Gruß an die Steiermark
Fahr wohl, du sonniger Süden,
Du schimmerndes Meer, Ade!
Es lockt die Sonnenmüden
Nach waldiger Bergeshöh'.
Führ' mich vom Meer, dem blauen,
Du Dampfroß, feurig und kühn,
In tauige Blumenauen,
In schattiges Alpengrün!
Der Renner schnaubt in die Zügel,
Er liebt nicht Halfter noch Zaum,
Springt donnernd über die Hügel,
An felsiger Schlünde Saum;
Doch endlich lenkt das frische
Bergtöchterlein, die Mur,
Ihn sacht durch Blütengebüsche
Zu Stiria's goldenster Flur.
Sei gegrüßt von meinem Psalter,
Du reizende Grazienstadt:
Du ruhst wie ein prangender Falter
Auf einem Lorbeerblatt!
Hold ruhst du auf grünenden Auen,
Du Pele der Steiermark:
Voll Seele deine Frauen,
Und deine Söhne voll Mark!
Dame Romantik
Noch taucht die hehre Dame
Romantik, die Zauberfee,
Allnächtlich, die wundersame,
Aus mondbeglänztem See.
Wie Ampeln in Heiligtumen
Glüh'n Mond und Sterne rund,
Karfunkel und blaue Blumen
Dämmern im Waldesgrund.
Karfunkel und Lilien, blaue,
Die liebt sie gar so sehr,
Sie trinkt vom Sternentaue
Die Lilienkelche leer.
Dann unter blühenden Bäumen,
Trunken vom Sternentau,
Zu schönen blühenden Träumen
Entschlummert die Zauberfrau.
Sie
träumt vom Ganges und Indus,
Von Blumen und Melodien,
Sir träumt vom Olympos und Pindus,
Wo Götter und Helden gedieh'n.
Sie träumt von splitternden Lanzen,
Von Rittern ohne Wank,
Von weichen Canzonen und Stanzen,
Und wonnigem Minnedank.
Sie träumt, so lange noch zaudern
Die tagenden Strahlen im Ost,
Bis im Walde die Tannen schaudern
In der Frühe flüchtigem Frost.
Bei'm Lärme wüsten Gestampfes
Erhebt sich das träumende Haupt:
Es ist das Gespann des Dampfes,
Das prustend vorüberschnaubt.
Da flieht sie — und untertauchen
Muß ihre schimmernde Welt:
Langweilige Schlote rauchen
Fern über dem Rübenfeld.
Am Molo
Am Molo stand ich am Abend,
Als ein Magier stand ich da;
Und törichter Weise beschwor' ich
Aus dem Meere die Cypria.
Wie sollte die Göttin steigen
Aus dumpfigem Hafenschlamm?
Da beschwor ich dafür den Zeitgeist,
Und sieh, der Treffliche kam.
Aus den grünlich trüben Gewässern,
Täppisch und läppisch schier,
Zwischen alten Ballen und Fässern
Grinsend kam er herfür.
Es war ein blöder Junge,
Sah trüb und verkommen aus;
Viel leidige Blößen guckten
An Knie und Ärmel heraus.
Doch ringsum sanken die Leute
Ehrfürchtiglich in's Knie:
Ich aber pfiff gleichgültig
Für mich eine Melodie.
Da stieß mit dem Ellenbogen
Mich Einer zornig an:
"Wer nicht ehret der Zeiten Götter,
Der ist ein schlechter Mann!
Und wer da vor dem Zeitgeist
Schließt Ohr und Auge verstockt,
Der ists, der ewig als Dichter
Keinen Hund vom Ofen lockt!"
"Hm, hm, ich begreife," sprach ich;
"Mich zu bessern gelob ich hier:
Für meine nächsten Werke
Notier ich den Schlingel mir."
Schatzgräber
Mitternachts im Mondenscheine
Still im Walde wandl' ich hin.
Hei, da loht auf fahlem Steine
Gold und Demant und Rubin.
Und ich fasse keck und schnelle
Was da glänzt und glüht;
Freu' mich dran in stiller Zelle,
Wie von Zauberschein umsprüht.
Weh' mir, wehe, daß, wenn lodernd
Aufersteht das Sonnenlicht,
All' der Schatz, verblaßt und modernd,
In den Händen mir zerbricht;
Daß im Schein der Morgenröte
Wie ein Traum er mir entschlüpft,
Oder gar als ekle Kröte
Schnöde mir von dannen hüpft!
