Die
Poeten
Wenn wir euch schon gar nichts gelten,
Wisset doch, wir sind die Bienen,
Die euch ewig-emsig dienen.
Schwärmen über Erd' und Welten,
Schwärmen in die letzten Fernen
Zu der Sonne, Mond, den Sternen,
Wühlen uns in Gottes Blumen
An dem Lebenswunderbaume,
Hangen an den feuchten Krumen,
Selbst noch an des Grabes Saume,
Spinnen mit den feinen Sinnen,
Was Ihr sonst nicht könnt gewinnen:
Süßen Schmerz aus Todestrauer,
Heldenmut aus Schreck und Schauer,
Allerklarsten Seim der Freude,
Wie aus rosenroter Heide;
Bringen euch auf Frühlingslüften
Alles Geistige der Zeit
Und mit unserm Flug ein Düften
Von der Flur der Ewigkeit!
Sonne
Sonne sind wir, Stoff der Sonne,
Der verlangend um sie kreist;
Doch gebunden; frei're Wonne
Fühlet ringend erst der Geist.
Seinen Kreislauf recht vollendet
Hat dies Geistige allein,
Wenn es wieder Sonne spendet:
Eigne Wärme, neuen Schein.
Das Volkslied
Wie die gold'ne Sonne scheinet
Über Gipfel, Wald und Flur,
Oder rasch ein Regen weinet,
Und der Saat ist's Freude nur;
Wie der Falter um die Zweige
Trunken eine Stunde kreist
Und schon taumelt in die Neige
Seiner Wonnen, eh' du's weißt;
Wie das Leben bei dem Tode
Treu im Brautgewande steht,
Ahnungslos das morgenrote
Mit dem blassen Burschen geht;
All' das unbewußt vereinet
Und dazu der Menschenklang —
Ob gejauchzet, ob geweinet,
Dieses ist es Volkes Sang!
Geh' durch den Wald
Geh' durch den Wald, hör' meine Lehr',
Nicht anders, denn allein;
Nur wenn das Zweit' ein Weiblein wär',
So soll's gestattet sein.
Das Weiblein dir kaum benimmt
Musik, die ringsum grüßt;
Ihr Schnäblein ist von Gott gestimmt,
So lang es schweigt und küßt.
Doch wahrhaft wandern durch den Wald,
Du lernst es erst sodann,
Wenn dich das Kätzchen hat gekrallt,
Das just so feine spann;
Und wenn des Weltgesindels Hohn
Dir alles hat vergällt,
Dir nur der Föhren Orgelton
Noch führt aus dieser Welt.
An den Mond
Dich lieb' ich nicht und habe doch genossen
Mein höchstes Glück
In Nächten, die dein Zauber überflossen;
Doch alles nahmest du zurück.
Nun fürcht' ich dich und deines Blickes Trügen
Wie einen Feind;
Du lehrst die schönsten Lippen küssend lügen
Und Narren glauben, was nur scheint.
Abendsegen
Nieder sinkt des Abends Schweigen,
Löst mich los vom Bann der Zeit,
Hoher Sterne heil'ger Reigen
Hüllt mich ein in Ewigkeit.
Läßt mich, nun die Menschen ruhen,
Alles Irren innehält,
Über ihren Wiegen, Truhen
Finden meinen Teil der Welt.
König Winter
Verzaubert starrt der ganze Wald,
Er lehnt im Nebelqualm;
Bewuchtet jede Baumgestalt,
Gebogen jeder Halm.
Und ringsum eine Traurigkeit,
In der das Herz erbebt,
Als käm' einst eine Ewigkeit,
Wie jetzt die Stunde webt!
Und geht nicht dort ein Riesengreis
Die Waldeshallen hin,
Sein Atem Eis, sein Auge weiß,
Mit lächelnd-bösen Sinn?
Ein König, der vor Zeiten war
Der König einer Welt,
Der nun besiegt, doch demutbar
Sein Hassen aufrecht hält.
Aus diesen Reichen oft verbannt,
Nun schleicht er durch den Wald
Und murmelt: "Ha, verlornes Land,
Mein wieder bist du bald!
