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II. Neigung
Gedichte 2
 

Vielleicht
Beschwörung
Alpenrosen
Herbstabend
Astern
Vergebens
Zweifel
Zürne nicht
Stillung
Eh' der Sommer
Einsam
Mit Schneerosen
Verschwiegen

 
Liebesfreude
Von Allem
Trübe Minne
Ein Jahr
Dein Bild
Danklied

 
Im Karner zu Hallstatt
In Hallstatt, am See
Entsagung
Clara carissima
"Ewig dein!"
Lebensdichtung

 

Vielleicht


Vielleicht entzieh' ich dich der Liebe,
Wie der Philister sie versteht,
Dem staatlich-wohlpunzierten Triebe,
Der in Gewohnheit untergeht;

Doch kann den heiliger an Treue
Und eine andere so rein
Und eine mehr bewahrt vor Reue,
Als uns're ungenoss'ne sein?

Ja, diese kann der Tod nur scheiden,
Nicht der alltäglich-schale Raub,
Und nur auf ihren Wonnen, Leiden,
Gottselig ruht der Blumenstaub.

Beschwörung

Steh' mir vor Augen voller Liebe,
Wie ich Dich oft vor mir geseh'n —
Ich wüßte nicht, was mir noch bliebe,
Sollt'st du auch mir verloren geh'n!

Schon fühl' ich ganz den Tand des Lebens,
Und wie Natur in selbst erhält,
Wie alles Edle ringt vergebens,
Und nur das Tier besitzt die Welt.

So laß mich innerst dich umfassen,
Die du so rein und menschlich-mild,
Daß ich vergesse, nur zu hassen,
Und lieben kann vor deinem Bild!

Alpenrosen

Die Rosen oben sind verblüht,
Die uns so treu geleuchtet haben,
Die unser Glück, geheim-erglüht,
Mit ihrem Märchenschein umgaben.

Die hohen Zinnen stehen kahl,
Daran sie brennend niederhingen,
Der weiße Schnee begrub das Tal,
In dem wir selig-träumend gingen.

Es losch mir aus der Freude Schein
Und an mein Glück der kurze Glaube,
Der Zweifel wieder spinnt mich ein,
Erinn'rung selbst wird im zum Raube.

Nur wenn nach Tagen, endlos-lang,
Uns eine Stunde wieder einet,
In meine Blicke, düster-bang,
Dein Aug', wie stete Sonne scheinet:

Erfühl' ich's, heißen Dank's durchglüht,
Daß mir ein Glück, so reich, geworden,
Wie alle Rosen, die geblüht
An jenes Tales hohen Borden!

Herbstabend

Wieder färbt sich rot die Ranke
An der Wand von wildem Wein
Trostlos spinnt sich der Gedanke
In ein düst'res Grübeln ein.

Auf den Bergen finst're Schwaden,
Tief im Tal die frühe Nacht,
Kleine Lichter in den Gaden,*
Ach, wo ist des Sommers Pracht?

Nur die Sehnsucht blickt nach innen,
Und aus goldenem Gefild,
Selbst versenkt in tiefes Sinnen,
Leuchtend blickt ein Mädchenbild.

*Gaden=kleines Haus, altdeutsch

Astern

Bevor die Astern aufgebrochen,
Die auf den Gräbern steh'n,
Hast du die Liebe mir versprochen
Und meines Weges mitzugeh'n.

Nun blüh'n die weißen, düftelosen,
Die auf den Gräbern steh'n;
Ach, du gehörst noch zu den Rosen,
Laß mich allein zu Herbste geh'n.

Vergebens

Es glüht mein Hirn, um unser Glück zu retten;
Verzweifelt ringt das Herz mit seiner Qual,
Der Wille zerrt an seiner Freiheit Ketten,
Das Auge lechzt nach eines Ausblicks Strahl.

Um Eines müht sich alle Macht des Lebens,
Um Dieses: Ob und wie es k ö n n t e sein;
Im Tiefsten aber fühl' ich: 's ist vergebens,
Die Stirn des Schicksals blinkt wie kalter Stein.

Was sein wird, zeigt sie, starren Wink's erhoben;
Ich in die Nacht, trotz meines Ringens Harm;
Du, mein vergessen, hier im Weltlicht oben,
Den schlanken Leib in eines Andern Arm.

Zweifel

Viel' teure Lieder kann ich nicht mehr lesen,
Kein Buch, das uns vertraut war, Seel' in Seele;
Was mich erinnert, schmerzt — seit ich mich quäle
Im ew'gen Zweifel: Kenn' ich recht dein Wesen?

