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Ghaselen
 

Ritornelle
 

Anderes
 

Dem Kaiser
Ablehnung
Willensfreiheit
An —


 
1. Glück ist flüchtig!
2. Sei stark, o Mensch!
3. Was die Stunde auch
4. Was Du erfahren
5. Ich wünsche, Deutschlands . .
6. Es spricht die Zeit:
I. Blume und Blüte
II. Baum und Strauch




 
Aus der Wirklichkeit
Mahnung




 

Dem Kaiser

(bei Übergabe des Universitäts-Gebäudes an die kaiserl.
Akademie der Wissenschaften).


Es wächst kein Moos am Stein, der unstet rollt,
Im warmen Nest nur will der Vogel brüten;
Nur wer vor Frost bewahrt die zarten Blüten,
Dem dankt der Baum mit seiner Früchte Gold!

Und solcher Dank sei Dir, o Herr, gezollt,
Der schützend vor der Stürme rauhem Wüten
Dies Dach Du läßt die Wissenschaft behüten,
Wie huldvoll schon Theresia gewollt!

Du gabst der Pilgerin der Heimat Frieden,
Und eingebürgert nun im alten Wien
Kein Wunsch mehr zieht sie in die Ferne hin;

Du hast ihr, Herr, den Bienenkorb beschieden,
Und reich mit Honigseim füllt Dir zum Preis
Ihn froh vereinter Kräfte Bienenfleiß.

Ablehnung

Was frommen glatte Formen aus die Länge,
Was reger Geist, der helle Funken sprüht,
Wenn Dir kein Herz im hohlen Busen glüht,
Wenn Du empfindest wie der Troß der Menge!

Ja, wenn selbst Lorbeer Dir das Haupt umschlänge,
Der Lorbeer, der nur ernstem Streben blüht,
Gebricht Dir Eins, das liebende Gemüt,
Was soll mir Deiner Freundschaft Schaugepränge?

Empfindet nicht vorahnend meinen Schmerz,
Errät nicht meine Freuden still Dein Herz,
Wozu zum Schein selbsttäuschend uns verbinden?

Wozu der Freundschaft Trugbild mühevoll
In's Leben rufen, und wenn's dienen soll,
Es Räderwerk und Holz und Leder finden?

Willensfreiheit

Frei wähnst du, Mensch, frei gingst Du hin durch's Leben?
Erwäg' nur erst, wer Dich erzeugt, gebar,
Wie viel Natur als Vorzug, als Gefahr,
An Neigung, Kraft, Talent Dir mitgegeben,

Und welche Bahn sich auftat Deinem Streben,
Wer Lehrer Dir und wer Dir Vorbild war,
Der Freunde Rat und der Genossen Schar,
Dein gärend Blut und Deiner Nerven Beben,

Erwäg' all dies, und sieh, Dein Leben ist
Ein Fazit nur, das eine Rechnung schließt;
Wie stolz selbsttätig wir uns auch gebärden,

Es fördert keiner mehr aus sich zu Tag
Als gleich vom Anfang her schon in ihm lag,
Und unser Wollen all' ist nur ein — Werden!

An —

Als Gott Dich schuf, nahm er vom reinsten Tone
Und wog ihn ab und knetete ihn sacht
Und nahm der Stoffe Mischung wohl in Acht,
Daß Ebenmaß in ihrer Fülle wohne;

Gedrückt dann in der Menschenform Schablone
Anblies er ihn mit seines Odems Macht,
Und lächelnd sah der Herr sein Werk vollbracht
Und sprach: "Geh hin und sei der Frauen Krone!

Im Kleinsten groß, im Großen unerreicht
Üb' jede Pflicht und jede sei Dir leicht;
Dir selbst zum Ruhm und Tausenden zum Glücke,

Die reinste Blüte hoher Weiblichkeit,
Dien' fromm der Kunst, zu der mein Hauch Dich weiht!" —
Er schuf Dich, sprach's und schlug die Form in Stücke.

Ghaselen

1.
Glück ist flüchtig! Lern' es haschen;
Aber hast Du's in den Taschen,
Ward vergönnt Dir, aus des Lebens
Grauem Sande Gold zu waschen,
Spare, daß ein Nest Dir bleibe,
Will Dich Mangel überraschen!
Spar' im Herbst, willst Du im Winter
Noch an Frucht und Traube naschen;
Nicht vom Zapfen laß' es rinnen,
Glück ist flüchtig, zieh's auf Flaschen!

