teure, schmachte ich!

An die Ferne

"Was ich treibe in der Ferne,
Was ich schaffe, seit Du fort?
Ob ich schreibe, ob ich lerne
An der Meister ew'gem Wort?"

Also fragst Du, und ich bleibe
Nicht die Antwort schuldig drauf;
"Ja, ich lese, ja, ich schreibe
Und ich rechne in den Kauf!

Was ich lese? — Den Kalender,
Dieses größte Buch der Welt,
Und ich schreib' an seine Ränder,
Wie der Trennung Schmerz mich quält!

Und die Tage, die verrinnen,
Streich' ich mit dem Rotstift an;
Flog die Woche so von hinnen,
Mach' ein Kreuz ich drüber dann;

Und beginne dann zu zählen,
Emsig rechnend Tag für Tag,
Wie viel Stunden mir noch fehlen,
Bis ich Dich umarmen mag!

Sieh, das ist es, was ich treibe,
Was ich schaffe fern von Dir! —
Arme Verse, die ich schreibe,
Flattert hin und sagt es ihr!

Nach Jahren

Der Mensch, tritt erst in's Leben er hinaus,
Stürmt vorwärts, jedem Eindruck hingegeben;
Kopfüber stürzt er sich in's Weltgebraus
Und aller Freuden Schätze will er heben.

Nach jeder Blume streckt er seine Hand
Begehrlich blickt er aus nach jedem Sterne;
Nicht Meere schrecken ihn noch Wüstensand,
Und seinem Streben scheint kein Ziel zu ferne.

Erfahrung aber weiß den wilden Trieb
Allmählig sichern Bahnen zuzulenken,
Und mancher Wunsch, der unerfüllbar blieb,
Lehrt Mut und Kraft auf Wen'ges ihn beschränken;

Und immer eng're Kreise zieht er sich,
Und wenn im Kampf des Lebens aufgerieben
Die Jugend schwand und Alter ihn beschlich,
Wie wenig ist des Wen'gen noch geblieben;

Wohl dem, der früh in Einem Alles fand,
Der, wie von einem Zauberkreis umwoben,
Mitleidig lächelt, wenn um seinen Rand
Ohnmächtig zürnende Dämone toben.

Wohl dem, der liebt, und was ihn jung durchglüht,
Wie eine Rose in ein Buch geschlossen,
Gleich uns bewahrt und noch im Herzen blüht,
Wenn auch der Lenz der Jugend ihm verflossen!

Ewig Dein

Mein Blick ist trüb, mein Geist gebrochen,
Doch frisch noch grünt des Herzens Kraft,
Voll Jugend noch in seinem Pochen,
Voll Sturm in seiner Leidenschaft.

Und Dein ist's, Dein und wird es bleiben,
Wird, wenn dereinst sie auf den Stein
Den Namen Deines Dichters schreiben,
Wird Staub und Asche Dein noch sein!

Nach dem Tanze

Das Mädchen kehrt vom Tanz zurück;
      Ablegend die Gewänder
Löst müd und matt und schläferig
      Sie Schleifen auf und Bänder!

Die Haare steckt sie jetzt sich los,
      Die wallen glänzend nieder;
Und leichter atmet jetzt die Brust,
      Befreit vom starren Mieder!

Ein Sträußchen holt sie draus hervor,
      Besieht es lang und länger,
Und sieh — jetzt küßt sie es sogar
      Und seufzet bang und bänger!

Sie horcht — vom Tanzsaal kann doch nicht
      Musik herüberschallen!
Wie, sollte süß'rer Klang ihr wohl
      Im Ohre widerhallen?

Sie steht im Hemd und Röckelein
      Und seufzt und seufzet wieder,
Neugierig sieht das Mondenlicht
      Durch's Fenster auf sie nieder!

Es wußte von des Busens Schnee
      Nie früher zu erzählen;
Erst heut vergaß sie, unterm Tuch
      Ihn züchtig zu verhehlen.

Auf's Lager streckt sie jetzt sich hin.
      Zu schlafen nicht — zu sinnen;
Doch rasch fährt wieder sie empor —
      Was will sie nun beginnen?

Sie sinkt im Bettlein auf die Knie,
      Ihr Nachtgebet zu sagen;
Zum erstenmal vergaß sie's heut
      Seit ihren Kindertagen.

Jetzt flüstert sie, die Hände fromm
Gefaltet aus dem Pfühle:
"Vater, der Du im Himmel bist —
Wie ist mir nur so schwüle! —

Dein Name soll geheiligt sein —
      Sein Blick ist so verständig —
Und komme über uns Dein Reich —
      Sein Wesen so lebendig! —

Geschehen soll der Wille Dein —
      Ach wenn es Gott so wollte —
Auf Erden, wie im Himmel dort —
      Daß er mich freien sollte! —

Gib unser täglich Brot uns heut —
      Und ging's auch spärlich eben —
Gib unser täglich Brot uns heut —
      Wir hätten wohl zu leben! —

Vergib uns unsre Schulden, Herr —
      Der Amtmann will mich haben —
Wie wir auch unsern Schuldigern —
      Eh' laß' ich mich begraben!

Und in Versuchung führ' uns nicht —
      Ach, wenn er treulos würde —
Erlös' uns — Nein, mein Herz ertrüg'
      Nicht solchen Unglücks Bürde! —

Erlöse uns vom Übel, Herr —
      Viel lieber sterben! — Amen!
In Gott des Vaters und des Sohns
      Und heil'gen Geistes Namen!" —

Sie spricht's und netzt ihr Pölsterlein
      Mit heißem Tränenregen,
Sie spricht's und weint und schläft so ein,
      Wie müde Kinder pflegen!

Schlaf ein, schlaf ein, Du müdes Kind!
      Gott hörte wohl Dein Beten,
Vernahm die Flehensworte all',
      Die Deiner Brust entwehten!

Die Worte, die Du hingesagt,
      Wie jene, die Du dachtest,
Und gnädig nimmt er beide aus,
      Weil gläubig Du sie brachtest!

Er will die Form nicht, nur das Herz;
      Und mögen Eifrer schelten,
Ihm wird als Frevel nicht Dein Schmerz,
      Und seine Bitten gelten!