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Gedichte 3
 

Gruß an die Steiermark
Dame Romantik
Am Molo
Schatzgräber
Nachtwandler
Einst träumt ich im Waldgrün
Vernichtung oder Verjüngung
Nachts am Meere
Lebenslied
Der Schwan
Die Sterne
Columbus
Ossian

Eine Totenstadt
 

Gruß an die Steiermark


Fahr wohl, du sonniger Süden,
    Du schimmerndes Meer, Ade!
Es lockt die Sonnenmüden
    Nach waldiger Bergeshöh'.

Führ' mich vom Meer, dem blauen,
    Du Dampfroß, feurig und kühn,
In tauige Blumenauen,
    In schattiges Alpengrün!

Der Renner schnaubt in die Zügel,
    Er liebt nicht Halfter noch Zaum,
Springt donnernd über die Hügel,
    An felsiger Schlünde Saum;

Doch endlich lenkt das frische
    Bergtöchterlein, die Mur,
Ihn sacht durch Blütengebüsche
    Zu Stiria's goldenster Flur.

Sei gegrüßt von meinem Psalter,
    Du reizende Grazienstadt:
Du ruhst wie ein prangender Falter
    Auf einem Lorbeerblatt!


Hold ruhst du auf grünenden Auen,
    Du Pele der Steiermark:
Voll Seele deine Frauen,
    Und deine Söhne voll Mark!

Dame Romantik

Noch taucht die hehre Dame
    Romantik, die Zauberfee,
Allnächtlich, die wundersame,
    Aus mondbeglänztem See.

Wie Ampeln in Heiligtumen
    Glüh'n Mond und Sterne rund,
Karfunkel und blaue Blumen
    Dämmern im Waldesgrund.

Karfunkel und Lilien, blaue,
    Die liebt sie gar so sehr,
Sie trinkt vom Sternentaue
    Die Lilienkelche leer.

Dann unter blühenden Bäumen,
    Trunken vom Sternentau,
Zu schönen blühenden Träumen
    Entschlummert die Zauberfrau.


Sie träumt vom Ganges und Indus,
    Von Blumen und Melodien,
Sir träumt vom Olympos und Pindus,
    Wo Götter und Helden gedieh'n.

Sie träumt von splitternden Lanzen,
    Von Rittern ohne Wank,
Von weichen Canzonen und Stanzen,
    Und wonnigem Minnedank.

Sie träumt, so lange noch zaudern
    Die tagenden Strahlen im Ost,
Bis im Walde die Tannen schaudern
    In der Frühe flüchtigem Frost.

Bei'm Lärme wüsten Gestampfes
    Erhebt sich das träumende Haupt:
Es ist das Gespann des Dampfes,
    Das prustend vorüberschnaubt.

Da flieht sie — und untertauchen
    Muß ihre schimmernde Welt:
Langweilige Schlote rauchen
    Fern über dem Rübenfeld.


Am Molo

Am Molo stand ich am Abend,
    Als ein Magier stand ich da;
Und törichter Weise beschwor' ich
    Aus dem Meere die Cypria.

Wie sollte die Göttin steigen
    Aus dumpfigem Hafenschlamm?
Da beschwor ich dafür den Zeitgeist,
    Und sieh, der Treffliche kam.

Aus den grünlich trüben Gewässern,
    Täppisch und läppisch schier,
Zwischen alten Ballen und Fässern
    Grinsend kam er herfür.

Es war ein blöder Junge,
    Sah trüb und verkommen aus;
Viel leidige Blößen guckten
    An Knie und Ärmel heraus.

Doch ringsum sanken die Leute
    Ehrfürchtiglich in's Knie:
Ich aber pfiff gleichgültig
    Für mich eine Melodie.

Da stieß mit dem Ellenbogen
    Mich Einer zornig an:
"Wer nicht ehret der Zeiten Götter,
    Der ist ein schlechter Mann!

Und wer da vor dem Zeitgeist
    Schließt Ohr und Auge verstockt,
Der ists, der ewig als Dichter
    Keinen Hund vom Ofen lockt!"

"Hm, hm, ich begreife," sprach ich;
    "Mich zu bessern gelob ich hier:
Für meine nächsten Werke
   Notier ich den Schlingel mir."

Schatzgräber

Mitternachts im Mondenscheine
    Still im Walde wandl' ich hin.
Hei, da loht auf fahlem Steine
    Gold und Demant und Rubin.
Und ich fasse keck und schnelle
    Was da glänzt und glüht;
Freu' mich dran in stiller Zelle,
    Wie von Zauberschein umsprüht.

