Die
Rax im Spätherbst
Ganz eingehüllt in einen finstern Schleier,
Erhabene Gestalt,
Wie eine Wittib nach der Totenfeier,
Das Haupt gesenkt vor ihres Gram's Gewalt —
So, Steinfrau, sitzest du im Herbstesschauer
Und hegest deine Qual,
Wehrst trotzig ab in deiner wilden Trauer
Den greisen, wärmelosen Sonnenstrahl.
An deiner Felsenbrust geruht in Wonnegluten
Der Gott des Sommers hat,
Und ihm allein, den herrlich-hochgemuten,
Hast du gegeben, was er glühend bat.
Dem Frühling einst hast du dein Eis gewiesen,
Des Knaben Übermut
Entzückt die heiter'n, jungferlichen Wiesen;
Du hast gefühlt, was eines Helden Glut!
Nun sank er hin, mit seinem Blute rötend
Dein marmorweißes Kleid,
Und du blickst eisig wieder, arglos tötend
Die letzten Blumen, noch von ihm geweiht.
Es ist nicht dein, nach Menschenart zu leiden,
Geneigt dem Trost der Zeit,
Das Herz am Traum der Wiederkehr zu weiden;
Du weißt: des Todes ist die Ewigkeit!
Und weißt: Im ganzen All ist kein Erbarmen!
Ob auch dein Sommer kehrt,
Er stirbt dir wieder, jugendschön, in Armen,
Bis einst dem ew'gen Froste nichts mehr wehrt;
Bis dort, wo deine Rosen jetzt sich breiten
Und strahlt dein Edelweiß,
Aufs Neue, wie vor Weltvergangenheiten,
Sich meerhochbäumt und knirschend wälzt das Eis.
So starrst du hin, voraus ins Weltenende,
Mit tödlich-düst'rer Schau,
Indes die Wangen deiner bleichen Wände
Der Schutt hinabweint wie ein Tränentau.
Zuweilen nur in fürchterlichen Nächten,
Aufrasend in der Qual,
Löst du im Sturm die tannendunklen Flechten
Und schleuderst die Lawinen über's Tal.
An den Krummbach
In
der Krummbachsschlucht am Schneeberge
Düster'm Leben ohne Frieden,
Das sich inner'n Kampf's verzehrt,
Dem der Lichttag nie beschieden,
Dem es quillend zubegehrt:
Gleicht dein Anblick, Felsenringer,
Wie du anstürmst, unterliegst,
Neuen Wahn's, ein Steinbezwinger,
Gähen Sonnblitz dir ersiegest;
Doch es will mich dir versöhnen,
Starrt dein Bette kirchhofgleich:
Nicht der Schalheit willst du fröhnen
Und Beachtung zwingt dein Reich!
Mondnacht im Gebirge
Der Mond steht über den Bergen,
Mir ist, er singt ein Lied,
Vernehmbar nicht uns Zwergen,
Ein uralt' Weltenlied.
Zurück neigt er die Stirne,
So wie ein Bardengreis,
Die Felsen und die Firne
Sie horchen im weiten Kreis.
Der alte Himmelsdichter
Singt wohl ein Schlachtenlied,
Daß über die grauen Gesichter
Ein solcher Schimmer zieht;
Ein Lied aus Jugendzeiten,
Weltrunen, die er weiß,
Vom ungeheuren Streiten
Der Erde mit dem Eis;
Vielleicht das Lied der Minne,
Zu dem seit Ewigkeit
Nachts auf des Dachsteins Zinne
Der Ring der Elfen rei't;
Vielleicht das Lied vom Ende,
Wenn wieder von dieser Welt
Das Werk der Menschenhände,
Das unrein-kleine, fällt.
Was immer — — die Berge lauschen
Auf ihrer hohen Wacht,
Und, silberne Harfen, rauschen
Die Ströme durch die Nacht!
Goisern
Reizend' Örtchen, schön gelegen,
Kurze Rast auf Sommerwegen,
Alte Freunde, treu gefunden,
Neue, liebe und verbunden.
