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II. Neigung
Gedichte 1
 

Noch nicht!
In Abendglut
Begegnung
Stumme Liebe
Frauendank
Zuflucht
In der Sternennacht
Am Grat
Stunde
Rehlein
Wieder
Sehnsucht
Liebesdank
Elfe
Nacht
Glück
Liebe!
Zum Zeichen
Ritornelle
Maiglück

 
Schwur
Bitte
Am Ufer
Virgo
Kahnfahrt
An einen Bergsee

 

Noch nicht!


Die Straße wand'r ich durch den Wald
Bei Abendflammenschein,
Das Schlummerlied der Vögel schallt,
Ergeben sollt' ich sein.

Sollt' zählen meiner Stunden Schlag
Und wissen, nun ist Zeit,
Was ich nicht fand den einen Tag,
Vorbei in Ewigkeit!

Doch ist mir nicht, wie Gott es will.
"Du sollst nun schlafen geh'n",
's ist in mir noch nicht abendstill,
Mein Glück will erst gescheh'n.

Als wie ein Knab' so voller Traum
Durchwandr' ich noch dein Reich,
Das Herz wie dunkler Waldessaum
Halbwacher Lieder reich.


Nicht Todesmahnung hört mein Ohr,
Nur flüstern heiß und sacht,
Den Weg entlang, den Wald empor —
Von Liebe träumt die Nacht!

In Abendglut

Einst auf den Rosen hat mein Blick geruht,
Und ihres Zaubers war ich trunken,
Für jede Torheit fand ich einen Mut —
Bis mir das Wunderreich versunken.

Dann dies und das und immer noch ein Traum . . .
Nun ist's schon Abend . . . Wie wir lehnen
Im Garten, häng' ich an der Wölkchen Saum,
An ihrer Glut mit meinem Sehnen.

Als gäb' es noch vor jener ew'gen Nacht,
Nach jenen Rosen und den Lenzen
Ein letztes Glück voll ungeheurer Macht
Und eine Torheit ohne Grenzen!


Begegnung

Was blickst du mich so lieblich an,
Dein Aug' im Morgentau?
Vorüber ist mein Hoffnungswahn,
Es wird mein Haar schon grau.

Zur Höhe führt dein kecker Stieg,
Der meine geht talab;
Gott gebe dir dann Heil und Sieg
Und mir ein redlich Grab.

In seiner Hand gelegen hat,
Daß alles anders kam;
Nun, will er nur, sei mein die Tat:
Du leide keine Gram!


Stumme Liebe

Der Liebe viel erfuhr ich schon,
Nun lernt' ich eine kennen,
Lieb' ohne Worte, ohne Lohn,
Die höchste wohl zu nennen.

Nur daß mein Aug' in deinem ruht,
Fast ohne ein Verlangen,
Und eine tiefe stille Glut
Hinanfließt deine Wangen.


Frauendank

Von den Frauen, holden Frauen
Nie ein Leiden mir geschah,
Segnen muß ich ihr Begegnen,
Wo ich ihre Schönheit sah!

Meinem Leben Lust zu geben,
War't ihr gnädig alle Zeit,
Mild-geneigt, mich zu erheben
Über Erdenniedrigkeit.

Was ich litt der Liebe Leiden,
Tat mir keine Frauenhand,
Nur die Welt zwang mich zu scheiden,
Wo mein Herz den Himmel fand.


Zuflucht

Darf ich nie die Lippen neigen
Heißen Hauch's zu deinem Ohr,
Muß ich's unerlöst verschweigen,
Wie mein Herz sich dir verlor:

Leg' ich's denn zu Gottes Stufen,
Ob ein Hauch von seinem Mund,
Darf ich nie dich selber rufen,
Dir mein Lieben tue kund.


In der Sternennacht

Wieder liebend glüht mir die Seele, wieder
Wend' ich lebenstrunken den sehnsuchtsvollen
Blick zu euch, ihr ewigen, ewig-jungen
Töchter der Sphäre!

Über meines Herzens Geheimnis schwebt ihr
Gnadenvoll, und himmlische Ambra streut ihr
Leise nieder, sterblichen Flammen leihend
Ewige Weihe!


