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I. Heimat
Gedichte 2

 

Der Schlehenstrauch
Strafe
Minneliedchen
Wienerwald
Heimatland
Vorbei
Versuchung
Frau Leben
Gutenstein
Alpenrausch
Blumenlicht
Ruhlos
Sünde

 
Frühlingsjubel
Am Wasserfall
Sonnenschein
Jauchzen
Alpenthron
Edelweiß

 

Der Schlehenstrauch


Und wieder blüht der Schlehenstrauch,
Mein Liebchen, denk' zurück:
So stand in raschen Blüten auch
Einst unser helles Glück.

Sowie der Mai den Dornenbaum
Ganz blumenüberschmückt,
Hat uns für einen kurzen Traum
Das Leben reich beglückt.

Und wie nach einer kargen Frist
Verblühet dieser Strauch . . .
Daß unser Glück vergangen ist,
Ich glaube, fühlst du auch!

Strafe

Was sind mir denn so grimme Feind'
Die ersten grünen Triebe?
Wenn kaum die Sonne wieder scheint,
Erwecken sie die Liebe.

Die ersten Knospen am braunen Strauch
Und unser Glück, das scheue! —
Die Knospen wurden Blumen auch,
Wir bebten vor der Reue.

Die ersten Knospen am braunen Hag,
Sie haben uns einst beneidet:
Wir schienen kühn, sie säumten zag;
Das wird uns jetzt verleidet!

Minneliedchen

Seit Walther hier in Östreich sang,
Seit Ulrich hier turnieret,
Wie dir, mit solcher Minne Hang,
Ward keinem Weib hofieret.

So selig bis an unsern Tag
Ward um kein Weib gelitten,
Seit Walthers Nachtigallenschlag,
Seit Ulrich hier gestritten.

Laß lächeln, wer's bezweifeln mag,
Was können sie mir rauben?
Nur deinem Ohre, dem ich's sag',
O Herrin, sollst du glauben!


Wienerwald

In diesem Walde stand ein Haus,
Da ging ich vor Jahren ein und aus.

Am Fenster saß mein Liebchen da
Und lachte, wenn sie mich kommen sah.

Im Garten saß sie auf meinen Schoß,
Ich knüpft' ihr die blonden Zöpfe los.

Mein heißes Antlitz in's kühle Haar
Das legt' ich und wußte, wie reich ich war.

Seither, was litt ich für bitteren Harm;
Gewesen so selig, geworden so arm!

Ein Sturm ging über mein junges Haupt,
Der hat mich gebeugt, der hat mich entlaubt.

Schwer-mühsam erhob ich nach langer Zeit
Wieder den Nacken aus tiefem Leid,

Mein Aug' blickt um mich — — Du treuer Wald!
Wie noch dein Gezweig im Maien erschallt!

Wie schön noch die Sonne in's Tal herabschaut
Und abends im Dunkel der Bergessaum blaut!

Wie all' deine Arme im mächtigen Chor
Du hebest und deutest immer empor!

Du lenkst meiner Seele suchenden Hang,
Durchbrauset sie stärkend mit Himmelgesang.

An Treue verzweifeln, du lässest mich nicht,
Nur wohnt sie noch oben im Sternenlicht;

Träuft Tropfen um Tropfen nur niederwärts,
Einst füllet sie jedes menschliche Herz!


Heimatland

Sieh, seitdem ich mein Verlangen
Also schwer um dich gebüßt,
Hat die Heimat mich umfangen
Und viellinde mich geküßt;

Mich umfächelt mit den lauen
Lüften ihrer Maienzeit,
Mir gegeben anzuschauen
Schönheit, labend ohne Leid.

Die verirrte Liebe löst sie,
Die uns Leiden nur gebracht,
Und die wunde Seele tröst' sie
Mit den Wundern ihrer Macht.

 
Vorbei

Ich kann es nicht leugnen, die Amsel singt,
Der Flieder blüht, der Brunnen springt;
Ich kann es nicht leugnen, die Luft ist lau,
Die Sonne golden, der Himmel blau.

Nur singt nicht die Amsel, die Amsel die sang, die sang,
Als ich anders noch hörte den Jubelklang;
Die Amsel ist tot; was die andere singt,
Wohl in ein jüngeres Herz noch klingt.

Es ist eines anderen Flieders Duft
Und ist eines anderen Frühlings Luft;
Was frommt mir die Sonne, der Himmel so blau,
Wenn nimmer mit jungen Augen sie schau'?

