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Meinungen und Stimmungen

 

Als Glück der Armut pries man jüngst mir sehr,
Wer nichts besitze, könn' auch nichts verlieren! —
O welches Glück erfroren sein! Denn wer
Bereits erfror, der kann nicht mehr erfrieren!

Daß Freunde uns wohltun, und Feinde kränken
Scheint wenig der Beachtung wert;
Ergibt sich's einmal umgekehrt,
Dann wäre drüber nachzudenken.

Gemach, gemach! Was frommt die wilde Hast?
Sie läßt sich nicht mit einem Ruck bewegen,
Des Lebens ungefüge schwere Last;
Du mußt sie stückweis auf die Schulter legen!

Gibt Gott Talent, so gibt er auch den Fleiß,
Der's redlich auszubilden weiß;
Und gab er nicht den Fleiß daneben,
So wollt' er auch Talent nicht geben!

Dein Herz ist ein Becher, o lern' es bedenken,
Womit Du ihn füllst nur, kann er Dich tränken;
Dein Herz ist ein Saatfeld, was streust Du hinein?
Die Furchen sind Gottes, die Aussaat ist Dein!

Bemüh' Dich, schreibst Du, dunkel stets zu bleiben;
Die Menge fühlt gar wohl, sie sei beschränkt,
Und sagst Du klar, was sie verworren denkt,
Meint jeder gleich: Das konnt' ich selber schreiben!

Ich achte Egoismus nicht für schlecht
Wird er vernünftig nur getrieben;
Sich selbst zu lieben tut der Mensch ganz recht,
Er lern' nur erst sich selbst in Andern lieben!

Hart klingt das Wort: Du sollst! uns erst auf Erden,
Doch fügt ein zweites nur: Ich will! daran,
So wird zuletzt: Ich muß! aus beiden werden
Und darin, gewiß, dann fühlt ihr bald: Ich kann!

Es gibt ein Leid, das tief ins Leben greift,
Dem, wenn auch Krösus Schätze wir gewönnen,
Nur zögernd Trost und nie Ergebung reift,
Und das heißt: Schaffen wollen und nicht können!

Ein Irrtum ist, ein Mißgriff kein Verbrechen,
Nur heisch' nicht Beifall, wo Verdienst gebricht;
Ich will Dich lieben, Freund, trotz Deiner Schwächen,
Doch Deine Schwächen eben lieb' ich nicht!

"Rings alles abgenützt! Wonach denn greifen?
Wie Neues schaffen?" — Schafft nur ohne Scheu!
Der Demant Stoff bleibt ewig jung und neu,
In neue Form nur gilt's ihn zuzuschleifen!

Nie hab' ich Mißgunst noch empfunden,
Wenn Lorbeerkronen das Verdienst sich wand;
Doch ungern seh' ich sie von feiler Hand
Dem Esel an den Schwanz gebunden!

Das Höchste, was der Künstler
Und was Natur erschafft,
Ist unbewußte Anmut
Und selbstbewußte Kraft.

Die ihr der Welt den Glauben nahmt,
Erstattet ihr's an Wissens-Schätzen;
Doch seid verflucht, wenn ihr nur kamt
Statt Zahlen Nullen hinzusetzen.

Schönheit liegt im Maß; doch nicht
Was dem Zollstab unermeßlich,
Nicht wofür's an Maß gebricht,
Nur das Übermaß ist häßlich!

Mit klugen Schurken läßt sich's leben,
Geh' plumper Güte aus dem Weg;
Sie baut Dir hilfreich hier den Steg
Und stößt Dich in den Sumpf daneben!

Es fleht der Mensch zum Himmel wie das Kind:
"Nimm Alles hin, nur das gib jeden Falles!"
Doch wissen sie, wie gut die Väter sind,
Und meinen: "Hab' ich's nur, so bleibt mir Alles!"

Stets muß die Kraft, o Mensch, die in Dir ruht,
Nach Ja! und Nein! hin ihre Wirkung kehren;
Oft kann Ergebung nur uns Heldenmut,
Oft nur versagend Milde sich bewähren!

Mensch, bedenk', wo gehst Du hin!
Denn ein Schritt sind alle Schritte;
Stehst Du still nicht im Beginn,
Vorwärts mußt Du in der Mitte!

Auf's Dorf, ihr Dichter, treibt es euch hinaus,
Ihr sucht nur Praktisches, Reales;
Und kehrt von eurem Jagdzug ihr nach Haus,
Was bringt ihr mit? — Doch wieder Ideales!