2.
Sei stark, o Mensch! Es plündert und prellt Dich sonst,
Es schlägt in Sklavenbande die Welt Dich sonst!
Trag' Maß in Deinem Innern und Harmonie,
Nur Mißton herzzerreißend umgellt Dich sonst;
Bewahre Deines Wesens ureigne Art,
Gesellschaft, übertünchend, entstellt Dich sonst;
Früh lerne selbst Dir Honig und Biene sein,
Die Bitterkeit des Lebens vergällt Dich sonst;
Erheb' Dich sicher ruhend in eigner Kraft,
Des Windes Hauch entwurzelt und fällt Dich sonst;
Auf keine Hilfe hoffe von Außen her!
Selbst mußt Du, selbst Dich halten! Wer hält Dich sonst?!

3.
Was die Stunde auch Dir bringe,
Hemmschuh wird Dir's, oder Schwinge;
Pforten öffnet Dir's und Wege,
Oder hält Dich fest als Schlinge;
Balsam reicht Dir's, oder bohrt Dir
Tief in's Herz des Dolches Klinge!
Blick' denn in Dich, um Dich, wachsam,
Acht' gering nicht das Geringe,
Daß Dich nicht ein Mißgriff binde,
Daß Dich nicht ein Fehltritt zwinge,
Daß zu früh Du nichts beginnest,
Daß zu spät Dir nichts gelinge!
Zwei Gewalten, spricht der Weise,
Weben über'm Erdenringe;
Mächtig ist nicht bloß Dein Wille,
Mächtig, Mensch, sind auch die Dinge!

4.
Was Du erfahren, Pilgersmann, erzähl' es!
Wir dürsten; denk' des göttlichen Befehles,
Und labend mild in unsre welken Herzen,
Ergieß' Dein Wort, und Lebenshauch beseel' es!
Bericht' uns, wie Du kühn durch's Meer der Wüste
Gesteuert auf dem Rücken des Kameles;
Von Mekka laß' uns hören, von Medina,
Mohammed's Zuflucht einst, des Lichtjuweles;
Dein Wort verkünd' uns fremder Länder Sitten
Und was Du Gutes schautest, das empfehl' es;
Verkehrtem aber flecht' es Dornenkronen,
Und peitsch' es mit den Stacheln des Ghaseles:
Nur wo Dich Liebe gastlich aufgenommen,
Enthalt' Dich, sie zu zeihen eines Fehles:
Was irrend auch ihr Wahn an Dir verbrochen,
Wirf frommes Schweigen drüber und verhehl' es!

5.
Ich wünsche, Deutschlands Nachwuchs, goldblondmähniger,
Dich phrasenärmer, aber tatkraftsehniger;
Ich wünscht Dich, nicht abgeschliffen, wie man's nennt,
Doch seiner Sitte etwas untertäniger,
Ich wünsch' Dir Eins vor Allem, etwas mehr Talent
Und kritischer Blasiertheit etwas weniger!

6.
Es spricht die Zeit: Laßt meine Stürme tosen,
Nur Krisen sind es, nur Metamorphosen!
Je grimmer das Gewitter, um so früher
Wird Lenzhauch wieder duftend euch umkosen!
Stets lichter wird die Welt; es mißt das Leben
Sein Gift euch zu in immer kleinern Dosen;
Und wie ihr abgelegt der Väter Zöpfe,
Der Ahnen Panzerhemd und Eisenhosen,
Und nicht mehr wißt von Burgverliesen, Foltern,
Von Scheiterhaufen, Hexen und Leprosen,
Wer weiß, ob eure Enkel noch vernehmen
Von Cholera, von Ghetto's und Profosen?
Vielleicht, wo ihr noch ringt im Todeskampfe,
Vollenden sie in Chloroformnarkosen,
Und Urnen sammeln reinlich ihre Asche,
Wo über euch sich Gräber noch bemoosen! —
Laßt Zukunst denn der Zukunft Sorgen schlichten.
Und lebt und liebt und brecht des Tages Rosen;
Viel Toren trägt das weite Rund der Erde,
Doch sind die törichtsten — die Hoffnungslosen!