Im langen Kampf, den Baldur kämpft,
Der letzte Sieg ist mein,
Und diese Eisenhand, hoff' ich, dämpft
Noch seiner Augen Schein!
Frau Nerthus, ungetreues Weib,
O wie ich dann dich seh':
Getreten deinen Blumenleib
Für ewig in den Schnee!"
Wintersonnenwende
Was ist die Stund' mir holde,
Und ist doch Winterszeit!
Der Abend voller Golde,
Der Himmel blau und weit!
Und über die goldnen Weiten,
Es ist am Sonnwendtag,
Frau Holle seh' ich reiten
Hoch über Hain und Hag.
Die Mistel auf dem Baume
Das krause Köpfchen hebt,
Und fein im Abendtraume
Der Pfiff der Meise schwebt.
Erster Abend nach
Wintersonnenwende
Himmelsfrieden, sanfte Feier,
Erster Abend nach dem Jul —
Wie er thront in hoher Stille
Auf dem schwarzen Wolkenstuhl!
Eine Andacht, überirdisch,
In dem blassen Angesicht,
Gleich, als bäte Gott ein Blinder:
Herr, gib wieder mir mein Licht!
Winterstimmung im Wienerwalde
Wohlig in weichen Stapfen wandr' ich den Weißwald hinan,
Oben und abendhin wallen wogend die Wolken entzwei:
Still hat ein himmlisches Tor im Golde sich hoch aufgetan,
Mitten, im Feuer funkelnd, ringt sich ein Schneegebirg frei.
Ringsum ruhet der Wald, es nachtet im Nebel empor,
Lautlos in luftigen Angeln schließt sich das himmlische Tor.
Wintertag
Mehr als aller Sommer Stärke
Faßt der Winter mein Gemüt,
Daß er klar das Eine merke,
Darnach all' sein Sehnen glüht:
Keiner Blume flüchtig Prunken,
Keine Farbe dieser Zeit
Lenkt dich ab; ganz ihrer trunken,
Fühlst du nur die Ewigkeit.
Ihre Klarheit macht dich bangen,
Schauernd ahnest du dein Nichts;
Doch dein menschliches Verlangen
Stillt der Kuß des Purpurlichts!
Winterlied
Durch kahle Zweige die kahle Welt,
Verschneiter Berg und schneeig' Feld,
Darüber trübes Nebelgrau,
Das ist nun aller Augen Schau.
Nun stehst du an auf uns'rer Gunst,
Die sonst nicht achtet Menschenkunst;
Natur, was ist nun deine Macht,
Wohin entschwand all deine Pracht?
Allein, allein in uns're Treu!
Wir singen ohne Furcht und Scheu',
Ob deiner Sänger Schar zerstob,
Allein nach deiner Schönheit Lob:
Daß du geblühet rosenreich,
Und lind umwölbet, fliederweich;
Daß deiner Lerche Liebessang
Wie unsrer Seele Lied erklang:
Daß uns aus schönster Augen Schrein
Erglänzte deiner Sonne Schein,
Und wer noch lebt, nicht zagen soll,
Vorüber geht des Winters Groll!
Allvater
Wenn ich nachts vom Berge steige,
Und es glänzt die Sternenpracht
Und es wiegen alle Zweige,
Die der Himmel überdacht,
Heimlich pochet's unter'm Eise,
Ob der Frühling schon erwacht,
Alle Wipfel klirren leise —
Faßt mich wieder heilge Macht!
Faßt mich wieder tiefster Glaube
Und die ganze Sehnsucht an,
Schlägt die Flamme aus dem Staube
Und entführt mich himmelan:
Weltallvater, Hort des Lebens,
Dort der Wagen bringt ihn her —
Nein es kann nicht sein vergebens
Einst gewesen Erd' und Meer!
Haben darf in seinen Tagen
Nicht ein einzig Menschenherz
Nur zum Spotte heiß geschlagen
Und gerungen sonnenwärts:
Über jedem, wo es schliefe,
Tiefst im Dunkel, wacht ein Stern,
Und er führet's aus der Tiefe
Wieder an den Tag des Herrn!