Nicht daß ich Menschen prüfen wollt' nach Thesen
Und Fehler nennte, was des Maßstab's Fehle;
Doch minder frommt noch, was ich selbst mir hehle —
Nur ganz befreit, kann ich der Pein genesen!

Ergab ich dir mein innerst-glühend' Leben,
Um dir nur ein Erlebnis zu gestalten?
Fehlt oder bangt dir, Gleiches mir zu geben?

Dann steh' beschämt vor jenen Urgewalten,
Bergzauber, Seetraum, aller Schönheit Weben,
Die du bewogen, täuschend mitzuwalten!

Zürne nicht

Zürne nicht, daß ich dich quäle,
Daß ich zweifle tausendmal;
Ach, es ging durch meine Seele
Schon des Lebens tiefste Qual.

Weil so vieles schon entschwunden,
Was ich ewig wähnte mein,
Scheint mir alles nur für Stunden
Eines Traumes Hauch zu sein.

Nur der Glaube will nicht sterben,
Daß es hohe Liebe gibt,
Und mein Herz will sie erwerben,
Und es quält dich, weil es liebt!


Stillung

Als die Zweifel mich umstrickten,
Fast die Seele mir erstickten,
Wie der Nebel wallend' Grau
Schleichend raubt der Gipfel Schau,

Rief ich, teures Bild erstehe,
Daß ich in dein Auge sehe! —
Wie ein Bergsee, tief und klar,
Schweigend sprach es: Ich bin wahr.

Nur ein Trauern schien, ein mildes,
Trübte kurz den Schein des Bildes,
Daß die Seele, die dich liebt,
Solcher Unruh' sich ergibt.

. . . Ach, erfass' mich: Was ich heische,
Daß mich nie dein Herz enttäusche,
Wär' so tiefen Glückes Huld,
Fast der Wunsch erscheinet Schuld.

Allerkühnsten Zieles Zinne
Lockt zuerst des Dunst's Gespinne —
Auge, seetief, blink' mir zu,
Friede, Glauben winkst mir du!


Eh' der Sommer . . .

Eh' der Sommer ganz zu Ende,
Da noch seine Blumen steh'n,
Einmal blick' noch in's Gelände,
Diese wirst du nimmer seh'n.

Einmal geht gleich ihm zu Ende
Unser Glück, es kommt die Qual;
Einmal gib mir noch die Hände
Jetzt im vollen Sonnenstrahl.

Deine treuen Augen wende
Sinnend unsern Weg zurück,
Und noch einmal, eh's zu Ende,
Sag' mir: Ja, es war das Glück!

Einsam

Der Nebel um die Felsen wogt
Und dehnt sich endlos hin,
Ein Meislein in den Fichten lockt,
O wie ich einsam bin!

Wo weilst du nun, was wirst du tun,
Zu der mein Sehnen drängt?
Läßt in der Hand das Haupt du ruh'n,
Und ob es meiner denkt?

Mit Schneerosen

Mitten in des Winters Schauern
Diese Blume wahrt die Glut,
Mitten in des Winters Trauern
Blühet sie voll Lebensmut.

Wenn der Tod den Wald durchreitet
Auf dem weißen Totenpferd,
Und auf sie sein Auge gleitet,
Frierend macht der Grimme kehrt.

Dieser einst, wenn sie uns trennen,
Dieser Blume danke dann;
Sollt' ein Menschenherz nicht können,
Was die arme Blume kann?

Verschwiegen

Es will kein Lied mir jetzt gelingen,
Das ist des Winternebels Tücke;
Auch will mein Herz von seinem Glücke
Nicht eines  Lautes Hauch versingen.

Doch schweig' ich außen, innen schwingen
Die Saiten doch, die selten tönen,
Das tiefste Leid mit Gott versöhnen
Und ach so leicht zerrissen springen!

Liebesfreude

Winterbrauen, Schneegetriebe,
Ei, was kümmert das die Liebe?
Wie dein dunkles Auge sprüht!

Deine Lippen, deine Wangen,
D'rauf die Flocken kaum zergangen —
Wie dein Mund am meisten glüht!

Nirgend jetzt, o Weltensonne,
Sproßt ein Zeugnis deiner Wonne;
Siehe, nur die Liebe blüht!

Von Allem

Das wahr vor Jahren, daß ich schrieb:
"Sie bringen uns wohl Leiden;
Doch läßt nicht Liebe selbst von Lieb',
Sie können sie nicht scheiden!"

Nun weiß ich wohl, auch Liebe stirbt
Und frage nichts nach Eiden;
Ein Tor, wer hier um Ew'ges wirbt,
Von Allem mußt du scheiden!


Trübe Minne

Daß sich Herzen finden müssen,
Wie gelenkt von Gottes Schlüssen,
Für einander nur bestimmt!