Weh' mir, wehe, daß, wenn lodernd
    Aufersteht das Sonnenlicht,
All' der Schatz, verblaßt und modernd,
    In den Händen mir zerbricht;
Daß im Schein der Morgenröte
    Wie ein Traum er mir entschlüpft,
Oder gar als ekle Kröte
    Schnöde mir von dannen hüpft!

Gibt es wohl, ihr Nachtgewalten,
    Ein geheimes Zauberwort,
Festzubannen, festzuhalten
    Solchen nachterrung'nen Hort?
Daß ein Herrliches und Reines
    So vergilbt, ists Weltgeschick,
Oder wandelt's in Gemeines
    Uns're Hand und unser Blick?

Nachtwandler

Ein Traum ist alles Leben:
    Je tiefer nun wir träumen,
Um so viel sich'rer schweben
    Wir über Schwindelräumen.
Nachtwandelnde, sie schreiten
    Ja sicher allerwege,
Und ihre Schritte gleiten
    Nicht aus auf schwankem Stege.

So wandeln selig immer,
    Vom tiefem Traum umwoben,
In lichtem Lebensschimmer
    Die gold'nen Sterne droben.
Doch — wenn auf ihren Reisen
    Ein Dämon wach sie riefe,
Entstürzten den Geleisen
    Sie taumelnd in die Tiefe!

Vernichtung oder Verjüngung

Wälze, du Wintersturm,
Wälze des zögernden,
Schleichenden Stromes Gang
Rascher dahin!

Über dem Waldgebirg
Ballt sich und stockt die Nacht,
Doch in der Wolke noch
Zaudert der Strahl!

Blume, wo ist dein Schmelz?
Vöglein, wo ist dein Sang?
Quell, wo ist dein frischer Hauch?
Wald, wo dein Grün?

Diese Entarteten,
Reiße der Sturm sie hin,
Oder verjünge sie
Donner und Blitz!

Nachts am Meere

Wie stumm in Hieroglyphen
    Ein Schreckgeheimnis ruht,
Webt Schauder in den Tiefen
    Der nächt'gen Meeresflut.
Doch seiner Tiefen Leben
    Verbirgt das dunkle Meer;
Die leisen Winde weben
    Schaumrosen drüber her.

Mein Herz ist trüb und wilde
    Wie dieser Wogenschlund;
Doch Götter bergen milde
    Mir seinen Schreckensgrund.
Wie hold im Sterngefunkel
    Die Welle Silberschaum,
Deckt meiner Seele Dunkel
    Ein gold'ner Liebestraum.

Lebenslied

O himmlische Wonne des Lebens,
    Urewig blühend und hold
Hoch über der Öde des Abgrunds
    Hältst du dein Banner entrollt,
Und strömst im Glanze der Sonnen
    Im rosigen Lichte des Seins,
Mit dunklen Todeswonnen
    Geheimnisvoll in Eins.

O holdes Wiegen und Wallen,
    O sel'ges Streben und Ruh'n,
O jauchzendes Steigen und Fallen,
    O süßes Träumen und Tun!
O du schimmernde Lebenshelle,
    O du selige Todesnacht —
Auf wechselnder Daseinswelle
    Wie faß' ich alle die Pracht?

Ich möchte wonnig gerne
    In jeder Blume blüh'n,
Ich möcht' in jedem Sterne
    Des Himmels selig glüh'n;
Auf den Schwingen jedes Falters
    Möcht' ich gaukeln durchs blumige Grün,
Und im Wirbel des Lerchenpsalters
    Hinsterben in Melodie'n.

Ich möchte mit allen Wellen
    Mich berauschen im Sonnenglanz,
Und in Schaumesfunken zerschellen
    Im jauchzenden Sturmestanz.
Ich möchte mit allen Gewittern
    Hinzieh'n über Berg und Tal,
Und mit jeder Eiche zersplittern
    Die berührt der himmlische Strahl.

O flössen in mir zusammen
    Die Ströme des Lebens all —
Daß in seligen Wonneflammen
    Aufsprühend allzumal.
In Einem Zuge sie tränken
    Den Strahl des Morgenrots,
Und vereint hinuntersänken
    In die heilige Tiefe des Tods!