Faschingschnee
Ineinander, durcheinander,
Zärtlich zweie oft selbander,
Bis der Windhauch sie zerstreut,
Wirbeln aus der grauen Höh'
Linde Flocken, letzter Schnee.
Durch die Lüfte treibt es leuchtend,
Aug' erfreuend, selbst erfreut;
Nieder sinkt es, erdbefeuchtend,
Wo die ersten Veilchen bald
Aufersteh'n im Frühlingswald!
Blumen
Ein sanfter Winter herrscht im Land,
Schon taut der Schnee, der fiel;
In warmer Hut an Waldesrand
Blüh'n noch der Blumen viel.
Ich pflücke sie mit stiller Hand
Und freu' mich ihrer Lust;
Ein feiner Faden, zart ein Band,
Sie schmücken deine Brust.
Was alles ich verhehlen muß,
Die Welt hat böse Macht —
Sie tragen meinen tiefsten Gruß,
So rein ich ihn gedacht!
Schneeglöckchen
Für kleine Glocken leis?
Es stürmt wie ein himmlischer Hauch so lind
Tief über's graue Eis.
Was weht mir der Wind vom Herzen fort,
So weit wie Eis uns Schnee?
Es weht mir der Wind vom Herzen fort
Den Ingrimm und das Weh.
Die Stunden selig, dein und mein,
Sie kehren mir zurück,
Die Glocken läuten in's Herz hinein
Und rühren das tote Glück.
Im Anblick der Sonne
Wenn du kehrst nach grauen Tagen,
Schwinden alle meine Klagen,
Und ich fühle, daß wir sind
Jeder Mensch ein Sonnenkind.
Nur, daß in mein sinnend Schauen
Leise schleicht das bange Grauen:
Neben dir die gleiche Macht
Über uns hat auch die Nacht . . .
Frühling wieder!
Gebrochen ist des Winters Bann,
Der Frühling haucht mich wieder an,
Vor Augen spielt mir im Sonnenstrahl
Das Schneegebirg' und grüne Tal,
Die rote Haide auf der Hald',
Der junge, blonde Lärchenwald,
Der neuen Mücke Flimmertanz,
Der neuen Falter Schimmerglanz;
Und was auch nur im Grase kreucht,
Es hat ein Sonnengoldgeleucht!
Wohl rauschet noch das welke Laub,
Ich gehe eben Staub in Staub
Und ehre auch des Todes Gruß,
Doch ohne Gram und Überdruß;
Es lacht die ganze Welt mich an:
Er hat ihr noch immer nichts getan!
Primel und Zitronenfalter
Die Primel blüht aus schwarzer Krume,
Gefesselt noch an ihre Gruft,
Drüber, scheint's, dieselbe Blume,
Gaukelnd schwebt sie durch die Luft.
Wer dies Geheimnis sich entsiegelt,
Den bindet selbst nicht Erdenruh,
Aller Schwere frei, geflügelt,
Schwebt er seinen Höhen zu!
Im Frühling
Was überfliegt mich glühendheiß,
Wenn ich zurück mich senke?
Aus meinem Herzen steigt wieder dein Preis,
Nach Jahren noch, wenn ich denke!
Der Frühling quält mich gar so sehr,
Wenn Veilchen und Primel blühen;
Still' Leid wird wieder wild' Begehr,
Und alle Wunden glühen.
Am ersten Frühlingstag
Der erste helle Frühlingstag,
Ein Gold und eine Bläue!
O himmelhoher Herzensschlag
Voll Jubel und voll Treue!
Fast lächeln muß ich über mich —
Ich blicke nur in's Blaue
Und seh' doch überall nur dich,
Wohin ich trunken schaue.
Als säß' ich ein Vöglein in grüner Au,
So kommt mir der Ton in die Kehle,
Ich muß dich rufen, liebe Frau,
Aus liebevoller Seele!
Wo bist du hin, was träumt dein Sinn?
Und spürst du nichts als Reue —
So lang' ich hier auf Erden bin,
Ich halte dir die Treue.
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