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VII.
Sonette

 

Letzter Glaube
Poesie
In der Heimat
An ein Mädchen
Unmut
Bettina
Des Kaisers Geist
Wilhelm von Humboldt
Des Kindes Weinen im Schlafe
Schmerz
Lieb' und Haß

 
1.
Letzter Glaube

Wer wird dem Sagenwort nicht glauben wollen!
Und das erzählt: Wenn Einer erst verschieden,
Nicht ruht er gleich im vollen Grabesfrieden,
Noch bleibt die Lust an Lieben, Haß und Grollen.

Noch gleicht sein Haupt dem Kelch, dem übervollen,
Ein ganzes Leben noch umschwirrt den Müden;
Er wird von Lust und Leid erst dann geschieden,
Wenn schon das Grab die letzte deckt der Schollen.

Und wie es ist im Grab mit diesem Einen,
So will das ganze Menschenvolk mir scheinen,
Wenn es im Grabe liegt der Weltentrümmer.

Es kann das Herz von seinem Weh nicht lassen,
An Lieb' und Freiheit wird der Glaub' erblassen,
Wenn mit ihm stirbt der letzte Sternen-Schimmer.

2.
Poesie

Ich fühl' es heut', es ist ein ander Leben
Die Poesie, und eine andre Welt;
Sie wird, wenn die aus Staub in Trümmer fällt,
Als leuchtender Komet den Schutt umschweben.

Will der Gequälte sich des Weh's entheben,
Daß es sich nimmer seinem Schritt gesellt,
Ein Pfad bleibt ihm, ob sonn-, ob bluterhellt:
Er muß sich selbst dem frühen Tode geben.

So, wer zur Dichtung aus dem Staub sich flüchtet,
Strömt auch aus tausend Wunden hin das Blut,
Und hat er selber sich vorschnell gerichtet;

Er floh zur schönern Welt, und träumt und ruht.
Und dieses Glaubens düstrer Todesmut
Hat mich geweckt, daß ich dies Lied gedichtet.

3.
In der Heimat

Es ist ein tiefes Tal — die Lüfte schweigen,
Des Baches Wellen lispeln kaum im Flieh'n —
Kaum, daß die Stürme, die darüber zieh'n,
Der Ulme ruhevolle Wipfel neigen.

Die Nebel, die aus seinen Gründen steigen,
Des Mühlrads dumpfe Schlummer-Melodien
Umschlingen sich zu nächt'gen Harmonien,
Wie Elfentänze mit der Gnomen Reigen.

Hier auf ein Herz friedvollen Taktes schlagen,
Hier darf es wieder sich zu trauen wagen,
Und liebend glauben, was es selbst ersinnt.

Hier darf der Geist den müden Fittig senken,
Das Aug' am Himmel, seiner Erde denken,
Bis wieder um die Welt sein Flug beginnt.

4.
An ein Mädchen
das mir Stüve's Bild schenkte

Wie hast Du mich erkannt, Du Holde, Milde!
Und dies Erkennen hat mich neu entzündet,
Weil Dich der Kampf, den Dir mein Lied verkündet,
Nicht rückgeschreckt, der heiße, vesperwilde!

Du weißt, ich hasse die Tyrannengilde,
Du weißt, ich fühl' den Männern mich verbündet,
Die's alte Recht in Drang und Streit begründet —
Und kommst entgegen mir mit Stüve's Bilde!

So segnet unsern Bund die heil'ge Dreiheit:
Dein Schönheitsglanz, und meines Busens Freiheit,
Und d'rüber schwebt die weiße Liebestaube.

Wo Liebe nah't, die Opferglut zu warten,
Kann nimmer in Vertilgung sie entarten,
Und neugeweiht erstarkt mein Freiheitsglaube.

5.
Unmut

Mein Antlitz ist von Scham umflirrt,
Gedenk' ich, wie in künft'gen Zeiten
Ein Nachgeschlecht uns richten wird,
Und unser schales Handeln deuten.

Ob wir wie Taubenvolk gegirrt,
Ob wir gelebt im Kampf und Streiten,
Selbst die Geschichte wird verwirrt
Darüber ihren Schleier breiten.

Und heißen wird's: Entnervte Zweiheit
Hat ihres Wesens sich bemeistert,
In Gott und Teufel, Lust und Leide.

Sie sprachen viel von Gott und Freiheit,
Ihr Wort erglänzte, wildbegeistert —
Doch war's nur leere Schwerterscheide.

6.
Bettina
1840

Wie wird sie überstürzt von armen Wichten,
Als ob ein Nordwind Staub auf Blumen trüge
Wie über Mondschein qualmen Wolkenflüge —
Wie sich Gemeinheit wirft auf hehres Dichten.