Drüben, hüben Berg' und Wände,
Binnen, innen schmal' Gelände,
Runder Bühel sanftes Schwellen,
Tiefes Rauschen grüner Wellen.
Schauend auf den Gipfel liegen,
Dich in Alpenrosen schmiegen,
Drüben Tor- und Dachsteins Zinken,
Unter dir der Seen Blinken.
Oder auch im Tale wandern,
Froh-gesellig mit den Andern,
Nachmittags ein Kegelschieben,
Dann zum Sydler dann um sieben.
So um sieben und geblieben,
Scherz und Schäker, Ulk getrieben,
Bis die dumpfe Geisterstunde
Weitausholt' im stillen Grunde. . .
Also heute, also morgen,
Keine Grillen, keine Sorgen;
Wenig Tage, viele Stunden,
Der Erinn'rung nicht entschwunden!
Sitzt man jetzt in Wintertagen
Wo statt Bergen Häuser ragen,
Denkt man jener Zeiten gerne,
Und zur Nähe wird die Ferne.
Wohlig sitzt sich's im Gespinste,
Seele freut sich am Gewinste;
Was noch winket, wird sich zeigen,
Was wir lebten, bleibt uns eigen.
Am Waldbachstrub
Wie stand ich lang vor deiner Herrlichkeit
Und hab' es leidend nur und tief empfunden,
Wie du ein Sein voll eig'ner Ewigkeit
Und wir ein loser Gischt verwehter Stunden.
Ein jeder Tropfe, der im Sturze fließt,
Stürzt selig hin, wie ihn das Ganze bindet;
Indes der Mensch der Willkür sich vermißt
Und nie den Frieden seines Daseins findet.
Auf einer Traunbrücke
Wie die dunkelgrüne Tiefe
Durch die Brücke gleitend zieht,
An dem grauen Felsenriffe
In den weißen Gischt zersprüht;
Hoch sich bäumend, wie vor Leiden,
Muß zerstäuben und zerweh'n,
Menschenherz, so mußt du scheiden,
Sterben einmal und vergeh'n:
Daß du, neu erfrischt und stärker
Durch des Niedersturzes Wucht,
Überwindend alle Kerker,
Findest, was dein Ahnen sucht.
Bergseen
Euch lieb' ich treugesinnt, euch dunkle Augen
Voll tiefster Seele, täumend-ernst und still;
Mein glühend' Herz, das nirgend ruhen will,
In eure Tiefe sehnt ihm wunschlos tauchen!
Nur will auch hier kein banges Grübeln taugen,
Daß nicht auch euch ein Schmerz für mich entquillt',
Vorahnend ich empfänd', wie knirschend-schrill
Der Schutt sich niederwälzt, euch aufzusaugen;
Wie euer Blick, der jetzt mein Herz erfrischt,
In Moor erstickt, des Himmels Bild erlischt,
Das nun in euch wie schimmernd' Leben ruht;
Und alles Hohe so in Staub verwischt,
Das Tiefste wird zu Flachheit vollgemischt,
Die Poesie verdrängt, wie eure Flut.
Königssee
Auf deiner tiefen grünen Flut
Da fuhr ich im leichten Kahn,
Schon nimmer im ersten Lebensmut,
Schon nimmer im blinden Wahn.
D'rum hab' ich verstanden dein großes Bild;
Den ernsten, tiefgründigen See,
Die Schrofen hoch oben, trotzig- wild,
Und darüber den leuchtenden Schnee . . .
An denselben
Vermag ein wesenloses Sein
Wie eines Menschen Herz zu sein?
Ist's Dünkel, wenn ein Menschensein
Sich zuspricht Seele ganz allein?
Vermag ein wesenloses Sein
Wie eines Menschen Herz zu sein,
So weilt mein innerst Wesen hier,
Und du bist ganz verbrüdert mir!
In deiner Tiefe schläft gebannt,
Was mich verstünde, mir verwandt:
Was nie erreicht, darnach es ringt
Und spiegelnd doch es wiederbringt.
Das tiefste Leid, des Glückes Rausch,
Dir geb' ich beides gern zum Tausch;
Die Menschenseele fand ich nicht,
Die so wie du zu meiner spricht.