Gibt es wohl, ihr Nachtgewalten,
Ein geheimes Zauberwort,
Festzubannen, festzuhalten
Solchen nachterrung'nen Hort?
Daß ein Herrliches und Reines
So vergilbt, ists Weltgeschick,
Oder wandelt's in Gemeines
Uns're Hand und unser Blick?
Nachtwandler
Ein Traum ist alles Leben:
Je tiefer nun wir träumen,
Um so viel sich'rer schweben
Wir über Schwindelräumen.
Nachtwandelnde, sie schreiten
Ja sicher allerwege,
Und ihre Schritte gleiten
Nicht aus auf schwankem Stege.
So wandeln selig immer,
Vom tiefem Traum umwoben,
In lichtem Lebensschimmer
Die gold'nen Sterne droben.
Doch — wenn auf ihren Reisen
Ein Dämon wach sie riefe,
Entstürzten den Geleisen
Sie taumelnd in die Tiefe!
Vernichtung oder
Verjüngung
Wälze, du Wintersturm,
Wälze des zögernden,
Schleichenden Stromes Gang
Rascher dahin!
Über dem Waldgebirg
Ballt sich und stockt die Nacht,
Doch in der Wolke noch
Zaudert der Strahl!
Blume, wo ist dein Schmelz?
Vöglein, wo ist dein Sang?
Quell, wo ist dein frischer Hauch?
Wald, wo dein Grün?
Diese Entarteten,
Reiße der Sturm sie hin,
Oder verjünge sie
Donner und Blitz!
Nachts am Meere
Wie stumm in Hieroglyphen
Ein Schreckgeheimnis ruht,
Webt Schauder in den Tiefen
Der nächt'gen Meeresflut.
Doch seiner Tiefen Leben
Verbirgt das dunkle Meer;
Die leisen Winde weben
Schaumrosen drüber her.
Mein Herz ist trüb und wilde
Wie dieser Wogenschlund;
Doch Götter bergen milde
Mir seinen Schreckensgrund.
Wie hold im Sterngefunkel
Die Welle Silberschaum,
Deckt meiner Seele Dunkel
Ein gold'ner Liebestraum.
Lebenslied
O himmlische Wonne des Lebens,
Urewig blühend und hold
Hoch über der Öde des Abgrunds
Hältst du dein Banner entrollt,
Und strömst im Glanze der Sonnen
Im rosigen Lichte des Seins,
Mit dunklen Todeswonnen
Geheimnisvoll in Eins.
O holdes Wiegen und Wallen,
O sel'ges Streben und Ruh'n,
O jauchzendes Steigen und Fallen,
O süßes Träumen und Tun!
O du schimmernde Lebenshelle,
O du selige Todesnacht —
Auf wechselnder Daseinswelle
Wie faß' ich alle die Pracht?
Ich möchte wonnig gerne
In jeder Blume blüh'n,
Ich möcht' in jedem Sterne
Des Himmels selig glüh'n;
Auf den Schwingen jedes Falters
Möcht' ich gaukeln durchs blumige Grün,
Und im Wirbel des Lerchenpsalters
Hinsterben in Melodie'n.
Ich möchte mit allen Wellen
Mich berauschen im Sonnenglanz,
Und in Schaumesfunken zerschellen
Im jauchzenden Sturmestanz.
Ich möchte mit allen Gewittern
Hinzieh'n über Berg und Tal,
Und mit jeder Eiche zersplittern
Die berührt der himmlische Strahl.
O flössen in mir zusammen
Die Ströme des Lebens all —
Daß in seligen Wonneflammen
Aufsprühend allzumal.
In Einem Zuge sie tränken
Den Strahl des Morgenrots,
Und vereint hinuntersänken
In die heilige Tiefe des Tods!
Der Schwan
Der Schwan auf kristallnem Weiher
Ergeht in der Mondnacht spät
Sich zu mystischer Liebesfeier
In Rhythmen, die Keiner versteht.
Die Kritiker eifern: "Was gaukelt
Er hin in schwülst'gem Gesang?
Ein leeres Herz nur schaukelt
So stolz sich in eitel Klang!" —
Die möchten ihm Schande bringen;
Er aber, sein tiefes Gemüt
Zu zeigen, stirbt im Singen:
Man nennt das ein Schwanenlied.