Versuchung

Aus dem dunklen Boden, den tagverlass'nen,
Tiefaufquellend, stauend und eilig fließend,
Steigt ein graues Nebelmeer auf und füllt die
Buchten der Länder.

Um den Saum der Ebene lautlos rinnen
Flache, weithingreifende Wogen; d'rüber
Huscht der Nachtmahr, lachen die Eulen dumpf ihr
Ödes Gelächter.

Aber tiefer flieh'n sie, die Waldnacht einwärts,
Denn ein Glänzen über dem Dunstmeer scheucht sie;
Dorther gleitet, riesigen Bordes, schnell das
Goldene Mondschiff.

Näher treibt es, sanfteren Zug's; erkennen
Kann ich seinen Fergen: Gelassen, merk' ich,
Lenkt der Tod und lenkt das Gefährt' von Nacht in
Nacht, bis es strandet.

Vor ihm, seh' ich, mitten des Schiffes, aufrecht,
Erdwärts blickend, gleißende Arme hebend,
Steht ein junges Weib, und es trifft ihr Auge
Strahlend in meines.

Worte hör' ich, hör' eine Stimme, tiefer,
Denn ich jenem kindlichen Mund getraut hab';
Mächtig schwingt der weihvolle Sang und faßt mein
Horchendes Leben:

"Ruhe, Streiter! Pulse dein Wille sanfter!
Atmend schlürfe tief in die Brust den Duft der
Weißen Mohne, die mir das Haar umblinken,
Die ich dir reiche'.

Hör' mich nennen! Tochter des Todes bin ich,
Friede heiß ich, Glück aller müden Ringer;
Allerbarmend ist meine Seele, jedem
Dulder ein Bronnen;

Euch belügt die herrische Sonne; Stunden
Ewige Stunden heißester Frone furcht sie
Langsam pflügend euch in den Staub! doch heischt sie:
Huldigt mir Alle!

Und Äonen weckt sie des Lebens Fülle,
Weckt sie göttlich-große Begierden tief aus
Jenem Staub, der ewig nur wieder Staub wird,
Staub ohne Demut.

Einst durch sie war dieser auch, längst nun kahle,
Kalte, leid- und glücklose Weltball Wiege,
Wohnhaus, Dom und Grab ungezählter, heißer
Narren der Hoffnung.

Leugne, Urbetrogener, die falsche Göttin!
Mir an's Herz, an's treuere sinke; wirf der
Goldverlarvten Buhlerin stolz zurück den
Bettel des Lebens!

Schlürfe; schlürfe bis tief in die Brust den Odem
Meiner Blumen. Voller umduften dich die
Nachtwob'nen, reicherbeseelten, als die
Stolzen des Mittags.

Wieder einst werden all' die Welten gleichen
Stillen, dunklen, träumenden Blumenhäuptern;
Hütend d'rüber schweb' ich als letzter Wunsch der
Ruhenden Sehnsucht."


Frau Leben

Um Gipfel und Wipfel brausen
Die Herbstwindreiter wild,
Der Wald beugt sich mit Sausen,
Im Tal ist's still und mild;

Im kleinen, waldumsäumten,
Hoch oben im letzten Tal;
Dort ruht auf den verträumten
Bergwiesen der Sonnenstrahl.

Inmitten auf einem Steine
Da sitzt eine schöne Frau,
Ihr Haar aus goldenem Scheine,
Ihr Aug' voll Himmelsblau.

Sie haben ihr alles genommen,
Was einst ihr Eigen war,
Die Riesen, die gekommen
Bergüber in wüster Schar:

Die Blätter von ihrem Walde,
Die Blumen ringsumher!
Das Brünnlein selbst an der Halde
Ist tot und tönt nicht mehr.

Sie aber acht' nicht des Raubes
An ihrem Hab' und Haus,
Hoch über den Fall des Laubes
In's Weite träumt sie hinaus.

Die neuen Blumen, Falter
Ihr träumendes Auge sieht,
Und lächelnd an ihrem Psalter
Rührt sie ein Frühlingslied!

Gutenstein

Frühlingsbläue, Frühlingsgrünen
Und der tausend Vögel Schlag,
Alles willst du wieder sühnen,
Auferstandener Frühlingstag!

Jahre fliehen meinem Träumen,
Eine lange, lange Zeit,
Du nur Wald mit deinen Bäumen,
Ewigjunger reichst so weit.

Was indessen Menschenhände
Kleines schufen hier und dort,
Wälder, Wände, die Gelände
Hegen doch den gleichen Ort . . .