Am Grat

Noch einen Schritt, und vor dir liegen,
Soweit dein Auge schaut,
Die Berge, die vor Gott sich schmiegen,
Von seinem Himmel überblaut.

Laß hinter dir der Menschen G'leise
Und mit der Freiheit Mut
Gib mir die Hand und sag' es leise,
Vor Gott allein: du bist mir gut!


Stunde

Und als der Wald in Blumen stand,
In Frühlingsblumen wieder,
Und als ich saß an seinem Rand
Und hörte seine Lieder;

Klang immer noch das Leid in mir
Durch aller Pulse Pochen:
"Wie oft schon blühet' Alles hier
Und hat's der Herbst gebrochen!"

Erst als ich in dein Auge sah
Und sah dein Fragen, Zagen,
Da war der wahre Frühling da
Aus meinen Jugendtagen.

Ein Leuchten füllte weit und breit
Den Wald in aller Runde — —
Wo sucht' ich Narr die Ewigkeit?
Sie webt nur in der Stunde!


Rehlein

Schwarzaugen, ein schlankes, wandelndes Kind,
Schneeglöckchen im lauen Frühlingswind,
Die falben Wiesen, der Wasser Blitz,
Ein seliges Lauschen . . . erträumter Besitz!

Wie still sie im Walde geht, biegsam sich bückt,
Die wiegenden Glöckchen im Grase sie pflückt;
So wandelt ein Rehlein, wandelt und steht,
Dem träumenden Jäger das Jagen vergeht.


Wieder

Wieder blickt mich an ein Sternpaar
Mit unendlich-mildem Schein,
Einer Seele, der ich fern war,
Braucht ich's nimmer länger sein.

Und doch muß ich wieder scheiden,
Wo mich Alles weilen heißt,
Liebe meiden und es leiden,
Daß der schöne Traum zerreißt.

Warum konnt' ich's nicht entraten,
Daß ich wieder Menschen säh',
Stieg ich nieder von den Graten,
Wo der ewig kühle-Schnee?

Wo kein Herz nach meinem riefe,
Und kein Richter spräche Nein,
Blickt' ich in des Alpsees Tiefe
So wie jetzt in's Auge dein . . !


Sehnsucht

Wie dunkle Masse Baum an Baum,
Die Gärten still im Mondentraum;

Verborg'ner Häuser hier und dort
Ein rotes Fenster, nachtumflort;

Des Mondes Sichel, scharf und grell,
Des Himmels Bläue mild und hell;

Die Sterne hoch und winzigklein,
Aus zager Ferne schwach ihr Schein;

Das ganze Licht des Himmels ruht,
Auf wenig Blumen bleicher Glut;

Die saugen ein die milde Luft,
Aus ihren Seelen strömt der Duft;

Der heiße Duft, der trunken macht
Die dunklen Falter dieser Nacht.

Mit ihren kleinen Herzchen schließt
Der Kreis, der um das Weltall fließt,

Der Zauberring aus Luft und Licht,
Den um uns all' die Sehnsucht flicht:

Um Stern und Mond und durch die Nacht —
Bis wo dein Aug' wie meines wacht!


Liebesdank

Du hast noch nie geliebt . .
Vor eine Knospe hat mich Gott gestellt
Und spricht: Nun siehe zu.
Und wie jetzt Blatt von Blättchen schwellt
In schweigend-willenvoller Ruh',
Das träumend' Wunder sich begibt,
Ein Saum sich losringt, Kelch gestaltet,
Geheimste Tiefe sich entfaltet,
Ein Duft erwogt, ein rosig Licht,
Und Alles haucht mir zu Gesicht,
Und fühl' entzückt,
Der Welt entrückt,
Wie Gott in dir mich tief erglückt . . .
Was blieb' mir anders in Gedanken,
Als, dein und seiner, ihm und dir zu danken?


Elfe

Wandelst du an meiner Seite,
Gibt ein Lichtalf mir Geleite,
Blüh'n die Blumen nochmal bunter,
Lacht der Himmel blau herunter,
Spür' ich nichts von Leid und Fehle,
Schläft der Wurm in meiner Seele.