Die Sterne
Tausend gold'ne Sterne winken
Aus des Himmels blauer Höh';
Tausend gold'ne Sterne blinken
Aus dem spiegelglatten See.
Hoch hinan in blaue Ferne
Winken sie mit gold'nem Licht;
Aufwärts, aufwärts zög' ich gerne
Doch mein Flug erreicht sie nicht.
Nieder in kristall'nen Wellen
Lockt mich ihr demant'ner Kranz:
Aber ach, die flammendhellen
Sind ein wesenloser Glanz.
Und so mögt ihr, gold'ne Sterne,
Uns'res Glück's Symbole sein:
Was der Himmel hat, ist ferne,
Was die Erde hat, ist Schein.
Columbus
Blumenkind des Westens, hehre
Meerjungfrau, zaubervoll!
Sehnend streif' ich durch die Meere,
Der dich erlösen soll!
Klarer stets und lichter schaue
Ich in gold'nem Lebensglanz
Mit des Geistes Aug' die blaue
Küste deines Wunderland's!
Riesenblumen, Wunderblüten
Seh' ich in der Tropenluft
Traumesschwer und würzig brüten,
Wie berauscht vom eig'nen Duft.
Gold'ne Schätze seh' ich glimmen,
Trunken in dem Flammenstrom
Ihres eig'nen Glanzes schwimmen,
Wie die Blumen im Arom!
Dämmert sie, die sel'ge Küste
Ferne nicht in Morgenglut?
Nein, in öder Meereswüste
Dehnt sich endlos noch die Flut.
Doch an ihre Blumenschwelle,
Sie zu grüßen traut und hold,
Send' ich hin die Silberwelle,
Die mir still zu Füßen rollt.
Schliefe sie im Meeresgrunde
Noch, die schöne Wellenbraut,
Lockte meines Sehnens Kunde
Sie empor mit süßem Laut:
Meine Liebe, feurig glühend,
Weckt sie wie aus tiefem Traum,
Und so steigt sie, bräutlich blühend,
Aus des Meeres Purpurschaum!
Ossian
Die Schar auf Morvens Hügeln,
Sie weicht dem Römerspeer;
Sie sprengt mit straffen Zügeln
Hinab an's grüne Meer.
Da ruh'n geborgen alle
Zuletzt im dunklen Hain
Bei lautem Becherschalle —
Die Harfe schweigt allein.
Der Barde geht von hinnen
Hinaus in dunkle Nacht,
Wo über Felsenzinnen
Erglänzt die Mondespracht;
Da lauscht er an den Klippen
Der windgepeitschten See,
Auf seinen bleichen Lippen
Bebt ein unendlich Weh'.
"O Zeit voll Ruhmesglanze,
Dein Angedenken schied;
Schmach deckt die Mornenlanze,
Was soll ein Heldenlied?
Ihr Väter aus der Wolke,
Mitleidig blickt herab;
Gönnt ferne meinem Volke
Ihr Klüfte, mir ein Grab!
Du Harfe mein, zerschelle,
Verstummt mit meinem Mund;
Die Trümmer birg, o Welle,
In deinem tiefsten Grund.
Nie kehr' ihr Klingen wieder:
Entartet und entweiht,
Verdient sie keine Lieder,
Die feige, dumpfe Zeit!
Lebt wohl, ihr Nordlandshöhen,
Leb' wohl, umrauschte Kluft!
Ich muß von hinnen gehen,
Malvina's Stimme ruft!
Nach einem schön'ren Sterne
Zieht mich's gewaltig hin:
Schon winken aus der Ferne
Die Helden von Lochlin!" —
Er rufts — an Felsen schmiegt sich
Sein sterbend Sängerhaupt.
Zerschellt im Meere wiegt sich
Die Harfe klangberaubt.
Doch, ob der Sang verrauschte,
Die Harf' im Meere ruht,
Das Lied, das unbelauschte,
Schwebt tönend auf der Flut!
Und noch ist's nicht verschollen,
Noch weht's um Meer und Land;
Die dunklen Wogen rollen
Es nächtlich an den Strand:
Schwermütig um die Klippen
Der Hochlandsbuchten zieht
Das auf des Sängers Lippen
Verklung'ne Schwanenlied.
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