Aber wehe, wenn sie weilen,
Nicht wie fluchgetrieben eilen,
Eh' die Liebe sie benimmt.

Müssen beide sich verwunden
Bis zum Tod in wenig Stunden,
Dann verbluten lang in Leide.

Die sich hier zu spät gefunden
Und doch  innerst-tief gebunden,
Besser, stürben alle beide!

Ein Jahr

Ging ich nicht dieselbe Straße,
Als ich noch ein And'rer war,
Feind der Trauer, feind dem Hasse,
Reich an Glück vor manchem Jahr?

Maienminne mein Verlangen,
Weil in mir die Jugend war,
Maienblumen deine Wangen,
Maienschein dein Augenpaar!

Flüstern rings und  Frühlingsbeben,
Himmelhoher Lebensbaum;
Nacht um Nacht der Sterne Schweben,
Wie ein hehrer Blütentraum!

Bleib' ich jetzt im Monde stehen,
Frag' ich mich, ob Alles war —
Und sich vierzig Jahre drehen
Können um ein einzig Jahr?!

Dein Bild

Ich weiß nicht einmal, ob du glücklich bist,
Was dir geschah die ganze Frist?
Dein Bild, das ich besaß, mit eig'ner Hand,
Als mir der Tod am Bette stand,
Vor Jahren längst hab' ich's verbrannt.

Nun hab' ich kein's, als ich im Herzen trag':
Wie mir dein Haupt am Arme lag,
Gepreßt dein Haar an meine Hand so dicht,
Und wie des Mondes seelisch' Licht
Beschien dein zartes Angesicht.

Seither, so oft ich seinen vollen Glanz
Seh' ruhen auf der Gärten Kranz,
Fällt mir in's Herz von ihm ein Strahl hinein
Und weckt das Bild, das Bildnis dein,
Das ich besitze ganz allein!

Danklied

Als ich dich offen haben wollt',
Da hat die ganze Welt gegrollt,
Verzog ihr Antlitz welk und grau,
Der Himmel nur war maienblau,
Sonst Niemand war uns hold.

Wir ließen nicht von unserm Halt,
Sie schieden uns mit Rohgewalt,
Der liebe Sommertag allein
Der tröstet' uns mit Sonnenschein,
Sonst alles war so kalt.

Doch als ich dich hielt am Herzen mein,
Da waren wir allein, allein,
Da war die Nacht so wunderstill
Und schlief die Welt, wie Liebe will,
So tief im Sternenschein!

Im Karner zu Hallstatt*

Hier hab' ich lange dein gedacht;
Vor diesem traurigen Gebein
An deines Leibes junge Pracht,
An deiner Augen Jugendschein.

Hier hab' ich lange dein gedacht;
Als wir genossen unser Glück,
Da stiegen diese in die Nacht
Und kamen seither schon zurück.

Was Gott mir diese Treue gab
Und nie mehr löset ihren Bann?
Die Toten kehren aus dem Grab,
Bevor die Liebe sterben kann.

*Beinhaus, wo die Überreste der Toten, nach zehnjähriger
Grabesruhe, aufbewahrt werden.

In Hallstatt, am See

Ich wußte nur, daß dies Gestade
Beschritten kurz vor mir dein Fuß;
Mir war, ob Alles sanft mich lade:
"Es schwebt in Lüften noch ihr Gruß!"

Und als der See begann zu fluten,
Die Schar der Wellentöchter stieg,
Mir wollte brennendheiß gemuten,
Sie sängen treuer Liebe Sieg;

Sie hüben alle voll Verheißen
Die Arme so in wilder Hast,
Wie du sie oft, die blendend weißen,
Im Glück um mich geschlungen hast!

Entsagung

Es lag der Nebel in der Tiefe;
Mir schien, ob Alles d'runter schliefe,
Im Schlaf des Todes, Strand und See,
Die ganze Welt, nur nicht mein Weh.

Nur nicht mein Weh . . . Das müsse wachen
In dieser Welt, und wie ein Nachen
Mich tragen auf den Nebelsse,
Daß rings mein Aug' nur Totes säh'.

Ich stand und schwieg, ich schwieg entsagend,
Mit keinem Seufzer selbst mehr klagend.
Da hatte der, der mich erschuf,
Auch Gnade ohne meinen Ruf.

Der Nebel Nacht begann zu wogen,
Wohl blieb der See mir noch entzogen;
Doch um die Berge floß ein Schein:
So muß der Blick der Liebe sein!

Der Blick der Liebe, die auf Erden
Von Keinem noch geliebt kann werden,
Die so geheiligt, die so rein,
Es kann kein Wunsch ihr Wille sein!


Clara carissima

                        Cara clarissima!
                            
Schumann.

                       I.