Früher Herbst war im Gefilde,
Wie er herrscht in uns'rer Mark,
Sonnig wie voll Jugendmilde
Und doch reif und mannesstark.

Kam durch dieser Täler Mitten
Seine lange, letzte Fahrt
Einer heim, der ausgelitten,
Was ihm hier zu leiden ward.

Wagen reihet sich an Wagen,
Ziehen längs dem Berg empor,
Oben stimmen Freundesklagen
Ihren feierlichen Chor:

"Sei gegrüßt zum letzten Male,
Raimund, hier in Waldeshut;
Kamst du aus der Stadt im Tale,
Hast du gerne hier geruht;

Hast du heißen Mund's getrunken
Aus den Bronnen der Natur,
Bist du träumend eingesunken
In die Wogen dieser Flur.

Wie die Wolken oben schwelen
Und sie spenden Fluch und Gunst,
Waren dir die Menschenseelen
Offen als ein Schoß der Kunst;

Alles was aus ihnen fließet,
Fromme Stärke, Licht und Grau'n,
In das Leben sich ergießet,
Ließest du dem Leben schau'n.

Von den Bergen hieß't du gehen,
In die Hütten Geistermacht,
Sandtest deine sanften Feen,
Aufzuhellen Erdennacht.

Nahmst den Scherz, mit dem die Falter
Kosen um die Blumenpracht,
Gabst der Jugend ihn, dem Alter,
Bis der Reigen weinend lacht'.

Toren schufest du und Weise,
Des gemeinen Tropfes Gang;
Doch um Alle tief und leise
Klingt der ew'gen Geister Sang.

Zieh' denn heim, wohin du strebtest,
Schaffensmüde, leidensschwer —
Was du wirktest, was du lebtest,
Steht wie Frühlings Wiederkehr!"

Ihre Stimmen sind verklungen
Und der Zug schlingt sich hinab;
Was die Freunde ihm gesungen,
Nachschwebt's über's off'ne Grab . . .

Bläue wieder, Frühlingsgrünen
Und der tausend Vögel Schlag;
Alles Sterben willst du sühnen,
Auferstand'ner Frühlingstag!

Alpenrausch

O herrlich, herrlich-heil'ge Gipfel!
Endlose Fluchten, schneebedeckt!
Und tief im Tal die süßen Wipfel
Vom ersten Frühling auferweckt!

Wie flieht aus mir gleich Nebeltreiben,
Was kleinlich alles und was schal,
Und spürt berechtigt sich, zu bleiben,
Was immer war wie Sonnenstrahl!

Was unten jauchzt du, Lerchenkehle,
Was oben prunkst du, Adlerzug?
's jauchzt lebenstrunkner meine Seele
Und höher schwingt mein Himmelsflug!

Es sieht mein Aug' in weit're Fernen,
Die sonst kein sterbliches gewahrt,
Zu andern Sonnen, andern Sternen
Und Wesen einer edler'n Art!

Es lechzt mein Herz nach einem Glücke,
Das kühner, als der kühnste Traum
Es hier mit seiner Zitterbrücke
Erspannen mag im Erdenraum!

Wie neue Jugend glüht's im Marke,
Wie junge Liebe brennt's im Blut,
Und was der Geist begehrt, der starke —
Nimm dir's! befeuert ihn der Mut.

— — Da hör' ich Schritte und ein Schatten
Zerstört, was selig mir geschah;
Von allen Zinnen, allen Matten,
Schon ist entschwunden, was ich sah.

Die schon den Arm, den schwanenweißen,
Die Alpengöttin, um mich wand,
Dem Sklaven Freiheit schon verheißen,
Entzieht mir grollend ihre Hand.

Ich weiß nur Eines: Morgen wieder
Verhasste Fron, verhasstes Sein;
Aus meiner Brust die trunk'nen Lieder
Und Sorgen aus und Sorgen ein!

Blumenlicht
(An die Berg-Aurikel)

Noch umbraust die hohen Zinken,
Ist's auch Frühling schon im Jahre,
Eis'ger Sturm und peitscht die Wogen
Grauer Nebel durch die Kare;
Kommt ein Sonnenstrahl gezogen,
Siehst du noch das Schneefeld blinken,
Doch auch leuchten von den Wänden,
Frühlingstrost hinabzusenden,
Einer Blume wunderholde,
Goldigschimmernd-, volle Dolde.

Steh' ich dort im Heiligtume,
Felsendomes düsterm Dunkel,
Seiner Schauer ganz umfangen,
Und es streuet ihr Gefunkel
Durch der Nebelflöre Hangen
Von den Simsen jene Blume —
Glüht in Sehnsucht auf mein Leben,
Muß ich todverlachend streben
Über Klüfte, Abgrundgrüfte
Nach dem Anhauch ihrer Düfte.