7.
Dein Name kann der Kern der Weltintressen sein,
Dein Ruhm pyramidal, nicht zu ermessen sein;
Du kannst, o Mensch, gelobt, bewundert, angestaunt,
Das Schoßkind der Kritik und ihrer Pressen sein;
Du kannst statuettiert, gemalt, photographiert,
Sowohl befackelzugt als festgegessen sein;
Da, sieh, taucht über Nacht ein neues Wunder auf,
Und wie von Motten wird Dein Ruhm zerfressen sein;
Nur Stückwerk bleibt davon, nur Flickwerk Dir zurück,
Du wirst erst ignoriert und dann vergessen sein! —
Verdienst, geh deinen Weg und fühl': kein Ruhm der Welt
Sei halb so viel nur wert, als würdig dessen sein!

8.
Trotz Netzen und trotz Schlingen, trotz Lüge, Trug und Wahn,
Trotz Drängen und trotz Dringen, trotz Lüge, Trug und Wahn,
Es wird euch nicht gelingen, was euer Grimm ersann,
Der Geist regt seine Schwingen trotz Lüge, Trug und Wahn!
Bußlieder mögt ihr singen; nur heller himmelan
Wird seine Hymne klingen trotz Lüge, Trug und Wahn!
Mögt Nacht ihr hier erzwingen, seht dorten, ein Vulkan,
Sein Licht zu Tage dringen trotz Lüge Trug und Wahn!
Zum Morde schärft die Klingen und zeigt des Tigers Zahn,
Er wird sein Werk vollbringen trotz Lüge, Trug und Wahn!
Umsonst ist euer Ringen! Der Menschheit Lenz bricht an.
Des Geistes Knospen springen trotz Lüge, Trug und Wahn!