Wie die Jahre d'rüber rauschten,
Seit den ersten Kuß wir tauschten;
Wie die Jahre d'rüber rauschten,
Seit den letzten Blick wir tauschten!
O, wie anders wir jetzt denken,
Wenn wir uns zurückversenken,
Ruhig, nüchtern, ohne Klage,
Über jene Frühlingstage.

Von dem ungestümen Lieben
Nur dies Lächeln ist uns blieben:
Wie so glühend wir gewesen,
Als wir Wang' an Wang' gelesen
Jenes wunderschöne Märchen
Uns'rer Jugend, schönes Klärchen!

                    II.

Sie haben deine liebe Hand
Aus meiner Hand gerungen;
Nun ist's, wir sterben fern' einand'
Und sind doch nicht bezwungen.

Aus allen meinen Liedern neigst
Du dich, als wie von Tagen;
Was Liebes du aus Stolz verschweigst,
Das weiß mein Herz zu sagen.

Wer hätte denn auch dessen Macht,
Wenn ich ihn mir verstehe:
Wir haben Beide nicht vollbracht,
Daß Alles untergehe —?

Und wenn mein Lied mir Kunde singt,
Wie du im Traum enteilest,
Dein leiser Ruf die Nacht durchdringt,
Und wie du bei mir weilest —?

Dein Haupt an meine Wange schmiegst
Und weinest voller Reue,
An meinem Herzen zitternd liegst
Und freust dich seiner Treue —?

Mir wieder reichst den jungen Mund
Und hingibst deine Seele,
Auf daß ich in verlass'ner Stund'
Mein Leiden leichter hehle —?

Und wenn mein Lied, mein Lied es weiß,
Beim heil'gen Licht der Sterne,
Wir grüßen uns, wir fühlen heiß:
Uns trennet keine Ferne —!?


                    III.

Tiefe Nacht ist's; zu den Sternen
Blick' ich, und das treue Licht
Tröstend aus den ew'gen Fernen
In mein sterblich' Auge bricht.

Dieser Dom ist mir geblieben,
Dahin meine Seele schwebt
Aus verlor'nem Glück und Lieben
Und zurückkehrt neubelebt.

Und dein Bild! Wie jene Sphären
Nie mein böser Geist befleckt'
Mit dem flüchtigen Begehren,
Das sich kühn nach Allem streckt:

So bist du mir rein gewesen,
Und ich fand mit aller Macht
Keinen Makel ird'scher Wesen
An der Schöpfung deiner Pracht.

In den Kinderhänden trugest
Du die Welt wie einen Ball,
Meine Welt — und du zerschlugest
Unbewusst mein gold'nes All.

Aber, wenn ich Höchstes denke,
Ruht dein Bild in meinem Geist —
Ob sich jene Ferne senke,
Die dort oben leuchtend kreist!

                    IV.

Nun sagen sie, du würdest nimmer
Die Seele, die ich einst geliebt,
Entschwunden wär' dein Morgenschimmer,
Dein Wesen irdisch und getrübt.

O laß sie lästern, jene Blöden!
Ich hass' sie noch einmal so wild,
Die nochmals mit der Hand, der schnöden,
Mir wollen rühren an dein Bild.

Es kann kein Gott dich mehr mich rauben,
Denn selbst die Zeit hat's nicht vollbracht,
Daß ich dich anders könnte glauben,
Als ich dich sehe Tag und Nacht:

Ein Seraph, zu mir niederschwebend,
Mit eines Frühlings ganzem Schein,
All' meiner Sehnsucht eine Wonne gebend
Und eine Weihe meiner ganzen Pein!


"Ewig dein!"

Ich weiß, deine Lippe sprach keinen Trug,
So wird es einmal sein:
Ob man dich auch in Bande schlug,
Einst wieder bist du mein!

Es kommt der Tag, der alles richt',
Was ungerecht 'nieden war,
Dann leg' ich meine Myrthe licht
Wohl auf dein gold'nes Haar.

Der Name, den nicht du gefreit,
Fällt wieder von dir ab,
An meiner Hand zur Ewigkeit
Entschwebst du deinem Grab.

Lebensdichtung

Nun gäb' ich längst nicht mehr mein Leiden,
D'rin all mein Glück verschlossen ruht,
Um neue, dornenlose Freuden,
Um eine neue, heit're Glut.

War außen Nacht — ich trug die Liebe
Wie einer Sonne goldnen Schein
Durchs nüchternkalte Weltgetriebe
In meiner Seele festem Schrein.

Nun hab' ich reichlich höchsten Lohnes,
Der nur gelebter Dichtung Preis:
Für eine Welt gemeinen Hohnes
Die meine, die nur Liebe weiß!