Längst hat Geschmack Wortspiele sich verbeten,
Nur mit Gedanken spielt der Witz;
Das Kind erfreu' sich platzender Raketen,
Der Mann bewundert, zuckt der Blitz!

In Haus und Staat, in Kunst und Leben
In Tat und Rat, in Glück und Leid,
Zu rechter Zeit heißt doppelt geben,
Und doppelt dankt Dir's Deine Zeit!

Weltschmerz modern? — Was fällt euch Toren ein?
Wollt' jede Zeit nicht aus der Haut noch fahren?
Schrieb Sophokles nicht vor zweitausend Jahren:
"Das beste Los ist nicht geboren sein?"

Du lebst der sel'gen Stunden, Mensch, ein paar,
Auch schöne Tage wohl, und frohe Wochen,
Von Monden hat mir jüngst ein Greis gesprochen;
Doch wer erlebte je ein glücklich Jahr!

Es gibt sich jedem Zeil und Leben
In ganz ureigner Weise kund,
Und stirbt ein Mensch, geht mit ihm eben
Auch eine ganze Welt zu Grund.

Witz dient dem Schlag der Zeitenuhr,
Und Scherz wie Anmut unterliegt der Mode:
Doch eine ew'ge Form nur kennt die Ode,
Und eine die Tragödie nur!

Kunst sei ganz Wahrheit, aber nur zum Scheine,
Sei ganz Natur, nur mit Geschmack und Wahl,
Ganz Wirklichkeit, nur nicht die platt gemeine,
Kunst sei mit einem Wort denn — ideal!

Wer da Bücher schreibt, gelehrte.
Schreib' nicht Alles, was er weiß.
So gewinnt sein Buch an Werte
Und dabei sinkt's noch im Preis.

Du sprichst ein Wert nur, und Dein Stolz muß wanken,
Du sprichst ein Wort nur, und Dein Stolz wird wach;
Du bist ein Mensch, dem Rohr gleich schwank und schwach,
Du bist ein Mensch, und ewig Dein Gedanken!

Im Unglück werden Viele mit Dir klagen;
Wenn Glück mit seinen Strahlen Dich umgibt,
Wird mancher ohne Mißgunst es ertragen,
Sich freuen drob, nur Einer, der Dich liebt!

Wenn Liebe spricht: "Ich könnte!" ist sie tot,
Und spricht sie: "Ach, ich wollte!" nicht viel besser;
"Ich muß," spricht wahre Liebe, was auch droht! —
Ihr Drang, das ist der Liebe Wärmemesser!

Was grün ich sehe, siehst Du eben rot,
Und wüßten wir's, wer wollte Streit beginnen!
Wir wissen's aber nicht, das ist die Not,
Und jeder meint, der andre sei von Sinnen!

Es liebt die Welt und haßt im Grund das Neue;
Sie will, wenn einer lange Seide spinnt,
Daß gleicher Gunst ein andrer bald sich freue;
Die Spulen sollen bleiben, wie sie sind!

Zu kämpfen gilt es, soll die Wahrheit siegen,
Da braucht's der Mühen, braucht's der Opfer viel;
Die Lüge laß wie eine Feder fliegen,
Der Hauch der Lüfte trägt sie an ihr Ziel!

Voll Dornen ist des Lebens Pfad,
Wer könnt' es anders sagen,
Nur läßt zum Glück sie Gottes Rat
Mitunter Rosen tragen!

Beginnst Du, müd gehetzt von Haß und Neid,
Die Menschen drum, Dich selbst, die Welt zu hassen,
So sperr' Dich ein in's Tollhaus Einsamkeit,
Bis Dein Verstand Dich als geheilt entlassen!

Sonst macht die Weisheit Bücher für die Toren,
Doch anders ist's im Fache der Geschichte;
Die macht die Torheit, und in Gram verloren
Liest Wahrheit dann die traurigen Berichte!

Wer dichten will, der hab' Talent,
Und woll' es nicht forcieren;
Er sitz' nur still und schreib' behend,
Beginnt es zu diktieren!

Du liebst scharf Grün und Blau, und brennend Rot,
Ich zieh' die Farben vor, die minder grellen;
Entschiedenheit tut uns im Innern Not,
Warum nach Außen hin zur Schau sie stellen!