Ritornelle

I. Blume und Blüte

1.
Thymian, duftiger!
Grün ist's im Tal, aber dumpf:
Aus den Höhen ist's kahl, aber lustiger!

2.
Blüten der Linde!
Ihr schwellt so üppig und duftet so fein,
Und so schlicht ist der Stamm, und so rauh ist die Rinde!

3.
Akazienblüte!
Vieles verheißt uns dein Duft,
Wenn nur die Frucht es zu halten sich mühte!

4.
Halbrechts, Balsaminen!
Scheint starr und steif als Grenadiere ihr doch
Im Heere der Blumen zu dienen!

5.
Würz'ge Kamillen!
Eure Bitterkeit lobe ich mir,
Denn Schmerzen vermag sie zu stillen!

6.
Gretchen im Busch!
Wunder schafft die Natur; was Menschen
Schaffen, ist armselig Gepfusch!

7. Blaue Gentianen!
Ihr werdet, seit Lilly ich sah,
An ihr Aug' fortan nur mich mahnen.

8.
Stolze Georginen!
Meint ihr fehlenden Duft
Zu ersetzen mit vornehmen Mienen?

9. Duftreiches Cyclamen!
Lieber als Saubrot nenn' ich dich doch
Mit dem griechisch-lateinischen Namen!

10. Vergißmeinnicht, blaues!
Nicht der Schönheit verkaufe dein Herz,
Ausharrender Treue vertrau' es!

11.
Du warst, Tuberose!
Armida oder Circe dereinst,
Gibts eine Metempsychose!

12
Lilie, schneeweiße!
Begehe ich Kirchenraub nicht,
Wenn ich vom Stengel dich reiße?

13.
Welche Schmach Petersilie!
Bringt nicht dein Vetter, der Schuft,
Der Schierling, deiner Familie!

II. Baum und Strauch

1.
Lorbeer, hochheiliger!
Desto später erklimmen wir oft
Die Höhen, je eiliger!

2.
Lianengeflechte!
Du bist aus stiftmäßigem Haus,
Aus gutem Urwaldgeschlechte!

3.
Flüsternde Pappel!
Wenn der Sturm dich durchsaust,
Welch Wipfelgebraus, welch Blättergezappel!

4.
Myrthe der Liebe!
Grünend bleibt immer dein Blatt,
Wenn nur das Herz auch es bliebe!

5.
Erlen am Bach!
Vorwärts! sprudeln lustig die Wellen,
Und: Lebt wohl! rauscht ihr den eilenden nach!

6.
Wackrer Hollunder!
Eh' unter dir ein Käthchen noch schlief.
In Latwerge und Tee schon wirktest du Wunder!

7.
Ragende Zeder!
Große verklärt, was ihr dient,
Nur von Salomon her kennt dich jeder!

8.
Tanne, du schlanke!
Immer nur sieht dich zur Weihnacht geschmückt,
Immer goldner Äpfel voll mein Gedanke!

9.
Ahorn, du saftiger!
Herb sonst sind Tränen; was du weinst,
Zucker ist es, leibhaftiger!

10
Ernste Zypressen!
Ihr trauert noch ehrlich am Grab,
Wenn längst es die Menschen vergessen!

11.
Traurige Föhren!
Schöner als Zedern wärt ihr, bei Gott!
Hört' jüngst einen Märker ich schwören!

12.
Harmlose Birken!
Sanft schuf euch Natur, und in Essig getaucht
Wie energisch vermögt ihr zu wirken!

Anderes

Aus der Wirklichkeit

Folget, bitt' ich, meinen Blicken!
Seht am niedern Fenster dort
Jenen Alten Schuhe flicken,
Still und emsig, fort und fort.

Stiefel hat er aufgehangen
An des Fensters obrem Rand,
Doch am untern Blumen prangen,
Die er pflegt mit treuer Hand.

Zwischen seines Handwerks Zeichen
Und des Frühlings flücht'ger Zier
Sieht sein Leben er verstreichen,
Stiefel dort und Blumen hier!

Stiefel oben, Blumen unten! —
Ihr beneidet nicht sein Los?
Doch gehört's noch zu den bunten;
Andre gibt's, die blumenlos,

Die nur Stiefel unten, oben,
Die nur ew'ges Ahlgestech,
Die aus Schusterdraht gewoben,
Leder, Leder nur und Pech!

Andre gibt's, die ihn beneiden,
Der ein Tröpflein Glückes fand,
Und wir fordern unbescheiden
Voll den Becher bis zum Rand!

Mahnung
1861

"Gott hat mir armen Menschen Sieg und Glück
Von Jugend aus in jedem Streit verliehen,
Und immer sah ich meine Gegner fliehen,
Gab frisch und keck ich Streich für Streich zurück!

Nur dann brach Unglück über mich herein,
Wenn lang mit meinem Feind ich unterhandelt,
Und meinte, wie ich Wort hielt unverwandelt,
Auch ihm gelt': Ja für Ja und Nein für Nein!" —

Wer sprach dies Wort? — Der alte Götz schrieb's hin.
Der Ritter mit der Eisenhand aus Franken,
Als müd' von Fehden ihm die Arme sanken,
Und Zeit ihm's nun sie auszuzeichnen schien!

Der alte Götz schrieb's hin vor manchem Jahr;
Du aber, Deutschland, laß sein Wort Dich warnen,
Laß Arglist Deine Söhne nicht umgarnen,
Und raff' Dich auf, denn nah' ist die Gefahr!

Glaub' nicht dem Feind, der Einigung verheißt,
Der überfließt von Völkerfreiheitphrasen,
Und der nur trachtet Zwietracht anzublasen,
Und der nur lauert, wie er Dich zerreißt!

Glaub' nicht dem Feind, ob er auch Gaben beut;
Erkenn' und richte ihn aus seinen Taten!
Wem schwor er Treue, den er nicht verraten,
Wer lieh' ihm Glauben, der es nicht bereut?

Vertrag und Recht, und Sitte und Gesetz,
Was war ihm heilig? Was blieb unzertreten?
Die Worte all', die ihm vom Munde wehten,
Was waren sie als Falle nur und Netz?

Deutschland, denk' an den Götz, der unterlag,
Wenn töricht er auf Feindesworte baute,
Der siegte, wenn er seinem Recht vertraute,
Und raff' Dich auf und rüste, triff und schlag'!

Denk' an den Götz und fahre herzhaft drein,
Germania, mit Deiner Hand von Eisen;
Laß Deinen Mut Dein gutes Recht beweisen,
Und wage einig, wage groß zu sein!