Nur daß nie dein Arm dich rühren,
Nie soll Mund an Mund sich spüren,
Quält mich innerst; mein Verlangen
Überschauert kaltes Bangen,
Deine Flüglein könnt'st du heben
Und entschweben meinem Leben.


Nacht

Indes ich sehnend dein gedenke,
In Glück und Zweifel mich versenke,
Zerreist voll herrlich-trunk'ner Pracht
Ein Blitz die grübelnd-dunkle Nacht.

Ob so der Himmel uns verbündet,
Wie er den Blitz der Nacht entzündet;
Ob uns die schale Nacht der Welt
Den Blitz des Glückes vorenthält?

Glück

Endelos, so hoch ich schaue,
Sonnenglanzerfüllt, der blaue
Himmel über meiner Stirn;
Ringsum weit, auf der ich ruhe,
Ohne Laut die Felsenfluhe
Und der blendendweiße Firn.

Wo er endet, dieser Himmel,
Wogen soll das Weltgetümmel,
Meine Seele weiß es nicht . . .
Nur zwei Augen, die dort funkeln,
Sonnenkraft im Blick im dunkeln,
Wirken bis in dieses Licht!

 
Liebe!

Der Himmel ist voll Liebe;
Wo er am tiefsten, wohnt sie im Blauen;
Und seine Sonne,
Urborn ist sie der Liebe.
Die Erde auch, ihr heißer Staub, ist noch Liebe,
Denn alles gebiert er,
Und es empfängt nur die Liebe!

Lieblos allein ist der Mensch, den er trägt,
Der ihn verachtet und tritt,
Aber ihn fürchtet, zitternd und schielend . . .
Was er sonst sprießt, beglüht von der Sonne,
Ist brünstig-gut und liebevoll-gnädig der Liebe:
Gras, Blumen, Waldesgrün,
Bergwasser, spiegelnd des Himmels Bild
Voll stummer Verzückung;
Spielende Falter, ringsum die Luft,
Die sich den Duft erhebt, ihn zu küssen,
Eh' ihn der Boden entehrt;
Selbst das Gestein, hart schimmernd und kalt,
Hegt bis hinan zu der Gipfel Hörnern
Liebeszeichen des Lebens —
Oft nur ein Blümlein, kaum zu erblicken,
Dem doch ein Bienlein noch folgt . . .

So ruf ich denn alles um mich,
Alles was Liebe fühlt
Und lieblich selbst daher sein mag:
Der Blüten Heer und Falter und Düfte,
Waldgrün, das tief seine Hut,
Kühlend über den Traurigen hängt,
Und vor Allen, Allen zu Hilfe
Ruf' ich den wahren Engel der Sehnsucht,
Den freien Gedanken!
. . . Und in Gedanken,
Unsichtbar der Welt, ihrem großen, starren,
Giftgelben Neidaug',
Mit beiden Händen fass' ich dein schönes,
Blauschwarz-, glänzend-umlocktes, edelgestirntes Haupt
Und lege mild,
So mild meine Seele nur sein kann,
Die glühenden Lippen
An deines Mundes stolzen,
Purpurnen Blütenrand —
Kaum ihn berührend,
Und doch erfüllend der Gottheit ewigen Traum,
Die uns erschuf:
Ihr Kind, die Liebe,
Und für die Liebe,
Weithin planend,
Andere Menschen suchend,
Dich und mich!

Zum Zeichen

Ich weiß es wohl, wir hegen Beide
In uns ein Glück voll Überschwang;
Doch auch das Los zu tiefstem Leide,
Zu Stolz und Sehnsucht lebenslang.

Laß nicht das Glück vor uns entweichen
Und senke nicht so scheu dein Haupt;
Gib mir den ersten Kuß zum Zeichen:
Das Herz erreicht, daran es glaubt!

Ritornelle

Haselkätzchen —
Mitten im Winter! Du und die Liebe
Hegen die Sonne. Grüße mein Schätzchen!

Schneeglöckchen!
Tauwind schüttelt dein Köpfchen, umschmeichelt
Liebchen die Wange, regt ihm die Löckchen.