Trifft der gold'ne Strahl mein Auge,
Rührt er's, wie der Blick der Liebe;
In der Nebel Rauch vergehen
Ahn' ich alles Erdgetriebe
Und ein höh'res Reich erstehen,
Wie beseelt von Duftes Hauche.
Aus dem kalten Stein zu Golde
Über mir blüht jene Dolde:
Siegend aus der Welt des Raumes
Steigt das Reich des Dichtertraumes!

Ruhlos

Was bin ich ein Armer durch schuldlose Schuld!
Nicht hab' ich die Ruhe der Andern;
Mein Glück ist nicht Glückes erreichte Huld,
Ist nur, nach dem Glücke zu wandern.

Es hat mir die Erde nicht Wonne genung,
Und wollte sie mir nichts verweigern:
Die Bläue des Himmels, der Firne Schwung
Sind nur, meine Sehnsucht zu steigern.

Es stillt mir die Brust keines Weibes Flaum,
Mich fesseln nicht Ruhmes Larven — —
Die schwindligen Grate wandr' ich im Traum
Entgegen den himmlischen Harfen!

Sünde

Die Bäume ringsum noch bereift
Und Schnee, wohin das Auge streift;
Doch in den Lüften schon ein Duft,
Und wie die Amsel zärtlich ruft!

Schneerosen an des Baches Hang,
Im Eise schon des Wassers Klang,
Der Kätzchen Zier am Haselstrauch
Und Sonnenblitz durch Höhenrauch.

Der Sünder, der nicht jubeln will,
Geht sinnend hin, betroffen-still;
Er höret, wo er lauschen mag:
Ein leises Lachen tönt im Hag.

Ein Lachen, das dem Toren gilt,
Der über Los und Leben schilt,
Und der in seines Wesens Bann
Nicht einmal eben — leben kann.

Erlösung, die er finden wollt',
Sie fliehet, wo ein Wesen grollt,
Und weilet gleich und sinket mild
Auf alle Demut in's Gefild!

Frühlingsjubel

Nun kommt der Sommer wieder,
Nun schwärm' ich neu hinaus,
Sing' draußen meine Lieder
Und trage sie nach Haus;

Wiewohl ich niemals ruhe,
Auch nicht bei Eis und Schnee,
Da grein' ich in der Truhe
Des Winters: Ach! und Weh!

Nun aber gilt's den Veilchen,
Der Heide rotem Flor,
Und dann, nach einem Weilchen,
Die Berge geht's empor.

Blüht oben ganz in Golde
Und sendet ihren Duft
Die honigreiche Dolde
Der Primel in die Luft!

Steh'n oben tausend Glocken
Tiefblauer Enzian,
Ihr Läuten und ihr Locken,
Das hört sich herrlich an!

Hat jeder nicht die Sinne,
Zu hören solchen Ton,
Ich aber hab' die Minne
Und ernte ihren Lohn.

Des Sommers Wonne trag' ich
In meinem Herzen heim,
Im langen Winter klag' ich
Und zehre doch den Seim!

Ihr aber, Flügellose,
Menschlein, wie tausend sind,
Die statt der Alpenrose
Entzückt ein voller Spind —

Was soll euch denn erfreuen,
Kommt eures Winters Bann,
Wenn selbst der Trost des Maien
Euch nicht erreichen kann?

Am Wasserfall
"zum toten Weib" in der Steiermark

Wie eine wilde, weiße Schlange
So zischt du aus dem Bergeshange,
Fährst über Fels und Farrenwurz
Dem Abgrund zu im Niedersturz.

Es steht ein Kreuz an deinem Schlunde
Auf grünem, ewig-nassem Grunde;
Dort fiel ein Leben deinem Biss,
Der Tücke, die's von hinnen riss.

Doch Andern wird zu Lust und Labe
Der Trunk aus eben diesem Grabe,
Und schöne, stille Fische stehn
Furchtlos in deines Wirbels Dreh'n.

Vom Felsen über deiner Grotte,
Empor zu deinem, meinem Gotte,
Hoch über deiner Schäume Tanz,
Zur Sonne drängt ein Blütenkranz . . .

Naturgewalt! Von ihnen Eine,
Die einig trotz verschied'nem Scheine,
Du bündest Leben mir und Tod,
Das Grau des Grab's und Wangenrot.