Der Schwan

Der Schwan auf kristallnem Weiher
    Ergeht in der Mondnacht spät
Sich zu mystischer Liebesfeier
    In Rhythmen, die Keiner versteht.

Die Kritiker eifern: "Was gaukelt
    Er hin in schwülst'gem Gesang?
Ein leeres Herz nur schaukelt
    So stolz sich in eitel Klang!" —

Die möchten ihm Schande bringen;
    Er aber, sein tiefes Gemüt
Zu zeigen, stirbt im Singen:
    Man nennt das ein Schwanenlied.

Die Sterne

Tausend gold'ne Sterne winken
    Aus des Himmels blauer Höh';
Tausend gold'ne Sterne blinken
    Aus dem spiegelglatten See.

Hoch hinan in blaue Ferne
    Winken sie mit gold'nem Licht;
Aufwärts, aufwärts zög' ich gerne
    Doch mein Flug erreicht sie nicht.

Nieder in kristall'nen Wellen
    Lockt mich ihr demant'ner Kranz:
Aber ach, die flammendhellen
    Sind ein wesenloser Glanz.

Und so mögt ihr, gold'ne Sterne,
    Uns'res Glück's Symbole sein:
Was der Himmel hat, ist ferne,
     Was die Erde hat, ist Schein.

Columbus

Blumenkind des Westens, hehre
    Meerjungfrau, zaubervoll!
Sehnend streif' ich durch die Meere,
    Der dich erlösen soll!
Klarer stets und lichter schaue
    Ich in gold'nem Lebensglanz
Mit des Geistes Aug' die blaue
    Küste deines Wunderland's!

Riesenblumen, Wunderblüten
    Seh' ich in der Tropenluft
Traumesschwer und würzig brüten,
    Wie berauscht vom eig'nen Duft.
Gold'ne Schätze seh' ich glimmen,
    Trunken in dem Flammenstrom
Ihres eig'nen Glanzes schwimmen,
    Wie die Blumen im Arom!

Dämmert sie, die sel'ge Küste
    Ferne nicht in Morgenglut?
Nein, in öder Meereswüste
    Dehnt sich endlos noch die Flut.
Doch an ihre Blumenschwelle,
    Sie zu grüßen traut und hold,
Send' ich hin die Silberwelle,
    Die mir still zu Füßen rollt.

Schliefe sie im Meeresgrunde
    Noch, die schöne Wellenbraut,
Lockte meines Sehnens Kunde
    Sie empor mit süßem Laut:
Meine Liebe, feurig glühend,
    Weckt sie wie aus tiefem Traum,
Und so steigt sie, bräutlich blühend,
    Aus des Meeres Purpurschaum!

Ossian

Die Schar auf Morvens Hügeln,
    Sie weicht dem Römerspeer;
Sie sprengt mit straffen Zügeln
    Hinab an's grüne Meer.
Da ruh'n geborgen alle
    Zuletzt im dunklen Hain
Bei lautem Becherschalle —
    Die Harfe schweigt allein.

Der Barde geht von hinnen
    Hinaus in dunkle Nacht,
Wo über Felsenzinnen
    Erglänzt die Mondespracht;
Da lauscht er an den Klippen
    Der windgepeitschten See,
Auf seinen bleichen Lippen
    Bebt ein unendlich Weh'.

"O Zeit voll Ruhmesglanze,
    Dein Angedenken schied;
Schmach deckt die Mornenlanze,
    Was soll ein Heldenlied?
Ihr Väter aus der Wolke,
    Mitleidig blickt herab;
Gönnt ferne meinem Volke
    Ihr Klüfte, mir ein Grab!

Du Harfe mein, zerschelle,
    Verstummt mit meinem Mund;
Die Trümmer birg, o Welle,
    In deinem tiefsten Grund.
Nie kehr' ihr Klingen wieder:
    Entartet und entweiht,
Verdient sie keine Lieder,
    Die feige, dumpfe Zeit!

Lebt wohl, ihr Nordlandshöhen,
    Leb' wohl, umrauschte Kluft!
Ich muß von hinnen gehen,
    Malvina's Stimme ruft!
Nach einem schön'ren Sterne
    Zieht mich's gewaltig hin:
Schon winken aus der Ferne
    Die Helden von Lochlin!" —

Er rufts — an Felsen schmiegt sich
    Sein sterbend Sängerhaupt.
Zerschellt im Meere wiegt sich
    Die Harfe klangberaubt.
Doch, ob der Sang verrauschte,
    Die Harf' im Meere ruht,
Das Lied, das unbelauschte,
    Schwebt tönend auf der Flut!