Eins tröstet mich, wenn auch zur Herrschaft kämen
Beschränktheit, Geistesarmut, Barbarei;
Gezuckert ist einmal des Lebens Brei,
Nicht aus der Welt ist Schönheit mehr zu nehmen!

Was sind des Lebens Tage, was die Zeit?
Ein Webstuhl, Freund, an dem wir Alle sitzen,
Und weben unsrer Seele Himmelskleid,
Der eine Kamelot, der andre Spitzen!

Das Ende gleicht dem Anfang oft auf Erden,
Doch nicht in Wahrheit, nur zum Schein;
Wie selig ist's ein Kind zu sein,
Wie traurig aber wieder Kind zu werden!

Die Scheidemünze, Freund, beherrscht jetzt Zeit und Welt.
Was wird in Haus und Staat, in Kunst und Leben,
Nicht eingenommen hier, dort ausgegeben,
Doch Scheidemünze nur, nur immer kleines Geld!

Was Formen sind? — Gefäße sind es, leere,
In die das Leben erst den Inhalt gießt;
Doch nimm sie weg, und durcheinander fließt
Dir Recht und Unrecht, Mensch, und Schmach und Ehre

Es meint der Mann: Erlaubt sei, was gefalle!
Die Frau: Erlaubt sei, was sich zieme nur!
Nur daß der dritte Spruch euch nicht entfalle,
Erlaubt ist, was sein muß, spricht die Natur!

Seit Goethe sprach: "Nur Lumpe sind bescheiden!"
Ward zum Genie jedweder dritte Mann,
Und seitdem quält die Welt ein seltsam Leiden,
Sie säh' gern wieder Lumpe dann und wann.

Wo Furcht ist, kann noch Liebe sein,
Wir achten noch, so lang wir hassen;
Doch der steht hoffnungslos allein,
Den kalt verachtend wir verlassen!

Wähnt nicht, daß Geist, wie reich begabt er sei,
Verstand in Kunst und Leben uns ersetze;
Wie hoch der Aar sein Schwingenpaar auch schätze.
Er braucht doch immer Füße nebenbei!

Ihr frommen Seelen urteilt nicht zu scharf!
Es brachte, wißt, gar manchen lichten Engel,
Den sonst kein Trug der Hölle niederwarf,
Zum Straucheln schon der eigne Lilienstengel!

Recht zeigt ihr uns, verliebte Greise,
Daß eh' sich Leib und Seele trennt,
Nur Torheit einen Menschen weise,
Nur Unverstand ihn glücklich nennt!

Faß' zart und mild die Menschheit an,
Nur murrend wird Dein Joch sie tragen;
Du mußt ihr recht in's Antlitz schlagen,
Dann bist Du ihr ein großer Mann.

Der Lebenslauf der Menschen gleicht
Meist mittelmäßigen Gedichten;
Genügt Dir auch die Form vielleicht,
Aus Poesie mußt Du verzichten.

In jedes Frauenherzens Purpurschrein
Ist Taubensanftmut, Schlangenlist enthalten;
Doch soll es köstlich, solls unschätzbar sein,
Muß ab und zu auch Löwenzorn drin walten!

Um Eins nur, Himmel, bat' ich dich,
Wär Wunsch und Wahl mir freigegeben,
Laß alle meine Lieben mich,
Und mich all' meine Feinde überleben!

Es liebt Vortreffliches sich zu verstecken,
Und manches Frauenherz birgt hier und da
Wohl heut noch in sich ein Amerika,
Nur muß es ein Columbus erst entdecken.

Darin begegnen Kinder sich und Alter,
Ein Nichts bereitet beiden Lust wie Schmerz;
Ein sonn'ger Tag erweitert dem das Herz
Und jenem bricht es ein entflogner Falter!

Es heile kranke Seelen, kranke Leider
Mit Eisen, Feuer und Verstand
Des Mannes ruhig sichre Hand,
Doch wer sie pflegen kann, das sind nur Weiber!

Der klarste Geist mag irren, ach wie sehr!
Doch niemals richtig wird der kranke denken;
Ein andres ist es, Glieder sich verrenken,
Und Krüppel sein vom Mutterleibe her.

Beschämung, die dem einen Keulenschlag,
Trifft andre wie das edle Roß die Gerte:
Hier facht sie an, wies Mut und Kraft vermag,
Und löscht dort aus, was längst sich still verzehrte.

Nie größer baue Dir Dein Haus,
Als Du bedarfst zu Deinem Frommen;
Sonst fällst Du einmal zur Tür hinaus
Und weißt nicht wieder hineinzukommen!