Wenn sie mit plumpem Beil die Haine lichten,
Und mitternächt'ge schöne Elfenzüge
Nur Schemen nennen und erdachte Lüge —
Gar weise ist's, und heißt im Deutschen: Richten

O Herr! Wann wird der Troß versteh'n es lernen
Was sie erträumt, daß gleich den ew'gen Sternen
Fortglüh'n Gedanken in den Himmelsfernen!

Und flel's doch endlich ein den Überwindern,
Daß träumend unsers Lebens Schwere lindern
Den Worten gleicht: Das Himmelreich den Kindern!

7.
Des Kaisers Geist

Durch Österreichs Völker geht die fromme Sage,
Der Kaiser Joseph sei noch nicht gegangen
Zu seinen Vätern, sondern sei gefangen
Bei schlechtem Türkenvolk noch heut zu Tage.

Ein wächsern Bild nur liegt im Sarkophage,
Der Kaiser lebt im ewigen Verlangen,
Daß er zu seinem Volk nicht kann gelangen,
Zu hören und zu schlichten seine Klage.

Des Volkes Kinderblick durchdringt die Hüllen:
Der Kaiser lebt in Geist und Freiheitswillen,
Die schlechte Heiden jetzt in Banden halten.

Des Volkes Glaube wird ihn einst beschwören,
Die Fessel sprengt er dann, und kommt zu hören,
Dann bebt, ihr Heiden! denn die Gläub'gen walten.

8.
Wilhelm von Humboldt

Nur wen'ge Bürger beider Welten lebten,
Der himmlisch hohen und der menschlich tiefen;
Wie wen'ge gab's, die nicht beklommen bebten,
Wo beider Wege ineinander liefen!

Wenn in der Zeit die Tatgestalten schwebten,
Und die im Innern nicht mehr träumend schliefen,
Wie Wenige, die sie in Eins verwebten
Und sie durch Liebe zur Belebung riefen!

Er tat es — des Gemütes Blumengärtner,
Wilhelm von Humboldt, der Gedankenwärtner,
Er war's, der liebbegabte Liebegeber.

In seines Wesens abgeschloßnem Panzer
War im zerstückten All er stets ein Ganzer
Und also schon ein Geist- und Herzerheber.

9.
Des Kindes Weinen im Schlafe

Woher dies Weinen, das so schaurig störet
Des Kindes Schlummer oft um Mitternacht
Und dessen Klang jedweden traurig macht,
Als hätt' er vom zerstörten Glück gehöret?

Noch hat's zu weinen nicht, daß es betöret
Der Welt zu reiche Opfer schon gebracht;
Noch ist es nicht schmerzvolle Liebeswacht,
Die weinend schöne Tage rückbeschwöret.

Wie Harfen ist jedwedes Herz besaitet,
Es ist der Schmerz, des Hand darüber gleitet,
Der noch bis jetzt den Preis im Lied errang:

In dieser Stund' ist er trotz Nachtgebeten
Zu präludieren an das Bett getreten,
Versuchend seiner künft'gen Harfe Klang.

10.
Schmerz

Ein Mädchenengel geht mir jetzt zur Seite,
Wie er vom Schicksal Wenigen gegeben,
Daß er verschöne dieses arme Leben,
Doch wird er bald des Todes sich're Beute.

Vergebens ist mein liebendes Bestreben,
Daß ich dies Leben vom Geschick erstreite;
Gleichwie ein Lied vertönet in der Weite,
Wird sie verklärt sich bald gen Himmel heben.

Verwelkte Liebesfreuden zu beklagen,
Mit Neid und Schmach sich um sein Glück zu schlagen,
Geschmäht, verkannt durch diese Welt zu gehen,

Mag Wollust sein mit diesem Schmerz verglichen,
Sein Liebstes so an gift'gen Wurmesstichen
Des Todes nach und nach verwelken sehen.

11.
Lieb' und Haß

Die Liebe kennen lernen ist so leicht,
Und leicht ist's auch den grimmsten Haß begreifen,
Doch schwerer schon die beiden abzustreifen,
Wenn nur die Ahnung ihrer Dich beschleicht.

Die Liebe bleibt wie Regenbogens Streifen
In Deinem Aug', wenn er vom Himmel weicht;
Der Haß harrt aus, sein kleinstes Körnlein reicht,
Zu wurzeln tief und Frucht auf Frucht zu reifen.

Die schönsten Himmelsfarben gibst Du hin,
Willst Du Dein Herz die Liebe räumen heißen,
Wie Regenbogen über'm Tal verglüh'n.

Doch willst vielleicht ausroden Du den Haß,
Mußt Du das Herz Dir aus dem Busen reißen,
Denn ganz des Hasses Wurzel wurde das.