Weide —
Schwellender Osterzweig, Weihe gemahnst du;
Walte dem Jahre denn, schirm' uns vor Leide!

Veilchen,
"Ewig!" hauche der Liebsten zu als mein
Treuwort, blühest auch du nur ein Weilchen.

Soldanelle,
Erste des Hochgebirgs . . Trüb ist der Alltag,
In uns ein Ahnen siegender Helle!

Maiglück

Manchen Frühling, den ich lebte,
Schritt ich lebensunbewusst;
Tiefsten Leid's, das mich durchbebte,
Sonnenfreudlos meine Brust.

Nun von Kelch zu Kelches Prangen
Wandl' ich sinnend, selig-still,
In der Anmut deiner Wangen
All' mein Wesen ruhen will.

Was ich litt verlorner Maien,
Sei vergessen, ohne Groll:
Allen Frohdank dir zu weihen,
Unsagbarer Liebe voll!

Schwur

Du segnest mich mit allen deinen Gaben
So wie der Sommer segnet sein Bereich;
Noch einmal soll mein Herz am Glück sich laben,
Und wie ich nie war, stimmest du mich weich.

Was ich den ganzen schweren Weg erfahren
Für Rat und Tat — ich möcht' dir's liebend weih'n,
Vor allem Leide, aller Schuld dich wahren
Und dich behüten vor des Lebens Schein!

Geh' du hinan, wenn ich einst fallend wanke,
Zu Menschenhöh'n, so rein wie Bergesschnee,
Als meines Lebens letzter, seliger Gedanke,
Und wenn's dir frommt — auch als mein letztes Weh!

Bitte

Es wacht die Welt; du darfst mir nicht,
So oft ich's wollt', die Hände reichen;
An diesem gnadenlosen Licht
Soll Liebe kühler Freundschaft gleichen.

Ihr heißer Kuß ist uns versagt;
Der Traum, uns einst noch zu gehören —
So viel die Seele leidend klagt,
Er darf uns nie die die Kraft betören.

So laß mich denn, so oft ich such',
In deinem Aug' die Liebe finden;
Dann will ich still des Lebens Fluch
Durch deinen Anblick überwinden.

Am Ufer

Vor dir schimmert's noch von Wonne,
Wie der See mit seiner Flut;
Vor dir leuchtet's noch von Sonne,
Die auf jeder Welle ruht.

Über's Leben in die Ferne
Spielen deine Blicke hin;
Weithin treffen ihre Sterne,
Wo ich lange nimmer bin.

Glaubt' ich an ein Finden drüben,
Eines andern Tages Licht,
Ohne Wehmut säh ich hüben,
Selig in dein Angesicht!

Virgo

Wie du mir heilig bist!
So heiß das Blut durch meine Pulse fließt,
Zu rühren, lechzend, wag' ich kaum
Mit einem Kusse deiner Lippen Saum.

Ein überirdisch Maß
Stillt mir die Seele, das ich nie besaß — —
O wie mich freuet, noch zu sein
Weltunversehrt, tief innen kindesrein!

Kahnfahrt

Wir fuhren im zierlichen Kahne
Über den See,
Die Augen voll innigem Wahne,
Die Herzen voll Weh.

Wir saßen am Strande und tranken
Aus einem Glas,
Die träumenden Blicke sanken
Verzweifelnd in's Gras.

Wir fuhren im zierlichen Kahne
Schweigend zurück —
Daß Keines das Andere mahne:
Verbotenes Glück!

An einen Bergsee

Du mit deinem blauen, klaren,
Menschlich-ungetrübten, wahren
Auge, das zu Himmel blickt,
Kannst nicht fassen,
Welches Hassen
Menschheit nach der Liebe schickt.

Kannst nicht fassen, warum Liebe
Nicht bei Brüdern traulich bliebe,
Warum sie an deinen Strand
Weinend irret,
Bang, wenn klirret
Noch ein Schritt in einem Sand.

Du erfassest nicht, der Welle
Sei verboten, daß sie schwelle
Stürmisch ihrem Drange zu . . .
Tiefstem Harme
Nur die Arme
Kannst du öffnen deiner Ruh'.