Wer früh nicht alle Halbheit haßt,
Und will was Ganzes sein auf Erden,
Der mach' sich nur darauf gefaßt,
Er werde ganz und gar nichts werden!

Gern will der Freundschaft Rat Gehör ich zollen,
Doch niemals, wie der Herr dem Knecht
Gebieten darf sie meinen Willen wollen;
Das ist allein der Liebe Recht!

Almosen spenden und mildtätig sein
Weil dort dafür des Himmels Freuden winken,
Vergebt mir, Freunde, das Verdienst ist klein;
Wer würfe mit der Wurst nicht nach dem Schinken?

Zugvögel streifen hin und her;
Ich kann sie nicht beneiden:
Ich haß' ein Leben, das nicht mehr
Als nur ein stetes Scheiden!

Du hast Verstand und magst Gemüt auch haben,
Bist praktisch, bist ein lebenskluger Mann;
Was frommt's, gebricht die herrlichste der Gaben?
Der ganze Mensch fängt erst vom Kunstsinn an.

Aufopferung, wie schätz' ich sie!
Doch läßt auch sie sich übertreiben,
Und wer da weise, opfert nie
Was er bedarf, er selbst zu bleiben!

Gefährlich ist's im Leben wie im Whist,
Den letzten Trumpf zu früh hinauszusenden;
Wenn sicher nicht Du Deines Spieles bist,
Behalt' zuwartend still das Heft in Händen!

Behandle Zartes nicht zu zart,
Denn was Berührung scheut, ist Spinngewebe:
Doch mild faß' an, was rauh und hart,
Daß Stein und Stahl nicht etwa Funken gebe!

Dem Feind lang drohen, ist nicht wohlgetan,
Viel lieber keck den Angriff wagen;
Er rechnet Deine Drohung doch Dir an,
Als hättest gleich Du dreingeschlagen.

Beschränktheit tappt im Nebel hin,
Und hat sich nicht im Sumpf verloren;
Verirrt sich einmal des Klugen Sinn,
Versinkt er bis über die Ohren!

Es muß Dein Lied, o Dichter, zwar
Besonnenen Verstand bewähren;
Doch darf es, klingt's gleich wunderbar,
Auch süßen Wahnsinns nicht entbehren!

Ach wie prahlt ihr alte Herrn,
Mit der Fülle eurer Tugend,
Und vertauschtet sie so gern
Mit den Sünden eurer Jugend!

"Ach, wenn die Tage je mir wiederkehrten,
Die nutzlos mir entschwunden sind!" —
Du würdest, töricht Menschenkind,
Nur anders, doch kaum besser sie verwerten!

Du tränkst Dein Kind, so sorge denn auch, Weib,
Daß nicht dem Geist die rechte Nahrung fehle,
Denn was die Muttermilch dem jungen Leib,
Das ist die Wahrheit für die junge Seele!

Trüb ist die Zeit, ein Trost nur ist geblieben,
Noch geizt das Unrecht nach des Rechtes Schein;
Lebt einmal nackt es in den Tag hinein,
Dann hast Du, Welt, dem Teufel Dich verschrieben!

Augiasställe gibt's in unsern Tagen
Und Hydern zur Genüge noch,
Sogar stympha'lsche Vögel; doch
Von keinem Herkules mehr hör' ich sagen!

Zu fern liegt uns der Stoff; nicht mehr ans Herz
Dringt jener Zeiten Jammer uns und Klage! —
Ihr großen Geister, bleibt der Schmerz nicht Schmerz
Ob Chlamys er, ob Krinolinen trage?

Du redest Prosa, wo ich Verse bot;
Das will ich mir zur Not gefallen lassen,
Nur laß dabei der Worte Sinn uns fassen
Und schlag' nicht Vers zugleich und Dichter tot!

Sei was Du bist! — Der Forderung entspricht
Wohl jeder, meint ihr, nach Gebühren! —
Wie's jeder nimmt! — Mir scheint so leicht es nicht.
Ein menschenwürdig Dasein führen!

Pocht Glück an Deine Türe, öffne sie,
Und freu' Dich dankbar seiner Gaben;
Leibeigen nur und dienstbar werd' ihm nie;
Du magst es, laß nicht Dich es haben!

Nach dem Besten strebe, ringe!
Aber besser, junges Blut,
Es gelingt Dir, was nur gut.
Als daß gar nichts Dir gelinge!


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