Unter den Watzmannwänden
Du gleitest auf den tiefen See,
Im tiefen Traume wach,
Und sinnest über Glück und Weh,
Dem Lauf des Staubes nach.
O träume nicht von Sterblichkeit;
Es grüßt von bleicher Wand
Im Wolkenbild die Ewigkeit
Auch dich mit weißer Hand.
Am Obersee
Tiefe Stille, kein Geschehen,
Ein begnadet' Auge nur
Mag ein hohes Weib ersehen,
Träume spinnen, die Natur.
Was die letzte Kluft verhehle,
Was die Felsenwand umwebt,
Sie erfüllt's mit ihrer Seele,
Und das Tote wird belebt.
Aus den Lüften spricht das Rauschen,
Um die Felsen singt der Wind,
Und den Menschen läßt sie lauschen,
Bis er wieder ganz ihr Kind.
Drei Seen
I.
Der
Grundlsee, dem Dichter:
"Meinen Spiegel furcht die Prose,
Meinen Odem fälscht der Dampf,
Weltgelärm und Menschenpose
Spült in mich der Daseinskampf.
Oben lag're, wo die Zinnen
Blendend in der Sonne steh'n;
Unbeirrt, mit reinen Sinnen
Sollst du auf mich niederseh'n.
Daß ich dann dir wahr erscheine,
Wer ich bin im tiefsten Grund:
Eine Seele, wie die deine,
Auch mein Eigen keine Stund'!"
I.
Toplitzsee, einer jungen Schönen
"Laß die weiße Hand nur schleifen
Über meiner Tiefe Grund,
Laß die heißen Blicke schweifen
Träumend um mein stilles Rund.
Gib mir deiner Pulse Beben
Das Geheimnis deiner Hand,
Meiner Welle stummes Schweben
Trägt es heimlich Ihm in's Land.
Sieh' den Himmel mir in Armen,
Ob uns auch die Weite trennt —
Unser ist ein tief' Erbarmen,
Das die Menschenwelt nicht kennt!"
III.
Kammersee,
Beiden:
"An mir enden Glück und Leiden,
All' und Eines geb' ich beiden:
Glück und Glück, erfülltes Sehnen
Weltfern, Arm in Arm zu lehnen;
Tiefstem Leide meiner Wildnis
Trotzig-sterbend, ruhig' Bildnis!"
Bann der Tiefe
Saß an eines Sees Rande,
Lag der Mittag weiß im Sande,
Strahlte blau des Himmels Bogen;
Und doch stürzte gleich am Strande
Wie ein bodenloses Grab
Tiefster Tiefe Schlund hinab,
Und mit ihr hineingezogen,
Was sie Strahlendes umgab.
Träumend wähnt' ich voller Grauen
In mein eig'nes Ich zu schauen.
Einst, wie war ich reich umgeben,
Alles Freude, Reiz, Vertrauen,
Alles außen eine Pracht —
Aber langsam eine Macht
Griff aus mir in's ganze Leben,
Zog es grübelnd in die Nacht;
In des Busens tiefste Tiefe,
Daß es dort, mein Eigen, schliefe,
Eine Welt nach meinem Willen.
Was ich nun an Zaubern riefe,
Dürstend neige mein Gesicht —
Ach, die Tiefe steiget nicht;
Immer tiefer will ich quillen,
Raubt und fordert Tageslicht.
Laß ich jetzt die Blicke schweifen,
Sehnend meine Arme greifen
Nach dem schönen Wandelbaren,
Zittern drüber dunkle Streifen,
Scheint mir Alles seicht und schal,
Eintagsleben größte Qual — —
Willst du dir dein Glück bewahren,
Wand're mit dem Sonnenstrahl!
Im Sturm
Immer schwärzer wird der Himmel,
Immer hohler braust der See;
Wilder Wogen Irrgewimmel,
Wo ich keine Landung seh'.
Immer roher tobt das Leben,
Immer wunder wird das Herz;
Willst du gottwärts dich erheben,
Reißt die Welt dich erdenwärts.
Ungefragt in's Sein bezogen,
Sein nicht dürfen, der du bist . . .