Laß meiner Seele lachend' Singen
In deine Wellen mitverklingen;
Ein sanftes Opfer deiner Flut,
Die Blumen nimm von meinem Hut!

Sonnenschein

Versiegten Alpensees uralte Runde
Umgibt mich sonnenglanzbestrahlt;
Des schönen Sonntags Feierstunde
Im grünen bergumstarrten Grunde
Übt ihre selige Gewalt.

Was soll mein Herz nicht Alles sorgen,
Der eig'nen Lebenswoge voll,
Und was gemeines Heut' und Morgen,
Grell-sichtbar oder grau-verborgen,
Von ihm erfordert schweren Zoll!

Nun aber heischt es seine Rechte,
Und wär's der Augenblick allein . . .
Hinab in's Nichts, ihr dunklen Mächte,
Gedanken bitt'rer Tage, Nächte —
Und in mein Herz zieh', Sonnenschein!

Jauchzen

Wenn über die Almen der Sommerwind streicht
Und hoch in den Runsen der Schneereif entweicht,
Wenn rot an den Hängen der Almenrausch blüht
Und lang an den Schrofen der Abendschein glüht;

Wenn rings in den Zerben über dem Wald
Das läuten der Herden, das friedsame, schallt,
Die Sonne zum Almsee nachtruhen geht,
Der Seehauch ihr zärtlich die Wangen umweht;

Dann hat meine Seele nicht Raum in der Brust
Vor Lebensentzücken, vor trunkener Lust,
Dann jauchz' ich und jauchze, bis überall
Die Höhen und Herzen erwidern den Hall!

Alpenthron

Um meine Stirn' der Sturm; und wenn der Odem sucht,
Ich hör' den ew'gen Sand auf seiner stillen Flucht;
Dann eine Stimme, wie den Zorn der Einsamkeit,
Wenn eine Dohle schrill vom Grat herüberschreit;
Tief unten Klippen, Zirm, die Gemsen, klein im Kar —
Ein Reich, unendlich hehr, und Alles menschenbar!

Sie fassen's nicht, daß ich den Sinn von ihnen schied,
Daß mich kein Heimweh mehr in ihre Stätten zieht,
Mein Hund im Blick für mich die tiefere Seele hat,
Als manches Menschenkind, das ich um Treue bat,
Um jene, die gebeut, du sollst kein Andrer sein,
Als der, von dem du trägst im Angesicht den Schein . . !

O wie ich Alles hier, so wie es ist, nur gibt,
Sich nur aus Hunger haßt und nur zum Zeugen liebt,
Indes der Menschen Mord, unblutig oft vollbracht,
Grausame Kunst beweist, von Geiern nicht erdacht;
Und geiler Menschenmann und Weib sich wälzen wolllt',
Als hier in heißer Kluft sich Schlang' in Schlange rollt . . .
Ha, pfui! den tiefsten Zug aus dieser scharfen Luft —!
Hier trotzt, was lebt; hier zuckt den Wedel noch kein Schuft,
Hier knarrt kein Pergament, hier protzt kein Bürokrat,
Hier oben gilt der Mann und nur des Mannes Tat.
Den Bock wirft auf die Schütt allein der kühne Schütz
Und zehn Dozenten hier sind keinen Stecken nütz;
Es hat nicht Frack und Lack, nicht Clique und Klaque Rang,
Es winkt kein Weib, und zieht uns doch des Herzens Drang!

Entschwebt mir denn, Gezwerg', von diesem Tritt geschnellt,
Und wo der Felsen fußt, in Scherben dort zerschellt!
Was dank' ich eurem Witz? Vielleicht das Maß allein,
Das ausmißt meine Welt an eurer Größe Schein!


Edelweiß

Über die ander'n Blumen der Heimat
Lieb' ich dich,
Weil du die Kraft bist und Eigenart,
Aber bescheiden dich gibst,
Und den herrlichen Blick
Nicht wendest um Beifall!

Sumpf und Moder ernähren
Und der gemeine Boden die Blumen des Tals;
Du aber, Stern,
Bist des harten, trotzigen Steinmarks
Strahlende Blüte, und klarer
Trifft dich des Äthers perlender Tau,
Eh' er hinabsinkt, die Augen zu feuchten
Den Kindern der Tiefe!

Hoch auf umstürmter Veste
Über den Abgrund spielend,
Winkst du tröstend
Und leitest empor,
Ein Gleichnis und ein Verheißen dem,
Der die eig'ne Bahn sucht in's Steile
Über den sternlosen, breiten,
Ewiggleichen
Pfaden des Pöbels!