weiter
 

III.
Aus Böhmen

 

Die böhmischen Bauern

Ein Testament


Die böhmischen Bauern


Sitzen beisammen in böhmischer Schenke
Bauern, vor sich das Glas gestellt
Mit dem lieben Hopfengetränke;
Wein zu bezahlen, fehlt es an Geld.

Sitzen beisammen in traulicher Runde,
Kurze Pfeifen in nerviger Faust:
Draußen heulen des Dorfes Hunde,
Daß es dem armen Wanderer graust.

Und die Musik, die heimische, süße,
Und die Weise voll Klag' und Leid,
Wie verlornen Glückes Grüße
Aus der alten glücklichen Zeit; —

Ja die Musik, sie fehlt in der Stube
Mit dem traurigen, böhmischen Sang;
Ferne ziehen Mädchen und Bube,
Ferne Harfen- und Hörnerklang.

Aber heute ist er gewichen,
Jener schweigsame düstere Geist,
Und die Gesichter, zerwühlt und verblichen,
Rufen und lachen und fragen zumeist.

Schiefer und schiefer rücken die Mützen,
Und die Ärmel werden geschürzt,
Und die Augen leuchten und blitzen,
Glas auf Glas wird gefüllt und gestürzt.

Denn sie horchen gierig entglommen
Auf des Nachbars beredten Mund —
Denn aus Wien ist er heute gekommen
Und er erzählet schon manche Stund'.

Viel des Wunders hat er zu sagen:
Auch den Kaiser hat er geseh'n
Im sechsspännigen goldenen Wagen,
Und wie andere Menschen geh'n.

Sagt von der Burg, dem alten Gemäuer,
Daß die Häuser alle von Stein,
Staunt, wie das Brot und die Biere so teuer
Und wie so wohlfeil der köstliche Wein.

Und er spricht: "Auch unter die Erden
Hat mich ein Pater gefügt, in die Gruft,
Wo auch die Kaiser zu Staube werden,
Wenn sie Gott, der Allmächtige, ruft.

Alle die Särge aus alten Tagen
Bis auf den Franz, all' hab' ich geseh'n,
Wie sie mit Gold und Silber beschlagen
Da in traurigen Reihen steh'n.

Nur ein einz'ger von allen den Särgen
Ist ohne Wappen und glänzendes Erz,
Schmucklos, so wollt' er, soll sich verbergen
Schlicht und arm darinnen sein Herz.

Wie mir's erzählte der fromme Pater,
Ach wie wurd' es um's Herz mir arg;
Drinnen liegt unser Aller Vater,
Kaiser Joseph liegt in dem Sarg."

Aber da lächeln ungläubig die Bauern:
Hm, eine Puppe liegt in dem Loch,
Und umsonst war Dein gläubiges Trauern,
Kaiser Joseph lebt heute noch!

Aber der Pater — hat Dich betrogen,
Ein Jesuit, der zu lügen schwor.
Aber fünfzig Jahr sind verflogen —
Willst Du schweigen, ungläubiger Tor!

Heiliger Nepomuk! hundert Jahre
Wäre der Kaiser schon alt und noch mehr,
Sagt es nicht auch die ärmliche Bahre,
Schlicht und einfach und schmucklos wie er?

Vor die Tür den schlechten Halunken!
Schlagt sie tot, die ungläubige Brut!
Rufen die Bauern zornestrunken,
Und die Augen flammen von Wut.

Fassen ihn, werfen ihn und aus der Schenke
Fliegt der Ketzer mit Schimpf und Schand',
Daß er noch lange in Glied und Gelenke
Ihre Fäuste und Finger empfand.

Und es kehren die Rachevollen
Ruhiger nun zum Glase zurück;
Leise Flüche nur hört man noch grollen,
Unstet irrt noch der wilde Blick.

Aber es legen sich endlich die Wogen
Und sie schweigen und denken nach.
Jetzt erst wird es langsam erwogen.
Was denn Alles der Ketzer sprach.

Fünfzig Jahre — murmelt der Eine,
Fünfzig Jahre, o lange Frist! —
Und der Andre: Daß just der seine,
Just der Sarg so schmucklos ist! —

Und der Dritte: Sind wir nicht Sklaven,
Fronende Knechte noch immer fort
Unserer Pfarrer, unserer Grafen?
Schleichen nicht Pfaffen von Ort zu Ort?

Ist Dein Bub' nicht schmachvoll verendet
Unter der Rute in der Kasern'?
Ist Dein Kind nicht schmählich geschändet
Vom zukünftigen gnädigen Herrn?

Kannst Du nach Lust und nach Willen beten?
Essen wir andres als schwarzes Brot?
Sind wir nicht verwaist und zertreten?
Kaiser Joseph ist tot, ist tot!!"

Er ist tot! — Sie rufen's mit Klagen
Und entblößen zum Beten das Haupt. —
Fünfzig Jahre und Not und Plagen
Mußten kommen, bis sie's geglaubt.

Ein Testament

Öffnet nur die Hüttentüre,
Laßt sie Alle mir herein,
Weil ich es am Herzen spüre,
Es wird bald vollendet sein.
Auch die Weiber mit den Kindern
Sollen nicht von ferne steh'n,
Das wird mir die Schmerzen mindern,
Kann ich in ihr Antlitz seh'n.

Und sie kommen sorgsam leise,
Eine tiefgebeugte Schar,
Männer, Weiber, Kinder, Greise,
Was im Dorfe heimisch war.
Treten weinend an das Bette,
Drinnen ruht der müde Greis;
Eine feste Liebeskette
Ist der trauervolle Kreis.

Vater, rufen sie beklommen,
Schon so frühe willst Du fort?
Ach woher soll Hilfe kommen,
Wenn uns fehlt Dein mutig Wort?
Ja Du warst des Dorfes Vater,
Unser Helfer in der Not,
Unser Tröster, unser Rater —
Ach, was bleibt uns, wenn Du tot?

Wie ist ferner noch zu tragen
Unsrer Herren Druck und Geiz?
Wie ist ferner noch zu tragen
Unsrer Kirche heil'ges Kreuz?
Wie bewahren wir den Glauben,
Wenn sie uns von Haus und Herd
Unsre starken Kinder rauben,
Da Dein Wort uns nicht belehrt? —

Und er spricht: Die Adern brennen.
Wenig Zeit ist mir gegönnt,
Was ich jetzt Euch will bekennen,
Ist zugleich mein Testament.
Seht dies Buch, das ich verborgen,
Euch sei's künftig Übermacht;
Forschet drin beim frühen Morgen,
Forschet drin bei später Nacht.

Drinnen stehet: Aug' um Auge,
Glied um Glied und Zahn um Zahn;
Daß dies Buch für ewig tauge,
Ist kein falscher, leerer Wahn.
Hab' ich drin den Trost gelesen,
Der Euch oft vom Zorn bekehrt,
Werdet Ihr vom Mann drin lesen.
Der geschmiedet früh ein Schwert.

Trost und Rache! — sie ergründet
Aus dem heil'gen Buche Ihr;
Kelch und Schwert! — die Zeichen findet
Ihr verscharrt im Boden hier,
Kommt heran, — in Eurer Mitten
Lebe, was ich sterbend sprach,
Und der letzte der Hussiten
Geh' ich meinen Brüdern nach.

Und sie geh'n in tiefen Schmerzen
Von dem teuren Toten fort,
Und in ihren trüben Herzen
Klinget nach sein letztes Wort.
Scheidet also ein verruchter
Böser Ketzer aus der Welt?
War der Zizka ein verfluchter,
Oder ein geweihter Held?