Lach' des Sturmes, lach' der Wogen,
Sie verkürzen deine Frist.
Weltenuhr
Hoch auf den Schrofen steh' ich,
Ringsum der ew'ge Schnee;
Zu meinen Füßen seh' ich
Den abgrundtiefen See;
Dazwischen, im Gewände,
Ein spielend' Gemsenpaar,
Hinzuckend zum Gelände
Ein wilder Alpenaar;
Der Hang in Rosen prangend
Auf Lebens Machtgebot;
Bleich um die Gipfel hangend
Die Lahnen und der Tod;
Entzündend alle Tage
Das Leben Eis und Stein,
Austilgend alle Tage
Der Tod den Tagesschein;
So über Ewigkeiten
Die zeigerlose Uhr;
Wohin die Geister streiten,
Du merkest keine Spur.
Allwonne
Höchst auf dem breiten Gipfel die Wiese,
Heimlich im Bergwald als lieblicher Kreis;
Hüben die ersten Blumen im Vliese,
Drüben die Firste noch winterlich-weiß.
Steigende Stufen; oben der Eine,
Der um die greise, felsige Stirn',
Zärtlich umschmeichelt vom Mittagsscheine,
Trägt seine Krone von blinkendem Firn.
Über die Räume bis zu mir nieder
Wallen die Geister des Augenblicks,
Steigen und kehren, unsichtbar wieder,
Tätig, zu tragen des ewigen Glücks.
Eilig wie Bienlein rings mich umschweben,
Schweben sie, holen und tragen das Heil,
Bringen mir sterblichem, flüchtigen Leben
Was ihrer Wonne mein irdischer Teil.
Auf Alpenmatten
Nun ruh' ich auf den Matten,
Im großen Haus des Herrn;
Es spielen die Wolkenschatten
Über den Sonnenstern;
Es spielen meine Blicke
Wie Kinder in Vaters Haus,
Voll stillem, tiefen Glücke
Die Runde ein und aus;
Sie haschen die kleinen Falter,
Die über die Matte weh'n;
Sie staunen der Weltenalter,
Die hier versteinert steh'n;
Sie hangen voller Treue
An Vaters Angesicht,
An seines Himmels Bläue
Und danken ihm das Licht;
Rings Alles spielt mit ihnen
So gütig und so hold,
Sie weiden wie die Bienen
Durch Honig und Blumengold.
Selbst oben die Wolkenschatten
Zergingen ganz und gar,
Hier auf den grünen Matten
Das Dunkelste wird klar.
Das wollen sie dir geben,
Es sei dein höchstes Ziel:
Nimm hin und fühl' das Leben
Und fühl' den Tod ein Spiel!
Abschied
Und wieder heißt es scheiden,
Wie schwer ich von hier geh',
Was ist das Leben Leiden
Und tut der Seele weh!
Ihr Almen voller Frieden,
Ihr Seen wunderstill,
Du reine Lust hienieden,
Von der mein Herz nicht will!
Ihr Schrofen, hell im Blauen,
O Firn im Sonnenschein,
O du in nichts als Schauen
Von Gott erlöstes Sein!
Und spricht der Tag: Nun scheide,
So muß ich scheiden geh'n;
Nur Einer all' mein Leide,
Ihr will ich's noch gesteh'n.
Zu ihren schönen Blicken
Noch einmal will ich fleh'n:
"O mehr als Weltentzücken,
Das ist in euch zu sehn!
Zu Geiste, zu Gemüte
Der Höhen Macht und Ruh',
Der Seen Tief zu Güte
Veredelt, so bist du!
Sei du mir denn die Liebe,
Die so voll Ewigkeit,
Wie über Tal und Trübe
Des Himmels Sonnenweit!"
Alpenglühen
Die Gipfel glühen im letzten Licht.
Einst hat mich das traurig gestimmt;
Da träumt' ich, was alles der Tag verspricht
Und was uns der Abend benimmt.
Nun bin ich gewandert durch Wonnen und Leid
Und bin meines Abends gefaßt;
Still meine Seele, voll Ewigkeit,
Nicht fürcht' ich, was oben verblaßt.
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