Und noch ist's nicht verschollen,
    Noch weht's um Meer und Land;
Die dunklen Wogen rollen
    Es nächtlich an den Strand:
Schwermütig um die Klippen
    Der Hochlandsbuchten zieht
Das auf des Sängers Lippen
    Verklung'ne Schwanenlied.

 
Eine Totenstadt

Von versunk'nen Wunderstädten manche dunkle Sage geht,
Wo die Bürger schmuckvoll wandeln, golden Zinn' an Zinne steht;
Wo hinab ein glücklich' Aug' nur in geweihter Stunde schaut,
Fern dem Strand, in ew'ger Öde, wo das Meer am tiefsten blaut.

Preise, wer sie prangend schaute, preis' er sein beglücktes Los!
And're Schau war mir beschieden in des Meeres dunklem Schoß.
Glücklichern erschien Vineta strahlend im kristall'nen Reich —
Eine Totenstadt erblickt' ich in der Tiefe schreckensbleich.


Was ich schaute nächtlich gleitend einsam durch der Woge Schaum,
War's ein Spiel der Phantasie nur, nur ein leerer Dichtertraum?
War's der dunkle Geist der Ahnung, dessen Schwinge mich berührt,
Der ein Bild der fernen Zukunft schreckend mir emporgeführt?

Eine Stadt erblickt' ich, düster, wie ein totes Steingefild:
Nirgends sah' ich Herd noch Altar, nirgendwo ein Götterbild;
Nirgends meinem Blick erschien Turm und Säul' und Tempeltor,
Rauchgeschwärzt, einförmig ragten Esse nur und Schlot empor.

Und zu Hauf, wohin ich blickte, sah ich liegen wirr und wüst,
Werkgeräte, winzig, riesig, tausendnamiges Gerüst;
Sah, was in Bedarfes Dienste förderte der Geist an's Licht,
Aber seine Gottgeschenke: Lyra, Griffel, sah ich nicht.

Über nacktem Steingerölle sah ich trüb die Sonne glüh'n,
Und so weit ich sehnend blickte, sah ich keine Rose blühn;
Die Natur, die gottgebor'ne, einst des Lenzes freie Braut,
Dem Despoten des Erwerbes schien sie alternd angetraut.

Wie mit frost'gem Hauche weht' es bis ans tiefste Herz mich an,
Und gespenstig schien der Ort mir, wie ein öder Kirchhofsplan;
Fahl und trüb sah ich das Leben, fahl und trübe wie noch nie,
Als ein welker Kranz erschien es auf dem Sarg der Poesie.

Reglos sah ich knie'n die Menschen um ein tönernes Idol,
Formlos, goldig außen gleißend, innen seelenlos und hohl,
Eine drahtbewegte Puppe, lenkbar nur durch Schub und Ruck,
Gaben spendend nicht aus Gnade, nein, nach einem Federdruck.

Ach, ich ahn' es, diesem Götzen fielen Blum' auf Blume hier,
Fiel zum Opfer Perl' auf Perle in des Geistes Kronenzier,
Bis erstarrt war alles Leben, und verglommen seine Glut,
Und das Meer sich drüber wälzte mit der kalten Todesflut! —

Also schaut' ich's. — Schaudernd zu der Sterne goldnem Kranz
Flüchtete mein banger Blick sich, wo noch flammt der ew'ge Glanz:
Schmerzlich Sinnen in der Seele, nachtumfangen Herz und Sinn,
Streb't ich aus der Meeresöde nach dem lichten Strande hin!

Einst träumt ich im Waldgrün

Einst träumt ich im Waldgrün, nun träum' ich am Meer:
Rauscht heran denn, ihr Wogen, mein Herz ist so schwer!
Ach das Sehnen der Waldnacht, ihr verschollenes Weh',
Es erwacht mir noch einmal an der flüsternden See.

Einst folgt' ich dem Bergstrom, nun wandr' ich am Strand:
Goldschimmer umlodert Meer, Himmel und Land;
Doch es spiegelt der Strahl sich, der im Westen versinkt,
In der Träne der Wehmut, die im Auge mir blinkt.

Einst schmiegt' ich in's Moos mich, nun wiegt mich die Flut:
Doch nimmer im Herzen entschlummert die Glut:
Wie über dem Moose schwebt über dem Schaum
Verlockend des Glückes urewiger Traum.